Beschluss vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 11 K 4456/04

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 07. Oktober 2004 (11 K 2870/04) wird mit Ausnahme der Kostenentscheidung und der Streitwertfestsetzung geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerinnen (11 K 2869/04) wird angeordnet.

Die Kosten des Abänderungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert des Abänderungsverfahrens wird auf EUR 15.000,- festgesetzt.

Gründe

 
1. Der Antrag der Antragstellerinnen, den vorangegangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 07.10.2004 wegen veränderter Umstände gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2, 1. Alternative VwGO zu ändern, ist statthaft. Nachdem der Schwager der Antragstellerin Ziffer 1, Herr ..., am 13.12.2004 vor dem Standesamt B. die Vaterschaft der Antragstellerin Ziffer 3 anerkannt hat, liegen mit Blick auf das vorliegende Verfahren veränderte Umstände vor (dazu sogleich unten). Ob es sich, was die Antragsgegnerin bestreitet, zugleich um im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände handelt (§ 80 Abs. 7 Satz 2, 2. Alternative VwGO), ist unerheblich. Im Übrigen würde das Gericht auf Grund des vorliegenden Vaterschaftsanerkenntnisses auch von Amts wegen gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO eine Abänderung des vorangegangenen Beschlusses für notwendig erachten.
2. Durch das vorliegende Vaterschaftsanerkenntnis vom 13.12.2004 steht nunmehr fest, dass die Antragstellerin Ziffer 3 seit ihrer Geburt, also seit dem 05.06.2000, deutsche Staatsangehörige ist. Zwar hat sie gerade hierdurch keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem nur für Ausländer Geltung beanspruchenden Aufenthaltsgesetz (vgl. § 2 Abs. 1 AufenthG). Gleichwohl entsteht durch die Ablehnungsentscheidung der Antragsgegnerin in Ziff. 1 der angegriffenen Verfügung der Rechtsschein einer vollziehbaren Ausreisepflicht. Zur Klarstellung ist daher auch insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Mit Blick auf die deutsche Staatsangehörigkeit der Antragstellerin Ziff. 3 scheidet daneben auch eine Abschiebung in die Türkei ohne Weiteres aus, weshalb die entsprechende Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 der angegriffenen Verfügung ebenfalls keinen Bestand haben dürfte.
Daraus folgt zugleich, dass sowohl die Versagung eines Aufenthaltstitels für die Antragstellerin Ziffer 1, die allein sorgeberechtigte Mutter, als auch für die Antragstellerin Ziffer 2, die ebenfalls minderjährige Schwester, - sofern diese nicht durch Abgabe eines entsprechenden Vaterschaftsanerkenntnisses ebenfalls deutsche Staatsangehörige sein sollte -, keinen Bestand haben dürfte und jedenfalls auch eine Abschiebung der Antragstellerinnen Ziffer 1 und 2 ohne die Antragstellerin Ziffer 3 im Lichte des Artikels 6 Abs. 1 GG ohne Weiteres ausscheidet.
Soweit die Antragsgegnerin diese rechtlichen Konsequenzen zwar nicht bestreitet, die deutsche Staatsangehörigkeit der Antragstellerin Ziffer 3 aber verneinen möchte, geht dies fehl.
Gemäß § 4 Abs. 3 StAG erwirbt ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland, wenn wenigstens ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und u.a. eine Niederlassungserlaubnis besitzt.
Der die Vaterschaft der Antragstellerin Ziffer 3 anerkennende Mann erfüllt ohne Weiteres die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften dieser Norm; er war seit 1988 in Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die seit dem 01.01.2005 als Niederlassungserlaubnis fortgilt (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), und er hat auch seit mindestens dieser Zeit seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Dieser Mann ist aber auch „Elternteil“ im Sinne von § 4 Abs. 3 StAG.
Elternteil im Sinne dieser Vorschrift ist entweder die Mutter oder der Vater. Dies bedarf keiner näheren Darlegung. Wer Vater im Sinne des § 4 Abs. 3 StAG ist, wurde vom Gesetzgeber im Zuge des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15.07.1999 (BGBl. I, S. 1618) - aus welchen Gründen auch immer - nicht besonders geregelt. Es bleibt daher nur die Möglichkeit, die gesetzliche Definition des Vaters in § 1592 BGB heranzuziehen. Vater ist danach nicht etwa (nur) der tatsächliche biologische Erzeuger eines Kindes. Vielmehr ist Vater eines Kindes u.a. der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat (§ 1592 Nr. 2 BGB).
Führt aber das Vaterschaftsanerkenntnis vom 13.12.2004 rechtlich zu einer wirksamen Vaterstellung, so ist die Rechtsfolge des § 4 Abs. 3 StAG, wonach die Antragstellerin Ziffer 3 mit ihrer Geburt im Inland deutsche Staatsangehörige geworden ist, nicht zu vermeiden.
Selbstverständlich weiß auch das Gericht, dass nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, das abgegebene Vaterschaftsanerkenntnis könne einer „biologischen Wahrheit“ entsprechen. Die Antragstellerin Ziffer 1 hat über die Abstammung ihrer Kinder, die Antragstellerinnen Ziffer 2 und 3, in der Vergangenheit so viel unterschiedliche (und stets unwahre) Angaben gemacht, dass nichts für die Annahme spricht, die erst unmittelbar in Zusammenhang mit der bevorstehenden Abschiebung der Antragstellerinnen abgegebene Erklärung ihres Schwagers, die Vaterschaft anzuerkennen, könne „richtig“ sein. Allein, darauf kommt es nicht an. § 1592 Nr. 2 BGB lässt „falsche“ Vaterschaftsanerkenntnisse ausdrücklich zu. Eine Anfechtungsmöglichkeit durch öffentliche Stellen ist nicht vorgesehen. Damit ist das vorliegende Ergebnis nach derzeitiger Rechtslage unvermeidbar.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG.

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