Urteil vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 6 S 1006/19

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. Dezember 2018 - 4 K 7193/18 - wird geändert.

Der Bescheid des Landratsamts Esslingen vom 09.11.2017 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06.06.2018 werden mit Wirkung ex nunc aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten darüber, ob die von der Klägerin betriebene Wohngruppe eine stationäre Einrichtung im Sinne des § 3 Abs. 1 WTPG ist.
Die Klägerin betreibt seit 1982 in der ... eine Wohngruppe, in der junge Erwachsene leben, die Hilfe im persönlichen und sozialen Bereich benötigen. In ihrem Internetauftritt (www....) sowie einem von ihr vertriebenen Werbeflyer informiert die Klägerin über die „Stationäre Einrichtung für junge Erwachsene“, in der eine „vollstationäre und somit umfassende Betreuung in einer gemischten Wohngruppe für junge Erwachsene ab 18 Jahren“ angeboten werde. In der Wohngruppe stehen neun Plätze jeweils in Einzelzimmern zur Verfügung.
Dem Betrieb lag zunächst eine unter dem 30.08.2012 mit dem Landkreis Esslingen als Träger der Jugend- und Sozialhilfe geschlossene Leistungsvereinbarung hinsichtlich einer „stationären Wohngruppe“ zugrunde, nach der die Klägerin Hilfen für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII in stationären Einrichtungen sowie Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII (a.F.) und Hilfe zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 ff. SGB XII bei Vorliegen multipler Bedarfslagen erbrachte. In einer neuen, seit dem 01.07.2019 geltenden Leistungsvereinbarung wird das Angebot nicht mehr als „stationäre Wohngruppe“ bezeichnet. Zudem wurde die Eingliederungshilfe (für behinderte Menschen) nach den §§ 53 ff. SGB XII (a.F.) aus dem Leistungskatalog gestrichen. Als Zielsetzung des Leistungsangebots wird aufgeführt, die Betroffenen zu einer selbständigen und eigenverantwortlichen Lebensgestaltung hinzuführen, die ihnen eine gesellschaftliche Eingliederung ermöglichen soll.
Mit Schreiben vom 15.10.2015 wandte sich die Heimaufsichtsbehörde des Landratsamts Esslingen erstmals an die Klägerin und teilte mit, dass aufzuklären sei, ob die Wohngruppe eine ambulant betreute Wohngemeinschaft für volljährige Menschen mit Behinderung nach § 6 des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes (- WTPG -) sei. Infolge eines persönlichen Gesprächs mit Vertretern der Klägerin bekräftigte das Landratsamt sodann, dass das Wohnangebot in ... unter die Vorgaben des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes falle und daher künftig der regelmäßigen Überwachung durch die Heimaufsichtsbehörde unterliege.
Dem trat die Klägerin entgegen. Die Wohngruppe erfülle die Voraussetzungen ihrer Meinung nach nicht. Sie betreue seit nunmehr 30 Jahren junge Erwachsene - schwerpunktmäßig nach § 67 SGB XII - ohne dass sich die Heimaufsicht als zuständig angesehen habe. Eine Pflegeeinrichtung liege nicht vor.
Mit Schreiben vom 30.01.2017 teilte das Landratsamt mit, der Umstand, dass eine heimrechtliche Überwachung bisher nicht stattgefunden habe, bedeute nicht, dass eine Zuständigkeit nicht bestehe. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen hätten sich in der Zwischenzeit geändert. In der Tat handele es sich nicht um eine Pflegeeinrichtung, sondern um eine Einrichtung der Behindertenhilfe. Auch diese falle unter das Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz. Ausschlaggebend für die Zuständigkeit der Heimaufsicht sei, dass das Betreuungsangebot auf der Grundlage einer stationären Leistungsvereinbarung erbracht werde. Soweit keine Einigung erzielt werde, müsse der Vorgang zur Entscheidung an das Regierungspräsidium abgegeben werden. Es bestehe daher Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 28 LVwVfG.
Die Klägerin hielt daraufhin an ihrer Auffassung fest. Es liege auch keine Einrichtung der Behindertenhilfe vor. Die Eingliederungshilfe sei nur ein kleiner Teil ihres vollstationären Leistungsangebots. Sofern das Landratsamt weiterhin der Meinung sei, dass die Wohngruppe unter das Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz falle, so möge dies die vorgeschlagene Behörde entscheiden.
Mit Bescheid vom 09.11.2017 stellte das Landratsamt Esslingen fest, dass die von der Klägerin betriebene Wohngruppe für junge Erwachsene eine stationäre Einrichtung sei und den Vorschriften des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes unterliege. Anlässlich des durchgeführten Gesprächs sei festgestellt worden, dass junge Erwachsene mit psychischen Problemen aufgenommen würden und die Verweildauer in der Einrichtung ca. zwei Jahre, teilweise auch länger, betrage. Zwischen der Klägerin und dem Landkreis Esslingen bestehe eine Leistungsvereinbarung für das Leistungsangebot einer stationären Wohngruppe. Sie stelle Wohnraum und eine umfassende stationäre Versorgungsstruktur zur Verfügung, werde entgeltlich betrieben und sei in ihrem Bestand von Wechsel und Anzahl der Bewohner unabhängig. Dies sei ausschlaggebend für die Zuständigkeit der Heimaufsicht.
Hiergegen erhob die Klägerin am 23.11.2017 Widerspruch. Sie trug vor, in der Wohngruppe lebten junge Erwachsene ab 18 Jahren, die aufgrund ihrer gegenwärtigen Situation nicht in der Lage seien, ihre persönlichen und sozialen Schwierigkeiten ohne umfassende fachliche Hilfe zu bewältigen. Darunter seien zwar auch junge Erwachsene, die unter psychischen Problemen litten, allerdings weit unter der Hälfte der betreuten Personen. Sie würden durch ambulante Therapien behandelt, die sie selbst durchführten. Stationäre Pflege werde nicht geleistet. Der Bescheid sei ermessensfehlerhaft und verletze den Amtsermittlungsgrundsatz.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2018 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück. Bei der Wohngruppe handele es sich um eine stationäre Einrichtung nach § 3 Abs. 1 WTPG, denn es würden volljährigen Menschen mit Betreuungsbedarf Wohnraum und zugleich Unterstützungsleistungen mit umfassendem Versorgungscharakter zur Verfügung gestellt. Die Pflegebedürftigkeit bzw. das Erbringen von Pflegeleistungen sei nicht zwingende Tatbestandsvoraussetzung. Ausweislich der Gesetzesbegründung gehe es um den Schutz von volljährigen Menschen mit Pflege- bzw. Unterstützungsbedarf und um das Erbringen von Pflege- bzw. sonstigen Unterstützungsleistungen. Deshalb sei auch diese Einrichtung zur Unterstützung der jungen Erwachsenen als stationäre Einrichtung einzustufen, obwohl es kein „klassisches“ Pflegeheim sei. Auf die konkrete Bewohnerstruktur, wie zum Beispiel den Anteil der psychisch Kranken, sei nicht abzustellen. Entscheidend sei vielmehr die mit der Wohnraumüberlassung verbundene umfassende Versorgung der Menschen mit entsprechendem Unterstützungsbedarf.
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Am 02.07.2018 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ihre bisherigen Ausführungen wiederholt und vertieft. Zudem hat sie eidesstattliche Versicherungen der neun bei Klageerhebung in der Einrichtung lebenden Bewohner vorgelegt, in der diese bekräftigten, dass sie keine pflegerischen und sonstigen Unterstützungsleistungen von Seiten der Klägerin erhielten und dass sie ihren jeweiligen Haushalt alleine führten sowie Termine mit Ärzten und die Medikamenteneinnahme selbständig organisierten. Dazu hat die Klägerin vorgetragen, hieraus ergebe sich eindeutig, dass eine entsprechende stationäre Unterbringung nicht gewünscht und auch nicht erforderlich sei, sondern dass es sich um eine Wohngruppe für junge Erwachsene handele, die allgemeine Hilfe zum Leben erhielten. Auch die örtlich zuständigen Träger der Jugend- und Sozialhilfe des Landkreises seien der Ansicht, dass sie nicht unter das Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz falle.
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Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausführt, nach Inkrafttreten des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes seien alle Wohnformen geprüft worden. Hierbei sei festgestellt worden, dass es sich hier um ein stationäres Betreuungsangebot nach § 3 WTPG handele. In stationären Einrichtungen würden in der Regel von einem Träger neben der Wohnraumüberlassung zugleich verpflichtend Pflege- und sonstige Unterstützungsleistungen erbracht, die Betreuungsleistungen, Verpflegung und hauswirtschaftliche Leistungen umfassen könnten. Dies sei hier der Fall. Ausweislich der Gesetzesbegründung liege bei Menschen mit Behinderungen nicht immer Pflegebedürftigkeit vor. Vielmehr bestehe überwiegend sonstiger Unterstützungsbedarf, beispielsweise in Form von alltagsbegleitenden sozialen Betreuungsleistungen. In der Wohngruppe lebten junge Menschen, die eine umfassende und kompetente Hilfe benötigten und die durch die Hilfestellungen der Klägerin an eine selbständige Lebensführung herangeführt würden. Dazu zähle sicherlich auch, dass die jungen Menschen viele Dinge des täglichen Lebens eigenständig durchführten. Trotzdem sei eine stationäre Unterbringungsform gegeben. Dies zeige auch die mit dem Träger der Jugend- und Sozialhilfe abgeschlossene Leistungsvereinbarung. Ein Ermessen der Behörde bei der Einstufung der Einrichtung als stationäre Einrichtung bestehe nicht. Ob bei den Bewohnern eine Pflegebedürftigkeit festgestellt worden sei, sei nicht entscheidend. Es genüge, dass Pflege- und sonstige Unterstützungsleistungen mit umfassendem Versorgungscharakter in der Einrichtung zur Verfügung stünden oder vorgehalten würden.
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Mit Urteil vom 06.12.2018 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Klage abgewiesen. Es hat die Klage als zulässig, aber nicht begründet angesehen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Obwohl das Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz keine ausdrückliche Ermächtigung der Behörde zur Feststellung der Eigenschaft einer stationären Einrichtung enthalte, bestehe eine Befugnis zum Erlass eines solchen Verwaltungsakts. Die Einrichtung der Klägerin erfülle die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 WTPG, weil sie jedenfalls Unterstützungsleistungen vorhalte. Dabei könne dahinstehen, ob sie dem Zweck diene, Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf aufzunehmen; denn jedenfalls würden Menschen mit Behinderungen aufgenommen. Bei dieser Zielgruppe komme es nach dem Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht darauf an, ob diese pflegebedürftig seien. Daher sei auch nicht erforderlich, dass für diese Zielgruppe verpflichtend Pflegeleistungen vorgehalten würden. Der Gesetzeswortlaut sei insoweit widersprüchlich. Das Wort „und“ im Satzteil „mit der Wohnraumüberlassung verpflichtend Pflege- und sonstige Unterstützungsleistungen mit umfassendem Versorgungscharakter“ sei ein Redaktionsversehen und daher als „oder“ zu lesen. Die Einstufung der Einrichtung hänge nicht davon ab, ob gegenwärtig überhaupt ein Bewohner Unterstützungsleistungen mit umfassendem Versorgungscharakter in Anspruch nehme. Ausreichend sei, wenn ein entsprechendes Angebot vorgehalten werde. Dies sei hier aus der Leistungsvereinbarung ersichtlich. Die darin enthaltene Aufschlüsselung des Leistungsangebots zeige, dass umfassende Unterstützungsleistungen an 365 Tagen im Jahr ganztägig zur Verfügung stünden.
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Nach Zulassung der Berufung durch den Senat hat die Klägerin mit innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingegangenem Schriftsatz zur Begründung der Berufung im Wesentlichen ausgeführt: Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht vom Vorliegen einer stationären Einrichtung ausgegangen. Ausweislich des Gesetzeswortlauts sei erforderlich, dass Pflege- und sonstige Unterstützungsleistungen erbracht würden. Es handele sich nicht um ein „oder“. Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass es sich um einen Fehler des Gesetzgebers handele, sei nicht zu folgen. Durch die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen sowie Mitteilungen des Medizinischen Dienstes sei belegt, dass sie keine pflegerischen Leistungen erbringe, da die betreuten Personen keinem Pflegegrad unterlägen. Soweit in der Leistungsvereinbarung „Versorgungsleistungen“ angegeben seien, handele es sich nicht um pflegerische Leistungen. Jedenfalls ab dem 01.01.2020 würden keine Menschen mit Behinderungen mehr aufgenommen. Mit den Bewohnern würden keine Verträge abgeschlossen. Es handele sich vielmehr um eine vollstationäre Unterbringung, die von der Behörde angeordnet und bezahlt werde. Mit ihr werde für jeden Bewohner ein individueller Hilfeplan erstellt.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. Dezember 2018 - 4 K 7193/18 - zu ändern und den Bescheid des Landratsamts Esslingen vom 09.11.2017 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06.06.2018 mit Wirkung ex nunc aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angegriffene Urteil und macht geltend: Bei der Wohngruppe der Klägerin handele es sich um eine stationäre Einrichtung für Menschen mit Behinderungen. Die Formulierung in § 3 Abs. 1 WTPG solle nicht ausdrücken, dass zwingend Pflegeleistungen im Sinne einer Pflegebedürftigkeit erbracht werden müssten. In der Wohngruppe würden in der Regel jüngere Menschen ohne Pflegebedarf betreut. Damit sei aber nicht verbunden, dass es sich nicht um eine stationäre Einrichtung handele. Auch in der Leistungsvereinbarung werde das Leistungsangebot als „stationäre Wohngruppe“ beschrieben. Der Oberbegriff „unterstützende Wohnform“ aus § 2 WTPG bilde die Ausgangsbasis für die Kategorisierung der unterschiedlichen Wohnverhältnisse und der damit verbundenen abgestuften Anwendung der Regelungen zu den ordnungsrechtlichen Anforderungen und Überprüfungen. Die stationäre Einrichtung im Sinne des § 3 WTPG sei dadurch gekennzeichnet, dass die Wohnraumüberlassung mit der Erbringung oder Vorhaltung von Pflege- und unterstützenden Dienstleistungen im Sinne einer Rundumversorgung verknüpft sei. Für Menschen mit Behinderungen sei zugrunde gelegt worden, dass bei diesen nicht immer eine Pflegebedürftigkeit vorliege, sondern überwiegend sonstiger Unterstützungsbedarf bestehe, beispielsweise in Form von alltagsbegleitenden sozialen Betreuungsleistungen. Aus der Leistungsvereinbarung gehe hervor, dass die Klägerin sowohl die Wohnraumüberlassung als auch die Pflege- und sonstigen Unterstützungsleistungen bestimme und somit die Gesamtverantwortung für eine umfassende Versorgung der Bewohner übernehme. Die derzeit in der Wohngruppe lebenden Personen erhielten seitens des Sozialdezernats des Landkreises Leistungen nach § 67 SGB XII vollstationär oder Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII (a.F.). Es mache aber keinen Unterschied, ob tatsächlich volljährige Menschen mit Behinderungen dort aufgenommen worden seien oder eine Aufnahme künftig lediglich möglich wäre. Auch die neu abgeschlossene Leistungsvereinbarung ändere nichts an der Einordnung als stationäre Einrichtung.
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Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Senat den Geschäftsführer der Klägerin und zwei ihrer Mitarbeiter informatorisch angehört. Sie haben im Wesentlichen angegeben: Die Leistungsvereinbarung sei mit Wirkung zum 01.07.2019 neu verhandelt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits absehbar gewesen, dass sich die Rechtslage in Bezug auf die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen zum 01.01.2020 ändern werde. Da dies neue Anforderungen mit sich bringe, könne die Klägerin dies nicht mehr anbieten. Die neue Leistungsvereinbarung beziehe sich daher nicht mehr auf Eingliederungshilfe für Behinderte. Die Leistungsvereinbarung werde jeweils mit Vertretern der Kreisjugend- und der Sozialbehörde des Landkreises ausgehandelt. Nachverhandelt werde je nach Bedarf. Es gebe eine separate Vereinbarung zu den Entgelten, die öfter abgeändert werde als die Grundvereinbarung. Die Aufnahme eines Bewohners erfolge unter Einbeziehung des Leistungsträgers. Häufig gingen Eltern auf die Behörde zu und es werde ein Hilfebedarf festgestellt. Dann werde angefragt, ob ein Platz in der Wohngruppe frei sei. Wenn dies der Fall sei, setze man sich zusammen, lerne sich kennen und überlege, ob ein Einzug in Frage komme. Hierbei werde auch geklärt, ob eine selbständige Versorgung möglich sei. Es würden nur Menschen aufgenommen, die Leistungen nach dem SGB VIII oder SGB XII erhielten. Sie seien arbeitsfähig oder gingen zur Schule, hätten aber psychosoziale Probleme, die man gemeinsam bewältige. Es habe in der Vergangenheit schon Bewohner gegeben, bei denen ein Grad der Behinderung bestanden habe. Bis zum Ende des Jahres 2019 habe es einen Bewohner gegeben, der Leistungen der Eingliederungshilfe nach den früheren §§ 53 ff. SGB XII aufgrund einer seelischen Behinderung erhalten habe. Dies habe aber nicht im Vordergrund gestanden. Wenn Menschen mit Behinderungen aufgenommen würden, werde darauf geachtet, dass sie trotzdem zu der Einrichtung passten und die pädagogische Arbeit mit ihnen möglich sei. Es habe einmal eine Bewohnerin gegeben, bei der eine bipolare Störung festgestellt worden sei. Dies habe sich jedoch nicht mehr stark ausgewirkt. Anderenfalls hätte man sie nicht aufnehmen können. Menschen mit körperlicher Behinderung könnten nicht aufgenommen werden. Eine klassische Eingliederungshilfe für Behinderte könne in der Einrichtung nicht erbracht werden. Vielmehr handele es sich um eine einzigartige Einrichtung, die die verschiedenen Leistungsbereiche des SGB VIII und SGB XII verbinde. Die Klägerin komme eigentlich aus dem Bereich der Jugendhilfe und biete nur Sozialpädagogen. Die Wohngruppe decke den Bedarf an einer Durchgangsstelle, in der die jungen Menschen verselbständigt und lebensfähig gemacht werden sollten. Die Mitarbeiter unterstützten die jungen Menschen dabei, ihren Alltag zu gestalten. Die Alltagsgestaltung werde überwacht, aber nicht erbracht. Seit Beginn des Jahres gebe es keinen Bewohner mehr, der Leistungen nach den früheren §§ 53 ff. SGB XII erhalte. Bewohner mit einem anerkannten Pflegegrad gebe es nicht. Danach werde bei Einzug auch nicht gefragt, da für die Aufnahme entscheidend sei, dass sich die Bewohner selbst versorgen könnten. Es habe einmal einen Bewohner gegeben, bei dem ein Pflegegrad anerkannt gewesen sei. Dies habe jedoch noch aus Zeiten hergerührt, in denen dieser wegen des Todes seines Vaters komplett aus der Bahn geworfen gewesen sei. Er habe sich in der Einrichtung aber selbst versorgen können und keine Pflegeleistungen benötigt. Die Bewohner seien geschäftsfähig. Sie gingen zur Schule, machten eine Ausbildung oder arbeiteten. Ein Bewohner habe mal unter rechtlicher Betreuung gestanden, allerdings nur in Finanzangelegenheiten, da er wegen Betrügereien auffällig geworden sei. Wenn die Klägerin mit einer „vollstationären“ Einrichtung werbe, werde dieser Begriff im jugendhilferechtlichen Sinne verwendet und meine nicht die stationäre Einrichtung nach dem Heimrecht. Nach Einzug der Bewohner werde in der Regel ein individueller Hilfeplan erstellt. Hier bringe sich auch der Leistungsträger ein. Der Hilfeplan werde regelmäßig fortgeschrieben. Hierzu kämen in der Regel Vertreter des allgemeinen Sozialen Dienstes des Landkreises zu ihnen ins Haus. Diese schauten sich mitunter die Zimmer der Bewohner an und kontrollierten die Fortschritte. Auch die Bewohner könnten sich bei Problemen an den Sozialen Dienst wenden. Dies komme auch öfters vor. Im Alltag kämen die ersten Mitarbeiter um 8 Uhr morgens in die Einrichtung und gingen durch die Zimmer um nachzuschauen, ob diejenigen, die arbeiteten oder zur Schule gingen, dort auch hingegangen seien. Denjenigen, die nicht außer Haus gingen, werde bei der Arbeitssuche geholfen. Allgemein würden die Bewohner bei den nötigen Kontakten mit Behörden, Arbeitgebern etc. unterstützt. Mitarbeiter seien in drei Schichten bis 21 Uhr im Hause. Danach bestehe eine Rufbereitschaft. Sie arbeiteten auf die Eigenständigkeit der Bewohner hin. Es gebe in der Woche zwei Putztage. Jeder sei nach einem Putzplan für bestimmte Sachen zuständig. Die Mitarbeiter überwachten, ob die Bewohner diesen Aufgaben nachkämen, übernähmen die Aufgaben aber nicht selbst. Gelegentlich werde auch ein Freizeitangebot, wie etwa gemeinsames Bowling- oder Billardspielen, gemacht. Die Bewohner sorgten grundsätzlich selbst für ihr Essen. Die Mitarbeiter achteten aber darauf, dass es einigermaßen ausgewogen sei. Sofern man mitbekomme, dass dies nicht funktioniere, werde beim Einkaufen oder auch beim Kochen beraten und angeleitet, um den Bewohnern diese Dinge beizubringen. Sie müssten sich jedoch grundsätzlich selbst versorgen können. Verhungern lasse man aber niemanden. Gelegentlich koche auch die Gruppe gemeinsam im Sinne einer gruppenbildenden Maßnahme. Einmal im Monat gebe es eine Gruppenkonferenz. Aktuell gebe es neun Bewohner. Am 02.01.2020 sei jemand neu eingezogen. Für diese Person und zwei weitere gebe es noch keine Hilfepläne, die hätten vorgelegt werden können. Eine Person erhalte Leistungen nach §§ 41, 35a SGB VIII. Sie habe keinen anerkannten Grad der Behinderung, sei jedoch mit einer Antriebsschwäche zu ihnen gekommen. Dies habe sich stark gebessert und sie mache eine normale Ausbildung. Die Verweildauer in der Einrichtung sei sehr unterschiedlich. Im Durchschnitt blieben die Bewohner ca. zwei Jahre. Im Laufe der Zeit bemerke man gesellschaftliche Veränderungen. Es stellten sich neue Problematiken. Die Einrichtung lebe aber gerade von den unterschiedlichen Problemfeldern und Persönlichkeiten. Die Jugend- und Sozialhilfeträger arbeiteten eng zusammen und würden teilweise von derselben Person vertreten. Es gebe eine stetige Rückkopplung mit den Sozialarbeitern. Wenn es mit den Bewohnern gut laufe, gebe es nur anlässlich der Fortschreibung der Hilfepläne Kontakt. Bei etwaigen Krisen oder wenn sich Dinge änderten, beispielsweise die Arbeitsstelle eines Bewohners, werde sofort Kontakt aufgenommen; ebenso wenn ein Bewohner den Wunsch äußere, auszuziehen. Im untersten Stock des Gebäudes befänden sich Büroräumlichkeiten der Verwaltung der Klägerin, ein Büro für die Mitarbeiter, ein Gemeinschaftsraum, eine kleine Küche sowie ein weiteres Büro, von dem aus das betreute Wohnen in einer anderen Einrichtung koordiniert werde.
21 
Dem Senat liegen die Verwaltungsakten des Landratsamts Esslingen, die Widerspruchsakte des Regierungspräsidiums Stuttgart und die Verfahrensakte des Verwaltungsgerichts (4 K 7193/18) vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf, auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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1. Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid des Landratsamts Esslingen vom 09.11.2017 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06.06.2018 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
a) Für die Beurteilung der Sach- und Rechtlage ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen.
24 
Die Frage, welche Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, lässt sich nicht generell und gleichsam abstrakt beantworten. Bei feststellenden Verwaltungsakten kommt es vielmehr darauf an, auf welchen Zeitpunkt bzw. Zeitraum sich einerseits die getroffene Feststellung bezieht und wogegen sich andererseits die hiergegen erhobene Anfechtungsklage des Adressaten des Bescheids richtet (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.09.2003 - 14 S 718/03 -, juris Rn. 23 m.w.N.).
25 
Eine Auslegung des hier angefochtenen Bescheids anhand dieser Kriterien ergibt, dass die getroffene Feststellung, es handele sich bei der von der Klägerin betriebenen Wohngruppe um eine stationäre Einrichtung, nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt abstellt, sondern - gleichbleibende Verhältnisse unterstellt - auf Dauer angelegt ist, mithin den Charakter eines Dauerverwaltungsakts hat. Denn die Feststellung beansprucht ersichtlich, der Eigenart eines Dauerverwaltungsakts entsprechend, nicht nur für den Zeitpunkt des Zugangs, sondern auch für einen hieran anschließenden Zeitraum Geltung. Zudem wird die Absicht der Behörde erkennbar, die getroffene Feststellung zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls zur Grundlage weitergehender, an die Anwendbarkeit des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes anknüpfender Maßnahmen zu machen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.09.2003 - 14 S 718/03 -, juris Rn. 23 m.w.N.).
26 
Dies zugrunde gelegt wäre die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts hier nicht nur anhand der bei seinem Erlass bzw. im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung geltenden Sach- und Rechtslage, sondern gerade auch unter Einbeziehung der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu beurteilen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.09.2003, a.a.O., Rn. 24 m.w.N.). Mit Blick darauf, dass der Verwaltungsakt nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten seit seinem Erlass nicht als Grundlage für belastende Maßnahmen der Heimaufsichtsbehörde herangezogen wurde und das Rechtsschutzziel der Klägerin zukunftsgerichtet ist, hat die Klägerin ihren Antrag sachdienlich dahingehend konkretisiert, dass sie die Aufhebung des Verwaltungsakts lediglich mit Wirkung ex nunc begehrt. Der Senat kann sich daher auf die Überprüfung des Verwaltungsakts anhand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beschränken.
27 
b) Die Rechtsgrundlage für den Erlass eines Verwaltungsakts, mit dem die Eigenschaft als stationäre Einrichtung festgestellt wird, ergibt sich aus dem Gesetz für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege (Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz - WTPG - vom 20. Mai 2014, GBl. 2014, S. 241). Das Gesetz enthält zwar keine ausdrückliche Rechtsgrundlage für einen feststellenden Verwaltungsakt. Dennoch besteht eine hinreichende gesetzliche Grundlage für eine dahingehende Befugnis der zuständigen Aufsichtsbehörde.
28 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss die Befugnis der Verwaltung, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben des Mittels des feststellenden Verwaltungsakts zu bedienen, nicht ausdrücklich in der gesetzlichen Grundlage erwähnt sein, die zu einem Eingriff ermächtigt. Die Befugnis muss sich nur dem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lassen (BVerwG, Urteil vom 20.08.2014 - 6 C 15.13 -, juris Rn. 23 m.w.N.; Beschluss vom 19.01.2016 - 3 B 76.15 -, juris Rn. 8), wobei es als zulässig angesehen wird, auf eine „VA-Befugnis“ im Wege der Gesamtanalogie zu den Vorschriften zu schließen, die ausdrücklich oder implizit die zur Durchsetzung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht zuständige Behörde zum Erlass von Verwaltungsakten gegenüber Privatpersonen ermächtigen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2015 - 11 S 714/15 -, juris Rn. 33 m.w.N.).
29 
Im Rahmen des Heimrechts hat das Bundesverwaltungsgericht bereits aus der früheren bundesrechtlichen Vorschrift § 6 HeimG a.F. über die Erlaubnisbedürftigkeit des Betriebs eines Heims, deren Zweck sowie deren Zusammenhang mit weiteren Vorschriften die gesetzliche Grundlage für einen feststellenden Verwaltungsakt des Inhalts abgeleitet, dass der Betrieb einer bestimmten Einrichtung erlaubnisbedürftig ist (BVerwG, Beschluss vom 02.07.1991 - 1 B 64.91 -, juris Rn. 4). Ähnlich hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht aus einer landesrechtlichen Vorschrift (§ 4 Abs. 1 SächsBeWoG), die eine Anzeigepflicht über die Aufnahme des Betriebs einer stationären Einrichtung enthält, die gesetzliche Grundlage für einen feststellenden Verwaltungsakt darüber hergeleitet, dass der Betrieb einer bestimmten Einrichtung danach anzeigepflichtig ist sowie überhaupt eine stationäre Einrichtung vorliegt (Urteil vom 10.09.2015 - 5 A 70/15 -, juris Rn. 24 ff.; nachgehend BVerwG, Beschluss vom 19.01.2016 - 3 B 76.15 -, juris; ähnlich auch OVG Brandenburg, Beschluss vom 01.12.1999 - 4 B 127/99 -, juris Rn. 3). Der erkennende Verwaltungsgerichtshof hat zuvor aus § 12 des bundesrechtlichen, nunmehr aber durch Landesrecht ersetzten Heimgesetzes eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Feststellung der Anwendbarkeit des Heimgesetzes abgeleitet (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.09.2003 - 14 S 718/03 -, juris Rn. 26).
30 
Auch aus dem in Baden-Württemberg nunmehr geltenden Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz lässt sich eine entsprechende Befugnis der Aufsichtsbehörde ableiten, dessen Anwendbarkeit und das Vorliegen einer stationären Einrichtung durch Verwaltungsakt festzustellen. Dies ergibt sich jedenfalls aus einer Gesamtschau der in dem Gesetz enthaltenen Vorschriften. So enthält § 11 Abs. 1 WTPG eine dem § 12 HeimG vergleichbare Anzeigepflicht bei Aufnahme des Betriebs einer stationären Einrichtung. Zudem bestehen nach § 17 WTPG weitgehende Befugnisse der Aufsichtsbehörde zur Überprüfung der Qualität in stationären Einrichtungen, insbesondere auch dazu, die stationäre Einrichtung durch wiederkehrende und anlassbezogene Prüfungen zu überwachen (Abs. 1) und die notwendigen Maßnahmen zur Aufklärung zu ergreifen, ob die Anforderungen für den Betrieb einer stationären Einrichtung erfüllt sind (Abs. 3). Nach § 17 Abs. 8 WTPG sind Maßnahmen nach den Absätzen 1, 2, 4, 6 und 7 auch zur Feststellung zulässig, ob eine Einrichtung eine stationäre Einrichtung im Sinne von § 3 WTPG ist. Damit wird eine Befugnis der Behörde zur Feststellung der Eigenschaft als stationäre Einrichtung ausdrücklich im Gesetz angesprochen. Im systematischen Zusammenhang folgt hieraus auch die Befugnis zum Erlass eines das Ergebnis feststellenden Verwaltungsakts.
31 
Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des ordnungsrechtlich geprägten Wohn-, Teilhabe und Pflegegesetzes, eine wirksame Überwachung der unterstützenden Wohnformen zu gewährleisten und die Einhaltung von Mindeststandards sicherzustellen. Hierbei hat der Gesetzgeber mit § 17 Abs. 8 WTPG besonderen Wert darauf gelegt, mögliche Versuche, den Schutzbereich des Gesetzes zu umgehen, zu verhindern (LT-Drs. 15/4852 S. 89). Für die Feststellung durch Verwaltungsakt besteht im Falle eines Streits über die Eigenschaft einer Einrichtung überdies ein praktisches Bedürfnis, da allein hierdurch verhindert werden kann, dass die Anwendbarkeit des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes im Rahmen aufsichtsrechtlicher Maßnahmen fortwährend neu aufgeworfen wird. Es entspricht im Übrigen nicht nur dem Interesse der Bewohner der stationären Einrichtung, sondern auch dem wohlverstandenen Interesse des Betreibers, wenn er Klarheit über die Eigenschaft als stationäre Einrichtung erhält und den Betrieb so an den gesetzlichen Anforderungen ausrichten kann (ähnlich OVG Brandenburg, Beschluss vom 01.12.1999 - 4 B 127/99 -, juris Rn. 3; SächsOVG, Urteil vom 10.09.2015 - 5 A 70/15 -, juris Rn. 28). Aus den Gesetzesmaterialien ist zudem nichts dafür ersichtlich, dass die bereits zum früheren Heimrecht anerkannte Befugnis zum Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts nicht mehr bestehen soll.
32 
Dies zugrunde gelegt bestehen auch im vorliegenden Fall keine Zweifel an der grundsätzlichen Befugnis des Landratsamts Esslingen zum Erlass eines die Eigenschaft als stationäre Einrichtung nach § 3 WTPG feststellenden Verwaltungsakts. Gerade nach Inkrafttreten des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes, das im Vergleich zum früheren Landesheimgesetz einen weiteren Anwendungsbereich hat und sich vom früher maßgeblichen Begriff des „Heims“ löst, bestand Anlass, auch bereits länger bestehende Einrichtungen in die neue Systematik der unterstützenden Wohnformen einzuordnen. Da mit der Klägerin keine Einigkeit über die Eigenschaft der von ihr betriebenen Einrichtung erzielt werden konnte, bestand auch konkreter Anlass für eine klärende verbindliche Feststellung durch Verwaltungsakt.
33 
c) Die im angegriffenen Bescheid des Landratsamts Esslingen getroffene Feststellung ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat jedoch fehlerhaft und der Bescheid daher mit Wirkung ex nunc aufzuheben. Bei der Einrichtung der Klägerin handelt es sich nicht um eine stationäre Einrichtung im Sinne des § 3 WTPG.
34 
Stationäre Einrichtungen sind gemäß § 3 Abs. 1 WTPG Einrichtungen, die dem Zweck dienen, volljährige Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf oder mit Behinderung aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie mit der Wohnraumüberlassung verpflichtend Pflege- und sonstige Unterstützungsleistungen mit umfassendem Versorgungscharakter zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, die in ihrem Bestand von Wechsel sowie Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
35 
aa) Für die Einstufung einer Einrichtung als unterstützende Wohnform im Sinne des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz bzw. als unter diesen Oberbegriff fallende stationäre Einrichtung kommt es nicht auf die selbst gewählte Bezeichnung, sondern auf ihre Zweckausrichtung an, also darauf, ob es sich hierbei um eine Institution mit einer personellen und sächlichen Ausstattung handelt, die auf den jeweiligen Zweck und die konkreten Bedürfnisse des in der Einrichtung lebenden, im Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz beschriebenen Personenkreises ausgerichtet ist (vgl. zum früheren Heimbegriff nach § 1 Abs. 1 HeimG a.F. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2003 - 12 S 2547/02 -, juris Rn. 25). Entscheidend ist der Zweck, dem die Einrichtung dient, nicht der Zweck, den der Träger ausgesprochen oder unausgesprochen mit der Einrichtung verfolgt, wenn dieser nicht in den objektiven Gegebenheiten, namentlich der sächlichen und personellen Ausstattung der Einrichtung sowie den erbrachten Leistungen gegenüber den Bewohnern, zum Ausdruck kommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.02.2004 - 6 B 70.03 -, juris Rn. 5; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.06.2003 - 14 S 2775/02 -, juris Rn. 20).
36 
Die Klägerin bezeichnet die in Rede stehende Wohngruppe in ihrem Internetauftritt und auf ihrem Werbeflyer selbst als „vollstationär“. Dies ist nach vorstehenden Ausführungen jedoch keinesfalls konstitutiv für die rechtliche Einordnung der Einrichtung. Auch der in der früheren Leistungsvereinbarung verwendete Begriff „stationäre Wohngruppe“ ist nicht deckungsgleich mit dem der stationären Einrichtung nach § 3 WTPG, so dass weder dessen frühere Verwendung zur Subsumtion der Einrichtung unter § 3 WTPG führte noch dessen Wegfall nunmehr das Nichtvorliegen einer stationären Einrichtung indiziert. So haben auch die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt, den Begriff „stationär“ allenfalls in einem jugendhilferechtlichen Sinne zu verwenden und dem keine heimrechtliche Bedeutung beizumessen.
37 
Um zu beurteilen, welchem Zweck die Einrichtung der Klägerin dient, ist eine objektive Bewertung der Gesamtumstände vorzunehmen. Hierfür kann anders als in früheren vom Senat entschiedenen Verfahren (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.07.2013 - 6 S 743/12 -, n.v.) nicht auf mit den jeweiligen Bewohnern abgeschlossene Verträge zurückgegriffen werden. Denn nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin werden mit den Bewohnern keine privatrechtlichen Verträge geschlossen; vielmehr erfolgt die Aufnahme nach Zuweisung durch den Träger der Jugend- und Sozialhilfe auf Grundlage einer zwischen ihm und der Klägerin geschlossenen Leistungsvereinbarung sowie individuell ausgearbeiteter Hilfepläne. Beide sind ebenso in die Erwägungen einzubeziehen wie die Angaben der Beteiligten über die von der Klägerin in der Einrichtung tatsächlich erbrachten Leistungen sowie den mit der Einrichtung angesprochenen Adressatenkreis.
38 
bb) Dies zugrunde gelegt konnte der Senat nicht feststellen, dass die von der Klägerin betriebene Wohngruppe dem in § 3 Abs. 1 WTPG beschriebenen Zweck dient, volljährige Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf oder mit Behinderung aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie mit der Wohnraumüberlassung verpflichtend Pflege- und sonstige Unterstützungsleistungen mit umfassendem Versorgungscharakter zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten. Bereits der persönliche Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 WTPG ist nicht eröffnet (1). Zudem haben die von der Klägerin zur Verfügung gestellten bzw. vorgehaltenen Leistungen nach den Feststellungen des Senats keinen umfassenden Versorgungscharakter (2).
39 
(1) Der persönliche Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 WTPG unterscheidet zwischen volljährigen Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf und volljährigen Menschen mit Behinderungen. Die Einrichtung muss dem Zweck dienen, wenigstens eine der beiden Personengruppen aufzunehmen. Das ist hier nicht der Fall.
40 
(a) Die Einrichtung dient nicht der Aufnahme von volljährigen Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf.
41 
Bei dieser Personengruppe muss kumulativ zum Unterstützungsbedarf auch ein Pflegebedarf bestehen. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 WTPG, sondern auch aus der Gesetzeshistorie. In der Gesetzesbegründung wird zum persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift unter anderem ausgeführt (LT-Drs. 15/4852 S. 52):
42 
„Für die Menschen mit Behinderung wurde zugrunde gelegt, dass bei diesen nicht immer eine Pflegebedürftigkeit vorliegt, sondern überwiegend sonstiger Unterstützungsbedarf, beispielsweise in Form von alltagsbegleitenden sozialen Betreuungsleistungen, besteht. Demgegenüber ist die Pflegebedürftigkeit für die andere Gruppe der Bewohner im Verhältnis zu den sonstigen Inhalten der Unterstützungsleistungen im Regelfall prägend und charakterisierend, was mit der vorangestellten Verknüpfung des Begriffs Pflegebedarf mit dem Adressaten („volljähriger Mensch“) herausgestellt wird.“
43 
Der Gesetzgeber hat damit die Pflegebedürftigkeit bewusst mit der in § 3 Abs. 1 WTPG erstgenannten Personengruppe verknüpft. Als pflegebedürftig gelten nach § 61a Abs. 1 Satz 1 SGB XII und § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB XI Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Die Gewährung von sozialhilfe- oder pflegeversicherungsrechtlichen Leistungen der Hilfe zur Pflege richtet sich nach den in einem Begutachtungsverfahren ermittelten Pflegegraden (§ 61b SGB XII, § 15 SGB XI), wobei eine stationäre Pflege erst ab einem Pflegegrad 2 in Betracht kommt (§ 63 Abs. 1 Nr. 5 SGB XII, § 43 Abs. 1 SGB XI).
44 
Die Einrichtung der Klägerin richtet sich nach ihrer Zwecksetzung ersichtlich nicht an Menschen, bei denen auch eine Pflegebedürftigkeit in diesem Sinne besteht. Gegenteiliges ergibt sich weder aus der hier zugrunde zu legenden, ab dem 01.07.2019 geltenden Leistungsvereinbarung noch aus den bekannten tatsächlichen Umständen. In der Leistungsvereinbarung sind Personen mit Pflegebedarf nicht als Zielgruppe aufgeführt. Dies korrespondiert damit, dass die Klägerin weder eine personelle noch eine sächliche Ausstattung bereithält, um Pflegeleistungen zu erbringen. Ihre Vertreter haben in der mündlichen Verhandlung vielmehr ausgeführt, dass für eine Aufnahme in die Wohngruppe gerade entscheidend sei, dass sich die Bewohner selbst versorgen könnten. Dem sind die Vertreterinnen des Beklagten nicht entgegengetreten. Dass es in der Vergangenheit einmal einen Bewohner mit einem (niedrigen) Pflegebedarf gegeben haben mag, widerspricht dem nicht. Diesbezüglich haben die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung plausibel dargelegt, dessen Pflegegrad sei in einer Zeit festgestellt worden, in der der Betreffende in einer psychischen Ausnahmesituation gewesen sei. Während seines Aufenthalt in der Wohngruppe habe er sich sodann aber selbst versorgen können und habe keine Pflegeleistungen benötigt. Vom Einrichtungszweck ist der Aufenthalt von pflegebedürftigen Menschen nach alledem nicht erfasst.
45 
(b) Die Wohngruppe der Klägerin dient auch nicht der Aufnahme von Menschen mit Behinderungen.
46 
Ausweislich der bereits zitierten Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber bei der Zielgruppe der Menschen mit Behinderungen bewusst darauf verzichtet, eine Pflegebedürftigkeit vorauszusetzen, da insoweit typischerweise vor allem sonstiger Unterstützungsbedarf anfalle. Der Begriff „Menschen mit Behinderungen“ ist angelehnt an die UN-Behindertenrechtskonvention. Hierzu wurde in der Gesetzesbegründung ausgeführt (LT-Drs. 15/4852 S. 44):
47 
„Im Lichte eines nach der UN-Behindertenrechtskonvention weit gehaltenen Verständnisses des Begriffs „Menschen mit Behinderungen“ und nach der Bestimmung in § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), wonach Menschen behindert sind, „wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“ bedarf es einer Differenzierung nach Art oder Schwere der Behinderung grundsätzlich – bis auf wenige Ausnahmen – nicht mehr. So sind von dem geschützten Personenkreis des Gesetzes sowohl die bislang nach dem Landesheimgesetz noch gesondert benannten psychisch kranken Menschen als auch über § 2 Absatz 1 Satz 2 SGB IX Menschen, die von einer Behinderung bedroht sind, umfasst.“
48 
Mit Artikel 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) wurde die Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 1 SGB IX mit Wirkung ab dem 01.01.2018 leicht abgeändert. Danach sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Die Gesetzesänderung erfolgte zur deklaratorischen Anpassung an die UN-Behindertenrechtskonvention (BT-Drs. 18/9522 S. 227).
49 
Ausgehend hiervon richtet sich die Einrichtung der Klägerin nicht an Menschen mit Behinderungen. Während das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass jedenfalls Menschen mit seelischen Beeinträchtigungen im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX in die Einrichtung der Klägerin aufgenommen würden und dass sich dies auch aus der Leistungsvereinbarung ergebe, wonach das Leistungsangebot Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach § 53 SGB XII (a.F.) erfasse, kann der Senat dem jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Berufungsverhandlung nicht folgen. Durch das bereits genannte Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen vom 23. Dezember 2016 wurde die in den früheren §§ 53 ff. SGB XII vorgesehene Eingliederungshilfe für behinderte Menschen mit Wirkung ab dem 01.01.2020 aus dem SGB XII herausgelöst und als „Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen“ im Rahmen des SGB IX neu geregelt (§§ 90 ff. SGB IX n.F.). Zugleich haben die Klägerin und der Träger der Jugend- und Sozialhilfe in der ab dem 01.07.2019 geltenden Leistungsvereinbarung die Eingliederungshilfe (für behinderte Menschen) nach §§ 53 ff. SGB XII (a.F.) aus dem Leistungsangebot der Klägerin gestrichen und nicht durch die neuen Leistungen nach dem SGB IX ersetzt. Die Aufnahme der Bewohner erfolgt daher grundsätzlich nicht mehr aufgrund von ihnen als behinderte Menschen gewährten Sozialleistungen. In Umsetzung dessen ist zum Ende des Jahres 2019 auch der letzte verbliebene Bewohner, der auf Grundlage der §§ 53 ff. SGB XII (a.F.) in der Einrichtung der Klägerin untergebracht war, ausgezogen.
50 
Gleichwohl bildet der Wegfall der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen aus dem nach der Leistungsvereinbarung vorgesehenen Leistungsangebot allein keinen Beleg für eine fehlende Zweckrichtung der Einrichtung, wie auch das frühere Bestehen dieses Leistungsangebots allenfalls ein Indiz für eine Zweckrichtung zur Aufnahme von Menschen mit Behinderungen gewesen sein kann. Hinsichtlich der weiteren in der Leistungsvereinbarung vereinbarten Zielgruppen (Empfänger von Hilfen für junge Volljährige nach § 41 SGB VII in stationären Einrichtungen und zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 ff. SGB XII bei Vorliegen multipler Bedarfslagen) liegt es allerdings nicht auf der Hand, dass es sich hierbei um Menschen mit Behinderungen handelt.
51 
Unabhängig davon konnte sich der Senat auch unter Heranziehung der weiteren Angaben in der Leistungsvereinbarung und der von der Klägerin zu den Bewohnern vorgelegten Unterlagen sowie nach den nachvollziehbaren Angaben der Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugen, dass die Einrichtung die Aufnahme von Menschen mit Behinderung bezweckt. Die Zielgruppen des Leistungsangebots werden in der Leistungsvereinbarung dahingehend konkretisiert, dass sich die Einrichtung an Erwachsene richtet mit genereller Antriebsschwäche und/oder Unfähigkeit, sich in die Gesellschaft integrieren zu können, mit Störungen im Arbeits- und Leistungsverhalten, mit sozialen Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen oder in sozialer Isolation, mit genereller Unselbständigkeit, Lebensuntüchtigkeit und eingeschränkter Alltagsbewältigung, mit Drogen- und Schuldenproblematik, mit keinen adäquaten Möglichkeiten mit Finanzen umzugehen, mit psychischer Instabilität, mit Entwicklungsstörungen im körperlichen, intellektuellen oder emotionalen Bereich, mit allgemeiner Perspektivlosigkeit im Leben, mit Hygieneproblematik, mit Diskrepanz zwischen physischem und psychischem Alter, mit „Null-Bock“-Haltung und innerer Verkapselung, mit delinquenten Verhaltensweisen und mit Grenzwertigkeit zur geistigen Behinderung. Ausdrücklich nicht aufgenommen werden Personen mit akuter Selbst- und Fremdgefährdung und mit akut behandlungsbedürftigen psychischen Krankheiten.
52 
Einzelne der beschriebenen Eigenschaften und Symptome können zwar - je nach Ausprägungsgrad - mitunter als seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen eingeordnet werden und damit unter Umständen jedenfalls den Grenzbereich zu einer Behinderung darstellen. Bei der Aufnahme in die Wohngruppe steht eine gegebenenfalls vorliegende Behinderung indes nicht im Vordergrund und ist darauf auch nicht ausgerichtet. Seitens der Klägerin wurde zwar nicht ausgeschlossen, dass es im Einzelfall auch zur Aufnahme von Bewohnern mit einer Behinderung kommen kann. Nach ihren plausiblen Angaben in der mündlichen Verhandlung darf die Behinderung jedoch nicht im Vordergrund stehen und die Fähigkeit der Bewohner, sich selbst zu versorgen und die sozialpädagogische Unterstützung ihrer Mitarbeiter anzunehmen, beeinträchtigen. Der Hauptzweck der Wohngruppe liegt darin, junge Volljährige, die zu einem vollständig eigenständigen Leben noch nicht in der Lage sind, durch sozialpädagogische Unterstützung an ein selbständiges Leben als Erwachsene heranzuführen und ihnen eine altersgerechte Gestaltung des Alltags beizubringen. Eine etwaig vorliegende Behinderung tritt demgegenüber in den Hintergrund. Die Wohngruppe tritt in der Gesamtschau als eine Art nachgelagerte Jugendhilfeeinrichtung in Erscheinung und unterliegt, wie von den Vertretern der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung aufgezeigt, der fortlaufenden Überwachung durch den Träger der Jugend- und Sozialhilfe, der die Bewohner der Einrichtung zuweist und stets Ansprechpartner für die Bewohner und die Klägerin bereithält. Weder nach der sächlichen und personellen Ausstattung der Einrichtung noch nach den erbrachten Leistungen ist die Wohngruppe darauf zweckmäßig ausgerichtet, Menschen mit Behinderungen aufzunehmen.
53 
(2) Darüber hinaus stellt die Klägerin in der Einrichtung auch in sachlicher Hinsicht keine Pflege- und sonstigen Unterstützungsleistungen mit umfassendem Versorgungscharakter zur Verfügung und hält solche auch nicht vor. Hierbei kann der Senat offenlassen, ob § 3 Abs. 1 WTPG, wie vom Verwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt, entgegen seinem Wortlaut dahingehend auszulegen ist, dass Pflege- oder Unterstützungsleistungen (nicht „und“) zur Verfügung gestellt oder vorgehalten werden müssen. Denn jedenfalls geht die Wohnraumüberlassung hier nicht mit der Erbringung oder Vorhaltung von Unterstützungsleistungen, die Betreuungsleistungen, Verpflegung und hauswirtschaftliche Leistungen umfassen können, im Sinne einer „Rundumversorgung (vgl. dazu LT-Drs. 15/4852 S. 52) einher.
54 
Nach der Leistungsvereinbarung umfasst die Grundbetreuung in der Einrichtung an 365 Tagen im Jahr insbesondere der Alltagsgestaltung und Alltagsbewältigung, darunter die Versorgung und Unterstützung, Befriedigung der existenziellen Grundbedürfnisse und die Strukturierung des Tages-, Wochen- und Jahresablaufs. Als pädagogische Grundleistungen werden beispielsweise die Unterstützung bei der praktischen Lebensbewältigung, die Gesundheits- und Hygieneerziehung sowie das Aufgreifen von Impulsen, Stimmungen, Bedürfnissen und Interessen genannt. Bei Fragen der Bildung und Ausbildung werden ebenso Hilfen angeboten wie bei der Freizeitgestaltung. Die Klägerin hält damit Unterstützungen in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens vor, um diese den Bewohnern je nach individuellem Bedarf, der durch die Hilfepläne für jeden Einzelnen erarbeitet wird, zur Verfügung zu stellen. Ein umfassender Versorgungscharakter ergibt sich hieraus gleichwohl nicht. Im Vordergrund steht die Betreuung und Unterstützung der jungen Volljährigen sowie die Anleitung bei der selbständigen Übernahme der täglichen Angelegenheiten des Lebens. Dies haben die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung konkreter dahingehend beschrieben, dass die Mitarbeiter die Wahrnehmung der Haushaltsaufgaben durch die Bewohner überwachten, diese aber nicht selbst vornähmen. Die Bewohner sorgten grundsätzlich auch selbst für ihre Nahrungsmittel. Lediglich wenn hier ein Missstand festgestellt werde, berate man beim Einkaufen und Kochen bzw. leite insoweit an. Sowohl im hauswirtschaftlichen Bereich als auch in Bezug auf die Verpflegung hält die Klägerin damit keine eigenen Leistungen vor. Dass es gelegentlich zu gemeinsamen Kochaktivitäten in der Gruppe kommen kann und die Mitarbeiter der Klägerin „niemanden verhungern lassen“ würden, lässt nicht auf einen umfassenden Versorgungscharakter schließen.
55 
cc) Schließlich weist der Senat darauf hin, dass die Regelungen über stationäre Einrichtungen auch nicht wegen des Nichtvorliegens aller Voraussetzungen der ambulant betreuten Wohngemeinschaften für volljährige Menschen mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf und für volljährige Menschen mit Behinderungen nach §§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 5, 6 Abs. 4 WTPG Anwendung finden. Denn auch insoweit ist bereits der persönliche Anwendungsbereich der genannten Vorschriften nicht eröffnet. Wie bereits dargelegt, richtet sich die Einrichtung nicht an Menschen mit Behinderungen. Ebenso dient sie nicht der Aufnahme volljähriger Menschen mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf.
56 
Anders als in § 3 Abs. 1 WTPG sprechen die §§ 4 Abs. 1 und 2, 5 WTPG nicht von volljährigen Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf sondern von volljährigen Menschen mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf. Unter den Versorgungsbedarf in diesem Sinne fällt jedoch auch der Pflegebedarf. Ausweislich der Gesetzesbegründung beschreibt die Untergruppe der ambulant betreuten Wohngemeinschaft für volljährige Menschen mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf die sogenannte „Pflege-WG“. Diese Wohnform richte sich an volljährige Menschen, deren Alltagskompetenz mit unterstützenden Dienstleistungen in einem weit gefassten Verständnis zu erhalten ist („Unterstützungsbedarf“), und deren bereits bestehenden Einschränkungen der Versorgung vorrangig mit Pflegeleistungen („Versorgungsbedarf“) bedürfen (LT-Drs. 15/4852 S. 58, 55). Dies wird auch in § 5 Abs. 1 Satz 1 WTPG deutlich. Dieser nennt als die unterstützende Versorgung kennzeichnende Bereiche das Wohnen, die soziale Betreuung, die Pflege und die hauswirtschaftliche Betreuung. Zentrales Abgrenzungskriterium zu stationären Einrichtungen ist die Eigenverantwortung der Bewohner in Teilbereichen der Versorgung. Namentlich ist die teilweise Selbstverantwortung dann anzunehmen, wenn diesen die unterstützende Versorgung kennzeichnenden Bereichen die Eigenverantwortung der Bewohner zumindest vollständig im Bereich der Pflege gewährleistet ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 WTPG). Das ist dann der Fall, wenn alle Bewohner Anbieter, Art und Umfang zumindest der Pflegeleistungen frei wählen und die mit diesem Bereich zusammenhängende Alltagsgestaltung selbstbestimmt einrichten können (§ 5 Abs. 1 Satz 2 WTPG). All dies zeigt, dass mit volljährigen Menschen mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf nur solche Menschen gemeint sind, die als Unterfall des Versorgungsbedarfs auch einen Pflegebedarf aufweisen. Die Einrichtung der Klägerin richtet sich aber, wie bereits dargelegt, nicht an Menschen mit Pflegebedarf.
57 
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
58 
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
59 
Beschluss vom 16. Januar 2020
60 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gem. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG auf 5.000 EUR festgesetzt.
61 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
22 
1. Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid des Landratsamts Esslingen vom 09.11.2017 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06.06.2018 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
a) Für die Beurteilung der Sach- und Rechtlage ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen.
24 
Die Frage, welche Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, lässt sich nicht generell und gleichsam abstrakt beantworten. Bei feststellenden Verwaltungsakten kommt es vielmehr darauf an, auf welchen Zeitpunkt bzw. Zeitraum sich einerseits die getroffene Feststellung bezieht und wogegen sich andererseits die hiergegen erhobene Anfechtungsklage des Adressaten des Bescheids richtet (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.09.2003 - 14 S 718/03 -, juris Rn. 23 m.w.N.).
25 
Eine Auslegung des hier angefochtenen Bescheids anhand dieser Kriterien ergibt, dass die getroffene Feststellung, es handele sich bei der von der Klägerin betriebenen Wohngruppe um eine stationäre Einrichtung, nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt abstellt, sondern - gleichbleibende Verhältnisse unterstellt - auf Dauer angelegt ist, mithin den Charakter eines Dauerverwaltungsakts hat. Denn die Feststellung beansprucht ersichtlich, der Eigenart eines Dauerverwaltungsakts entsprechend, nicht nur für den Zeitpunkt des Zugangs, sondern auch für einen hieran anschließenden Zeitraum Geltung. Zudem wird die Absicht der Behörde erkennbar, die getroffene Feststellung zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls zur Grundlage weitergehender, an die Anwendbarkeit des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes anknüpfender Maßnahmen zu machen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.09.2003 - 14 S 718/03 -, juris Rn. 23 m.w.N.).
26 
Dies zugrunde gelegt wäre die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts hier nicht nur anhand der bei seinem Erlass bzw. im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung geltenden Sach- und Rechtslage, sondern gerade auch unter Einbeziehung der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu beurteilen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.09.2003, a.a.O., Rn. 24 m.w.N.). Mit Blick darauf, dass der Verwaltungsakt nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten seit seinem Erlass nicht als Grundlage für belastende Maßnahmen der Heimaufsichtsbehörde herangezogen wurde und das Rechtsschutzziel der Klägerin zukunftsgerichtet ist, hat die Klägerin ihren Antrag sachdienlich dahingehend konkretisiert, dass sie die Aufhebung des Verwaltungsakts lediglich mit Wirkung ex nunc begehrt. Der Senat kann sich daher auf die Überprüfung des Verwaltungsakts anhand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beschränken.
27 
b) Die Rechtsgrundlage für den Erlass eines Verwaltungsakts, mit dem die Eigenschaft als stationäre Einrichtung festgestellt wird, ergibt sich aus dem Gesetz für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege (Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz - WTPG - vom 20. Mai 2014, GBl. 2014, S. 241). Das Gesetz enthält zwar keine ausdrückliche Rechtsgrundlage für einen feststellenden Verwaltungsakt. Dennoch besteht eine hinreichende gesetzliche Grundlage für eine dahingehende Befugnis der zuständigen Aufsichtsbehörde.
28 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss die Befugnis der Verwaltung, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben des Mittels des feststellenden Verwaltungsakts zu bedienen, nicht ausdrücklich in der gesetzlichen Grundlage erwähnt sein, die zu einem Eingriff ermächtigt. Die Befugnis muss sich nur dem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lassen (BVerwG, Urteil vom 20.08.2014 - 6 C 15.13 -, juris Rn. 23 m.w.N.; Beschluss vom 19.01.2016 - 3 B 76.15 -, juris Rn. 8), wobei es als zulässig angesehen wird, auf eine „VA-Befugnis“ im Wege der Gesamtanalogie zu den Vorschriften zu schließen, die ausdrücklich oder implizit die zur Durchsetzung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht zuständige Behörde zum Erlass von Verwaltungsakten gegenüber Privatpersonen ermächtigen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2015 - 11 S 714/15 -, juris Rn. 33 m.w.N.).
29 
Im Rahmen des Heimrechts hat das Bundesverwaltungsgericht bereits aus der früheren bundesrechtlichen Vorschrift § 6 HeimG a.F. über die Erlaubnisbedürftigkeit des Betriebs eines Heims, deren Zweck sowie deren Zusammenhang mit weiteren Vorschriften die gesetzliche Grundlage für einen feststellenden Verwaltungsakt des Inhalts abgeleitet, dass der Betrieb einer bestimmten Einrichtung erlaubnisbedürftig ist (BVerwG, Beschluss vom 02.07.1991 - 1 B 64.91 -, juris Rn. 4). Ähnlich hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht aus einer landesrechtlichen Vorschrift (§ 4 Abs. 1 SächsBeWoG), die eine Anzeigepflicht über die Aufnahme des Betriebs einer stationären Einrichtung enthält, die gesetzliche Grundlage für einen feststellenden Verwaltungsakt darüber hergeleitet, dass der Betrieb einer bestimmten Einrichtung danach anzeigepflichtig ist sowie überhaupt eine stationäre Einrichtung vorliegt (Urteil vom 10.09.2015 - 5 A 70/15 -, juris Rn. 24 ff.; nachgehend BVerwG, Beschluss vom 19.01.2016 - 3 B 76.15 -, juris; ähnlich auch OVG Brandenburg, Beschluss vom 01.12.1999 - 4 B 127/99 -, juris Rn. 3). Der erkennende Verwaltungsgerichtshof hat zuvor aus § 12 des bundesrechtlichen, nunmehr aber durch Landesrecht ersetzten Heimgesetzes eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Feststellung der Anwendbarkeit des Heimgesetzes abgeleitet (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.09.2003 - 14 S 718/03 -, juris Rn. 26).
30 
Auch aus dem in Baden-Württemberg nunmehr geltenden Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz lässt sich eine entsprechende Befugnis der Aufsichtsbehörde ableiten, dessen Anwendbarkeit und das Vorliegen einer stationären Einrichtung durch Verwaltungsakt festzustellen. Dies ergibt sich jedenfalls aus einer Gesamtschau der in dem Gesetz enthaltenen Vorschriften. So enthält § 11 Abs. 1 WTPG eine dem § 12 HeimG vergleichbare Anzeigepflicht bei Aufnahme des Betriebs einer stationären Einrichtung. Zudem bestehen nach § 17 WTPG weitgehende Befugnisse der Aufsichtsbehörde zur Überprüfung der Qualität in stationären Einrichtungen, insbesondere auch dazu, die stationäre Einrichtung durch wiederkehrende und anlassbezogene Prüfungen zu überwachen (Abs. 1) und die notwendigen Maßnahmen zur Aufklärung zu ergreifen, ob die Anforderungen für den Betrieb einer stationären Einrichtung erfüllt sind (Abs. 3). Nach § 17 Abs. 8 WTPG sind Maßnahmen nach den Absätzen 1, 2, 4, 6 und 7 auch zur Feststellung zulässig, ob eine Einrichtung eine stationäre Einrichtung im Sinne von § 3 WTPG ist. Damit wird eine Befugnis der Behörde zur Feststellung der Eigenschaft als stationäre Einrichtung ausdrücklich im Gesetz angesprochen. Im systematischen Zusammenhang folgt hieraus auch die Befugnis zum Erlass eines das Ergebnis feststellenden Verwaltungsakts.
31 
Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des ordnungsrechtlich geprägten Wohn-, Teilhabe und Pflegegesetzes, eine wirksame Überwachung der unterstützenden Wohnformen zu gewährleisten und die Einhaltung von Mindeststandards sicherzustellen. Hierbei hat der Gesetzgeber mit § 17 Abs. 8 WTPG besonderen Wert darauf gelegt, mögliche Versuche, den Schutzbereich des Gesetzes zu umgehen, zu verhindern (LT-Drs. 15/4852 S. 89). Für die Feststellung durch Verwaltungsakt besteht im Falle eines Streits über die Eigenschaft einer Einrichtung überdies ein praktisches Bedürfnis, da allein hierdurch verhindert werden kann, dass die Anwendbarkeit des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes im Rahmen aufsichtsrechtlicher Maßnahmen fortwährend neu aufgeworfen wird. Es entspricht im Übrigen nicht nur dem Interesse der Bewohner der stationären Einrichtung, sondern auch dem wohlverstandenen Interesse des Betreibers, wenn er Klarheit über die Eigenschaft als stationäre Einrichtung erhält und den Betrieb so an den gesetzlichen Anforderungen ausrichten kann (ähnlich OVG Brandenburg, Beschluss vom 01.12.1999 - 4 B 127/99 -, juris Rn. 3; SächsOVG, Urteil vom 10.09.2015 - 5 A 70/15 -, juris Rn. 28). Aus den Gesetzesmaterialien ist zudem nichts dafür ersichtlich, dass die bereits zum früheren Heimrecht anerkannte Befugnis zum Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts nicht mehr bestehen soll.
32 
Dies zugrunde gelegt bestehen auch im vorliegenden Fall keine Zweifel an der grundsätzlichen Befugnis des Landratsamts Esslingen zum Erlass eines die Eigenschaft als stationäre Einrichtung nach § 3 WTPG feststellenden Verwaltungsakts. Gerade nach Inkrafttreten des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes, das im Vergleich zum früheren Landesheimgesetz einen weiteren Anwendungsbereich hat und sich vom früher maßgeblichen Begriff des „Heims“ löst, bestand Anlass, auch bereits länger bestehende Einrichtungen in die neue Systematik der unterstützenden Wohnformen einzuordnen. Da mit der Klägerin keine Einigkeit über die Eigenschaft der von ihr betriebenen Einrichtung erzielt werden konnte, bestand auch konkreter Anlass für eine klärende verbindliche Feststellung durch Verwaltungsakt.
33 
c) Die im angegriffenen Bescheid des Landratsamts Esslingen getroffene Feststellung ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat jedoch fehlerhaft und der Bescheid daher mit Wirkung ex nunc aufzuheben. Bei der Einrichtung der Klägerin handelt es sich nicht um eine stationäre Einrichtung im Sinne des § 3 WTPG.
34 
Stationäre Einrichtungen sind gemäß § 3 Abs. 1 WTPG Einrichtungen, die dem Zweck dienen, volljährige Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf oder mit Behinderung aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie mit der Wohnraumüberlassung verpflichtend Pflege- und sonstige Unterstützungsleistungen mit umfassendem Versorgungscharakter zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, die in ihrem Bestand von Wechsel sowie Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
35 
aa) Für die Einstufung einer Einrichtung als unterstützende Wohnform im Sinne des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz bzw. als unter diesen Oberbegriff fallende stationäre Einrichtung kommt es nicht auf die selbst gewählte Bezeichnung, sondern auf ihre Zweckausrichtung an, also darauf, ob es sich hierbei um eine Institution mit einer personellen und sächlichen Ausstattung handelt, die auf den jeweiligen Zweck und die konkreten Bedürfnisse des in der Einrichtung lebenden, im Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz beschriebenen Personenkreises ausgerichtet ist (vgl. zum früheren Heimbegriff nach § 1 Abs. 1 HeimG a.F. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2003 - 12 S 2547/02 -, juris Rn. 25). Entscheidend ist der Zweck, dem die Einrichtung dient, nicht der Zweck, den der Träger ausgesprochen oder unausgesprochen mit der Einrichtung verfolgt, wenn dieser nicht in den objektiven Gegebenheiten, namentlich der sächlichen und personellen Ausstattung der Einrichtung sowie den erbrachten Leistungen gegenüber den Bewohnern, zum Ausdruck kommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.02.2004 - 6 B 70.03 -, juris Rn. 5; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.06.2003 - 14 S 2775/02 -, juris Rn. 20).
36 
Die Klägerin bezeichnet die in Rede stehende Wohngruppe in ihrem Internetauftritt und auf ihrem Werbeflyer selbst als „vollstationär“. Dies ist nach vorstehenden Ausführungen jedoch keinesfalls konstitutiv für die rechtliche Einordnung der Einrichtung. Auch der in der früheren Leistungsvereinbarung verwendete Begriff „stationäre Wohngruppe“ ist nicht deckungsgleich mit dem der stationären Einrichtung nach § 3 WTPG, so dass weder dessen frühere Verwendung zur Subsumtion der Einrichtung unter § 3 WTPG führte noch dessen Wegfall nunmehr das Nichtvorliegen einer stationären Einrichtung indiziert. So haben auch die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt, den Begriff „stationär“ allenfalls in einem jugendhilferechtlichen Sinne zu verwenden und dem keine heimrechtliche Bedeutung beizumessen.
37 
Um zu beurteilen, welchem Zweck die Einrichtung der Klägerin dient, ist eine objektive Bewertung der Gesamtumstände vorzunehmen. Hierfür kann anders als in früheren vom Senat entschiedenen Verfahren (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.07.2013 - 6 S 743/12 -, n.v.) nicht auf mit den jeweiligen Bewohnern abgeschlossene Verträge zurückgegriffen werden. Denn nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin werden mit den Bewohnern keine privatrechtlichen Verträge geschlossen; vielmehr erfolgt die Aufnahme nach Zuweisung durch den Träger der Jugend- und Sozialhilfe auf Grundlage einer zwischen ihm und der Klägerin geschlossenen Leistungsvereinbarung sowie individuell ausgearbeiteter Hilfepläne. Beide sind ebenso in die Erwägungen einzubeziehen wie die Angaben der Beteiligten über die von der Klägerin in der Einrichtung tatsächlich erbrachten Leistungen sowie den mit der Einrichtung angesprochenen Adressatenkreis.
38 
bb) Dies zugrunde gelegt konnte der Senat nicht feststellen, dass die von der Klägerin betriebene Wohngruppe dem in § 3 Abs. 1 WTPG beschriebenen Zweck dient, volljährige Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf oder mit Behinderung aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie mit der Wohnraumüberlassung verpflichtend Pflege- und sonstige Unterstützungsleistungen mit umfassendem Versorgungscharakter zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten. Bereits der persönliche Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 WTPG ist nicht eröffnet (1). Zudem haben die von der Klägerin zur Verfügung gestellten bzw. vorgehaltenen Leistungen nach den Feststellungen des Senats keinen umfassenden Versorgungscharakter (2).
39 
(1) Der persönliche Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 WTPG unterscheidet zwischen volljährigen Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf und volljährigen Menschen mit Behinderungen. Die Einrichtung muss dem Zweck dienen, wenigstens eine der beiden Personengruppen aufzunehmen. Das ist hier nicht der Fall.
40 
(a) Die Einrichtung dient nicht der Aufnahme von volljährigen Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf.
41 
Bei dieser Personengruppe muss kumulativ zum Unterstützungsbedarf auch ein Pflegebedarf bestehen. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 WTPG, sondern auch aus der Gesetzeshistorie. In der Gesetzesbegründung wird zum persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift unter anderem ausgeführt (LT-Drs. 15/4852 S. 52):
42 
„Für die Menschen mit Behinderung wurde zugrunde gelegt, dass bei diesen nicht immer eine Pflegebedürftigkeit vorliegt, sondern überwiegend sonstiger Unterstützungsbedarf, beispielsweise in Form von alltagsbegleitenden sozialen Betreuungsleistungen, besteht. Demgegenüber ist die Pflegebedürftigkeit für die andere Gruppe der Bewohner im Verhältnis zu den sonstigen Inhalten der Unterstützungsleistungen im Regelfall prägend und charakterisierend, was mit der vorangestellten Verknüpfung des Begriffs Pflegebedarf mit dem Adressaten („volljähriger Mensch“) herausgestellt wird.“
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Der Gesetzgeber hat damit die Pflegebedürftigkeit bewusst mit der in § 3 Abs. 1 WTPG erstgenannten Personengruppe verknüpft. Als pflegebedürftig gelten nach § 61a Abs. 1 Satz 1 SGB XII und § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB XI Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Die Gewährung von sozialhilfe- oder pflegeversicherungsrechtlichen Leistungen der Hilfe zur Pflege richtet sich nach den in einem Begutachtungsverfahren ermittelten Pflegegraden (§ 61b SGB XII, § 15 SGB XI), wobei eine stationäre Pflege erst ab einem Pflegegrad 2 in Betracht kommt (§ 63 Abs. 1 Nr. 5 SGB XII, § 43 Abs. 1 SGB XI).
44 
Die Einrichtung der Klägerin richtet sich nach ihrer Zwecksetzung ersichtlich nicht an Menschen, bei denen auch eine Pflegebedürftigkeit in diesem Sinne besteht. Gegenteiliges ergibt sich weder aus der hier zugrunde zu legenden, ab dem 01.07.2019 geltenden Leistungsvereinbarung noch aus den bekannten tatsächlichen Umständen. In der Leistungsvereinbarung sind Personen mit Pflegebedarf nicht als Zielgruppe aufgeführt. Dies korrespondiert damit, dass die Klägerin weder eine personelle noch eine sächliche Ausstattung bereithält, um Pflegeleistungen zu erbringen. Ihre Vertreter haben in der mündlichen Verhandlung vielmehr ausgeführt, dass für eine Aufnahme in die Wohngruppe gerade entscheidend sei, dass sich die Bewohner selbst versorgen könnten. Dem sind die Vertreterinnen des Beklagten nicht entgegengetreten. Dass es in der Vergangenheit einmal einen Bewohner mit einem (niedrigen) Pflegebedarf gegeben haben mag, widerspricht dem nicht. Diesbezüglich haben die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung plausibel dargelegt, dessen Pflegegrad sei in einer Zeit festgestellt worden, in der der Betreffende in einer psychischen Ausnahmesituation gewesen sei. Während seines Aufenthalt in der Wohngruppe habe er sich sodann aber selbst versorgen können und habe keine Pflegeleistungen benötigt. Vom Einrichtungszweck ist der Aufenthalt von pflegebedürftigen Menschen nach alledem nicht erfasst.
45 
(b) Die Wohngruppe der Klägerin dient auch nicht der Aufnahme von Menschen mit Behinderungen.
46 
Ausweislich der bereits zitierten Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber bei der Zielgruppe der Menschen mit Behinderungen bewusst darauf verzichtet, eine Pflegebedürftigkeit vorauszusetzen, da insoweit typischerweise vor allem sonstiger Unterstützungsbedarf anfalle. Der Begriff „Menschen mit Behinderungen“ ist angelehnt an die UN-Behindertenrechtskonvention. Hierzu wurde in der Gesetzesbegründung ausgeführt (LT-Drs. 15/4852 S. 44):
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„Im Lichte eines nach der UN-Behindertenrechtskonvention weit gehaltenen Verständnisses des Begriffs „Menschen mit Behinderungen“ und nach der Bestimmung in § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), wonach Menschen behindert sind, „wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“ bedarf es einer Differenzierung nach Art oder Schwere der Behinderung grundsätzlich – bis auf wenige Ausnahmen – nicht mehr. So sind von dem geschützten Personenkreis des Gesetzes sowohl die bislang nach dem Landesheimgesetz noch gesondert benannten psychisch kranken Menschen als auch über § 2 Absatz 1 Satz 2 SGB IX Menschen, die von einer Behinderung bedroht sind, umfasst.“
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Mit Artikel 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) wurde die Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 1 SGB IX mit Wirkung ab dem 01.01.2018 leicht abgeändert. Danach sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Die Gesetzesänderung erfolgte zur deklaratorischen Anpassung an die UN-Behindertenrechtskonvention (BT-Drs. 18/9522 S. 227).
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Ausgehend hiervon richtet sich die Einrichtung der Klägerin nicht an Menschen mit Behinderungen. Während das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass jedenfalls Menschen mit seelischen Beeinträchtigungen im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX in die Einrichtung der Klägerin aufgenommen würden und dass sich dies auch aus der Leistungsvereinbarung ergebe, wonach das Leistungsangebot Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach § 53 SGB XII (a.F.) erfasse, kann der Senat dem jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Berufungsverhandlung nicht folgen. Durch das bereits genannte Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen vom 23. Dezember 2016 wurde die in den früheren §§ 53 ff. SGB XII vorgesehene Eingliederungshilfe für behinderte Menschen mit Wirkung ab dem 01.01.2020 aus dem SGB XII herausgelöst und als „Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen“ im Rahmen des SGB IX neu geregelt (§§ 90 ff. SGB IX n.F.). Zugleich haben die Klägerin und der Träger der Jugend- und Sozialhilfe in der ab dem 01.07.2019 geltenden Leistungsvereinbarung die Eingliederungshilfe (für behinderte Menschen) nach §§ 53 ff. SGB XII (a.F.) aus dem Leistungsangebot der Klägerin gestrichen und nicht durch die neuen Leistungen nach dem SGB IX ersetzt. Die Aufnahme der Bewohner erfolgt daher grundsätzlich nicht mehr aufgrund von ihnen als behinderte Menschen gewährten Sozialleistungen. In Umsetzung dessen ist zum Ende des Jahres 2019 auch der letzte verbliebene Bewohner, der auf Grundlage der §§ 53 ff. SGB XII (a.F.) in der Einrichtung der Klägerin untergebracht war, ausgezogen.
50 
Gleichwohl bildet der Wegfall der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen aus dem nach der Leistungsvereinbarung vorgesehenen Leistungsangebot allein keinen Beleg für eine fehlende Zweckrichtung der Einrichtung, wie auch das frühere Bestehen dieses Leistungsangebots allenfalls ein Indiz für eine Zweckrichtung zur Aufnahme von Menschen mit Behinderungen gewesen sein kann. Hinsichtlich der weiteren in der Leistungsvereinbarung vereinbarten Zielgruppen (Empfänger von Hilfen für junge Volljährige nach § 41 SGB VII in stationären Einrichtungen und zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 ff. SGB XII bei Vorliegen multipler Bedarfslagen) liegt es allerdings nicht auf der Hand, dass es sich hierbei um Menschen mit Behinderungen handelt.
51 
Unabhängig davon konnte sich der Senat auch unter Heranziehung der weiteren Angaben in der Leistungsvereinbarung und der von der Klägerin zu den Bewohnern vorgelegten Unterlagen sowie nach den nachvollziehbaren Angaben der Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugen, dass die Einrichtung die Aufnahme von Menschen mit Behinderung bezweckt. Die Zielgruppen des Leistungsangebots werden in der Leistungsvereinbarung dahingehend konkretisiert, dass sich die Einrichtung an Erwachsene richtet mit genereller Antriebsschwäche und/oder Unfähigkeit, sich in die Gesellschaft integrieren zu können, mit Störungen im Arbeits- und Leistungsverhalten, mit sozialen Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen oder in sozialer Isolation, mit genereller Unselbständigkeit, Lebensuntüchtigkeit und eingeschränkter Alltagsbewältigung, mit Drogen- und Schuldenproblematik, mit keinen adäquaten Möglichkeiten mit Finanzen umzugehen, mit psychischer Instabilität, mit Entwicklungsstörungen im körperlichen, intellektuellen oder emotionalen Bereich, mit allgemeiner Perspektivlosigkeit im Leben, mit Hygieneproblematik, mit Diskrepanz zwischen physischem und psychischem Alter, mit „Null-Bock“-Haltung und innerer Verkapselung, mit delinquenten Verhaltensweisen und mit Grenzwertigkeit zur geistigen Behinderung. Ausdrücklich nicht aufgenommen werden Personen mit akuter Selbst- und Fremdgefährdung und mit akut behandlungsbedürftigen psychischen Krankheiten.
52 
Einzelne der beschriebenen Eigenschaften und Symptome können zwar - je nach Ausprägungsgrad - mitunter als seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen eingeordnet werden und damit unter Umständen jedenfalls den Grenzbereich zu einer Behinderung darstellen. Bei der Aufnahme in die Wohngruppe steht eine gegebenenfalls vorliegende Behinderung indes nicht im Vordergrund und ist darauf auch nicht ausgerichtet. Seitens der Klägerin wurde zwar nicht ausgeschlossen, dass es im Einzelfall auch zur Aufnahme von Bewohnern mit einer Behinderung kommen kann. Nach ihren plausiblen Angaben in der mündlichen Verhandlung darf die Behinderung jedoch nicht im Vordergrund stehen und die Fähigkeit der Bewohner, sich selbst zu versorgen und die sozialpädagogische Unterstützung ihrer Mitarbeiter anzunehmen, beeinträchtigen. Der Hauptzweck der Wohngruppe liegt darin, junge Volljährige, die zu einem vollständig eigenständigen Leben noch nicht in der Lage sind, durch sozialpädagogische Unterstützung an ein selbständiges Leben als Erwachsene heranzuführen und ihnen eine altersgerechte Gestaltung des Alltags beizubringen. Eine etwaig vorliegende Behinderung tritt demgegenüber in den Hintergrund. Die Wohngruppe tritt in der Gesamtschau als eine Art nachgelagerte Jugendhilfeeinrichtung in Erscheinung und unterliegt, wie von den Vertretern der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung aufgezeigt, der fortlaufenden Überwachung durch den Träger der Jugend- und Sozialhilfe, der die Bewohner der Einrichtung zuweist und stets Ansprechpartner für die Bewohner und die Klägerin bereithält. Weder nach der sächlichen und personellen Ausstattung der Einrichtung noch nach den erbrachten Leistungen ist die Wohngruppe darauf zweckmäßig ausgerichtet, Menschen mit Behinderungen aufzunehmen.
53 
(2) Darüber hinaus stellt die Klägerin in der Einrichtung auch in sachlicher Hinsicht keine Pflege- und sonstigen Unterstützungsleistungen mit umfassendem Versorgungscharakter zur Verfügung und hält solche auch nicht vor. Hierbei kann der Senat offenlassen, ob § 3 Abs. 1 WTPG, wie vom Verwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt, entgegen seinem Wortlaut dahingehend auszulegen ist, dass Pflege- oder Unterstützungsleistungen (nicht „und“) zur Verfügung gestellt oder vorgehalten werden müssen. Denn jedenfalls geht die Wohnraumüberlassung hier nicht mit der Erbringung oder Vorhaltung von Unterstützungsleistungen, die Betreuungsleistungen, Verpflegung und hauswirtschaftliche Leistungen umfassen können, im Sinne einer „Rundumversorgung (vgl. dazu LT-Drs. 15/4852 S. 52) einher.
54 
Nach der Leistungsvereinbarung umfasst die Grundbetreuung in der Einrichtung an 365 Tagen im Jahr insbesondere der Alltagsgestaltung und Alltagsbewältigung, darunter die Versorgung und Unterstützung, Befriedigung der existenziellen Grundbedürfnisse und die Strukturierung des Tages-, Wochen- und Jahresablaufs. Als pädagogische Grundleistungen werden beispielsweise die Unterstützung bei der praktischen Lebensbewältigung, die Gesundheits- und Hygieneerziehung sowie das Aufgreifen von Impulsen, Stimmungen, Bedürfnissen und Interessen genannt. Bei Fragen der Bildung und Ausbildung werden ebenso Hilfen angeboten wie bei der Freizeitgestaltung. Die Klägerin hält damit Unterstützungen in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens vor, um diese den Bewohnern je nach individuellem Bedarf, der durch die Hilfepläne für jeden Einzelnen erarbeitet wird, zur Verfügung zu stellen. Ein umfassender Versorgungscharakter ergibt sich hieraus gleichwohl nicht. Im Vordergrund steht die Betreuung und Unterstützung der jungen Volljährigen sowie die Anleitung bei der selbständigen Übernahme der täglichen Angelegenheiten des Lebens. Dies haben die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung konkreter dahingehend beschrieben, dass die Mitarbeiter die Wahrnehmung der Haushaltsaufgaben durch die Bewohner überwachten, diese aber nicht selbst vornähmen. Die Bewohner sorgten grundsätzlich auch selbst für ihre Nahrungsmittel. Lediglich wenn hier ein Missstand festgestellt werde, berate man beim Einkaufen und Kochen bzw. leite insoweit an. Sowohl im hauswirtschaftlichen Bereich als auch in Bezug auf die Verpflegung hält die Klägerin damit keine eigenen Leistungen vor. Dass es gelegentlich zu gemeinsamen Kochaktivitäten in der Gruppe kommen kann und die Mitarbeiter der Klägerin „niemanden verhungern lassen“ würden, lässt nicht auf einen umfassenden Versorgungscharakter schließen.
55 
cc) Schließlich weist der Senat darauf hin, dass die Regelungen über stationäre Einrichtungen auch nicht wegen des Nichtvorliegens aller Voraussetzungen der ambulant betreuten Wohngemeinschaften für volljährige Menschen mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf und für volljährige Menschen mit Behinderungen nach §§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 5, 6 Abs. 4 WTPG Anwendung finden. Denn auch insoweit ist bereits der persönliche Anwendungsbereich der genannten Vorschriften nicht eröffnet. Wie bereits dargelegt, richtet sich die Einrichtung nicht an Menschen mit Behinderungen. Ebenso dient sie nicht der Aufnahme volljähriger Menschen mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf.
56 
Anders als in § 3 Abs. 1 WTPG sprechen die §§ 4 Abs. 1 und 2, 5 WTPG nicht von volljährigen Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf sondern von volljährigen Menschen mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf. Unter den Versorgungsbedarf in diesem Sinne fällt jedoch auch der Pflegebedarf. Ausweislich der Gesetzesbegründung beschreibt die Untergruppe der ambulant betreuten Wohngemeinschaft für volljährige Menschen mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf die sogenannte „Pflege-WG“. Diese Wohnform richte sich an volljährige Menschen, deren Alltagskompetenz mit unterstützenden Dienstleistungen in einem weit gefassten Verständnis zu erhalten ist („Unterstützungsbedarf“), und deren bereits bestehenden Einschränkungen der Versorgung vorrangig mit Pflegeleistungen („Versorgungsbedarf“) bedürfen (LT-Drs. 15/4852 S. 58, 55). Dies wird auch in § 5 Abs. 1 Satz 1 WTPG deutlich. Dieser nennt als die unterstützende Versorgung kennzeichnende Bereiche das Wohnen, die soziale Betreuung, die Pflege und die hauswirtschaftliche Betreuung. Zentrales Abgrenzungskriterium zu stationären Einrichtungen ist die Eigenverantwortung der Bewohner in Teilbereichen der Versorgung. Namentlich ist die teilweise Selbstverantwortung dann anzunehmen, wenn diesen die unterstützende Versorgung kennzeichnenden Bereichen die Eigenverantwortung der Bewohner zumindest vollständig im Bereich der Pflege gewährleistet ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 WTPG). Das ist dann der Fall, wenn alle Bewohner Anbieter, Art und Umfang zumindest der Pflegeleistungen frei wählen und die mit diesem Bereich zusammenhängende Alltagsgestaltung selbstbestimmt einrichten können (§ 5 Abs. 1 Satz 2 WTPG). All dies zeigt, dass mit volljährigen Menschen mit Unterstützungs- und Versorgungsbedarf nur solche Menschen gemeint sind, die als Unterfall des Versorgungsbedarfs auch einen Pflegebedarf aufweisen. Die Einrichtung der Klägerin richtet sich aber, wie bereits dargelegt, nicht an Menschen mit Pflegebedarf.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
58 
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
59 
Beschluss vom 16. Januar 2020
60 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gem. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG auf 5.000 EUR festgesetzt.
61 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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