Beschluss vom Verwaltungsgericht Würzburg - W 5 S 20.466

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst.

III. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen die der Beigeladenen mit Bescheid vom 25. Februar 2020 erteilte Baugenehmigung für die Errichtung einer beleuchteten Werbeanlage und begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der hiergegen erhobenen Klage.

1. Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 308/2 der Gemarkung E…, … Straße 20a in E…, das mit einem Gebäude bebaut ist, das sowohl den Antragstellern zu Wohnzwecken als auch dem Gewerbebetrieb des Antragstellers zu 2) (Elektro-Technik) dient. Östlich des Grundstücks der Antragsteller befindet sich, im weiteren Verlauf der hier in Ost-West-Richtung verlaufenden … Straße stadtauswärts, das Grundstück Fl.Nr. 734/6 der Gemarkung E…, … Straße 22 (Baugrundstück), das im Westen an das Grundstück der Antragsteller angrenzt und mit einem Betriebsgebäude der Deutschen Telekom AG bebaut ist. Daran angrenzend Richtung Osten schließt sich ein Grundstück (Fl.Nr. 734/2 der Gemarkung E…, … Straße 24) an, das als Abstellplatz für einen Autohandel dient. Im weiteren Verlauf der … Straße stadtauswärts befindet sich auf dem Grundstück Fl.Nr. 727/4 ein Altenheim (… … … …, … Straße 36) sowie auf dem Grundstück Fl.Nr. 727/3 die Rettungswache des Bayerischen Roten Kreuzes (… Straße 38). Auf dem westlich des Grundstücks der Antragsteller gelegenen Grundstück Fl.Nr. 308 … Straße 16) befindet sich eine Postagentur. Im Übrigen finden sich in der näheren Umgebung überwiegend Wohngebäude. Nördlich bzw. nordwestlich des Baugrundstücks, jenseits der … Straße, die nach Norden durch den Hafen im Altarm des Mains begrenzt wird, befindet sich ein Autohaus (Fl.Nr. 306, 307, 739/15, … Straße 15 und 17) mit Kfz-Werkstatt, einer Tankstelle und entsprechenden Werbeanlagen. Für den fraglichen Bereich existiert kein Bebauungsplan.

2. Mit Bauantrag vom 26. Juli 2019, eingegangen bei der Stadt E… am 30. Juli 2019 und beim Landratsamt H. am 23. September 2019 (ergänzt mit E-Mail vom 11.11.2019), beantragte die Beigeladene die Erteilung der Baugenehmigung für die Errichtung eines doppelseitigen, beleuchteten (nicht dimmbar, starr, blendfrei, unbewegt) Plakatwerbe-Boards „…“ auf Monofuß im Euroformat auf dem Baugrundstück. Ausweislich der Planzeichnungen soll die Werbeanlage mit einer Ansichtsfläche von 2,80 m auf 3,80 m und einer maximalen Höhe von 5,42 m über Erdboden rechtwinklig zur … Straße errichtet werden. Der Abstand zum Wohn- und Geschäftshaus der Antragsteller beträgt ca. 22 m. Die Stadt E… versagte in den Sitzungen ihres Bau- und Umweltausschusses vom 16. September 2019 und vom 3. Februar 2020 ihr gemeindliches Einvernehmen.

Mit Bescheid vom 25. Februar 2020 erteilte das Landratsamt H. der Beigeladenen im vereinfachten Genehmigungsverfahren die Baugenehmigung für die Errichtung der Werbeanlage unter Nebenbestimmungen zum Immissionsschutz, nämlich zum Schutz vor Raumaufhellung und zum Schutz vor Blendung.

3. Gegen die Baugenehmigung vom 25. Februar 2020 ließen die Antragsteller durch ihren Bevollmächtigten am 25. März 2020 bei Gericht Klage erheben (W 5 K 20.464) und stellten im hiesigen Verfahren den

A n t r a g,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung ließen die Antragsteller im Wesentlichen Folgendes vortragen: Die Antragsteller seien Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 308/2 der Gemarkung E…, auf dem sich ein Gebäude befinde, das teilweise zu Wohnzwecken, teilweise auch dem Gewerbebetrieb des Antragstellers zu 2) diene. Im Erdgeschoss befänden sich in der östlichen Gebäudehälfte das Wohnzimmer und das Esszimmer, die vorwiegend bzw. ausschließlich von Osten belichtet würden. Das Gebäude der Deutschen Telekom AG, das auf dem östlich angrenzenden Grundstück errichtet worden sei, passe sich der überwiegenden Wohnbebauung im südlichen Bereich der … Straße an. Das doppelseitig beleuchtete Plakatwerbe-Board auf diesem Grundstück solle auf einem ca. 2,50 m hohen Standfuß angebracht werden, sei 3,80 m breit und 2,80 m hoch, so dass sich eine Gesamthöhe von ca. 5,40 m ergebe. Die Baugenehmigung sei vom Landratsamt zu Unrecht erteilt worden, da das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Die Wohnverhältnisse im Gebäude der Antragsteller würden durch die Errichtung der beleuchteten Werbeanlage nachhaltig negativ beeinträchtigt. Die Werbetafel würde eine Art zusätzliche „Wand“ unweit der Fensterfront der östlichen Außenfassade des Gebäudes der Antragsteller darstellen. Aufgrund der Höhe von über 5 m würde die Werbeanlage eine erdrückende Wirkung auf das Anwesen der Antragsteller haben. Vom Wohn- und Esszimmer der Antragsteller würde quasi nichts anderes mehr wahrgenommen werden als die beleuchtete Werbeanlage. Der Hof des Nachbaranwesens, in dem die Werbeanlage aufgestellt werden solle, stelle den „zentralen“ Ausblick dar, so dass die Werbeanlage die Aussicht aus dem Wohn- und Esszimmerfenster dominieren würde. Die Stadt E… habe zutreffend ausgeführt, dass die geplante Werbeanlage die Verkehrsteilnehmer auf der B 26 ablenken würde. Die Polizeiinspektion H2 habe in ihrer Stellungnahme die relevanten Punkte nicht ausreichend gewürdigt. Der geplante Standort befinde sich durchaus an einem verkehrsneuralgischen Punkt. Im Rahmen einer Abwägung der beidseitigen Interessen sei die beantragte Werbeanlage nicht zu genehmigen. Die Erfolgsaussichten der Hauptsache dürften überwiegen, so dass die aufschiebende Wirkung anzuordnen sei.

4. Das Landratsamt H. stellte für den Antragsgegner den

A n t r a g,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde vorgetragen: Der Antrag sei zulässig, aber nicht begründet, da der Baugenehmigungsbescheid vom 25. Februar 2020 nicht rechtswidrig sei und die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletze. Die Baugenehmigung verstoße weder gegen bauplanungsrechtliche noch gegen sonstige vom Prüfungsumfang umfasste öffentlich-rechtliche Vorschriften mit nachbarschützender Wirkung. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche im vorliegenden Fall einem Mischgebiet i.S.d. § 6 BauNVO. Werbeanlagen seien nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO in einem Mischgebiet als sonstige Gewerbebetriebe allgemein zulässig, so dass die Antragsteller nicht geltend machen könnten, in ihrem Gebietserhaltungsanspruch verletzt zu werden. Auch werde das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt, da von dem beleuchteten Plakatwerbe-Board keine unzumutbaren Belästigungen oder Störungen für die Umgebung ausgingen. Auch aus immissionsschutzfachlicher Sicht sei dem Vorhaben bei Einhaltung der in den im Bescheid genannten Auflagen zugestimmt worden. Bei Einhaltung der Auflagen sei eine erhebliche Belästigung der Nachbarschaft auszuschließen. Die Abstandsflächenvorschriften der Bayerischen Bauordnung seien eingehalten. Eine Beeinträchtigung des Ortsbildes durch die geplante Werbeanlage sei ebenfalls nicht gegeben (§ 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BauGB), da im vorliegenden Fall nicht von einem schützenswerten Ortsbild auszugehen sei. Im vorliegenden Fall sei aufgrund der in der Umgebung vorhandenen Bebauung (Autohaus) nicht von einem schützenswerten Ortsbild auszugehen. Auch werde mit der Werbeanlage keine zusätzliche Beeinträchtigung des Ortsbildes hervorgerufen. Darüber hinaus seien die Vorschriften über den Schutz des Ortsbildes nicht nachbarschützend.

5. Die Beigeladene äußerte sich nicht.

6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Antrag ist zulässig.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller (§ 80 Abs. 1 VwGO) entfällt vorliegend, weil sie sich gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens wenden (§ 212a BauBG). In einem solchen Fall kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen (§ 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO). Ein derartiger Antrag kann unmittelbar bei Gericht gestellt werden.

2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet.

Im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. seines Widerspruchs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 - 1 BvR 165/09 - NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 - 26 CS 87.01144 - BayVBl. 1988, 369; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 68 und 73 ff.). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.

Vorliegend lässt sich nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung anhand der Akten feststellen, dass die Anfechtungsklage der Antragsteller gegen die Baugenehmigung des Landratsamts H. vom 25. Februar 2020 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird, da der angefochtene Bescheid die Antragsteller nicht in nachbarschützenden Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind; insoweit ist das Landratsamt H. hier zutreffender Weise vom vereinfachten Genehmigungsverfahren des Art. 59 BayBO ausgegangen.

Die Baugenehmigung ist nur dann aufzuheben, wenn sie rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Nachbar eines Vorhabens kann eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn es das Vorhaben an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Nur daraufhin ist das genehmigte Vorhaben in einem nachbarrechtlichen Anfechtungsprozess zu prüfen (vgl. OVG Münster, B.v. 5.11.2013 - 2 B 1010/13 - DVBl. 2014, 532; BVerwG, B.v. 28.7.1994 - 4 B 94/94; U.v. 19.9.1986 - 4 C 8.84; U.v. 13.6.1980 - IV C 31.77; alle juris).

Aus - den hier allein zu problematisierenden - bauplanungsrechtlichen Gründen spricht nach summarischer Prüfung nichts für einen Erfolg der Antragsteller im Hauptsacheverfahren. Im vorliegenden Fall ist nach Überzeugung der Kammer ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO) nicht gegeben.

2.1. Das von der Beigeladenen mit Bauantrag vom 26. Juli 2019 begehrte und mit Bescheid des Landratsamts H. vom 25. Februar 2020 genehmigte Vorhaben zur Errichtung einer Werbeanlage ist seiner Art nach auf dem Baugrundstück zulässig.

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens ist nach § 34 BauGB zu beurteilen, da für das Baugrundstück (und die Umgebungsbebauung) kein Bebauungsplan existiert und es auch nicht dem Außenbereich i.S.v. § 35 BauGB zuzuweisen ist.

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB muss sich das Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehört die Beachtung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme zum Bestandteil des Einfügens i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.

Wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der Baunutzungsverordnung bezeichnet sind, entspricht, beurteilt sich nach § 34 Abs. 2 BauGB die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre. § 34 Abs. 2 BauGB kommt über die Gleichsetzung faktischer Baugebiete mit den festgesetzten Baugebieten nachbarschützende Wirkung zu (BVerwG, U.v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 135. Erg.Lief. Dez. 2019, Art. 66 Rn. 346 und 395; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB - BauNVO, 136. Erg.Lief. Oktober 2019, § 34 BauGB Rn. 50a).

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der streitgegenständlichen Werbeanlage richtet sich seiner Art nach nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO.

Denn das streitgegenständliche Bauvorhaben liegt innerhalb eines faktischen Mischgebiets.

Im vorliegenden Fall sind der Antragsgegner wie auch die Stadt E… von einem Mischgebiet ausgegangen. Aufgrund der in den Behörden- bzw. Gerichtsakten vorhandenen Lagepläne und Luftbilder ist auch die Kammer im Rahmen der durchgeführten summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei dem Bauquartier, in dem das streitgegenständliche Bauvorhaben errichtet werden soll bzw. in dem das Grundstück der Beigeladenen bzw. das der Antragsteller liegt, um ein Mischgebiet im Sinne von § 6 BauNVO handelt.

Der rahmenbildende Einzugsbereich der näheren Umgebung umfasst vorliegend den Straßenzug der … Straße, der in westliche Richtung durch die Einmündung des F…wegs und nach Norden durch den Hafen im Altarm des Mains begrenzt wird und nach Osten hin bis zur Einmündung der Straße B… reicht. Innerhalb dieses Bereichs ist die geplante Werbeanlage - wie die Auswertung der vorliegenden Plan- und Luftbildunterlagen ergeben hat - für den fließenden Verkehr in prägender Weise wahrnehmbar.

Die Kammer ist aufgrund der vg. Unterlagen darüber hinaus zu der Überzeugung gelangt, dass der maßgebliche Einzugsbereich einem faktischen Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO entspricht. Auf der Südseite der … Straße ist überwiegend Wohnbebauung vorhanden. Hier befindet sich allerdings auch das Betriebsgebäude der Deutschen Telekom AG auf dem Baugrundstück, der Betrieb für Elektroinstallation des Antragstellers zu 2), eine Postagentur sowie ein Pkw-Abstellplatz eines Autohändlers und im weiteren Verlauf der … Straße Richtung Osten ein Altenheim sowie die Rettungswache des Bayerischen Roten Kreuzes. Auf der Nordseite der … Straße unmittelbar bzw. schräg gegenüber der geplanten Werbeanlage befindet sich zudem ein Autohaus mit Kfz-Werkstatt, einer Tankstelle und entsprechenden Werbeanlagen. Insgesamt handelt es sich damit um ein für ein Mischgebiet typisches Nebeneinander von Wohnbebauung und gewerblicher Nutzung. Das Baugebiet wird seine Zweckbestimmung betreffend auch ganz wesentlich von dieser mischgebietstypischen Nutzung beeinflusst, so dass insgesamt bei Betrachtung der im einschlägigen Bauquartier vorhandenen Nutzungen von einer Gleichgewichtigkeit von Wohnen und den sonstigen in § 6 Abs. 2 BauNVO bezeichneten Nutzungen auszugehen ist. Im Gegensatz dazu zeichnen sich allgemeine Wohngebiete gemäß § 4 BauNVO dadurch aus, dass die Wohnnutzung die (allgemeine) Zweckbestimmung des Baugebiets prägt und die anderen dort vorgesehenen „wohnaffinen“ Nutzungen lediglich ergänzende Funktionen haben (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.2017 - 4 C 8.16 - juris). Aufgrund der Art und des Zuschnitts der hier vorhandenen vg. Betriebe kann von einer solchen ausschließlich „ergänzenden“ Funktion vorliegend nicht die Rede sein.

Die von der Beigeladenen beantragte Werbeanlage ist gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO als gewerbliche Nutzung allgemein zulässig. Bei Anlagen der Fremdwerbung handelt es sich zwar nicht um Gewerbebetriebe, sie werden jedoch als einem Gewerbebetrieb dienende Hauptnutzungen wie ein solcher behandelt (vgl. BayVGH, U.v. 11.12.2007 - 14 B 06.2880; U.v. 28.10.2005 - 26 B 04.1484 - beide juris m.w.N.).

2.2. Eine Rechtsverletzung der Antragsteller ergibt sich nicht aus dem sog. Gebietsbewahrungs- oder Gebietserhaltungsanspruch.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Nachbar im Plangebiet sich gegen die Zulässigkeit einer gebietswidrigen Nutzung im Plangebiet wenden, auch wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Der Nachbar hat also bereits dann einen Abwehranspruch, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung führt. Der Abwehranspruch wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst. Begründet wird dies damit, dass im Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können soll (vgl. BVerwG, B.v. 2.2.2000 - 4 B 87/99 - NVwZ 2000, 679; U.v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151). Derselbe Nachbarschutz besteht auch im unbeplanten Innenbereich, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht, § 34 Abs. 2 BauGB (BVerwG, U.v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 347 und 395). § 34 Abs. 2 BauGB besitzt grundsätzlich nachbarschützenden Charakter (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151; Hofherr in Berliner Kommentar zum BauGB, § 34 Rn. 88). Danach hat der Nachbar in einem Gebiet, auf das § 34 Abs. 2 BauGB entsprechend Anwendung findet, einen Schutzanspruch auf Bewahrung der Gebietsart.

Hier scheitert ein Gebietsbewahrungsanspruch aber bereits daran, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Vorhaben auf Errichtung einer Werbeanlage nicht um ein baugebietswidriges Vorhaben, sondern um ein nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO allgemein zulässiges Vorhaben handelt.

2.3 Soweit die Antragstellerseite ihren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (maßgeblich) damit begründet, dass die erteilte Baugenehmigung zu Unrecht erteilt worden sei, weil das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme nicht ausreichend berücksichtigt worden sei und insbesondere der streitgegenständlichen Werbeanlage eine erdrückende Wirkung auf das Anwesen der Antragsteller zukomme, kann dies dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen. Denn die Antragsteller können sich nicht auf das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO verankerte nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme berufen. Im Einzelnen:

Das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme ist unabhängig davon zu beachten, nach welcher Vorschrift das Bauvorhaben der Beigeladenen bauplanungsrechtlich zu beurteilen ist. Richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit - wie hier - nach § 34 Abs. 2 BauGB, weil die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der BauNVO genannten Baugebiete, hier einem Mischgebiet, entspricht, ergibt sich die Verpflichtung zur Rücksichtnahme aus § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (BVerwG, U.v. 12.12.1991 - 4 C 5/88 - juris). Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind Anlagen auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

Das Gebot der Rücksichtnahme (grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22/75 - BVerwGE 52, 122) soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten. Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen im Wesentlichen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dies beurteilt sich nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmeberechtigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die dem Kläger aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihm als Nachbarn billigerweise noch zumutbar ist (vgl. Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 35 Rn. 78). In der Rechtsprechung ist zudem anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots auch dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft z.B. befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78; B.v. 20.9.1984 - 4 B 181/84; U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - alle juris). Ob dies der Fall ist, hängt ganz wesentlich von der konkreten Situation im Einzelfall ab.

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Bauvorhaben der Beigeladenen in seinen Auswirkungen auf das Anwesen der Antragsteller im Ergebnis nicht als rücksichtslos. Von einer unzumutbaren Beeinträchtigung kann nicht gesprochen werden.

Dass das Bauvorhaben der Beigeladenen den Antragstellern gegenüber erdrückende Wirkung entfalten würde, ist nicht zu sehen. Das anzunehmen kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn die genehmigte Anlage das Nachbargrundstück aufgrund einer außergewöhnlichen Dimension regelrecht abriegelt, d. h. dort ein Gefühl des „Eingemauertseins“ oder eine „Gefängnishofsituation“ hervorruft und das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird; dem Grundstück muss gleichsam die „Luft zum Atmen“ genommen werden (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 18.2.2009 - 1 ME 282/08 - NordÖR 2009, 179; B.v. 15.1.2007 - 1 ME 80/07 - BauR 2007, 758; OVG Münster, U.v. 9.2.2009 - 10 B 1713/08 - NVwZ-RR 2009, 374). Eine solche Wirkung hat die Rechtsprechung vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden angenommen (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2007 - 14 AS 07.1855 - juris), so bei einem zwölfgeschossigen Hochhaus in Entfernung von 15 m zum zweigeschossigen Nachbarwohnhaus (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - DVBl 1981, 928).

Solche gravierenden Auswirkungen gehen von dem geplanten Vorhaben der Beigeladenen aber nicht aus. Bereits die Größe der streitgegenständlichen Werbeanlage mit einer Ansichtsfläche von 2,80 m auf 3,80 m und einer maximalen Höhe von 5,42 m über Erdboden sowie die Entfernung des Bauvorhabens von über 20 m vom Wohn- und Geschäftshaus der Antragsteller sprechen vorliegend entscheidend gegen eine erdrückende Wirkung. Von einem nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörper in geringem Abstand zu einem benachbarten Wohngebäude kann hier gerade nicht gesprochen werden. Dass bei einer Ansichtsfläche der Werbeanlage von 2,80 m auf 3,80 m und einer Entfernung von über 20 m vom Wohn- und Esszimmer der Antragsteller „quasi nichts anderes mehr wahrgenommen werden kann als die beleuchtete Werbeanlage“ - wie der Bevollmächtigte der Antragsteller behauptet - kann von Seiten des Gerichts nicht nachvollzogen werden.

2.4. Weiterhin ist nicht ersichtlich, dass die Baugenehmigung für die Werbeanlage gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltene Gebot der Rücksichtnahme wegen unzumutbarer Lichtimmissionen verstößt.

Hinsichtlich Lichtimmissionen knüpft die Unzumutbarkeit im Sinne des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots an die Regelungen des Immissionsschutzrechts an. Bei der Überprüfung des konkreten Falles anhand des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, nämlich der Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen, genauer von Lichtimmissionen, ist grundsätzlich auf die Begriffsbestimmungen des Immissionsschutzrechts (Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen in § 3 Abs. 1 BImSchG) und die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) zurückzugreifen. Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach der auch bauplanungsrechtlich bedeutsamen Legaldefinition des § 3 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, erhebliche Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz legt diese Grenze und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereiches grundsätzlich allgemein fest (BVerwG, U.v. 23.9.1999 - 4 C 6/98 - BVerwGE 109, 314).

Dabei kann die Beurteilung, wann Lichteinwirkungen zu erheblichen Belästigungen für die Nachbarschaft führen, nicht anhand allgemein gültiger Grenzwerte vorgenommen werden (vgl. VGH Mannheim, U.v. 29.3.2012 - 3 S 2658/10 - NVwZ-RR 2012, 636). Denn derzeit liegen rechtsverbindliche Vorschriften darüber, ab welcher Erheblichkeitsgrenze Lichtimmissionen zu einem erheblichen Nachteil bzw. einer erheblichen Belästigung für den Nachbarn führen und von diesem im Rahmen des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots nicht mehr hinzunehmen sind, nicht vor. Auch rechtsverbindliche Vorschriften dazu, mit welchen Methoden Lichtimmissionen zu ermitteln und zu bewerten sind, existieren derzeit nicht. Die vom Länderausschuss für Immissionsschutz im Mai 2000 empfohlene „Richtlinie zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen“ (Licht-Leitlinie), die in der überarbeiteten Version als „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen“ der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) unter dem Stand 8. Oktober 2012/3. November 2015 vorliegt (abgedruckt in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 90. Erg.Lief. Juni 2019, Bd. IV unter 4.3), hat ebenfalls keinen normativen oder quasi-normativen Charakter und kann deshalb keine Allgemeinverbindlichkeit für sich beanspruchen (vgl. BayVGH, B.v. 1.7.2010 - 15 ZB 09.2465 - juris; VGH Mannheim, U.v. 29.3.2012 - 3 S 2658/10 - NVwZ-RR 2012, 636). Bei der gerichtlichen Beurteilung der Zumutbarkeit von Lichtimmissionen im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme kann die LAI-Licht-Leitlinie bzw. die LAI-Hinweise aber als sachverständige Beurteilungshilfe herangezogen werden (vgl. BayVGH, B.v. 1.7.2010 - 15 ZB 09.2465; VGH Mannheim, U.v. 29.3.2012 - 3 S 2658/10 - NVwZ-RR 2012, 636; OVG Lüneburg, U.v. 26.2.2003 - 1 LC 75/02 - NVwZ-RR 2003, 820).

Die „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen“ gehen von dem nachvollziehbaren und die Kammer überzeugenden Ansatz aus, dass zu den maßgeblichen Kriterien bei der Beurteilung von Lichtimmissionen die „Raumaufhellung“ und die „Blendung“ gehören. Eine Raumaufhellung ist dann anzunehmen, wenn die Immission des Lichts zu einer signifikant erhöhten Helligkeit des Raumes mit der Folge führt, dass die Nutzung eines Wohnbereichs (insb. des Schlafzimmers oder Wohnzimmers) eingeschränkt ist. Eine (psychologische) Blendung wird hingegen angenommen, wenn durch eine Lichtquelle in der Nachbarschaft zwar aufgrund der Entfernung oder Eigenart der Lichtquelle keine oder keine übermäßige Aufhellung erzeugt wird, eine Belästigung aber aus psychologischen Gründen vorliegt. Eine solche Belästigung entsteht durch die ungewollte Ablenkung der Blickrichtung zur Lichtquelle hin, die eine ständige Umadaption des Auges auslösen kann (vgl. LAI-Hinweise, Nr. 3 Buchst. b; s.a. VGH Mannheim, U.v. 29.3.2012 - 3 S 2658/10 - NVwZ-RR 2012, 636).

Die LAI-Hinweise finden Anwendung bei der Beurteilung der Wirkung von Lichtimmissionen auf Menschen durch Licht emittierende Anlagen aller Art, soweit es sich um Anlagen i.S.d. Art. 3 Abs. 5 BImSchG handelt. Hierzu zählen auch Lichtreklamen (s. LAI-Hinweise, Nr. 2). Die LAI-Hinweise gehen davon aus, dass sich die im Immissionsschutz zu beurteilenden Lichteinwirkungen im Bereich von Belästigungen bewegen und gesundheitliche Schäden am Auge ausgeschlossen werden können. Schädliche Umwelteinwirkungen liegen (nach den LAI-Hinweisen, vgl. Nr. 3) dann vor, wenn die Nachbarschaft oder die Allgemeinheit erheblich belästigt wird. Die Hinweise geben Maßstäbe zur Beurteilung der Lästigkeitswirkung an. Eine erhebliche Belästigung i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder des § 22 BImSchG tritt bzgl. der Raumaufhellung bzw. der Blendung in der Regel auf, wenn die unter Nr. 4.1 bzw. 5.2 der LAI-Hinweise angegebenen Immissionsrichtwerte überschritten werden.

Unter Zugrundelegung dieser allgemeinen Grundsätze und bei Beachtung der konkreten örtlichen Verhältnisse erweist sich die streitgegenständliche Werbeanlage nicht als rücksichtslos. Die Raumaufhellung kann hier genauso wenig zu einer Verletzung des nachbarlichen Rücksichtnahmegebots zu Lasten der Antragsteller führen wie eine (psychologische) Blendung.

Die im Genehmigungsbescheid vom 25. Februar 2020 enthaltene Auflage Ziffer 1 zum Immissionsschutz zum Schutz vor Raumaufhellung, wonach die von den Beleuchtungsanlagen, ausgenommen öffentlichen Straßenbeleuchtungsanlagen, in der Fensterebene von Wohnungen bzw. an den Begrenzungsflächen der Wohnnutzung bei Balkonen und Terrassen hervorgerufene mittlere Beleuchtungsstärke EF im Mischgebiet die Immissionsrichtwerte von tagsüber (Dunkelstunden in der Zeit von 6:00 bis 22:00 Uhr) 5 lx und nachts (Dunkelstunden in der Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr) 1 lx nicht überschreiten darf, ist ausreichend, um unzumutbare Beeinträchtigungen der Antragsteller durch Lichtimmissionen aufgrund Raumaufhellung auszuschließen. Die Auflage orientiert sich dabei an der Tabelle 1 zu Nr. 4.1 der LAI-Hinweise, wonach die Immissionsrichtwerte der mittleren Beleuchtungsstärke EF in der Fensterebene von Wohnungen bzw. bei Balkonen oder Terrassen, auf den Begrenzungsflächen für die Wohnnutzung, hervorgerufen von Beleuchtungsanlagen während der Dunkelstunden, ausgenommen öffentlichen Beleuchtungsanlagen am Immissionsort (Einwirkungsort) im Mischgebiet in der Zeit von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr von 5 lx und in der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr von 1 lx nicht überschritten werden sollen.

Auch unter Hinzuziehung des weiter bei der Beurteilung von Lichtimmissionen - neben dem der „Raumaufhellung“ - relevanten Kriteriums, nämlich des der „Blendung“ (vgl. LAI-Hinweise, Nr. 3 Buchst. b und Nr. 5), kann hier keine Rücksichtslosigkeit erkannt werden. Auch die im Genehmigungsbescheid verfügte Auflage Ziffer 2 zum Immissionsschutz zum Schutz vor Blendung, wonach für die Berechnung der maximal zulässigen mittleren Leuchtdichte (Lmax) die Proportionalitätsfaktoren k von 160 für die Zeit von 6:00 Uhr bis 20:00 Uhr, von 160 von 20:00 Uhr bis 22:00 Uhr und von 32 von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr nicht überschreiten dürfen, ist ausreichend, um unzumutbare Beeinträchtigungen der Antragsteller durch Blendung auszuschließen. Der Auflage liegen die Immissionsrichtwerte für Mischgebiete nach Tabelle 2 zu Nr. 5.2 der LAI-Hinweise zu Grunde.

Nach allem ist davon auszugehen, dass bei Einhaltung der im Genehmigungsbescheid festgesetzten Auflagen zum Immissionsschutz eine unzumutbare Beeinträchtigung der Antragsteller durch die von der streitgegenständlichen Werbeanlage ausgehenden und auf das Anwesen der Antragsteller einwirkenden Lichtimmissionen sicher ausgeschlossen werden kann, zumal von Antragstellerseite auch keine substantiierten Einwendungen gegen diese Auflagen vorgebracht wurden.

2.5. Soweit die Antragstellerseite eine Verletzung des Ausblicks aus den Fenstern des Wohn- und Esszimmers durch die Werbeanlage rügt („Der Hof des Anwesens … Straße 22, auf dem die Werbeanlage errichtet werden soll, stellt daher den ‚zentralen‘ Ausblick von beiden Wohnräumen des Anwesens der Kläger dar“, „dass eine solche Werbeanlage auf dem Nachbargrundstück die Aussicht dominieren … würde“), bleibt festzustellen, dass das öffentliche Recht grundsätzlich keinen Schutz darauf gewährt, dass die freie Aussicht auf Stadt-, Orts-, Straßen- und Landschaftsbilder nicht verbaut wird. Die Minderung der Aussicht ist kein Eingriff in das Eigentumsrecht, da die Aufrechterhaltung einer ungeschmälerten Aussicht lediglich eine Chance ist (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.1969 - IV C 80.67 - DVBl 1970, 60; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 441 f.).

2.6. Soweit der Antragstellerbevollmächtigte eine Gefährdung der die Bundesstraße 26 benutzenden Verkehrsteilnehmer geltend macht („die Verkehrsteilnehmer auf der B 26 ablenken würde“, „bei Errichtung der Werbeanlage die Gefahr birgt, dass Verkehrsteilnehmer abgelenkt werden“), wird schon verkannt, dass der Nachbar eines Bauvorhabens - wie hier die Antragsteller - eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen. Die Vorschriften über die Verkehrssicherheit, so die bauordnungsrechtliche Regelung des Art. 14 Abs. 2 BayBO, nach der die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen und deren Nutzung nicht beeinträchtigt werden darf, sind aber nicht nachbarschützend (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2004 - 15 ZB 02.2382 - juris; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 278 m.w.N. zur Rspr.; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 14 Rn. 5). Darüber hinaus hat die Kammer nach summarischer Prüfung keine Zweifel an der fachbehördlichen Stellungnahme der Polizeiinspektion H2 vom 30. September 2019, die unter Wahrung bestimmter Bedingungen, die in den Bauantrag aufgenommen wurden (starres, blendfreies Licht), keine Bedenken aus Gründen der Verkehrssicherheit geltend macht und die auch im Einklang steht mit den fachlichen Aussagen der unteren Verkehrsbehörde beim Landratsamt H. und des Staatlichen Bauamtes Schweinfurt.

2.7. Nachdem die Klage der Antragsteller nach allem voraussichtlich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird, überwiegt das Interesse der Beigeladenen an einer baldigen Ausnutzung der Baugenehmigung das Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.

Mithin war der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Rahmen des § 80a Abs. 3 VwGO abzulehnen.

3. Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Da sich die Beigeladene nicht durch eigene Antragstellung am Prozesskostenrisiko beteiligt hat, entsprach es nicht der Billigkeit, ihre eventuell entstandenen außergerichtlichen Aufwendungen den Antragstellern aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 GKG. Nachbarklagen werden nach Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 mit 7.500,00 EUR bis 15.000,00 EUR im Hauptsacheverfahren bewertet. Die Kammer hält im vorliegenden Fall in der Hauptsache einen Streitwert von 7.500,00 EUR als angemessen, der für das vorliegende Sofortverfahren zu halbieren ist (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).

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