Beschluss vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 5 K 963/15

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 8.375 Euro festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller beantragte im Januar 2014 beim Landratsamt Heilbronn die Erteilung eines Drei-Jahres-Jagdscheins. Das Landratsamt holte nachfolgend eine Auskunft aus dem Bundeszentralregister (Ausdruck vom 7. März 2014) ein. Sodann teilte es dem Antragsteller mit, dass wegen einer seit 22. Oktober 2009 rechtskräftigen Entscheidung des Amtsgerichts Reutlingen, mit dem der Antragsteller wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt wurde, die Erteilung erst nach dem Ablauf der fünfjährigen Sperrfrist im Oktober 2014 in Betracht komme.
Dem Antragsteller wurde sodann am 27. Oktober 2014 vom Landratsamt ein Drei-Jahres-Jagdschein (...) und auf seinen Antrag vom 6. November 2014 am 17. November 2014 eine Waffenbesitzkarte (...) ausgestellt. In diese sind zwischenzeitlich nach Aktenlage fünf Waffen eingetragen.
Mit Entscheidung vom 27. Januar 2015 nahm das Landratsamt die Erteilung des Jagdscheins Nr. ... zurück; es erklärte den Jagdschein für ungültig und zog ihn ein (Ziffer 1). Die „Erteilung der darauf aufbauenden waffenrechtlichen Erlaubnisse in Form der Waffenbesitzkarte Nr. ...“ nahm es ebenfalls zurück (Ziffer 2). Es verpflichtete den Antragsteller, die „auf Grund der Erlaubnisse berechtigt erworbenen Waffen und ggf. Munition“ bis spätestens 1. März 2015 an Berechtigte zu überlassen oder unbrauchbar machen (Ziffer 3), und die Erlaubnisurkunden unverzüglich, spätestens bis 7. Februar 2015 zurückzugeben (Ziffer 4). Schließlich ordnete es die sofortige Vollziehung von Ziffern 1, 3 und 4 der Entscheidung an.
Gegen die Entscheidung erhob der Antragsteller am 2. Februar 2015 Widerspruch.
Am 25. Februar 2015 stellte er beim Verwaltungsgericht Stuttgart einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Er beantragt - sachdienlich ausgelegt (§ 122 Abs. 1 in Verbindung mit § 88 VwGO) -, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 2. Februar 2015 gegen die Entscheidung des Landratsamts Heilbronn vom 27. Januar 2015, soweit sich der Widerspruch gegen deren Ziffern 1, 3 und 4 richtet, wiederherzustellen und, soweit er sich gegen deren Ziffer 2 richtet, anzuordnen.
II.
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Berichterstatter anstelle der Kammer (§ 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO; Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 9. März 2015 und Schriftsatz des Antragsgegners vom 9. März 2015).
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist zwar zulässig. Er ist insbesondere, soweit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen Ziffer 2 der Entscheidung vom 27. Januar 2015 begehrt wird, gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 45 Abs. 5 WaffG und im Übrigen gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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a) Dies gilt zunächst, soweit mit ihm die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen Ziffer 1 der Entscheidung vom 27. Januar 2015 begehrt wird.
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aa) Das Landratsamt hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahme bzw. der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins formell ordnungsgemäß begründet (vgl. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (vgl. zum Folgenden Beschluss vom 20. September 2011 - 10 S 625/11 -, juris Rn. 4) können im Bereich des Gefahrenabwehrrechts, dem die Vorschriften über Jagdscheine (§§ 15 ff. BJagdG) funktional zuzuordnen sind, die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gesichtspunkte typischerweise zugleich die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigen. Je gewichtiger die potenziell gefährdeten Rechtsgüter und je geringer die Einflussmöglichkeiten auf die Schadensquelle sind, umso eher ist es angezeigt, präventiv die Entfaltung der schadensträchtigen Aktivität mit sofortiger Wirkung zu unterbinden. Allerdings bedarf auch in solchen Fällen, in denen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung dieselben Elemente des öffentlichen Interesses maßgeblich sind wie für den Verwaltungsakt selbst, die Vollzugsanordnung einer Begründung im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Vor dem dargelegten Hintergrund sind aber an die Substantiierung der formellen Begründung der Sofortvollzugsanordnung regelmäßig keine hohen Anforderungen zu stellen. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verlangt nur, dass die Behörde die aus ihrer Sicht bestehenden Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung benennt und damit zugleich dokumentiert, dass sie sich der Notwendigkeit eines - wenn auch mit dem Interesse am Grundverwaltungsakt identischen - besonders eilbedürftigen Vollzugsinteresses bewusst gewesen ist.
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Diesen Anforderungen genügt die Begründung von Ziffer 1 der Entscheidung vom 27. Januar 2015. Das Landratsamt verweist zunächst darauf, dass der Antragsteller nicht die für den Umgang mit Waffen oder Munition und die Jagdausübung erforderliche Zuverlässigkeit besitze. Es führt sodann im Wesentlichen aus: Der Gesetzgeber habe für diese Fälle bereits ein sofortiges Vollzugsinteresse am Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse gesehen und folglich festgelegt, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Rücknahme einer waffenrechtlichen Erlaubnis wegen Fehlens der Zuverlässigkeit keine aufschiebende Wirkung hätten. Der vom Gesetzgeber gewollte Sofortvollzug würde ins Leere laufen, wenn die Betreffenden für die Dauer eines eventuellen Widerspruchsverfahrens trotzdem weiterhin im Besitz von Waffen und Munition bleiben könnten. Schon allein aus diesem Grund sei der Sofortvollzug auch für die Rücknahme des Jagdscheins, der ebenfalls eine waffenrechtliche Erlaubnis darstelle, wie auch für die Rückgabe der Erlaubnisurkunden und für die Überlassung von Waffen und Munition anzuordnen. Ferner sei die Anordnung im Falle des Antragstellers auch unabhängig davon geboten. Sie sei geeignet, das gewollte Schutzziel zu erreichen, nämlich den Besitz von Waffen und Munition durch den Antragsteller als waffenrechtlich unzuverlässige Person zu beenden. Sie sei auch erforderlich. Insbesondere habe der Antragsteller bereits geäußert, dass er mit der Entscheidung nicht einverstanden sein würde. Ferner sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch angemessen. Sie beeinträchtige den Antragsteller nicht über Gebühr. Sein Interesse am weiteren Besitz seiner Waffen und am Fortbestand seines Jagdscheins habe gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit, vor dem Umgang unzuverlässiger Personen mit Waffen und Munition geschützt zu werden, zurückzutreten. Es könne auch ein eventuelles Rechtsbehelfsverfahren nicht abgewartet werden. Es seien ferner keine Gründe ersichtlich, die der Anordnung entgegenstehen würden.
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Da § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO lediglich eine - von der materiellen Prüfung des Bestehens eines Sofortvollzugsinteresses zu unterscheidende - formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung normiert (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. September 2011 - 10 S 625/11 -, juris Rn. 5 m.w.N.), ist es nicht von Bedeutung, ob die verlautbarten Erwägungen der Behörde inhaltlich zutreffen. Das Gericht nimmt im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO eine eigene Interessenabwägung vor und ist nicht auf die bloße Überprüfung der von der Behörde getroffenen Entscheidung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO beschränkt (vgl. sogleich).
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bb) Bei einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO hat das Gericht eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung und dem Interesse des Betroffenen, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vor Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben, vorzunehmen. Diese fällt vorliegend zulasten des Antragstellers aus. Denn nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen Ziffer 1 der Entscheidung vom 27. Januar 2015 erfolglos bleiben wird ((1)). Umstände, die gleichwohl eine Interessenabwägung, die zu seinen Gunsten ausfällt, gebieten würden, vermag das Gericht nicht zu erkennen ((2)).
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(1) (a) Ziffer 1 der Entscheidung ist allerdings derzeit rechtswidrig. Sie kann nämlich nicht auf § 18 Satz 1 BJagdG gestützt werden. Nach dieser Vorschrift ist die Behörde, die den Jagdschein erteilt hat, wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheins begründen, erst nach Erteilung des Jagdscheins eintreten oder ihr bekanntwerden, in den Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 18 Satz 1 BJagdG liegen nicht vor. Dem Landratsamt ist keine Tatsache, welche die Versagung des Jagdscheins begründet, nach Erteilung des Jagdscheins am 27. Oktober 2014 bekannt geworden.
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Dass der Antragstellers durch eine seit 19. Oktober 2007 rechtskräftige Entscheidung des Amtsgerichts Stuttgart unter anderem wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden war, hatte das Landratsamt bereits aufgrund des Bundeszentralregisterauszugs vom 7. März 2014 erfahren; ausweislich der handschriftlichen Anmerkungen auf diesem Auszug hatte die bearbeitende Person auch unter Hinweis auf § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagd in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b WaffG - zutreffend - auf die Unzuverlässigkeit des Antragstellers geschlossen.
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Der Antragsgegner beruft sich in der Entscheidung vom 27. Januar 2015 sowie im vorliegenden Verfahren denn auch auf einen Irrtum über die Bedeutung des Zusatzes „Strafe erlassen mit Wirkung vom 18.01.2011“ (vgl. § 59g Abs. 1 StGB). Ein derartiger Rechtsirrtum berechtigt indes nicht zu einem Vorgehen nach § 18 Satz 1 BJagdG. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut stellt diese Vorschrift auf das Bekanntwerden von Tatsachen ab und nicht darauf, ob aus bekannten Tatsachen der zutreffende rechtliche Schluss gezogen wird (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 5. August 2003 - 11 B 2429/03 -, juris Rn. 15 f.; VG Sigmaringen, Beschluss vom 6. Oktober 1998 - 4 K 2217/98 -, juris Rn. 18; Leonhardt, Jagdrecht, Stand: September 2014, zu § 18 BJagd Nr. 1.2.2; wohl anderer Auffassung Lorz/Metzger/Stöckel, Jagdrecht, Fischereirecht, 4. Aufl. 2011, § 18 Rn. 1).
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Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass gemäß § 47 Abs. 3 LVwVfG die Umdeutung der hier auf der Grundlage von § 18 Satz 1 BJagdG getroffenen Entscheidung in eine Rücknahme nach § 48 LVwVfG von vornherein ausscheidet.
21 
Entgegen der Auffassung des Antragstellers muss im Übrigen eine Anhörung gemäß § 28 Abs. 1 LVwVfG nicht zwingend schriftlich erfolgen (vgl. etwa Grünewald, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, § 28 Rn. 25 ff.). Selbst wenn im vorliegenden Fall eine Anhörung nur schriftlich erfolgen könnte, wird diese nachgeholt werden können (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 LVwVfG); der entsprechende Verfahrensfehler wird unbeachtlich sein.
22 
(b) Der Widerspruch wird dennoch aller Voraussicht nach erfolglos bleiben. Denn es ist davon auszugehen, dass im Rahmen des noch nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens für Ziffer 1 der Entscheidung vom 27. Januar 2015 § 48 Abs. 1 LVwVfG als Rechtsgrundlage herangezogen und das von dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt werden wird (zur Zulässigkeit des Abstellens auf den voraussichtlichen Ausgang des Widerspruchsverfahrens vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. Juli 2009 - 9 S 1078/09 -, nicht veröffentlicht [„Da somit auf der Grundlage des nach Aktenlage feststellbaren Sachverhalts auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes der Schulausschluss des Antragstellers als ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen werden kann und im Rahmen des noch nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens eine solche Entscheidung zu erwarten ist, bewertet der Senat das Vollzugsinteresse des Antragsgegners […] höher als das Suspensivinteresse des Antragstellers.“]).
23 
§ 18 Satz 1 BJagdG verdrängt für die tatbestandlich geregelten Fälle - wie die der Unzuverlässigkeit - als spezielle Norm die Vorschriften über die Rücknahme von rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakten nicht (VG Hannover, Beschluss vom 5. August 2003 - 11 B 2429/03 -, juris Rn. 18). Die gegenteilige Auffassung (vgl. VG Sigmaringen, Beschluss vom 6. Oktober 1998 - 4 K 2217/98 -, juris) würde in dem von § 18 BJagdG nicht erfassten Fall, dass der Jagdschein erteilt wurde, obwohl er aufgrund einer der Behörde bekannten Tatsache nicht hätte erteilt werden dürfen, wegen des Fehlens einer Rechtsgrundlage zu dem vom Gesetzgeber kaum gewollten Ergebnis führen, dass der Inhaber des Jagdscheins diesen behalten darf (vgl. VG Hannover, a.a.O.). Dem vom Inhaber eines rechtswidrig erteilten Jagdscheins getätigten Vertrauens ist durch die Regelung des § 48 Abs. 3 LVwVfG ausreichend Genüge getan.
24 
§ 48 Abs. 1 LVwVfG bestimmt, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann.
25 
Die Erteilung des Jagdscheins an den Antragsteller am 27. Oktober 2014 war rechtswidrig. Denn der Antragsteller war waffenrechtlich unzuverlässig. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG darf nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG erteilt werden, wenn die Zuverlässigkeit oder die persönliche Eignung im Sinne der §§ 5 und 6 des Waffengesetzes fehlen. Die (absolute) waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers folgt (derzeit und noch bis zum 19. Oktober 2017) aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b WaffG.
26 
Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass das von § 48 Abs. 1 LVwVfG eingeräumte Rücknahmeermessen nur dergestalt ausgeübt werden kann, dass von der Rücknahme abzusehen ist („Ermessensreduzierung auf Null“ zugunsten des Antragstellers). Die rücknahmehemmende Regelung des Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 LVwVfG gilt im vorliegenden Fall nicht, da ein Drei-Jahres-Jagdschein kein Verwaltungsakt ist, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist. Für die Rücknahme des Drei-Jahres-Jagdschein gilt vielmehr § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 LVwVfG. Hiernach hat die Behörde dem Betroffenen auf seinen Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist.
27 
Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG steht der Rücknahme im Übrigen derzeit auch nicht entgegen. Denn diese beginnt (erst) zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit erkannt hat und ihr die für die Rücknahme außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (BVerwG, Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1984 - BVerwG Gr. Sen. 1 und 2.84 -, BVerwGE 70, 356 [362]).
28 
(2) Dass die Interessenabwägung wegen der derzeitigen Rechtswidrigkeit von Ziffer 1 der Entscheidung vom 27. Januar 2015 zugunsten des Antragstellers ausfällt, ist im Übrigen auch aus dem Grund nicht angezeigt, dass der Antragsteller derzeit, wie er letztlich selbst einräumt, nicht im Besitz eines Drei-Jahres-Jagdscheins sein dürfte.
29 
b) Es besteht auch kein Anlass, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Ziffer 2 der Entscheidung vom 27. Januar 2015 (Rücknahme der Waffenbesitzkarte) anzuordnen.
30 
Die auch im Rahmen einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung geht zulasten des Antragstellers aus. Denn die Rücknahme der Waffenbesitzkarte wird sich aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen.
31 
Rechtsgrundlage von Ziffer 2 der Entscheidung vom 27. Januar 2015 ist § 45 Abs. 1 WaffG. Hiernach ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz - wie eine Waffenbesitzkarte (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 WaffG) - zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen. Vom Wortlaut der Regelung gedeckt ist - anders als vom Wortlaut des § 18 Satz 1 BJagdG - der hier anzunehmende Fall eines Rechtsirrtums (vgl. auch Hinze, Waffenrecht, Kommentar WaffG, § 45 Rn. 13 [Stand: 68. Aktualisierung Oktober 2014]).
32 
Dem Antragsteller hätte die Waffenbesitzkarte wegen fehlender waffenrechtlicher Zuverlässigkeit nicht erteilt werden dürfen (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b WaffG, siehe oben unter a) bb) (1) (b)).
33 
Als Rechtsfolge sieht § 45 Abs. 1 WaffG zwingend die Rücknahme der Erlaubnis vor.
34 
c) Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist weiterhin nicht wiederherzustellen, soweit er sich gegen Ziffern 3 und 4 der Entscheidung vom 27. Januar 2015 (Verpflichtung zur Überlassung von Waffen und Munition oder der Unbrauchbarmachung sowie Rückgabe der Erlaubnisurkunden richtet. Auch insoweit geht nämlich die Interessenabwägung zulasten des Antragstellers aus (zur ordnungsgemäßen Begründung des Sofortvollzugs vgl. bereits oben unter a) aa)). Denn die Anordnungen werden sich voraussichtlich als rechtmäßig erweisen. Eigenständige Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Anordnungen hat der Antragsteller im Übrigen nicht vorgebracht.
35 
Rechtsgrundlage für Ziffer 3 der Entscheidung ist § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde, wenn jemand auf Grund einer Erlaubnis, die zurückgenommen, widerrufen oder erloschen ist, Waffen oder Munition erworben oder besessen hat und noch besitzt, anordnen, dass er binnen angemessener Frist die Waffen oder Munition dauerhaft unbrauchbar macht oder einem Berechtigten überlässt. Hier hat das Landratsamt die Waffenbesitzkarte des Antragstellers sofort vollziehbar zurückgenommen.
36 
Das Landratsamt hat Ziffer 4 der Entscheidung zu Recht auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG und auf § 52 LVwVfG gestützt. Die Anordnung der Rückgabe des Jagdscheins müsste im Falle einer Ungültigerklärung und Einziehung nach § 18 Satz 1 BJagdG zwar wohl auch auf diese Vorschrift gestützt werden (VG Münster, Beschluss vom 5. März 2010 - 1 L 106/10 -, juris Rn. 20). Hier wird die Rücknahme des Jagdscheins allerdings aller Voraussicht nach auf § 48 Abs. 1 LVwVfG gestützt werden, so dass § 52 LVwVfG zur Anwendung kommen wird.
III.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
38 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, § 39 Abs. 1 GKG in Verbindung mit den Empfehlungen in Nr. 20.3 und 50.2 sowie 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt z.B. in Schoch u.a., VwGO, Stand: März 2014 [EL 26], unter § 163). Soweit das Verfahren die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Rücknahme des Jagdscheins betrifft, ist ein Wert von 4.000 Euro, soweit es die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Rücknahme der Waffenbesitzkarte betrifft, ein Wert von ([4.000 + 5 x 750] : 2 =) 4.375 Euro festzusetzen. In der Summe ergibt sich der im Tenor festgesetzte Betrag.

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