Beschluss vom Verwaltungsgericht Würzburg - W 6 S 20.30176

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Bevollmächtigten wird abgelehnt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist ukrainische Staatangehörige und reiste am 30. November 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihren am 25. Juni 2015 beim Bundesamt für ... (Bundesamt) gestellten Asylantrag lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 27. Juli 2017 ab. Die hiergegen erhobene Klage wurde mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 13. März 2019 (Az.: W 6 K 17.33036) abgelehnt.

Am 9. September 2019 stellte die Antragstellerin persönlich beim Bundesamt Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag) und verwies zur Begründung auf ein Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 22. August 2019; überdies wurde ein amtsärztliches Gutachten des Gesundheitsamts am Landratsamt Main-Spessart zur Flug- und Reisetauglichkeit vom 7. August 2019 vorgelegt. Auf die Unterlagen wird verwiesen.

Mit Bescheid vom 8. Januar 2020 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1). Des Weiteren wurde der Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 27. Juli 2017 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG abgelehnt (Nr. 2). Hinsichtlich der Begründung wird auf den Bescheid verwiesen.

Infolgedessen ließ die Antragstellerin am 21. Januar 2020 Klage erheben (Az.: W 6 K 20.30110), über die noch nicht entschieden ist.

Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2020, am selben Tag bei Gericht per Fax eingegangen, ließ die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage W 6 K 20.30110 anzuordnen,

hilfsweise dem Antragsgegner aufzugeben, von Abschiebemaßnahmen bis zur Entscheidung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren abzusehen, sowie der Antragstellerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten zu bewilligen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Akteneinsicht bei der Zentralen Ausländerbehörde ... habe ergeben, dass am 15. Januar 2020 ein Antrag auf Durchführung einer Luftabschiebung gestellt worden sei; die Angaben hierbei widersprächen u.a. dem amtsärztlichen Gutachten vom 7. August 2019, wonach eine Flugtauglichkeit nicht gegeben sei. Die Antragstellerin leide an diversen somatischen und psychischen Beschwerden und sei aufgrund chronischer Schmerzen zeitlebens auf zahlreiche Medikamente angewiesen. Der Versuch einer Luftabschiebung werde zeitnah erfolgen, nachdem der ausgestellte Heimreiseschein nur noch bis zum 17. April 2020 gültig sei. Mit ergänzendem Schriftsatz vom 10. Februar 2020 wurde ausgeführt, die Antragstellerin dürfe zudem wegen § 60 Abs. 5 AufenthG nicht abgeschoben werden, da ihr eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Falle ihrer Rückkehr drohe, da sie zeitlebens auf zahlreiche und spezialisierte Medikamente und kontinuierliche Weiterbehandlung angewiesen sei. Insbesondere sei die unmittelbare Weiterbehandlung nach einer Rückkehr nicht gesichert. Auf die Schriftsätze sowie die beigefügten Unterlagen wird Bezug genommen.

Das Bundesamt beantragte für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakte in der Hauptsache W 6 K 20.30110 sowie im Erstverfahren W 6 K 17.33036, und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

II.

Die Einzelrichterin ist gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 AsylG i.V.m. Nr. I.2 des Geschäftsverteilungsplans der 6. Kammer vom 16. Dezember 2019 zur Entscheidung berufen.

Der gestellte Hauptantrag ist unzulässig. Der Hilfsantrag ist zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Der Hauptantrag mit dem Ziel, die aufschiebende Wirkung der am 21. Januar 2020 erhobenen Klage (Az.: W 6 K 20.30110) gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist unzulässig.

Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist unstatthaft. Ein solcher setzt voraus, dass die Vollziehung eines belastenden Verwaltungsaktes unterbunden werden soll. Vorliegend ist zwar mit dem angefochtenen Bescheid, in dem die den neuerlichen Asylantrag der Antragstellerin als unzulässig abgelehnt hat, ein sie, die Antragstellerin, belastender Verwaltungsakt erlassen worden. Gegen diesen Verwaltungsakt ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 14.12.2016 - 1 C 4.16 - ZAR 2017, 236) die Anfechtungsklage die statthafte Klageart. Vorliegend ist jedoch zu beachten, dass ausweislich der Klageschrift vom 20. Januar 2020 im Klageverfahren W 6 K 20.30110 ausschließlich eine Versagungsgegenklage gegen Ziffer 2 des Bescheids vom 8. Januar 2020, nämlich die Verneinung von Abschiebungshindernissen, erhoben wurde. Hinsichtlich der Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig wurde somit keine Klage erhoben, der Bescheid ist dahingehend bestandskräftig geworden.

Unabhängig davon wäre der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO im Hinblick auf das Begehren der Antragstellerin und dem verfolgten Rechtsschutzziel ebenfalls unzulässig. Die Antragstellerin begehrt bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht abgeschoben zu werden.

Lehnt die Antragsgegnerin einen Asylantrag als Folgeantrag gem. § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71 AsylG als unzulässig ab und erlässt angesichts der im Asylerstverfahren ergangenen vollziehbaren Abschiebungsandrohung nach § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG keine erneute Abschiebungsandrohung, ist die einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO die statthafte Antragsart, um vorläufig eine Abschiebung zu verhindern (vgl. etwa OVG RhPf, B.v. 14.1.2019 - 7 B 11544/18 - juris; VGH BW, B.v. 29.11.2018 - 12 S 2504/18 - juris; HessVGH, B.v. 13.9.2018 - 3 B 1712/18.A - juris sowie VG Würzburg, B.v. 6.2.2019 - W 10 S 19.300067 - juris; Funke-Kaiser in GK-Asylgesetz, Rn. 387 ff. zu § 71 AsylG; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 71 AsylG Rn. 49; Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 6. Aufl., § 9 Rn. 177, 181; BeckOK Ausländerrecht/Dickten, Stand 1.5.2018, § 71 AsylVfG Rn. 37). Grundlage der ihnen drohenden Abschiebung ist die im Asylerstverfahren erlassene und bereits vollziehbare Abschiebungsandrohung.

Das Bundesamt muss gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG auch bei Entscheidungen über unzulässige Asylanträge feststellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen. Da hinsichtlich der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, der eine aufschiebende Wirkung anordnen könnte, ausscheidet, muss vorläufiger Rechtsschutz insoweit durch einen Antrag nach § 123 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gewährt werden. Zweck einer solchen Anordnung ist es, einen Anspruch des betroffenen Ausländers auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorläufig zu sichern. Zur Erreichung dieses Zwecks ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dem Bundesamt aufzugeben, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung des betroffenen Ausländers bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf.

2. Der Hilfsantrag nach § 123 VwGO ist zulässig, jedoch unbegründet.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass für die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen, nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 129 Abs. 2 ZPO sind das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.

Die Antragstellerin hat schon keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, da sie keine Tatsachen glaubhaft machen konnte, wonach bei ihr die Voraussetzungen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen könnten.

Insoweit wird zunächst auf die Ausführungen des Bundesamts im Bescheid vom 8. Januar 2020 Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

2.1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da der Antragstellerin keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Die allgemeine Versorgungslage in der Ukraine stellt keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. Dies ist vorliegend - auch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - nicht der Fall. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Lebensunterhalt der Antragstellerin bei einer Rückkehr in die Ukraine gesichert ist, auch wenn man davon ausgeht, dass sie nur noch eingeschränkt arbeitsfähig sein sollte (vgl. ärztliches Attest der Main Sinn Hausärzte v. 6.2.2020). Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach der Auskunftslage für Rückkehrer die Existenzbedingungen in der Ukraine knapp ausreichend sind und die Versorgung mit Lebensmitteln gewährleistet ist (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, Stand: Februar 2019 - Lagebericht 2019 -, IV.1.1, S. 18). Auch eine medizinische Versorgung ist grundsätzlich kostenlos und flächendeckend gegeben (vgl. Lagebericht 2019, IV.1.3, S. 18). Nach dem „Länderinformationsblatt Ukraine“ (Internationale Organisation für Migration, August 2013) stehen in der Ukraine auch andere Sozialleistungen (Soziale Unterstützung, Kindergeld, Unterstützung für Senioren und alleinstehende Frauen, Alters-, Behinderten- und Hinterbliebenenrenten, Arbeitslosenunterstützung sowie Obdachlosenunterstützung) zur Verfügung.

2.2. Es greift zugunsten der Antragstellerin auch kein Abschiebungsverbot we-gen der Erkrankungen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

2.2.1. Bei der Prognose, ob dem Ausländer bei einer Rückkehr in den Zielstaat dort eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der Verschlimmerung einer individuellen Erkrankung droht, sind alle zielstaatsbezogenen Umstände zu berücksichtigen, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen (BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 - BVerwGE 127, 33). Danach ist der Begriff der Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Entstehungsgrundes nicht einschränkend auszulegen und eine Gefahr für die Rechtsgüter Leib und Leben kann auch dann vorliegen, wenn sie durch die bereits vorhandene Krankheit konstitutionell mitbedingt ist. Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d.h. eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B.v. 17.8.2011 - 10 B 13/11 u.a. - juris; BayVGH, U.v. 3.7.2012 - 13a B 11.30064 - juris Rn. 34).

Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Herkunftsland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.1999 - 9 C 2/99 - juris Rn. 8). Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern.

Gemäß § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG, der gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entsprechend gilt, muss der Ausländer eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

2.2.2. Aus den dem Gericht vorliegenden medizinischen Unterlagen ergibt sich gemessen an diesem Maßstab kein Anhalt dafür, dass es bei der Antragstellerin bezogen auf ihre Erkrankungen zu einer wesentlichen oder sogar lebensbedrohlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr in die Ukraine aufgrund zielstaatsbezogener Umstände kommen wird.

So ist zum einen festzuhalten, dass die zahlreichen psychischen und körperlichen Leiden der Antragstellerin bereits Inhalt des Erstverfahrens gewesen sind. Das Bestehen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten im Hinblick auf § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG wurde vom Gericht im damaligen Klageverfahren geprüft und verneint (VG Würzburg, U.v. 13.3.2019 - W 6 K 17.33036). Soweit im vorliegenden Verfahren maßgeblich auf das amtsärztliche Gutachten vom 7. August 2019 abgestellt wird, ist anzumerken, dass dieses zur Flug- und Reisetauglichkeit der Antragstellerin erstellt wurde, sodass die weiteren Aussagen zur Behandelbarkeit der Antragstellerin in der Ukraine schon nicht vom Begutachtungsauftrag umfasst waren. Ungeachtet dessen wurde dieses Gutachten auch im Verwaltungsverfahren der Antragsgegnerin vorgelegt, welche in ihrem Bescheid zutreffend feststellt, dass dem Gutachten eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin nicht zu entnehmen ist. Überdies genügt dieses Gutachten mitnichten den oben dargestellten qualifizierten Mindestanforderungen, sondern zweifelt lediglich pauschal die Behandelbarkeit der Erkrankungen der Antragstellerin in der Ukraine an. Dies ist jedoch weder ausreichend noch aussagekräftig und widerspricht den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln.

Unabhängig von der Frage, ob die konkreten Erkrankungen der Antragstellerin (chronisches Rückenleiden, Schmerzstörung, Kopfschmerzsyndrom, Inkontinenz) überhaupt zu einem Abschiebungsverbot führen können - was das Gericht anzweifelt - ist jedenfalls die Behandelbarkeit der Erkrankungen nach Überzeugung des Gerichts in der Ukraine gegeben, weshalb Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausscheiden. Nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes ist die medizinische Versorgung in der Ukraine kostenlos und flächendeckend gegeben; Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebenswichtige Maßnahmen durchgeführt und chronische, auch innere und psychische Krankheiten behandelt werden könne, existieren landesweit (vgl. Lagebericht 2019, IV.1.3, S. 18). Gebräuchliche Medikamente werden im Land selbst hergestellt und Apotheken halten teileweise auch importierte Arznei vor (Lagebericht 2019, IV.1.3, S. 18). Nach Überzeugung des Gerichts reichen die Behandlungsmöglichkeiten jedenfalls aus, um einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands entgegenzuwirken. In diesem Zusammenhang ist erneut darauf hinzuweisen, dass der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht dazu dient, bestehende Erkrankungen optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern.

Soweit es um die von der Antragstellerin im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung erstmals vorgetragenen Flugangst geht, handelt es sich hierbei um einen Umstand, der höchstens im Rahmen der Abschiebung selbst und damit während der Vollstreckung der Abschiebeandrohung zum Tragen kommen kann, nicht jedoch um ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot im oben genannten Sinne. In diesem Zusammenhang ist auch die aufgeworfene Problematik zu verorten, wie schnell die auf diverse Medikamente angewiesene Antragstellerin diese in der Ukraine beziehen kann. Nach Erfahrung des Gerichts stattet jedenfalls die hierfür zuständige Ausländerbehörde den auf Medikamente angewiesenen Ausländer mit einem gewissen Grundvorrat an lebensnotwendigen Medikamenten aus.

2.3. Da schon kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wurde, kann offen bleiben, ob ein Anordnungsgrund vorliegt.

3. Mangels Erfolgs war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Folglich war auch der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen.

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