Urteil vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 4 S 791/16

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. März 2016 - 3 K 3541/15 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

Der am 10.11.1953 geborene Kläger ist Versorgungsempfänger des Beklagten. Er stand zuletzt als Obergerichtsvollzieher (Besoldungsgruppe A 9) in dessen Diensten und wurde auf seinen Antrag hin mit Ablauf des 31.07.2014 wegen Schwerbehinderung in den Ruhestand versetzt.
Mit Bescheid vom 16.06.2014 setzte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (LBV) die dem Kläger ab dem 01.08.2014 zustehenden Versorgungsbezüge auf der Grundlage eines Ruhegehaltssatzes in Höhe von 71,75% fest (2.561,56 EUR brutto). Da der Kläger die für ihn anwendbare Altersgrenze jedoch erst mit 63 Jahren und 2 Monaten erreicht hätte, wurde die Minderungsvorschrift des § 27 Abs. 2 LBeamtVG angewendet und aufgrund des hierbei zu berücksichtigenden Zeitraums von 01.08.2014 bis 31.01.2017 eine Minderung von 2,5 Jahren x 3,6%, d.h. insgesamt 9% (230,54 EUR) verfügt, sodass sich das Ruhegehalt auf insgesamt 2.331,02 EUR verringerte.
Mit seinem Widerspruch vom 03.07.2014 hiergegen forderte der Kläger die Anwendung der besonderen Altersgrenze des § 36 Abs. 3 LBG auf seinen Fall, um keine Ruhegehaltsminderung hinnehmen zu müssen. Insbesondere aufgrund der besonderen Gefährlichkeit seines Berufs sowie der hohen Arbeitslast müsse diese Sonderregel auch auf ihn angewendet werden. Das Verwaltungsgericht Stuttgart habe die Sonderregel mit Urteil vom 05.06.2014 entsprechend auf gemeindliche Vollzugsbeamte angewendet.
Das LBV wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2015 zurück, weil § 36 Abs. 3 LBG den Beruf des Gerichtsvollziehers nicht erfasse und das benannte Urteil vom 05.06.2014 insoweit nicht übertragbar sei.
Am 21.07.2015 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage und vertiefte sein Vorbringen u.a. durch die Schilderung von Übergriffen auf Gerichtsvollzieher sowie die Unterstützung durch das Justizministerium bei der Anschaffung von Schutzwesten sowie mobilen Alarmgeräten für den Außendienst. Als Gerichtsvollzieher sei er der Sache nach Vollzugsbeamter und müsse zudem in aller Regel den Außendienst, anders als Polizisten, alleine meistern. Fürsorgepflicht und Gleichheitssatz, die hohe Arbeitsbelastung einer 60- bis 70-Stundenwoche, die wiederkehrende 24-Stundenbereitschaft, die Aufarbeitungspflicht nach dem Urlaub, die zunehmend schwierigen Schuldner und auch Gläubiger bei Vollstreckungsaufträgen, die 90% der Arbeit ausmachten, all dies illustriere, dass ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund für die Nichtberücksichtigung von Gerichtsvollziehern in § 36 Abs. 3 LBG nicht ersichtlich sei.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 11.03.2016 als zulässig, aber unbegründet ab. Gerichtsvollzieher fielen nicht unter § 36 Abs. 3 LBG, auch wenn sie ebenso wie die dort genannten Beamtengruppen Vollzugsaufgaben wahrnehmen würden, denn dies sei nur ein Teilaspekt der gesetzlichen Rechtfertigung der Sonderaltersgrenze. Gerichtsvollzieher arbeiteten beispielsweise nicht im Wechselschichtdienst. Auch die verfassungskonforme Auslegung gebiete eine diesbezügliche Gleichstellung nicht, weder im Hinblick auf die Fürsorgepflicht noch den Gleichheitssatz. Die vom Kläger geschilderten besonderen physischen und psychischen beruflichen Lasten könnten als wahr unterstellt werden und würden dennoch nicht zu Dienstbelastungen führen, die denjenigen der von § 36 Abs. 3 LBG erfassten Beamtengruppen vergleichbar seien. Auch aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu kommunalen Vollzugsbeamten folge nichts anderes, denn dieses vermöge schon nicht zu überzeugen. Schließlich zwinge auch die Einbeziehung von Gerichtsvollziehern bei § 113 Abs. 1 StGB nicht zur Erstreckung der Sonderaltersgrenze des § 36 Abs. 3 LBG auf sie, weil Rechtsgut der Strafnorm das staatliche Gewaltmonopol sei und nicht der persönliche Schutz der einbezogenen Personen.
Am 15.04.2016 hat der Kläger hiergegen die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Er trägt im Wesentlichen vor, die Ungleichbehandlung von Gerichtsvollziehern und den von § 36 Abs. 3 LBG erfassten Beamtengruppen sei verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, weil Gerichtsvollzieher vergleichbare physische und psychische berufliche Lasten zu tragen hätten. Die Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) illustriere, dass sie Vollzugsbeamte und im Vollzugsdienst tätig seien, sodass § 36 Abs. 3 LBG auf sie erstreckt werden könne, auch wenn mit Gesetz vom 17.12.2015 dort das Wort "allgemeine" vor "Vollzugsdienst" gestrichen worden sei. Da § 36 Abs. 3 LBG nicht die Versorgung der dort genannten Beamtengruppen regele, greife insoweit auch nicht der Gesetzesvorbehalt des § 2 Abs. 1 LBeamtVG. Ohnehin sei Gesetzesauslegung immer möglich und es gelte im Versorgungsrecht kein generelles Analogieverbot. Da bezüglich der Gerichtsvollzieher eine planwidrige Gesetzeslücke bestehe, müsse § 36 Abs. 3 LBG jedenfalls analog angewendet werden. Wegen des Verstoßes gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG werde im Übrigen die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht angeregt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11.03.2016 - 3 K 3541/15 - zu ändern und den Bescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 16.06.2014 in der Gestalt von dessen Widerspruchsbescheid vom 22.06.2015 insoweit aufzuheben, als hierin eine Minderung des Ruhegehalts durch einen Versorgungsabschlag in Höhe von 9% verfügt worden ist.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und macht im Wesentlichen geltend, der Gesetzesvorbehalt des § 2 Abs. 1 LBeamtVG stehe dem Begehren des Klägers ebenso entgegen wie das hier einschlägige Verbot einer extensiven oder ergänzenden Auslegung bzw. Analogie. Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG sei bezüglich der Nichtgleichstellung von Gerichtsvollziehern mit den in § 36 Abs. 3 LBG genannten Beamtengruppen nicht verletzt.
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Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts und des Beklagten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht in vollem Umfang als zulässig, aber unbegründet abgewiesen. Der Bescheid des LVB vom 16.06.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 22.06.2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, weil der Versorgungsabschlag in Höhe von 9% zutreffend verfügt worden ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die vom Kläger begehrte Einbeziehung von Gerichtsvollziehern in die Sondernorm des § 36 Abs. 3 LBG, die den Versorgungsabschlag in seinem Falle vollständig entfallen ließe (vgl. § 36 Abs. 3 LBG i.d.F. von Art. 62 § 3 Abs. 4 Dienstrechtsreformgesetz vom 09.11.2010, GBl. 793 <985>: Altersgrenze bei Jahrgang 1953 = 60 Jahre und 2 Monate), ist dem Senat weder im Wege der Auslegung (hierzu I.) noch der Analogie (hierzu II.) noch kraft Verfassungsrechts möglich. Auch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht scheidet aus (hierzu III.).
15 
I. Im Wege der Auslegung können Gerichtsvollzieher nicht in die Sondernorm des § 36 Abs. 3 LBG einbezogen werden. Im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Ruhestand (01.08.2014) normierte § 36 Abs. 1 LBG (in der vom 01.01.2011 bis 04.12.2015 gültigen Fassung), dass Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit die Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand kraft Gesetzes mit dem Ablauf des Monats erreichen, in dem sie das 67. Lebensjahr vollenden. Nach Absatz 2 der Norm erreichen Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen außer an Hochschulen abweichend von Absatz 1 die Altersgrenze mit dem Ende des Schuljahres, in dem sie das 66. Lebensjahr vollenden. Gemäß Absatz 3 der Norm erreichen Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit des Polizeivollzugsdienstes, auch wenn sie in Planstellen des Landesamts für Verfassungsschutz eingewiesen sind, des allgemeinen Vollzugsdienstes und des Werkdienstes bei den Justizvollzugseinrichtungen sowie des Einsatzdienstes der Feuerwehr abweichend von Absatz 1 die Altersgrenze mit dem Ablauf des Monats, in dem sie das 62. Lebensjahr vollenden. Nach Absatz 4 der Norm schließlich erreichen hauptamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Beigeordnete, Landrätinnen und Landräte sowie hauptamtliche Amtsverweserinnen und Amtsverweser nach § 48 Abs. 3 der Gemeindeordnung und § 39 Abs. 6 der Landkreisordnung abweichend von Absatz 1 die Altersgrenze mit dem Ablauf des Monats, in dem sie das 68. Lebensjahr vollenden.
16 
1. Nach seinem Wortlaut ist § 36 Abs. 3 LBG damit eindeutig nicht auf Gerichtsvollzieher anwendbar. Denn sie sind weder Beamtinnen und Beamte des Polizeivollzugsdienstes noch des allgemeinen Vollzugsdienstes bzw. Werkdienstes bei den Justizvollzugseinrichtungen noch des Einsatzdienstes der Feuerwehr. Auch wenn nach der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) diese als Vollzugsbeamte und im Vollzugsdienst tätig sind, auch wenn mit Gesetz vom 17.12.2015 (vgl. Art. 3 Nr. 1 Gesetz über den Vollzug der Abschiebungshaft in Baden-Württemberg sowie zur Änderung des FlüAG, des LBG und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften, GBl. 1187 <1190>) inzwischen das Wort "allgemeine" vor "Vollzugsdienst" gestrichen worden ist, sind Gerichtvollzieher doch eindeutig weder Feuerwehrleute noch JVA-Bedienstete noch Polizisten.
17 
2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart mit Urteil vom 05.06.2014 - 12 K 1720/14 -, dass "Polizeivollzugsbeamte" im Sinne der Norm im Wege der Auslegung auch kommunale Polizeivollzugsbeamte sein können und nicht nur solche, denen vom Land ein Amt einer Laufbahn nach § 3 LVOPol verliehen worden ist, kann hier keine entscheidungserhebliche Relevanz entfalten. Denn jede Auslegung findet ihre Grenze am eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Die Gesetzesbegriffe "Polizeivollzugsdienst", "Beamtinnen und Beamte des allgemeinen Vollzugsdienstes und des Werkdienstes bei den Justizvollzugseinrichtungen" sowie des "Einsatzdienstes der Feuerwehr" aber lassen keine solchen Auslegungsspielräume zu, dass Gerichtsvollzieher hierunter subsumiert werden könnten. Auch bei Anerkennung und Wertschätzung der vom Kläger geschilderten hohen physischen und psychischen beruflichen Lasten, denen Gerichtsvollzieher ausgesetzt sind, die der Senat in keiner Weise in Zweifel zieht, sowie im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG können Gerichtsvollzieher selbst bei verfassungskonformer Auslegung vom Richter nicht unter diese Gesetzbegriffe gefasst werden.
18 
3. Denn es ist klar erkennbar, dass der Gesetzgeber auf die Altersgrenze bezogene Sonderregelungen neben derjenigen der §§ 37 f. LBG, - abschließend - in § 36 Abs. 2 LBG nur für die Berufsgruppen der Lehrerinnen und Lehrer, in Absatz 3 nur für diejenigen der Polizeivollzugs-, JVA- und Feuerwehrbediensteten und in Absatz 4 der Norm nur für die dort aufgezählten kommunalen Amtsträgerinnen und Amtsträger normieren wollte. Für sämtliche anderen Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit, also auch die Berufsgruppe der Gerichtsvollzieher, sollte hingegen die Regelaltersgrenze des § 36 Abs. 1 LBG gelten. Damit aber endet selbst die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung. Denn auch deren Grenze ist der Wortlaut und der klar erkennbare Willen des Normgebers (vgl. BVerfGE 95, 64 <93>; 99, 341 <358>; 101, 312 <329> m.w.N.; 138, 64 <94 Rn. 86>; stRspr). Anderenfalls könnten die Gerichte der rechtspolitischen Entscheidung des demokratisch legitimierten Normgebers vorgreifen oder diese unterlaufen (vgl. BVerfGE 8, 71 <78 f.>; 112, 164 <183>). Das Ergebnis einer verfassungskonformen Auslegung muss deshalb immer auch vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein. Zudem muss sie die prinzipielle Zielsetzung des Normgebers wahren (vgl. BVerfGE 86, 288 <320>; 119, 247 <274>). Denn das gesetzgeberische Ziel darf durch richterliche Auslegung nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht werden (vgl. BVerfGE 119, 247 <274> m.w.N.; 138, 64 <94 Rn. 86>; Beschluss vom 31.10.2016 - 1 BvR 871/13 -, Juris Rn. 34). Die Berufsgruppe der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher lässt sich damit unter keinem Gesichtspunkt im Wege der Auslegung unter die Personengruppen des § 36 Abs. 3 LBG fassen. Dies auch gemäß der rechtsmethodischen Vorgabe, dass Sonderregelungen immer eng ausgelegt werden müssen.
19 
II. Die Sonderregelung des § 36 Abs. 3 LBG kann vom Richter auch nicht analog auf die Berufsgruppe der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher angewendet werden. Denn Sonderregelungen sind grundsätzlich nicht analogiefähig und es fehlt hier für eine entsprechende Anwendung zudem an der erforderlichen Gesetzeslücke.
20 
1. Zwar gehört zu den Aufgaben der Rechtsprechung auch die Rechtsfortbildung. Von daher sind eine analoge Anwendung einfachgesetzlicher Vorschriften sowie die Schließung von Regelungslücken von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht zu beanstanden. Rechtsfortbildung stellt keine unzulässige richterliche Eigenmacht dar, sofern durch sie der erkennbare Wille des Gesetzgebers nicht beiseitegeschoben und durch eine autark getroffene richterliche Abwägung der Interessen ersetzt wird (vgl. BVerfGE 82, 6 <11 ff.>). Richterliche Rechtsfortbildung darf hingegen nicht dazu führen, dass die Gerichte ihre eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen (vgl. BVerfGE 82, 6 <12>; 128, 193 <210>). Die Aufgabe der Rechtsprechung beschränkt sich vielmehr darauf, den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen oder eine planwidrige Regelungslücke mit den anerkannten Auslegungsmethoden zu füllen. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den Wortlaut des Gesetzes hintanstellt und sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (vgl. BVerfGE 118, 212 <243>; 128, 193 <210>; Urteil vom 11.07.2012 - 1 BvR 3142/07 -, Juris Rn. 73 ff.; Beschluss vom 13.10.2016 - 2 BvE 2/15 -, Juris Rn. 90).
21 
2. Nach diesen Maßstäben scheidet eine analoge Anwendung von § 36 Abs. 3 LBG auf Gerichtsvollzieher aus. Wie dargelegt ist der aus dem Normengefüge klar erkennbare Wille des Gesetzgebers im Rahmen der §§ 36 ff. LBG darauf gerichtet, die Altersgrenze nur von bestimmten, von ihm ausdrücklich benannten Berufsgruppen gesondert zu regeln. Die Berufsgruppe der Gerichtsvollzieher fällt hierunter eindeutig nicht. Auch für Gerichtsvollzieher soll nach dem Willen des Gesetzgebers mithin die Grundregel des § 36 Abs. 1 LBG gelten. Damit fehlt es offenkundig an einer Gesetzeslücke. Denn diese liegt nicht schon dann vor, wenn der Gesetzestext rein tatsächlich eine Lücke aufweist, was hier wegen der auch die Berufsgruppe der Gerichtsvollzieher erfassenden Grundregel des § 36 Abs. 1 LBG im Übrigen schon nicht der Fall ist, sondern erst dann, wenn der Gesetzgeber das in Frage stehende Problem nicht gesehen (gesetzgeberisches Versehen) oder dessen Lösung bewusst der Rechtsprechung (vgl. etwa § 132 Abs. 4 GVG) überlassen hat. Dafür gibt es bezüglich § 36 LBG auch nach den Gesetzesmaterialien jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte, denn der Gesetzgeber hat ausdrücklich und ganz bewusst Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit, wie etwa Gerichtsvollzieher, in Absatz 1 der Norm sowie - nur - die "besonderen Gruppen der Lehrerinnen und Lehrer, Beamtinnen und Beamte im Polizei- und Justizvollzugsdienst, Feuerwehrbeamtinnen und Feuerwehrbeamte, kommunale Wahlbeamtinnen und Wahlbeamte" in den Absätzen 2 bis 4 geregelt (vgl. LT-Drs. 14/6694, S. 38, 417 f. sowie Änderungsanträge der Grünen und SPD in LT-Drs. 14/7100, S. 1-3). Gerade in Fällen eines sogenannten "beredten Schweigens" aber, wenn und soweit der Gesetzgeber also einen Fall absichtlich spezialrechtlich ungeregelt gelassen hat, ist dem Richter die Analogie verboten, was sich aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ergibt (Art. 20 Abs. 2 GG).
22 
III. Vor diesem Hintergrund ist dem Senat auch die von den Beteiligten diskutierte Erstreckung von § 36 Abs. 3 LBG auf die Berufsgruppe der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher kraft Verfassungsrechts verwehrt.
23 
1. Ob die §§ 36 Abs. 2-4, 37, 38 LBG wegen willkürlicher Ungleichbehandlung zu Lasten der Gerichtsvollzieher verfassungswidrig sind, kann hier dahingestellt bleiben. Denn das Bundesverfassungsgericht hat schon 1958 klargestellt, dass selbst dann, wenn ein seinem Zweck und Inhalt nach eindeutiges Besoldungsgesetz gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil es eine bestimmte Beamtengruppe nicht berücksichtigt, das Gericht einem Beamten dieser Gruppe nicht durch "verfassungskonform" ergänzende Gesetzesauslegung die Besoldung aus diesem Gesetz zusprechen darf. Selbst eine Gerichtsvorlage zum Zwecke der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 BVerfGG, die eine solche verfassungsrechtlich unzulässige Entscheidung vorbereiten soll, ist ausdrücklich unzulässig. Denn das Bundesverfassungsgericht könnte allenfalls die begünstigende Vorschrift für nichtig erklären oder feststellen, dass die Nichtberücksichtigung einzelner Gruppen verfassungswidrig ist. Auch das Bundesverfassungsgericht aber darf die Begünstigung nicht auf die ausgeschlossenen Gruppen erstrecken. Dies käme allenfalls dann in Betracht, wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber bei Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG eine solche Regelung getroffen hätte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.06.1958 - 1 BvL 149/52 -; BVerfGE 8, 28).
24 
2. Im vorliegenden Fall der gesetzlichen Altersgrenze im Bereich der Beamtenversorgung kann im Ergebnis nichts anderes gelten. Zum einen ging es im 1958 entschiedenen Fall in der Sache gerade um Ruhegehaltsempfänger (nach dem G 131), bezüglich derer sich das Bundesverfassungsgericht außerstande sah, in unzulässiger Weise auf die vom Kläger geforderte Weise in die Entschließungsfreiheit des Gesetzgebers einzugreifen. Zum anderen gilt gemäß den detaillierten Klarstellungen des § 2 LBeamtVG gerade im Bereich der Beamtenversorgung, auch aufgrund der besonderen Haushaltsrelevanz, der strikte Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes. Es ist zudem nicht mit Sicherheit anzunehmen, dass der Gesetzgeber auch die Beamtengruppe der Gerichtsvollzieher in den Anwendungsbereich von § 36 Abs. 3 LBG aufgenommen hätte. Im Gegenteil spricht gerade die Gesetzessystematik dafür, dass er ganz bewusst nur die in den §§ 36 Abs. 2-4, 37, 38 LBG benannten Berufsgruppen Sonderregeln wollte und keine sonstigen.
25 
3. Es gibt im Übrigen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dies verfassungswidrig sein könnte. Denn gemäß Art. 33 Abs. 5 GG ist die Festsetzung einer Altersgrenze auf ein bestimmtes Alter im Beamtenrecht von Verfassungs wegen nicht geboten (so ausdrücklich BVerfG, Urteil vom 10.12.1985 - 2 BvL 18/83 -; Juris Rn. 47). Und auch Art. 3 Abs. 1 GG gebietet lediglich, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (vgl. BVerfGE 42, 64 <72>; st. Rspr.). Dabei ist allerdings davon auszugehen, dass die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG stets auf einem Vergleich von Lebensverhältnissen beruht, die nie in allen, sondern nur in einzelnen Elementen übereinstimmen. Es ist deshalb Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er dafür als maßgebend ansieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln (BVerfGE 50, 57 <77>). Der Gleichheitssatz ist nur dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. BVerfGE 55, 114 <128>). Dies wiederum ist nur dann der Fall, wenn es der Gesetzgeber versäumt hat, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebenssachverhalte zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Selbst das Bundesverfassungsgericht kann nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit nachprüfen, nicht aber, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (zur Altersgrenze von Lehrern vgl. BVerfGE 71, 255, m.w.N.).
26 
4. Es ist für den Senat nachvollziehbar, dass eine begünstigende Altersgrenze im Sinne von § 36 Abs. 3 LBG auch für die Beamtengruppe der Gerichtsvollzieher insbesondere im Hinblick auf die in Teilbereichen ähnlich tätigen Polizisten, JVA-Bediensteten oder Feuerwehrleute wie vom Kläger dargelegt "zweckmäßig, vernünftig und gerecht" wäre. Dass der Gesetzgeber aber seinen weiten politischen Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte, indem er Berufsgruppen wie die Gerichtsvollzieher oder im Außendienst eingesetzte Rechtspfleger oder etwa Betreuungsrichter (vgl. das vorgelegte Schreiben des Justizministeriums zu mobilen Alarmgeräten vom 10.09.2015) oder beispielsweise die im Maßregelvollzug der psychiatrischen Krankenhäuser eingesetzten Beamtinnen und Beamten nicht in den Anwendungsbereich von § 36 Abs. 3 LBG einbezogen hat, vermag der Senat nicht zu erkennen. Denn alle diese Berufsgruppen unterscheiden sich offenkundig in vielerlei wesentlichen Punkten, nicht nur hinsichtlich des Wechselschichtdienstes, voneinander.
27 
IV. Der Kläger wurde mithin von dem Beklagten verfassungskonform nicht in die Sondernorm des § 36 Abs. 3 LBG einbezogen. Damit aber gilt für ihn die vom LBV angewendete Regelung des § 100 Abs. 2 Nr. 2 LBeamtVG, wonach er aufgrund seiner Schwerbehinderung die Altersgrenze erst mit 63 Jahren und 2 Monaten erreicht hätte. Da er jedoch schon zum 01.08.2014 und damit 2,5 Jahre vorher in den Ruhestand getreten ist, greift in seinem Fall die Minderungsvorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LBeamtVG i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG und es ist, wie rechtmäßig geschehen, ein Versorgungsabschlag von insgesamt 9% zu verfügen.
28 
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
29 
VI. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
30 
Beschluss
31 
vom 22. März 2017
32 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG auf 5.532,96 EUR festgesetzt (2-facher Jahresbetrag des streitigen Versorgungsabschlags i.H.v. 230,54 EUR; vgl. Nr. 10.4 Streitwertkatalog 2013).
33 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
14 
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht in vollem Umfang als zulässig, aber unbegründet abgewiesen. Der Bescheid des LVB vom 16.06.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 22.06.2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, weil der Versorgungsabschlag in Höhe von 9% zutreffend verfügt worden ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die vom Kläger begehrte Einbeziehung von Gerichtsvollziehern in die Sondernorm des § 36 Abs. 3 LBG, die den Versorgungsabschlag in seinem Falle vollständig entfallen ließe (vgl. § 36 Abs. 3 LBG i.d.F. von Art. 62 § 3 Abs. 4 Dienstrechtsreformgesetz vom 09.11.2010, GBl. 793 <985>: Altersgrenze bei Jahrgang 1953 = 60 Jahre und 2 Monate), ist dem Senat weder im Wege der Auslegung (hierzu I.) noch der Analogie (hierzu II.) noch kraft Verfassungsrechts möglich. Auch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht scheidet aus (hierzu III.).
15 
I. Im Wege der Auslegung können Gerichtsvollzieher nicht in die Sondernorm des § 36 Abs. 3 LBG einbezogen werden. Im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Ruhestand (01.08.2014) normierte § 36 Abs. 1 LBG (in der vom 01.01.2011 bis 04.12.2015 gültigen Fassung), dass Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit die Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand kraft Gesetzes mit dem Ablauf des Monats erreichen, in dem sie das 67. Lebensjahr vollenden. Nach Absatz 2 der Norm erreichen Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen außer an Hochschulen abweichend von Absatz 1 die Altersgrenze mit dem Ende des Schuljahres, in dem sie das 66. Lebensjahr vollenden. Gemäß Absatz 3 der Norm erreichen Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit des Polizeivollzugsdienstes, auch wenn sie in Planstellen des Landesamts für Verfassungsschutz eingewiesen sind, des allgemeinen Vollzugsdienstes und des Werkdienstes bei den Justizvollzugseinrichtungen sowie des Einsatzdienstes der Feuerwehr abweichend von Absatz 1 die Altersgrenze mit dem Ablauf des Monats, in dem sie das 62. Lebensjahr vollenden. Nach Absatz 4 der Norm schließlich erreichen hauptamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Beigeordnete, Landrätinnen und Landräte sowie hauptamtliche Amtsverweserinnen und Amtsverweser nach § 48 Abs. 3 der Gemeindeordnung und § 39 Abs. 6 der Landkreisordnung abweichend von Absatz 1 die Altersgrenze mit dem Ablauf des Monats, in dem sie das 68. Lebensjahr vollenden.
16 
1. Nach seinem Wortlaut ist § 36 Abs. 3 LBG damit eindeutig nicht auf Gerichtsvollzieher anwendbar. Denn sie sind weder Beamtinnen und Beamte des Polizeivollzugsdienstes noch des allgemeinen Vollzugsdienstes bzw. Werkdienstes bei den Justizvollzugseinrichtungen noch des Einsatzdienstes der Feuerwehr. Auch wenn nach der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) diese als Vollzugsbeamte und im Vollzugsdienst tätig sind, auch wenn mit Gesetz vom 17.12.2015 (vgl. Art. 3 Nr. 1 Gesetz über den Vollzug der Abschiebungshaft in Baden-Württemberg sowie zur Änderung des FlüAG, des LBG und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften, GBl. 1187 <1190>) inzwischen das Wort "allgemeine" vor "Vollzugsdienst" gestrichen worden ist, sind Gerichtvollzieher doch eindeutig weder Feuerwehrleute noch JVA-Bedienstete noch Polizisten.
17 
2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart mit Urteil vom 05.06.2014 - 12 K 1720/14 -, dass "Polizeivollzugsbeamte" im Sinne der Norm im Wege der Auslegung auch kommunale Polizeivollzugsbeamte sein können und nicht nur solche, denen vom Land ein Amt einer Laufbahn nach § 3 LVOPol verliehen worden ist, kann hier keine entscheidungserhebliche Relevanz entfalten. Denn jede Auslegung findet ihre Grenze am eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Die Gesetzesbegriffe "Polizeivollzugsdienst", "Beamtinnen und Beamte des allgemeinen Vollzugsdienstes und des Werkdienstes bei den Justizvollzugseinrichtungen" sowie des "Einsatzdienstes der Feuerwehr" aber lassen keine solchen Auslegungsspielräume zu, dass Gerichtsvollzieher hierunter subsumiert werden könnten. Auch bei Anerkennung und Wertschätzung der vom Kläger geschilderten hohen physischen und psychischen beruflichen Lasten, denen Gerichtsvollzieher ausgesetzt sind, die der Senat in keiner Weise in Zweifel zieht, sowie im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG können Gerichtsvollzieher selbst bei verfassungskonformer Auslegung vom Richter nicht unter diese Gesetzbegriffe gefasst werden.
18 
3. Denn es ist klar erkennbar, dass der Gesetzgeber auf die Altersgrenze bezogene Sonderregelungen neben derjenigen der §§ 37 f. LBG, - abschließend - in § 36 Abs. 2 LBG nur für die Berufsgruppen der Lehrerinnen und Lehrer, in Absatz 3 nur für diejenigen der Polizeivollzugs-, JVA- und Feuerwehrbediensteten und in Absatz 4 der Norm nur für die dort aufgezählten kommunalen Amtsträgerinnen und Amtsträger normieren wollte. Für sämtliche anderen Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit, also auch die Berufsgruppe der Gerichtsvollzieher, sollte hingegen die Regelaltersgrenze des § 36 Abs. 1 LBG gelten. Damit aber endet selbst die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung. Denn auch deren Grenze ist der Wortlaut und der klar erkennbare Willen des Normgebers (vgl. BVerfGE 95, 64 <93>; 99, 341 <358>; 101, 312 <329> m.w.N.; 138, 64 <94 Rn. 86>; stRspr). Anderenfalls könnten die Gerichte der rechtspolitischen Entscheidung des demokratisch legitimierten Normgebers vorgreifen oder diese unterlaufen (vgl. BVerfGE 8, 71 <78 f.>; 112, 164 <183>). Das Ergebnis einer verfassungskonformen Auslegung muss deshalb immer auch vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein. Zudem muss sie die prinzipielle Zielsetzung des Normgebers wahren (vgl. BVerfGE 86, 288 <320>; 119, 247 <274>). Denn das gesetzgeberische Ziel darf durch richterliche Auslegung nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht werden (vgl. BVerfGE 119, 247 <274> m.w.N.; 138, 64 <94 Rn. 86>; Beschluss vom 31.10.2016 - 1 BvR 871/13 -, Juris Rn. 34). Die Berufsgruppe der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher lässt sich damit unter keinem Gesichtspunkt im Wege der Auslegung unter die Personengruppen des § 36 Abs. 3 LBG fassen. Dies auch gemäß der rechtsmethodischen Vorgabe, dass Sonderregelungen immer eng ausgelegt werden müssen.
19 
II. Die Sonderregelung des § 36 Abs. 3 LBG kann vom Richter auch nicht analog auf die Berufsgruppe der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher angewendet werden. Denn Sonderregelungen sind grundsätzlich nicht analogiefähig und es fehlt hier für eine entsprechende Anwendung zudem an der erforderlichen Gesetzeslücke.
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1. Zwar gehört zu den Aufgaben der Rechtsprechung auch die Rechtsfortbildung. Von daher sind eine analoge Anwendung einfachgesetzlicher Vorschriften sowie die Schließung von Regelungslücken von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht zu beanstanden. Rechtsfortbildung stellt keine unzulässige richterliche Eigenmacht dar, sofern durch sie der erkennbare Wille des Gesetzgebers nicht beiseitegeschoben und durch eine autark getroffene richterliche Abwägung der Interessen ersetzt wird (vgl. BVerfGE 82, 6 <11 ff.>). Richterliche Rechtsfortbildung darf hingegen nicht dazu führen, dass die Gerichte ihre eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen (vgl. BVerfGE 82, 6 <12>; 128, 193 <210>). Die Aufgabe der Rechtsprechung beschränkt sich vielmehr darauf, den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen oder eine planwidrige Regelungslücke mit den anerkannten Auslegungsmethoden zu füllen. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den Wortlaut des Gesetzes hintanstellt und sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (vgl. BVerfGE 118, 212 <243>; 128, 193 <210>; Urteil vom 11.07.2012 - 1 BvR 3142/07 -, Juris Rn. 73 ff.; Beschluss vom 13.10.2016 - 2 BvE 2/15 -, Juris Rn. 90).
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2. Nach diesen Maßstäben scheidet eine analoge Anwendung von § 36 Abs. 3 LBG auf Gerichtsvollzieher aus. Wie dargelegt ist der aus dem Normengefüge klar erkennbare Wille des Gesetzgebers im Rahmen der §§ 36 ff. LBG darauf gerichtet, die Altersgrenze nur von bestimmten, von ihm ausdrücklich benannten Berufsgruppen gesondert zu regeln. Die Berufsgruppe der Gerichtsvollzieher fällt hierunter eindeutig nicht. Auch für Gerichtsvollzieher soll nach dem Willen des Gesetzgebers mithin die Grundregel des § 36 Abs. 1 LBG gelten. Damit fehlt es offenkundig an einer Gesetzeslücke. Denn diese liegt nicht schon dann vor, wenn der Gesetzestext rein tatsächlich eine Lücke aufweist, was hier wegen der auch die Berufsgruppe der Gerichtsvollzieher erfassenden Grundregel des § 36 Abs. 1 LBG im Übrigen schon nicht der Fall ist, sondern erst dann, wenn der Gesetzgeber das in Frage stehende Problem nicht gesehen (gesetzgeberisches Versehen) oder dessen Lösung bewusst der Rechtsprechung (vgl. etwa § 132 Abs. 4 GVG) überlassen hat. Dafür gibt es bezüglich § 36 LBG auch nach den Gesetzesmaterialien jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte, denn der Gesetzgeber hat ausdrücklich und ganz bewusst Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit, wie etwa Gerichtsvollzieher, in Absatz 1 der Norm sowie - nur - die "besonderen Gruppen der Lehrerinnen und Lehrer, Beamtinnen und Beamte im Polizei- und Justizvollzugsdienst, Feuerwehrbeamtinnen und Feuerwehrbeamte, kommunale Wahlbeamtinnen und Wahlbeamte" in den Absätzen 2 bis 4 geregelt (vgl. LT-Drs. 14/6694, S. 38, 417 f. sowie Änderungsanträge der Grünen und SPD in LT-Drs. 14/7100, S. 1-3). Gerade in Fällen eines sogenannten "beredten Schweigens" aber, wenn und soweit der Gesetzgeber also einen Fall absichtlich spezialrechtlich ungeregelt gelassen hat, ist dem Richter die Analogie verboten, was sich aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ergibt (Art. 20 Abs. 2 GG).
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III. Vor diesem Hintergrund ist dem Senat auch die von den Beteiligten diskutierte Erstreckung von § 36 Abs. 3 LBG auf die Berufsgruppe der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher kraft Verfassungsrechts verwehrt.
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1. Ob die §§ 36 Abs. 2-4, 37, 38 LBG wegen willkürlicher Ungleichbehandlung zu Lasten der Gerichtsvollzieher verfassungswidrig sind, kann hier dahingestellt bleiben. Denn das Bundesverfassungsgericht hat schon 1958 klargestellt, dass selbst dann, wenn ein seinem Zweck und Inhalt nach eindeutiges Besoldungsgesetz gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil es eine bestimmte Beamtengruppe nicht berücksichtigt, das Gericht einem Beamten dieser Gruppe nicht durch "verfassungskonform" ergänzende Gesetzesauslegung die Besoldung aus diesem Gesetz zusprechen darf. Selbst eine Gerichtsvorlage zum Zwecke der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 BVerfGG, die eine solche verfassungsrechtlich unzulässige Entscheidung vorbereiten soll, ist ausdrücklich unzulässig. Denn das Bundesverfassungsgericht könnte allenfalls die begünstigende Vorschrift für nichtig erklären oder feststellen, dass die Nichtberücksichtigung einzelner Gruppen verfassungswidrig ist. Auch das Bundesverfassungsgericht aber darf die Begünstigung nicht auf die ausgeschlossenen Gruppen erstrecken. Dies käme allenfalls dann in Betracht, wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber bei Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG eine solche Regelung getroffen hätte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.06.1958 - 1 BvL 149/52 -; BVerfGE 8, 28).
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2. Im vorliegenden Fall der gesetzlichen Altersgrenze im Bereich der Beamtenversorgung kann im Ergebnis nichts anderes gelten. Zum einen ging es im 1958 entschiedenen Fall in der Sache gerade um Ruhegehaltsempfänger (nach dem G 131), bezüglich derer sich das Bundesverfassungsgericht außerstande sah, in unzulässiger Weise auf die vom Kläger geforderte Weise in die Entschließungsfreiheit des Gesetzgebers einzugreifen. Zum anderen gilt gemäß den detaillierten Klarstellungen des § 2 LBeamtVG gerade im Bereich der Beamtenversorgung, auch aufgrund der besonderen Haushaltsrelevanz, der strikte Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes. Es ist zudem nicht mit Sicherheit anzunehmen, dass der Gesetzgeber auch die Beamtengruppe der Gerichtsvollzieher in den Anwendungsbereich von § 36 Abs. 3 LBG aufgenommen hätte. Im Gegenteil spricht gerade die Gesetzessystematik dafür, dass er ganz bewusst nur die in den §§ 36 Abs. 2-4, 37, 38 LBG benannten Berufsgruppen Sonderregeln wollte und keine sonstigen.
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3. Es gibt im Übrigen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dies verfassungswidrig sein könnte. Denn gemäß Art. 33 Abs. 5 GG ist die Festsetzung einer Altersgrenze auf ein bestimmtes Alter im Beamtenrecht von Verfassungs wegen nicht geboten (so ausdrücklich BVerfG, Urteil vom 10.12.1985 - 2 BvL 18/83 -; Juris Rn. 47). Und auch Art. 3 Abs. 1 GG gebietet lediglich, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (vgl. BVerfGE 42, 64 <72>; st. Rspr.). Dabei ist allerdings davon auszugehen, dass die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG stets auf einem Vergleich von Lebensverhältnissen beruht, die nie in allen, sondern nur in einzelnen Elementen übereinstimmen. Es ist deshalb Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er dafür als maßgebend ansieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln (BVerfGE 50, 57 <77>). Der Gleichheitssatz ist nur dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. BVerfGE 55, 114 <128>). Dies wiederum ist nur dann der Fall, wenn es der Gesetzgeber versäumt hat, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebenssachverhalte zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Selbst das Bundesverfassungsgericht kann nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit nachprüfen, nicht aber, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (zur Altersgrenze von Lehrern vgl. BVerfGE 71, 255, m.w.N.).
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4. Es ist für den Senat nachvollziehbar, dass eine begünstigende Altersgrenze im Sinne von § 36 Abs. 3 LBG auch für die Beamtengruppe der Gerichtsvollzieher insbesondere im Hinblick auf die in Teilbereichen ähnlich tätigen Polizisten, JVA-Bediensteten oder Feuerwehrleute wie vom Kläger dargelegt "zweckmäßig, vernünftig und gerecht" wäre. Dass der Gesetzgeber aber seinen weiten politischen Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte, indem er Berufsgruppen wie die Gerichtsvollzieher oder im Außendienst eingesetzte Rechtspfleger oder etwa Betreuungsrichter (vgl. das vorgelegte Schreiben des Justizministeriums zu mobilen Alarmgeräten vom 10.09.2015) oder beispielsweise die im Maßregelvollzug der psychiatrischen Krankenhäuser eingesetzten Beamtinnen und Beamten nicht in den Anwendungsbereich von § 36 Abs. 3 LBG einbezogen hat, vermag der Senat nicht zu erkennen. Denn alle diese Berufsgruppen unterscheiden sich offenkundig in vielerlei wesentlichen Punkten, nicht nur hinsichtlich des Wechselschichtdienstes, voneinander.
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IV. Der Kläger wurde mithin von dem Beklagten verfassungskonform nicht in die Sondernorm des § 36 Abs. 3 LBG einbezogen. Damit aber gilt für ihn die vom LBV angewendete Regelung des § 100 Abs. 2 Nr. 2 LBeamtVG, wonach er aufgrund seiner Schwerbehinderung die Altersgrenze erst mit 63 Jahren und 2 Monaten erreicht hätte. Da er jedoch schon zum 01.08.2014 und damit 2,5 Jahre vorher in den Ruhestand getreten ist, greift in seinem Fall die Minderungsvorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LBeamtVG i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG und es ist, wie rechtmäßig geschehen, ein Versorgungsabschlag von insgesamt 9% zu verfügen.
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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VI. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
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Beschluss
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vom 22. März 2017
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Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG auf 5.532,96 EUR festgesetzt (2-facher Jahresbetrag des streitigen Versorgungsabschlags i.H.v. 230,54 EUR; vgl. Nr. 10.4 Streitwertkatalog 2013).
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Der Beschluss ist unanfechtbar.

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