Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 1 S 1130/15

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. April 2015 - 3 K 1285/15 - teilweise geändert und der Antrag insgesamt abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Verfahren im ersten Rechtszug wird - unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - auf 5.000,-- EUR, derjenige für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die von der Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung fristgemäß (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründe geben dem Senat Veranlassung, den Beschluss des Verwaltungsgerichts teilweise zu ändern und den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung beziehungsweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21.01.2015 insgesamt abzulehnen. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der Nummern 1, 2, 4 und 5 des Bescheids, soweit sich diese auf das Grundstück Flst.-Nr. xxx erstrecken, wiederhergestellt und hinsichtlich der Nummern 3 und 6 des Bescheids angeordnet.
Die vom Senat im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung fällt zu Ungunsten des Interesses der Antragstellerin aus, vom Vollzug der Anordnungen über den Anschlusszwang und die Benutzungs- und Abwasserüberlassungspflicht, soweit diese das Grundstück Flst.-Nr. xxx betreffen, einstweilen verschont zu bleiben. Das Aufschubinteresse der Antragstellerin überwiegt nicht das öffentliche Vollzugsinteresse, weil nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen, aber auch ausreichenden Prüfung der Sach- und Rechtslage (auch) diese Anordnungen voraussichtlich rechtmäßig sind (1.) Auch die Zwangsgeldandrohungen dürften rechtlich nicht zu beanstanden sein (2.).
1. Die Anordnungen über den Anschlusszwang und die Benutzungs- und Abwasserüberlassungspflicht für das Grundstück Flst.-Nr. xxx dürften auf Grundlage von § 3 Abs. 1 und 3 der Satzung der Antragsgegnerin über die öffentliche Abwasserbeseitigung - Abwassersatzung (AbwS) - vom 10.12.2012, geändert durch Satzung vom 09.12.2014, rechtmäßig ergangen sein. Danach sind die Eigentümer von Grundstücken, auf denen Abwasser anfällt, nach näherer Bestimmung der Satzung berechtigt und verpflichtet, ihre Grundstücke an die öffentlichen Abwasseranlagen anzuschließen, diese zu benutzen und das gesamte auf den Grundstücken anfallende Abwasser der Antragsgegnerin im Rahmen des § 45b Abs. 1 und 2 WG (a.F.) zu überlassen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AbwS). Bebaute Grundstücke sind anzuschließen, sobald die für sie bestimmten öffentlichen Abwasseranlagen betriebsfertig hergestellt sind (§ 3 Abs. 3 Satz 1 AbwS). Diese Voraussetzungen dürften hinsichtlich des Grundstücks der Antragstellerin Flst.-Nr. xxx erfüllt sein.
a) Die Regelungen in § 3 Abs. 1 und 3 AbwS sind gültig und dürften rechtlich nicht zu beanstanden sein. Sie dürften ihre Grundlage in § 11 GemO und § 45b Abs. 4 WG a.F. (jetzt § 46 Abs. 4 und 5 WG) finden.
§ 11 Abs. 1 Satz 1 GemO ermächtigt die Gemeinden, bei öffentlichem Bedürfnis durch Satzung für die Grundstücke ihres Gebiets unter anderem den Anschluss an der Abwasserbeseitigung dienende gemeindliche Einrichtungen (Anschlusszwang) und die Benutzung dieser Einrichtungen (Benutzungszwang) vorzuschreiben; die Satzung kann bestimmte Ausnahmen vom Anschluss- und Benutzungszwang zulassen und ihn auf bestimmte Teile des Gemeindegebiets oder auf bestimmte Gruppen von Grundstücken, Gewerbetrieben oder Personen beschränken (§ 11 Abs. 2 GemO). § 11 GemO ist eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Spezialermächtigung, die als landesrechtliche Eingriffsgrundlage aus Gründen der Volksgesundheit Eingriffe in die Grundrechte der Grundstückseigentümer oder der sonst zur Nutzung des Grundstücks Berechtigten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG legitimieren kann (Senat, Urt. v. 20.09.2013 - 1 S 3072/11 -, VBlBW 2013, 73 m.w.N.). Im vorliegenden Zusammenhang ermöglicht sie den nach Wasserrecht grundsätzlich zur Abwasserbeseitigung verpflichteten Körperschaften (§ 56 WHG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 WG), diese Verpflichtung zu erfüllen (vgl. zu Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 BayGemO: BayVfGH, Entsch. v. 10.11.2008 - Vf. 4-VII-06 -, NVwZ 2009, 298). Der Anschluss- und Benutzungszwang wird durch die Überlassungspflicht desjenigen, bei dem das Abwasser anfällt, gegenüber dem Beseitigungspflichtigen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 WG) ergänzt (vgl. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, § 11 Rn. 1a; vgl. auch BayVGH, Urt. v. 28.10.1994 - 23 N 90.2272 -, NVwZ-RR 1995, 345). Nach § 46 Abs. 4 Satz 1 WG gestalten die Gemeinden die Überlassungspflicht durch Satzung aus, indem sie regeln, unter welchen Voraussetzungen Abwasser als angefallen gilt und in welcher Weise und Zusammensetzung ihr das Abwasser zu überlassen ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.05.1995 - 2 S 2568/92 -, juris). Darüber hinaus können sie Ausschlüsse von der Abwasserbeseitigung festlegen (§ 46 Abs. 4 Satz 2 WG) sowie Ausnahmen von der Überlassungspflicht vorsehen (§ 46 Abs. 5 Satz 1 WG).
Die der geordneten Abwasserbeseitigung dienenden Ermächtigungen in § 11 GemO und § 46 Abs. 4 und 5 WG beziehen sich im Grundsatz nicht nur auf Schmutzwasser, also durch Gebrauch in seinen Eigenschaften verändertes und das bei Trockenwetter damit zusammen abfließende Wasser (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG), sondern auch auf Niederschlagswasser, das aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen gesammelt abfließt (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG). Für die Überlassungspflicht folgt dies bereits daraus, dass § 46 WG zur Ausführung und Ergänzung des § 56 WHG an den in § 54 Abs. 1 WHG definierten Begriff „Abwasser“ anknüpft, ohne diesem einen abweichenden Bedeutungsgehalt zuzuweisen; zudem besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber die durch Art. 1 des Gesetzes vom 03.12.2013 (GBl. S. 389) neugefassten Regelungen der Abwasserbeseitigung auf einen anderen Gegenstand beziehen wollte als die das Niederschlagswasser aus bebauten oder befestigten Flächen ausdrücklich einbeziehenden (§ 45a Abs. 3 WG a.F.) bisherigen Vorschriften (vgl. LT-Drs. 15/3760, S. 142 ff.). Aber auch der Begriff „Abwasserbeseitigung“ in § 11 Abs. 1 Satz 1 GemO umfasst neben den üblichen Arten von Schmutzwasser das Niederschlagswasser von bebauten und befestigten Flächen. Angesichts des vom Normgeber vorgefundenen Erscheinungsbilds kommunaler Abwasserbeseitigungsanlagen (vgl. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, § 11 Rn. 3 m.w.N.) hätte es eines ausdrücklichen Ausschlusses des Niederschlagswassers als Gegenstand des Anschluss- und Benutzungszwangs bedurft, wenn dieses von vornherein hätte außer Betracht bleiben sollen (vgl. zu Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 BayGemO: BayVGH, Urt. v. 28.10.1994, a.a.O.). Gegen die prinzipielle Einbeziehung des Niederschlagswassers in den Anschluss- und Benutzungszwang bestehen keine rechtlichen Bedenken, soweit durch das Erfordernis des öffentlichen Bedürfnisses im Sinn des § 11 Abs. 1 GemO sichergestellt ist, dass die Einleitung des Niederschlagswassers in eine Sammelkanalisation nicht den Vorrang vor anderen Arten seiner schadlosen Beseitigung, etwa der Versickerung oder der Einleitung in oberirdische Gewässer, genießt (vgl. BayVfGH, Entsch. v. 10.11.2008, a.a.O.).
Allerdings nimmt § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WG Niederschlagswasser, welches dezentral beseitigt wird, von der Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinden aus, es sei denn die Gemeinde hat den Anschluss an Anlagen der dezentralen Beseitigung oder der öffentlichen Abwasserbeseitigung für nach dem - am 01.01.2014 erfolgten - Inkrafttreten dieses Gesetzes bebaute Grundstücke angeordnet. Soweit die Gemeinde nicht zur Beseitigung verpflichtet ist, hat derjenige das Abwasser zu beseitigen, bei dem es anfällt (§ 46 Abs. 2 Satz 2 WG). Der eine Beseitigungspflicht der Gemeinde notwendig voraussetzenden Überlassungspflicht nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WG wird dadurch die Grundlage entzogen. Auch für einen Anschluss- und Benutzungszwang nach § 11 Abs. 1 Satz 1 GemO ist in diesem Umfang kein Raum (mehr). Denn mit dem Wegfall der Beseitigungspflicht entfällt nicht nur die Pflichtaufgabe der Gemeinde (zur Abwasserbeseitigung), sondern auch die Aufgabe der Abwasserbeseitigung überhaupt als öffentliche Aufgabe der Gemeinde (Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, § 11 Rn. 1a; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.11.2007 - 12 B 32.07 -, juris).
Die Abwassersatzung der Antragsgegnerin trägt dem Rechnung, indem trotz genereller Einbeziehung des Niederschlagswassers in den Anwendungsbereich der Satzung (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 AbwS) Anschlusszwang sowie Benutzungs- und Überlassungspflicht nach § 3 Abs. 1 AbwS nur „im Rahmen des § 45b Abs. 2 WG (a.F.)“ bestehen, dessen Satz 1 Nr. 3 ebenfalls vorgesehen hatte, dass für dezentral beseitigtes Niederschlagswasser die Pflicht der Gemeinden zur Abwasserbeseitigung entfällt. Ob die Antragsgegnerin eine Anschlussanordnung im Sinn des § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 WG getroffen hat, ist demgegenüber unerheblich, da das streitgegenständliche Grundstück vor dem 01.01.2014 bebaut worden ist.
b) Nach diesen rechtlichen Vorgaben dürften die Voraussetzungen des Anschluss- und Benutzungszwangs und der Abwasserüberlassungspflicht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AbwS (auch) für das Grundstück Flst.-Nr. xxx erfüllt sein (vgl. zur grundstücksbezogenen Anknüpfung des Anschluss- und Benutzungszwangs Senat, Urt. v. 28.05.2009 - 1 S 1173/08 -, VBlBW 2009, 338).
10 
Bei dem Grundstück Flst.-Nr. xxx handelt es sich entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts um ein bebautes Grundstück, auf dem Abwasser anfällt. Die Antragsgegnerin hat mit der Beschwerde dargelegt und durch Vorlage eines aktuellen Lageplans und von Lichtbildern glaubhaft gemacht, dass sich auf dem Grundstück eine Scheune befindet; die Antragstellerin ist dem nicht entgegengetreten. Auf dem Grundstück fällt somit jedenfalls von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen gesammelt abfließendes Wasser (Niederschlagswasser) nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AbwS an; auch dies hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 07.10.2015 nicht (mehr) in Frage gestellt.
11 
Die Abwasserüberlassungspflicht und der Anschluss- und Benutzungszwang für das Grundstück Flst.-Nr. xxx dürften nicht wegen Wegfalls der Beseitigungspflicht der Antragsgegnerin nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WG entfallen. Denn nach Aktenlage ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin die Voraussetzungen für eine erlaubnisfreie dezentrale Beseitigung des Niederschlagswassers erfüllt.
12 
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der auf Grundlage von § 45b Abs. 3 Satz 3 WG a.F. (jetzt § 46 Abs. 3 WG) erlassenen Verordnung des Umweltministeriums über die dezentrale Beseitigung von Niederschlagswasser (NiedSchlWasBesV) vom 22.03.1999 (GBl. S. 157) wird Niederschlagswasser dezentral eingeleitet, wenn es versickert oder ortsnah in ein oberirdisches Gewässer eingeleitet wird. Für das dezentrale Einleiten von Niederschlagswasser in ein Gewässer zum Zweck seiner schadlosen Beseitigung ist eine Erlaubnis nicht erforderlich, soweit die Bestimmungen der §§ 2 und 3 NiedSchlWasBesV eingehalten werden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 NiedSchlWasBesV), oder wenn die dezentrale Beseitigung des Niederschlagswassers in bauplanungsrechtlichen oder bauordnungsrechtlichen Vorschriften vorgesehen ist (§ 1 Abs. 1 Satz 3 NiedSchlWasBesV). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 NiedSchlWasBesV darf Niederschlagswasser unter anderem erlaubnisfrei versickert werden, wenn es von Dachflächen stammt, mit Ausnahme von Dachflächen in Gewerbegebieten und Industriegebieten sowie Sondergebieten mit vergleichbaren Nutzungen. Schadlos beseitigt wird Niederschlagswasser von Dachflächen, wenn es flächenhaft oder in Mulden auf mindestens 30 cm mächtigem Boden oder über Mulden-Rigolen-Elemente in das Grundwasser versickert wird (§ 2 Abs. 2 Satz 1 NiedSchlWasBesV); Niederschlagswasser von nicht beschichteten oder in ähnlicher Weise behandelten kupfer-, zink- oder bleigedeckten Dächern darf nicht ohne Erlaubnis dezentral beseitigt werden (§ 3 Satz 2 NiedSchlWasBesV). Sind die Anforderungen an die erlaubnisfreie Beseitigung nach den §§ 2 und 3 NiedSchlWasBesV nicht erfüllt, ist das Niederschlagswasser nicht generell von der dezentralen Beseitigung ausgeschlossen; vielmehr ist dann im wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren über die Zulassung zur dezentralen Beseitigung zu entscheiden, soweit ein wasserrechtlicher Benutzungstatbestand (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG; § 14 Abs. 1 Nr. 5 WG) verwirklicht ist (vgl. Begründung zur Niederschlagsverordnung vom 22. März 1999, S. 2).
13 
Die Antragstellerin hat nach Hinweis des Berichterstatters auf die vorgenannten Regelungen der Niederschlagswasserverordnung nicht dargetan oder gar glaubhaft gemacht, dass vorliegend die Voraussetzungen für eine erlaubnisfreie dezentrale Beseitigung des Niederschlagswassers erfüllt wären. Der pauschale Vortrag im Schriftsatz vom 07.10.2015, dass das von den Dachflächen des Scheunentrakts abfließende Niederschlagswasser direkt auf dem Grundstück Flst.-Nr. xxx versickern könne, genügt hierfür ersichtlich nicht. Denn es fehlt jede Angabe dazu, ob und gegebenenfalls wie den Anforderungen an eine schadlose Versickerung des Niederschlagswassers nach § 2 Abs. 2 Satz 1 NiedSchlWasBesV Rechnung getragen wird, und dass etwaige hierzu errichtete Anlagen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik hergestellt worden sind und betrieben werden (§ 2 Abs. 3 NiedSchlWasBesV). Insbesondere dem erstinstanzlichen Vortrag, dass die Abwässer aus dem auf dem Grundstück Flst.-Nr. xxx befindlichen Wohnhaus seit vielen Jahren in eine Fäkaliengrube entsorgt würden, lässt sich in dieser Hinsicht nichts entnehmen. Eine wasserrechtliche Erlaubnis zur dezentralen Beseitigung des auf dem Grundstück Flst.-Nr. xxx anfallenden Niederschlagswassers, die Feststellungen zu Art und Weise von dessen Versickerung entbehrlich machte, ist der Antragstellerin nicht erteilt worden. Für eine Verzichtbarkeit der wasserrechtlichen Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 Satz 3 NiedSchlWasBesV ist ebenfalls nichts erkennbar.
14 
c) Auch der im Verwaltungsverfahren erhobene Einwand, dass das Grundstück Flst.-Nr. xxx nicht an die xxx angrenze und deshalb nicht erschlossen werden müsse, führt voraussichtlich nicht zu einem Wegfall des Anschluss- und Benutzungszwangs und der Abwasserüberlassungspflicht. Zwar ist Voraussetzung für die Auferlegung eines Anschluss- und Benutzungszwangs für eine Abwasseranlage, dass das Grundstück überhaupt von dieser Anlage erschlossen wird, was wiederum voraussetzt, dass der Anschluss des Grundstücks an die öffentliche Abwasseranlage der Gemeinde tatsächlich und rechtlich möglich ist (vgl. Senat, Urt. v. 18.03.2004 - 1 S 2121/03 - und v. 20.09.2012, a.a.O. , jeweils m.w.N.). Dies dürfte indes hier der Fall sein.
15 
Dass ein Anschluss des Grundstücks Flst.-Nr. xxx an die öffentliche Abwasseranlage aus tatsächlichen Gründen scheitern könnte, ist nicht erkennbar. Bei leitungsgebundenen Einrichtungen besteht eine tatsächliche Anschlussmöglichkeit für ein Grundstück dann, wenn es nahe genug bei der öffentlichen Einrichtung liegt, um unter gewöhnlichen Umständen an diese angeschlossen zu werden; maßgeblich für die Frage, ob eine Anschlussmöglichkeit „unter gewöhnlichen Umständen“ besteht, sind die örtlichen Verhältnisse in der betreffenden Gemeinde (vgl. Senat, Urt. v. 18.03.2004 und v. 20.09.2012, jeweils a.a.O.). Hiernach dürfte die tatsächliche Anschlussmöglichkeit für das Grundstück Flst.-Nr. xxx gegeben sein. Denn die betriebsbereite öffentliche Abwasseranlage ist unmittelbar vor dem an die kanalisierte xxx angrenzenden Grundstück Flst.-Nr. xxx hergestellt, und das weniger als 15 m von der xxx entfernt liegende Hinterliegergrundstück dürfte technisch ohne Weiteres an diese Leitung anschließbar sein. Soweit die Antragstellerin in der Beschwerdeerwiderung pauschal behauptet, der Grundstücksanschluss sei allenfalls zur Aufnahme des Niederschlagswassers der auf dem Grundstück Flst.-Nr. xxx befindlichen Scheune geeignet, sowie die technische Anschlussmöglichkeit des Wohnhauses an die Abwasseranlage in Abrede stellt, hat sie diesen Vortrag weder substantiiert noch gar glaubhaft gemacht.
16 
Auch die rechtliche Anschlussmöglichkeit dürfte im Fall des (Hinterlieger-) Grundstücks Flst.-Nr. xxx gegeben sein, ohne dass es auf die Frage ankäme, ob die Grundstücke Flst.-Nrn. xxx und xxx eine wirtschaftliche Einheit bilden (vgl. dazu Senat, Urt. v. 20.09.2012, a.a.O.). Ein Hinterliegergrundstück ist rechtlich nur dann an die öffentliche Abwasseranlage anschließbar, wenn das Durchleitungsrecht durch das Zwischengrundstück auf Dauer dinglich gesichert ist, sei es öffentlich-rechtlich in Gestalt einer Baulast oder zivilrechtlich durch eine Grunddienstbarkeit (vgl. Senat, Urt. v. 18.03.2004, a.a.O. m.w.N.). Stehen - wie hier - Vorderlieger- und Hinterliegergrundstück im selben Eigentum, ist beim bebauten Hinterliegergrundstück dieses Recht gesichert, wenn im Fall der Veräußerung des Vorderliegergrundstücks an einen Dritten zulasten des Erwerbers ein Notleitungsrecht kraft Gesetzes entsteht (§ 918 Abs. 2 BGB), was voraussetzt, dass die benötigte Entsorgung auf andere Weise nicht erlangt werden kann (vgl. ausf. Senat, Urt. v. 20.09.2012, a.a.O. m.w.N.). Dies dürfte hier der Fall sein. Nach Aktenlage ist das Grundstück Flst.-Nr. xxx wegemäßig auf das Grundstück Flst.-Nr. xxx angewiesen, da es über keine eigene Verbindung zu einem öffentlichen Weg verfügt.
17 
d) Sonstige Umstände, die dem Anschluss- und Benutzungszwang und der Abwasserüberlassungspflicht für das Grundstück Flst.-Nr. xxx entgegenstehen könnten, sind weder von der Antragstellerin dargetan noch ersichtlich. Soweit sie sinngemäß geltend macht, der Anschluss des Grundstücks Flst.-Nr. xxx an den öffentlichen Abwasserkanal sei ihr wegen der höheren Kosten infolge der Lage des Grundstücksanschlusses in der äußersten Ecke des Grundstücks beim Schuppen wirtschaftlich unzumutbar, berührt dies nicht ihre grundsätzliche Verpflichtung, den Anschluss herzustellen und die öffentliche Abwasserbeseitigung zu benutzen. Gesichtspunkte der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit sind allein bei der Frage zu prüfen, ob eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang nach § 5 AbwS zu gewähren ist (vgl. Senat, Urt. v. 20.06.1994 - 1 S 2393/93 -, BWGZ 1995, 33). Ein Befreiungsantrag ist indes nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens; im Gegenteil hat die Antragstellerin nach Aktenlage einen solchen Antrag bislang nicht gestellt.
18 
2. Die Zwangsgeldandrohungen in den Nummern 3 und 6 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 21.01.2015 dürften auf Grundlage von § 2 Nr. 2, §§ 19, 20 und 23 LVwVfG ebenfalls rechtmäßig ergangen sein. Insbesondere sind sie voraussichtlich hinreichend bestimmt und hinsichtlich der Höhe der angedrohten Zwangsgelder als verhältnismäßig anzusehen.
19 
§ 20 Abs. 4 LVwVG verlangt, dass die Androhung eines Zwangsgelds „in bestimmter Höhe“ erfolgt. Dem Bestimmtheitsgrundsatz ist genügt, wenn für den Vollstreckungsschuldner erkennbar ist, für welchen Fall der Nichterfüllung einer Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht ihm ein Zwangsgeld in welcher Höhe droht (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.08.1995 - 5 S 71/95 -, VBlBW 1996, 65 m.w.N.; vgl. auch OVG Saarland, Beschl. v. 06.10.2014 - 2 B 348/14 -, NVwZ-RR 2015, 101). Diese Voraussetzungen dürften hier erfüllt sein, obgleich die Antragsgegnerin zur Durchsetzung der sich auf beide Grundstücke der Antragstellerin beziehenden Handlungsgebote in den Nummern 1 (Anschlusszwang) und 4 (Benutzungs- und Abwasserüberlassungspflicht) des angefochtenen Bescheids jeweils nur ein einheitliches Zwangsgeld in Höhe von 3.500,-- EUR beziehungsweise 250,-- EUR angedroht hat. Denn der Wortlaut der Zwangsgeldandrohungen und die Höhe der angedrohten Zwangsgelder lassen die Auslegung zu, dass die Antragsgegnerin das volle Zwangsgeld jeweils für jeden einzelnen Verstoß gegen den Anschlusszwang und die Benutzungs- und Abwasserüberlassungspflicht androhen wollte, für beide Grundstücke zusammen aber auch nicht mehr als 3.500,-- EUR beziehungsweise 250,-- EUR. Eine solche „gebündelte“ Zwangsgeldandrohung ist mit dem Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar, wenn der angedrohte Betrag für jede einzelne der umstrittenen Handlungspflichten und besonders im Fall weitgehender Teilerfüllung für die letzte, noch nicht erfüllte Handlungspflicht nicht unangemessen hoch ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.02.1980 - III 1381/79 -, juris). So liegt der Fall hier. Was Nummer 3 des angefochtenen Bescheids angeht, ist nicht erkennbar, dass das angedrohte Zwangsgeld von 3.500,-- EUR zu den voraussichtlichen Kosten des Anschlusses nur eines der beiden Grundstücke an die öffentliche Abwasseranlage außer Verhältnis stünde (zur Maßgeblichkeit des mutmaßlichen wirtschaftlichen Interesses an einer Nichtbefolgung der Anordnung vgl. Sächs. OVG, Urt. v. 16.04.2013 - 4 A 260/12 -, DVBl 2013, 867). Soweit es Nummer 6 des angefochtenen Bescheids betrifft, bestehen gegen die Androhung eines Zwangsgelds von 250,-- EUR für die Nichterfüllung der Benutzungs- und Abwasserüberlassungspflicht mit nur einem der beiden Grundstücke schon im Hinblick auf die geringe Höhe des angedrohten Betrages keine Bedenken.
20 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
21 
Die Streitwertfestsetzung und -änderung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 39 Abs. 1 GKG. Hinsichtlich der für sofort vollziehbar erklärten Anordnungen über den Anschlusszwang und die Benutzungs- und Abwasserüberlassungspflicht ist für jedes der Grundstücke Flst.-Nrn. xxx und xxx mangels konkreter Anhaltspunkte für die Höhe der der Antragstellerin hieraus entstehenden Kosten jeweils der Auffangwert anzusetzen, wobei dieser Betrag im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu halbieren ist. Die unselbstständigen Zwangsgeldandrohungen sind bei der Bemessung des Streitwerts außer Ansatz zu lassen (vgl. Senat, Beschl. v. 12.04.2011 - 1 S 2849/10 -, VBlBW 2011, 425). Danach ergibt sich für das erstinstanzliche Verfahren ein Gesamtstreitwert von 5.000,-- EUR, während für das seinem Umfang nach auf das Grundstück Flst.-Nr. xxx beschränkte Beschwerdeverfahren 2.500,-- EUR festzusetzen sind.
22 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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