Beschluss vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 4 K 2450/10

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Antragstellerin begehrt - sachdienlich gefasst - die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 16.06.2010 gegen Nr. 2 der Verfügung der Antragsgegnerin vom 02.06.2010. Unter Nr. 2 wurde der Antragsgegnerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (Nr. 3) die Aufstellung von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit im Sinne des § 33 c GewO in den öffentlich zugänglichen Betriebsräumen des „Café F.“ in Stuttgart mit Zustellung dieser Verfügung untersagt und die Entfernung des bereits aufgestellten Gewinnspielgerätes innerhalb von 3 Tagen ab Zustellung angeordnet. Für den Fall, dass noch mit Ablauf des 3. auf Zustellung des Bescheids folgenden Tags Gewinnspielgeräte aufgestellt sind, wurde pro aufgestelltem Gewinnspielgerät ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR angedroht (Nr. 4). Gleichzeitig wurde unter Nr. 1 der Antrag auf Aufstellplatzbestätigung abgelehnt. Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bzw. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 12 LVwVG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer alsbaldigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung und dem privaten Interesse der Antragstellerin, während des Rechtsbehelfsverfahrens von dieser Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben, vorzunehmen. Im vorliegenden Fall überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse, da sich der angegriffene Bescheid der Antragsgegnerin bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig erweist.
Die Anordnung des Sofortvollzugs hat die Antragsgegnerin in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO genügenden Weise unter anderem damit begründet, dass angesichts der dem Spielermetier immanenten Gefährdung Einzelner und des Gemeinwesens es insbesondere aus Gründen des Jugendschutzes nicht hingenommen werden könne, dass bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung weitergespielt werde.
Zutreffend hat die Antragsgegnerin als Ortspolizeibehörde die Verfügung auf §§ 1 und 3 PolG gestützt. § 15 Abs. 2 GewO als spezielle Eingriffsgrundlage fände nur Anwendung, soweit es um die teilweise Untersagung des Betriebs einer (erlaubnispflichtigen) Spielhalle im Sinn des § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO ginge, was hier nicht der Fall ist.
Nach § 33 c Abs. 3 Satz 1 GewO darf der Gewerbetreibende Spielgeräte im Sinne des Abs. 1, d. h. Spielgeräte, die mit einer den Spielausgang beeinflussenden technischen Vorrichtung ausgestattet sind, und die die Möglichkeit eines Gewinnes bieten, nur aufstellen, wenn ihm die zuständige Behörde schriftlich bestätigt hat, dass der Aufstellungsort den auf der Grundlage des § 33 f Abs. 1 Nr. 1 GewO erlassenen Durchführungsvorschriften entspricht. Die Antragstellerin ist nicht im Besitz einer derartigen Bestätigung. Die Erteilung einer solchen Bestätigung hat die Antragsgegnerin gleichfalls im Bescheid vom 02.06.2010 abgelehnt. Die Antragstellerin hat auch hiergegen Widerspruch erhoben. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das Geldspielgerät derzeit formell rechtswidrig aufgestellt ist. Die Ablehnung ist jedoch hier inzident mit zu überprüfen, da sie Grundlage der Untersagungsverfügung ist. Stünde der Antragstellerin offensichtlich ein Anspruch auf Erteilung der Bescheinigung zu, könnte im vorliegenden Verfahren die Beseitigung des Geldspielgeräts nicht verlangt werden. Nach summarischer Prüfung ist der Aufstellungsort aber auch materiell illegal, weil die Voraussetzungen für eine zulässige Spielstätte nach § 1 SpielV nicht vorliegen, wie die Antragsgegnerin in ihrer Verfügung zutreffend ausführt.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV darf ein Spielgerät, bei dem der Gewinn in Geld besteht (Geldspielgerät), nur aufgestellt werden in Räumen von Schank- oder Speisewirtschaften, in denen Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden, oder in Beherbergungsbetrieben.
Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 SpielV darf ein Geldspielgerät nicht aufgestellt werden in Trinkhallen, Speiseeiswirtschaften bzw. Milchstuben.
Die Antragsgegnerin hat sich - bei summarischer Prüfung der Kammer zutreffend - auf den Standpunkt gestellt, dass es sich bei dem „Café F.“ um eine Speiseeiswirtschaft in diesem Sinn handelt und aus diesem Grunde die Aufstellung von Geldspielgeräten nicht in Betracht kommt.
Unter einer Speiseeiswirtschaft - auch im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SpielV - ist eine Gaststätte zu verstehen, in der vorwiegend Speiseeis verabreicht wird (BVerwG, Beschl. v. 29.06.1987 - 1 B 63.87, NVwZ 1987, 1081). Für die Beurteilung maßgeblich ist der durch objektive Merkmale geprägte Charakter des Betriebs (vgl. VGH Bad.-Württ, Beschl. v. 18.01.1993 - 14 S 2178/92 -, GewArch 1993, 247). Die Antragsgegnerin hat hierzu ausgeführt, dass die innere Ausstattung des Cafés für den Charakter eines Eiscafés spreche. Dies ergebe sich zum einen aus der räumlichen Anordnung der Eistheke, die sich - wie typisch für Eiscafés - in unmittelbarer Nähe des Eingangs befinde, weil auf diese Weise der Verkauf des Speiseeises zum Mitnehmen erleichtert werde. Ein solcher Straßenverkauf finde hier auch statt. Auch die übrige Ausstattung mit einer geringen Tischgröße von nur ca. 0,5 qm sei für Speiseeiswirtschaften, nicht aber für Gast- und Schankwirtschaften charakteristisch. Dass an der Hausfront lediglich „Café F.“ stehe, beinträchtige diese Sichtweise nicht.
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Diese behördliche Einschätzung, die durch die bei den Akten befindlichen Lichtbilder und das Ergebnis der 18.05.2010 durch Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Stuttgart erfolgten Betriebskontrolle unterstützt wird, begegnet voraussichtlich keinen Bedenken. Die Einwendungen der Antragstellerin hiergegen werden voraussichtlich nicht durchdringen. Das gilt zunächst für den Vortrag, die Aussagen zur Tischgröße stimme schon bei den Tischen im Innenbereich nicht mehr; diese nicht näher präzisierte Aussage steht nicht nur im Gegensatz zum Vortrag der Antragsgegnerin, vielmehr dokumentieren auch die vorgelegten Lichtbilder eine geringe Größe der Tische im Innenraumbereich. Dass neben Eis auch Getränke verabreicht werden, ist für die Einstufung ebenso unschädlich wie der Umstand, dass der Eisverkauf nur auf wenige Monate beschränkt ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.06.1987, a.a.O.; Michel/Kienzle/Pauly, GaststG, 14. Aufl., § 3 SpielV, Rn. 15 S. 150). Soweit die Antragstellerin vorträgt, aus den Lichtbildern ergebe sich, dass auch Speisen wie Pizza, Fleischgerichte etc. verkauft würden, vermag die Kammer dies in tatsächlicher Hinsicht - ausweislich der Snack-Karte - nur hinsichtlich von Fertigpizza und Baguettes nachzuvollziehen. Ein derartiges Speiseangebot ist nach Auffassung der Kammer mit einer Qualifizierung als Speiseeiswirtschaft aber noch vereinbar. Zwar ist die Grenze zur Speisegaststätte dann überschritten, wenn „warme Mahlzeiten“ verabreicht werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.06.1987, a.a.O.; Michel/Kienzle/Pauly, GaststG, 14. Aufl., § 3 SpielV, a.a.O.). Bei summarischer Prüfung handelt es sich jedoch bei den - durch Mikrowelle oder in anderer Weise einfach zu erwärmenden - Snacks nicht um „warme Mahlzeiten“ im Sinn der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Das Bundesverwaltungsgericht hatte - die zu seinem Entscheidungszeitpunkt faktisch noch nicht in gleicher Weise wie heute bedeutsame - Mikrowellenerhitzung weder ausdrücklich erwähnt noch inhaltlich erkennbar in den Blick genommen. Nach Auffassung der Kammer ist es nicht gerechtfertigt, bei Erhitzung von Speisen, u.a. durch Mikrowelle zwingend von einer Speisewirtschaft auszugehen. Vielmehr ist für jene das Angebot „zubereiteter Speisen“ charakteristisch (vgl. § 1 Nr. 2 GastG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV) und damit das volle Spektrum von Zubereitungsarten; werden dagegen - wie hier - nur „Snacks“ angeboten, deren Zubereitungsaufwand minimal ist, so steht dies dem Charakter einer Speiseeiswirtschaft noch nicht im Wege.
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Die Einstufung als Speiseeiswirtschaft wird schließlich im Übrigen indiziell - ohne dass es entscheidend hierauf ankommt (vgl. VGH Bad.-Württ, Beschl. v. 18.01.1993, a.a.O.) - dadurch unterstützt, dass die Antragstellerin ihren Antrag auf Aufstellplatzbescheinigung vom 07./10.05.2010 selbst ausdrücklich auf das „Eiscafé F.“ bezieht und auch dem Betreiber des Café F. die vorläufige Gaststättenerlaubnis vom 28.04.2010 für eine Schank- und Speisewirtschaft in Form eines Eiscafés erteilt wurde.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten der Antragsgegnerin liegen bei summarischer Prüfung somit vor. Von dem ihr eingeräumten Ermessen hat sie in voraussichtlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.
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Die Androhung der Zwangsmaßnahmen für den Fall der Nichtbefolgung der Verfügung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. sie beruht auf §§ 20 Abs. 1, 2 und 3, 23 LVwVG i.V.m. § 2 Nr. 2 LVwVG.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei am Streitwert für eine Klage gegen eine Gewerbeuntersagung, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist.

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