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| 1. Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 78b Abs. 1 ZPO für die am 18.09.2020 erhobene Entschädigungsklage hat keinen Erfolg. |
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| Nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 78b Abs. 1 ZPO ist einem Beteiligten auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, insoweit eine Vertretung durch Anwälte - wie hier gemäß § 67 Abs. 4 VwGO - geboten ist und wenn er einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet sowie die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. |
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| Offenbleiben kann dabei, ob der Kläger hinreichend substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht hat, vergeblich alles ihm Zumutbare getan zu haben, um einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden (vgl. zu dieser Voraussetzung im Einzelnen BVerwG, Beschluss vom 28.03.2017 - 2 B 4.17 -, juris Rn. 9). Denn die Rechtsverfolgung des Klägers erscheint jedenfalls aussichtslos. Mit dem Begriff der „Aussichtslosigkeit“ stellt das Gesetz für die Beiordnung eines Notanwalts im Sinne von § 78b Abs. 1 ZPO einen - aus Sicht des jeweiligen Antragstellers - weniger strengen Maßstab auf als im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe mit dem Erfordernis der „hinreichenden Aussicht auf Erfolg“ (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) verlangt wird. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass hier nicht die Staatskasse vor einer unnützen Inanspruchnahme wegen der Kosten einer Rechtsverfolgung oder -verteidigung geschützt werden muss, die wenig Aussicht auf Erfolg hat. Aussichtslosigkeit im Sinne von § 78b Abs. 1 ZPO besteht, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann (BVerwG, a.a.O., Rn. 11 m.w.N.). |
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| Nach diesen Maßstäben erscheint das Rechtsschutzbegehren des Klägers in Gestalt der erhobenen Entschädigungsklage nach § 198 GVG wegen unangemessener Dauer des beim Verwaltungsgericht Karlsruhe geführten Verfahrens 3 K 3024/19 aussichtslos. Der Senat kann nicht erkennen, dass das noch am Verwaltungsgericht anhängige Verfahren bislang unangemessen lang gedauert hätte und der Kläger daher einen Entschädigungsanspruch nach § 198 GVG geltend machen könnte. |
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| a) Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lang gedauert hat. Hierfür kann nach § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Diese Regelungen sind im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar (§ 173 Satz 2 VwGO). |
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| Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen (Art. 6 EMRK, Art. 19 Abs. 4, 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG) folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eintreten, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Ausreichend ist insoweit aber nicht jede Abweichung des Gerichts von einer optimalen Verfahrensführung. Vielmehr muss die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (BVerfG, Beschluss vom 01.10.2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 -, NVwZ 2013, 789). Ist infolge unzureichender Verfahrensführung eine nicht gerechtfertigte Verzögerung eingetreten, spricht dies für die Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Zu prüfen ist, ob das Gericht gerade in Relation zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer gerecht geworden ist. Maßgeblich ist insoweit, wie das Gericht die Lage aus seiner ex ante Sicht einschätzen durfte (BVerfG, a.a.O.). Im Zusammenhang mit der Verfahrensführung durch das Gericht ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem gewissen Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und zum rechtsstaatlichen Gebot steht, eine inhaltlich richtige, an Recht und Gesetz orientierte Entscheidung zu treffen (BVerfG, a.a.O.). Ebenso fordert Art. 6 Abs. 1 EMRK zwar, dass Gerichtsverfahren zügig betrieben werden, betont aber auch den allgemeinen Grundsatz einer geordneten Rechtspflege (EGMR, Urteil vom 25.02.2000 - Nr. 29357/95 -, NJW 2001, 211). Die zügige Erledigung eines Rechtsstreits ist kein Selbstzweck; vielmehr verlangt das Rechtsstaatsprinzip die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands durch das berufene Gericht (BVerfG, Beschlüsse vom 12.02.1992 - 1 BvL 1/89 -, BVerfGE 85, 337; vom 26.04.1999 - 1 BvR 467/99 -, NJW 1999, 2582). |
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| Um den verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Anforderungen gerecht werden zu können, benötigt das Gericht eine Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen ist. Dabei ist die Verfahrensgestaltung in erster Linie in die Hände des mit der Sache befassten Gerichts gelegt (BVerfG, Beschlüsse vom 30.07.2009 - 1 BvR 2662/06 -, NJW-RR 2010, 207 und vom 02.12.2011 - 1 BvR 314/11 -, WM 2012, 76). Dieses hat, sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zulässt, zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festzulegen (BVerfG, Beschluss vom 30.07.2009, a.a.O.). Es hat dabei die Verfahren untereinander zu gewichten, den Interessen der Beteiligten - insbesondere im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens - Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu geboten sind. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht - auch im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit - ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen (BVerfG, Beschlüsse vom 29.03.2005 - 2 BvR 1610/03 -, NJW 2005, 3488 und vom 01.10.2012, a.a.O.; zum Ganzen bereits VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 31.10.2013 - 6 S 1243/13 -, juris Rn. 35 f. und vom 31.03.2016 - 6 S 2250/15 -, n.v.). Zur Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer kann nicht allein auf eine statistisch ermittelte durchschnittliche Laufzeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren abgestellt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.07.2013 - 5 C 23.12 D -, juris Rn. 29; BayVGH, Urteil vom 13.06.2019 - 24 A 18.2049 -, juris Rn. 24). Vielmehr ist eine Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. |
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| b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Dauer des hier in Rede stehenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bisher nicht unangemessen. Eine an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Schwierigkeit des Verfahrens, seiner Bedeutung für den Kläger sowie des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten und der Verfahrensführung des Gerichts unter Berücksichtigung der (bisherigen) Gesamtverfahrensdauer ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, hier bislang nicht verletzt worden ist. |
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| Das Verfahren 3 K 3024/19 wurde vom Verwaltungsgericht bisher kontinuierlich im Rahmen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums betrieben. Dass es hierbei Verfahrensschritte und Auslegungen des Klagebegehrens vorgenommen hat, mit denen der Kläger inhaltlich nicht einverstanden ist, bewirkt ebenso wenig die Unangemessenheit der Verfahrensdauer wie sein mehrfach geäußerter Wunsch nach einer schnelleren Bearbeitung des Verfahrens. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass gegebenenfalls eingetretene zeitliche Verzögerungen im bisherigen Verfahren ersichtlich auch auf die schwer nachvollziehbaren und hochgradig auslegungsbedürftigen Schriftsätze und Anträge des Klägers zurückzuführen sind, denen nur mit Mühe überhaupt ein im Verwaltungsrechtsweg verfolgbares Klagebegehren entnommen werden kann. Dem bisherigen Klagevortrag ist auch keine besondere, gerade die Verfahrensbeschleunigung erfordernde, objektiv nachvollziehbare Bedeutung für den Kläger zu entnehmen, die das Verwaltungsgericht dazu hätte anhalten müssen, das Verfahren gegenüber anderen, teilweise auch älteren anhängigen Verfahren zu priorisieren. Der Senat kann nicht erkennen, dass die Verfahrensdauer bereits eine Grenze überschritten hätte, die sich auch unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt. Auch eine anwaltliche Beratung des Klägers wird hieran ganz offenbar nichts ändern können. |
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