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Die 1942 geborene Klägerin und der 1937 geborene Kläger sind Eheleute eritreischer Staatsangehörigkeit. Sie reisten im Oktober 2002 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 06.11.2002 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Die Bezirksregierung Arnsberg wies sie mit Verfügung vom 29.01.2003 der Gemeinde xxx, Kreis Coesfeld/Nordrhein-Westfalen zu. Unter dem 14.04.2003 beantragten sie ihre Umverteilung nach Stuttgart. Zur Begründung führten sie aus, sie hätten in xxx keine Verwandten. Niemand spreche ihre Sprache. Da sie beide sehr krank seien und von niemanden unterstützt würden, seien sie völlig hilflos. In Stuttgart lebten Verwandte, die sie im Alltag unterstützen könnten. Die Kläger legten das Schreiben eines in Stuttgart lebenden Neffen der Klägerin vor, in dem sich dieser bereit erklärte, sich um die Kläger zu kümmern. Sie fügten außerdem eine ärztliche Bescheinigung bei. Darin wird ausgeführt, sie seien multimorbid krank. Da sie weder lesen noch schreiben könnten, seien sie nicht in der Lage, für sich einzukaufen und für ihren täglichen Bedarf zu sorgen. Aufgrund ihres Alters und ihrer Struktur sei davon auszugehen, dass sie in nächster Zeit die deutsche Sprache nur in Teilen beherrschen würden. Sie erschienen völlig hilflos. Soweit bekannt, lebten Verwandte im Raum Stuttgart. Es werde deshalb als dringend geboten angesehen, die beiden dorthin zu schicken, um eine vernünftige Versorgung zu gewährleisten. Das Gesundheitsamt des Landkreises Coesfeld führte nach Untersuchung der Kläger in einer Stellungnahme vom 20.12.2003 im wesentlichen aus, sie seien aufgrund ihrer Erkrankung nicht direkt pflege- oder betreuungsbedürftig. Aufgrund des fortgeschrittenen Alters und nicht vorhandener Deutschkenntnisse seien sie jedoch auf Personen angewiesen, die ihnen bei Arztbesuchen etc. zur Seite stehen könnten. Aus amtsärztlicher Sicht werde befürwortet, ihren Aufenthaltsort in den Raum Stuttgart zu verlegen, da dort Verwandte lebten, die eine vernünftige Versorgung gewährleisten könnten.
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Mit Bescheid vom 20.02.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Umverteilung der Kläger nach Stuttgart ab. Zur Begründung führte sie aus, eine länderübergreifende Umverteilung sei nur in den Fällen des § 51 Abs. 1 AsylVfG möglich. Die Kläger beabsichtigten nicht die Herstellung der Haushaltsgemeinschaft mit einem Ehegatten oder einem minderjährigen ledigen Kind. Es lägen aber auch keine sonstigen humanitären Gründe von vergleichbarem Gewicht vor. Verwandtschaftliche Beziehungen könnten nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen Berücksichtigung finden, beispielsweise dann, wenn der Antragsteller aufgrund von Krankheit auf die Lebenshilfe des Verwandten angewiesen sei. Bei der amtsärztlichen Untersuchung seien verschiedene gesundheitliche Beschwerden wie z.B. Hypertonie, Diabetes mellitus, chronische Sinusitis etc., jedoch keine Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit festgestellt worden. Eine Dauermedikation sei nicht erforderlich. Die Behandlung erfolge bereits beim Hausarzt. Probleme bestünden vielmehr im sprachlichen Bereich. Dies allein stelle jedoch keinen Umverteilungsgrund i.S.d. genannten Vorschrift dar. Es sei davon auszugehen, dass die insoweit erforderliche Unterstützung auch durch Sozialdienste vor Ort oder aber durch Landsleute, die in der gleichen Unterkunft oder Umgebung wohnhaft seien, gewährleistet werden könne.
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Die Kläger haben am 05.03.2004 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.02.2004 zu verpflichten, ihrer Umverteilung nach Stuttgart zuzustimmen. Zur Begründung führten sie aus, sie seien weiterhin nicht in der Lage, ihre allgemeinen Bedürfnisse ohne Hilfe Dritter zu regeln, weswegen eine Umverteilung zu Verwandten als einzig sinnvolle Lösung in Betracht komme, um ihnen ein "Dahinvegetieren" zu ersparen. Die medizinische Betreuung scheitere bereits an der Verständigung bzw. sei stark eingeschränkt. Gerade im Hinblick auf den Diabetes mellitus der Klägerin könne dies weit reichende Konsequenzen haben.
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Das Verwaltungsgericht hat - dem Antrag der Beklagten folgend - die Klage mit Urteil vom 12.04.2005 - A 17 K 10806/04 - abgewiesen. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, die Situation der Kläger unterscheide sich in nicht nennenswerter Weise von der einer Vielzahl von Asylbewerbern. Es sei eher die Regel als die Ausnahme, dass sie in Städten oder Gemeinden untergebracht würden, in denen keine verwandtschaftlichen Beziehungen bestünden. Auch sei es nicht ungewöhnlich, dass sich an ihrem Aufenthaltsort, wohin sie zugewiesen seien, keine Landsleute befänden, mit denen sie in ihrer Muttersprache kommunizieren könnten oder die der deutschen Sprache soweit mächtig seien, dass sie dem Sprachunkundigen bei Behörden- oder Arztbesuchen sowie bei der Verrichtung alltäglicher Tätigkeiten behilflich sein könnten. Ein humanitärer Grund könne auch nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin regelmäßig Medikamente zur Behandlung ihrer Erkrankung einnehmen müsse. Auch insoweit liege kein Umstand vor, der ihre Situation von der der zahlreichen übrigen Asylbewerber so wesentlich unterscheide, dass die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 51 Abs. 1 AsylVfG gerechtfertigt wäre. Zudem seien beide Kläger nach der amtsärztlichen Stellungnahme weder pflege- noch betreuungsbedürftig. Gegen ihre angebliche Hilflosigkeit spreche bereits, dass es ihnen gelungen sei, von Eritrea nach Deutschland zu reisen, dass sie hier ein Asylverfahren betrieben und einen Anwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hätten. Sie seien auch nicht in einem Alter, in dem ohne weiteres von einer Hilflosigkeit bei der Bewältigung des Alltagslebens auszugehen sei. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 15.04.2005 zugestellt.
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Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 06.10.2005 (A 12 S 466/05) zugelassenen Berufung haben die Kläger fristgerecht im wesentlichen ausgeführt, ihre Asylanträge seien mit Bescheid vom 23.07.2003 durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt worden. Über die dagegen beim Verwaltungsgericht Münster erhobene Klage sei bisher noch nicht entschieden. Sie lebten seit Beginn des Asylverfahrens in einer Asylbewerberunterkunft, die lediglich einmal habe gewechselt werden können, da in der neuen Unterkunft zumindest eine Person sei, die Übersetzungshilfe leisten könne. Da erhebliche Verständigungsschwierigkeiten bei Behörden- und insbesondere bei Arztbesuchen bestünden, sei es nach wie vor dringend angezeigt, dass sie in den räumlichen Bereich von Angehörigen und Bekannten gelangten, die ihnen die erforderliche Unterstützung bieten könnten, damit insbesondere eine hinlängliche medizinische Versorgung gewährleistet sei. Es sei zuzugeben, dass nicht jedwede Belange dazu führen können, dass eine länderübergreifende Umverteilung zu Verwandten stattfinde. Wenn aber die Gesamtsituation für die Betroffenen, aber auch für Ärzte und Behörden derart schwierig und unzumutbar sei, stünden öffentliche Belange der Umverteilung nicht mehr entgegen. Dass sich ihre Situation von der anderer absetze, zeigten deutlich die Ausführungen der Sozialarbeiterin bei der Gemeinde xxxxxxxxx. Es sei zu keinem Zeitpunkt behauptet worden, dass die in Stuttgart lebenden Personen die Kläger vollständig freistellen wollten, etwa durch Gewährung von Wohnraum oder Finanzierung des Lebensunterhaltes. Sie sollten lediglich Hilfestellung bei alltäglichen Verrichtungen und insbesondere bei Arztbesuchen gewähren. Die Kläger legten die Erklärung einer Frau xxx xxx, wohnhaft in Stuttgart, vor, die sich bereit erklärte, den Klägern nach ihrem Umzug nach Stuttgart bei alltäglichen Verrichtungen und insbesondere bei Arztbesuchen behilflich zu sein.
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.04.2005 - A 17 K 10806/04 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20.02.2004 zu verpflichten, einer Umverteilung der Kläger nach Stuttgart zuzustimmen.
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die Berufung zurückzuweisen.
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Ergänzend führt sie aus, der in Stuttgart lebende Verwandte der Kläger habe in einer Besprechung bei der Beklagten erklärt, er könne seine Tante und seinen Onkel nicht bei sich aufnehmen, da er in einer kleinen Wohnung mit 47 qm zusammen mit Ehefrau und zwei Kindern wohne. Da er zwei Kinder zu versorgen habe, sei es nicht vorstellbar, dass er die Medikamenteneinnahme in Stuttgart kontrollieren könne. Nach den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen litten die Kläger an Erkrankungen, die üblicherweise bei Menschen im fortgeschrittenen Alter vorkämen. In erster Linie sei es wichtig, dass die Medikamente täglich zu bestimmten Zeiten eingenommen würden. Aus der Stellungnahme der Sozialarbeiterin ergebe sich, dass es sich bei den Klägern vor allem um Menschen handele, die aufgrund von Altersverwirrtheit Verständigungsschwierigkeiten hätten. Danach werde eine Mitbewohnerin im Übergangsheim, die sich mit den Klägern sprachlich verständigen könne, mehrmals, auch nachts, durch sich ständig wiederholende Fragen beansprucht. Eine solche Situation könne in keiner Gemeinschaftsunterkunft befriedigend gelöst werden. Dies treffe für die Gemeinschaftsunterkunft in xxx genauso zu wie für eine solche in Stuttgart. Es sei sogar denkbar, dass bei einer Umsiedlung der Kläger in eine Großstadt und in eine große Gemeinschaftsunterkunft erhebliche Umstellungsprobleme zu einer noch stärkeren Verwirrung führten. Es stelle sich eher die Frage, ob sie nicht in ein Pflegeheim einzuweisen seien, wo die pünktliche Einnahme der Medikamente und eine medizinische Versorgung durch Fachpersonal gewährleistet sei. Der Neffe der Klägerin sei zu ihrer Versorgung in Stuttgart rechtlich nicht verpflichtet. Er wäre auch neben der Versorgung seiner eigenen Familie zur Übernahme einer solchen Aufgabe nicht in der Lage. Die Kläger hätten in der jetzigen Gemeinschaftsunterkunft eine Ansprechpartnerin und Übersetzerin, die sich um sie kümmere und ihr Vertrauen genieße. Seit 06.02.2003 würden sie von der gleichen Gemeinschaftspraxis versorgt. Offensichtlich habe auch die medizinische Versorgung funktioniert.
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Dem Senat liegen die einschlägige Akte der Beklagten und die Akte des Verwaltungsgerichts vor.
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Der Senat hat die Kläger in der mündlichen Verhandlung angehört und Frau xxx xxx als Zeugin vernommen. Zum Ergebnis der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
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