Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 3 S 138/22

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. Dezember 2021 - 9 K 2411/21 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Die sofortige Vollziehung der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung des Landratsamts Göppingen vom 5. Mai 2020 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behalten.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 35.000 Euro festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der sofortigen Vollziehung der ihr vom Landratsamt Göppingen am 5.5.2020 erteilten wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Grundstücke Flst.-Nrn. ... und ..., ..., in Bad Boll. Die Grundstücke liegen in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet für ein hundertjähriges Hochwasser (HQ 100). Der Hochwasser-Bemessungspegel beträgt 419,70 m üNN.
Am 5.5.2020 erteilte das Landratsamt Göppingen der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin die Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit einer offenen Garage im östlichen Bereich des Erdgeschosses, die eine Zufahrt an der Nordseite des Vorhabens und fünf Öffnungen an der Südseite aufweist. Im westlichen Bereich des Erdgeschosses befinden sich geschlossene Nebenräume. Die gesamte Grundfläche des Vorhabens beträgt ca. 289 m². Die Garage hat eine Grundfläche von ca. 172 m², das Nebengebäude von ca. 117 m². Die Höhenlage des Gebäudes (Erdgeschoss-Fußboden-Oberkante) wird in der Baugenehmigung auf 418,50 m üNN festgelegt (Nebenbestimmung Nr. 38). Mit gleichem Bescheid erteilte das Landratsamt eine wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 78 Abs. 5 WHG. Der Genehmigung waren Nebenbestimmungen zum Hochwasserschutz beigefügt, die mittlerweile neugefasst wurden. Danach sind der Parkbereich und das Umgebungsgelände so auszubilden, dass dort abklingendes Hochwasser vollständig abläuft (Nr. 9), sämtliche Öffnungen der Garage sind dauerhaft offenzuhalten und auf ein Tor im Einfahrtsbereich ist zu verzichten (Nr. 10), im Parkbereich sind dauerhaft Warnschilder anzubringen, die auf die Hochwassergefahr hinweisen (Nr. 11) und der Nebenraum des Parkbereichs ist hochwassersicher auszubilden (Nr. 12). Nach Erteilung der Baugenehmigung wurde der Altbestand abgebrochen.
Die Beigeladenen sind Eigentümer der in nördlicher Richtung an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke Flst.-Nrn. ... und ... .... Ihre Grundstücke befinden sich ebenfalls im festgesetzten Überschwemmungsgebiet. Das Gelände und die südlich des Bauvorhabens verlaufende Straße ... fallen von Ost nach West leicht ab, um westlich und nördlich des Bauvorhabens wieder geringfügig anzusteigen. Das hier maßgebliche Überschwemmungsgebiet wird durch eine Geländemulde gebildet; das Baugrundstück befindet sich etwa in der Mitte dieser Senke. Die tiefsten Punkte des Überschwemmungsgebiets befinden sich mit einer Höhe von ca. 418,10 m üNN nördlich und nordwestlich des Bauvorhabens. Die Wohngebäude der Beigeladenen liegen nach Aktenlage am Rand der Senke auf einer Höhe zwischen. 418,49 m üNN ... bis 419,30 m üNN ...; die tiefergelegenen Gartenbereiche erstrecken sich bis in die Mitte der Senke.
Die Baurechts- und die Widerspruchsbehörde haben im Verwaltungsverfahren mehrere Stellungnahmen des Planungsbüros Z. und der Umwelt- und Wasserbehörden des Landratsamts Göppingen und des Regierungspräsidiums Stuttgart zum Hochwasserschutz eingeholt. Das Planungsbüro teilte mit, die Garage solle offen ausgeführt werden und ein Gefälle in westlicher Richtung aufweisen, so dass das Hochwasser ungehindert abfließen könne. Infolge der offenen Garage bringe das Neubauvorhaben letztlich einen Retentionsraumzuwachs im Vergleich zum Altbestand. Die Fachbehörden kamen zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass ein Verlust von Hochwasserrückhalteraum nicht zu befürchten sei, weil das Vorhaben aufgrund der offenen Garage, die im Hochwasserfall geflutet werde, letztlich einen Retentionsraumgewinn im Vergleich zum Altbestand bringe. Eine nachteilige Veränderung des Wasserabflusses und des Wasserstands sei ebenfalls nicht zu befürchten, weil sich das Vorhaben nicht in einem Strömungsbereich, sondern in einer Senke befinde, die sich bei Hochwasser „vergleichbar einer Badewanne“ füllen werde, bis der Überlauf erreicht sei. Bei Hochwasser werde sich im gesamten Überflutungsbereich ein gleiches rechnerisches Höhenniveau der Hochwasserspiegellagen einstellen. Daraus folge, dass keine maßgeblichen Fließgeschwindigkeiten aufträten und das Vorhaben nicht im Strömungsbereich liege. Es sei davon auszugehen, dass das Vorhaben die Hochwasserspiegellagen nicht messbar beeinflussen werde.
Hiergegen haben die Beigeladenen unter Vorlage einer sachverständigen Stellungnahme eingewandt, die Berechnung des Retentionsraumverlustes sei fehlerhaft. Es werde insbesondere nicht berücksichtigt, dass die Fußbodenoberkante des Vorhabens über dem natürlichen Geländeverlauf liege und die Garage insoweit keine Kompensationswirkung habe; auch andere bauliche Maßnahmen mit Retentionsraumverlust - wie etwa die Zufahrt - seien nicht berücksichtigt worden. Die Volumenverdrängung durch den Altbestand sei überschätzt worden, zumal dieser ohnehin nicht mehr berücksichtigt werden könne.
Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhoben die Beigeladenen sowohl gegen die Baugenehmigung als auch gegen die wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung Klagen beim Verwaltungsgericht Stuttgart, über die soweit ersichtlich noch nicht entschieden ist (2 K 5970/20 und 9 K 2493/21).
Am 6.5.2021 stellte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart den Antrag, die sofortige Vollziehung der ihr vom Landratsamt Göppingen am 5.5.2020 erteilten wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung anzuordnen. Mit der Antragsbegründung legte sie eine geotechnische Stellungnahme des Ingenieurbüros B. vor. Danach habe eine Neuvermessung der Höhenlagen ergeben, dass sich das Vorhaben am tiefsten Punkt einer Mulde befinde; die Grundstücke der Beigeladenen seien höher gelegen. Im Hochwasserfall werde das Wasser zunächst von Süden und Osten kommend der Straße ... folgen und dann durch die Öffnungen der Garage auf das Vorhabengrundstück strömen. Es treffe zu, dass das natürliche Geländeniveau wohl ca. 24 cm unterhalb der für das Bauvorhaben festgesetzten Erdgeschossfußbodenhöhe verlaufe. Es könne daher prognostisch davon ausgegangen werden, dass der Hochwasserspiegel bis zum Erreichen der Fußbodenoberkante des Vorhabens tatsächlich schneller als vorher ansteige, weil das Vorhaben eine größere Grundfläche als der Altbestand habe, dass sich der Wasseranstieg dann aber im Vergleich zum vorherigen Zustand verlangsame, weil zunächst die Garage geflutet werde.
Der Antragsgegner hat vor dem Verwaltungsgericht ein Anerkenntnis abgegeben und beantragt, dem Antrag stattzugeben. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
10 
Mit Beschluss vom 20.12.2021 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt (9 K 2411/21). Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anerkenntnis sei in der vorliegenden dreipoligen Konstellation unzulässig. Die Erfolgsaussicht der Klage der Beigeladenen werde als offen bewertet. Es müsse nicht beantwortet werden, ob das nachbarschützende wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot zu Lasten der Beigeladenen durch den Verlust von Retentionsraum verletzt werde (§ 78 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a WHG). Denn es sei bereits offen, ob das Vorhaben den Wasserstand und den Wasserabfluss im Sinne d. § 78 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b WHG nachteilig verändere. Eine nachteilige Beeinflussung liege vor, wenn diese im Wege einer tatsachenbasierten Prognose nicht von der Hand zu weisen sei. Hierzu sei keine Berechnung vorgelegt worden, die sämtliche notwendigerweise zu berücksichtigen Umstände miteinbeziehe. Denn es sei bei der Prognose nicht berücksichtigt worden, dass sich im Falle eines HQ 100 in der Garage und auf den drei weiteren genehmigten Stellplätzen parkende Fahrzeuge und andere Gegenstände befinden könnten, die durch eine Volumenverdrängung nachteilige Auswirkungen auf den Wasserstand und den Wasserabfluss haben könnten. Die Nebenbestimmungen stellten keinen geeigneten Ausgleich im Sinne d. § 78 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 WHG dar, denn es sei nicht sichergestellt, dass die Parkflächen im Hochwasserfall zu räumen seien. Auch sei nicht ausgeschlossen, dass die Garagenöffnungen im Hochwasserfall von den Bewohnern doch durch Sandsäcke verschlossen würden. Die Nebenbestimmungen richteten sich nur an die Grundstückseigentümerin, nicht aber an künftige Wohnungseigentümer und Mieter. Vor diesem Hintergrund komme den Auskünften und Gutachten der zuständigen Wasserbehörden vorliegend kein Beweiswert zu. Da die Volumenverdrängung durch parkende Fahrzeuge nicht berücksichtigt worden sei, seien diese unvollständig. Außerdem stütze sich die Wasserbehörde des Landratsamts lediglich auf einen Fortbildungshinweis zu vereinfachten Annahmen für kleine Bauvorhaben; es sei aber zweifelhaft, ob es sich vorliegend noch um ein kleines Bauvorhaben in diesem Sinne handele. Im Rahmen einer offenen Interessenabwägung stehe das durch Art. 12, 14 GG geschützte Interesse der Antragstellerin, von der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung ohne Verzögerung Gebrauch machen zu können, dem Schutzauftrag für Leben und Gesundheit nach Art. 2 Abs. 2 GG gegenüber. Danach überwiege das Interesse der Beigeladenen daran, dass keine - kaum rückgängig zu machenden - vollendeten Tatsachen geschaffen würden gegenüber den durch den Vollzugsaufschub berührten Interessen der Antragstellerin. Ein Ausnahmefall, der die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertige, liege nicht vor. Das öffentliche Interesse an der Schaffung von Wohnraum könne nicht berücksichtigt werden, da es auch im Rahmen des Hauptsacheverfahrens unerheblich sei.
11 
Gegen diesen ihr am 20.12.2021 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 3.1.2022 beim Verwaltungsgericht Beschwerde erhoben. Die Beschwerde wurde mit Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof vom 20.1.2022, eingegangen am selben Tag, begründet. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter, die sofortige Vollziehung der wasserrechtlichen Anordnung gerichtlich anordnen zu lassen. Mit der Beschwerdebegründung hat sie eine Entscheidung des Landratsamts Göppingen vom 20.1.2022 vorgelegt, in der die Nebenbestimmungen zu den erteilten Genehmigungen wie folgt gefasst wurden:
12 
„1. Die Ziffer 10 der Nebenbestimmungen wird aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
13 
Die Genehmigungsinhaberin hat während der gesamten Standzeit des Gebäudes und insbesondere im Falle einer amtlichen Warnung der Hochwasservorhersagezentrale Baden-Württemberg sowie im Hochwasserfall sicherzustellen, dass sämtliche Öffnungen der Garage dauerhaft offengehalten werden. Auf ein Tor im Einfahrtsbereich ist zu verzichten.
14 
Es sind im Parkbereich dauerhaft Schilder mit dem folgenden Verbotstext anzubringen:
15 
„Achtung Hochwassergefahr! Im Falle einer Hochwasserwarnung und bei Hochwasser sind alle KFZ und sämtliche Gegenstände von den Parkflächen und Stellflächen zu entfernen. Ein Abstellen von KFZ und Gegenständen ist in den vorgenannten Fällen untersagt. Ferner sind sämtliche Öffnungen der Garage jederzeit und dauerhaft offenzuhalten. Das Verschließen der Öffnungen der Garage durch Gegenstände auch während eines Hochwassers ist verboten!“
16 
2. Die Ziffer 11 der Nebenbestimmungen wird aufgehoben.
17 
3. Folgende Nebenbestimmungen werden erlassen:
18 
3.1 Die Genehmigungsinhaberin hat während der gesamten Standzeit des Gebäudes sicherzustellen, dass die Garage und die Stellflächen im Falle einer amtlichen Warnung der Hochwasservorhersagezentrale Baden-Württemberg vor einem Hochwasserereignis und im Hochwasserfall unverzüglich zu räumen und abgelagerte Gegenstände zu entfernen sind. Ein Abstellen von KFZ und Gegenständen ist untersagt. Die Garage und die Stellflächen sind zu sperren.
19 
3.2 Im Parkbereich und im Wohnhaus sind an geeigneter, gut einsehbarer Stelle dauerhaft Warnschilder anzubringen, die auf die bestehende Hochwassergefahr hinweisen und eine Pflicht zur Räumung der Garage und der Stellfläche im Falle einer amtlichen Warnung der Hochwasservorhersagezentrale Baden-Württemberg sowie im Hochwasserfall beinhalten, siehe Ziffer Nr. 10.“
20 
Der Antragsgegner ist der Beschwerde nicht entgegengetreten. Die Beigeladenen haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
21 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Landratsamts Göppingen, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart und die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.
II.
22 
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Die von ihr im Beschwerdeverfahren fristgemäß dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben Anlass, der Beschwerde stattzugeben und den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.
23 
Ergibt die Prüfung des Beschwerdegerichts, dass die tragende Begründung des Verwaltungsgerichts dessen Entscheidung - hier die Ablehnung des Antrags auf Anordnung der sofortigen Vollziehung - nicht rechtfertigt, hat das Beschwerdegericht umfassend zu prüfen, ob vorläufiger Rechtsschutz nach den allgemeinen Maßstäben zu gewähren ist (Senatsbeschl. v. 5.3.2014 - 9 S 183/14 -, juris Rn. 6 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 18.5.2016 - 8 S 703/16 -, juris Rn. 7 ff.; jeweils m.w.N.).
24 
Diese Prüfung führt zu einem von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts abweichenden Ergebnis. Der Senat misst nach Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Aussetzungsinteressen der Beteiligten (§§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) dem privaten Interesse der Antragstellerin, von der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung sofort Gebrauch machen zu dürfen, Vorrang vor dem gegenläufigen Interesse der Beigeladenen bei, vorläufig vom Vollzug der angefochtenen Genehmigung verschont zu bleiben.
25 
1. Der Antrag ist statthaft und auch sonst zulässig. Nach § 80a Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehbarkeit des für ihn vorteilhaften Verwaltungsakts anordnen, wenn ein Dritter gegen diesen Verwaltungsakt einen Rechtsbehelf eingelegt hat.
26 
Wie das Verwaltungsgericht weiter zutreffend ausgeführt hat, bedurfte es keines vorherigen Antrags auf Anordnung der sofortigen Vollziehung bei der Behörde. Gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO gilt § 80 Abs. 5 bis 8 VwGO entsprechend. Aus dieser Verweisung folgt indes nicht, dass der Begünstigte gemäß § 80 Abs. 6 VwGO auch außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs dieser Vorschrift immer zuvor einen entsprechenden Antrag ohne Erfolg bei der Behörde gestellt haben muss. Die Verweisung erfasst Fälle der vorliegenden Art nicht (vgl. im Einzelnen VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 8.8.1996 - 8 S 1954/96 -, VBlBW 1997, 17 und juris Rn. 2; Beschl. v. 6.5.2020 - 8 S 455/20 -, juris Rn. 18 f.).
27 
Wie das Verwaltungsgericht weiter zutreffend angenommen hat, fehlt der Antragstellerin auch nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Zwar hat der Antragsgegner zu erkennen gegeben, dass er den Antrag der Antragstellerin für begründet hält. Dies könnte dahingehend zu verstehen sein, dass das Landratsamt dem Antrag stattgegeben hätte, wenn die Antragstellerin ihr Begehren zunächst an die Behörde gerichtet hätte. Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, dass der Antragstellerin kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, weil sie ihr Ziel auch ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe auf einfachere Art hätte durchsetzen können. Denn hierdurch würde die gesetzliche Systematik unterlaufen, wonach der Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung auch und erstmals beim Verwaltungsgericht gestellt werden kann und dieses zur Anordnung der sofortigen Vollziehung ermächtigt ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 8.8.1996 - 8 S 1954/96 -, VBlBW 1997, 17 und juris).
28 
2. Der Antrag ist auch begründet.
29 
a) § 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO ermächtigt das Gericht u.a. dazu, anstelle der Behörde (vgl. § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO) auf Antrag des Adressaten nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehbarkeit eines begünstigenden Verwaltungsakts anzuordnen. Zur Entscheidung über einen solchen Antrag bedarf es - vergleichbar einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO - einer Abwägung der widerstreitenden Interessen. Einen eigenständigen materiell-rechtlichen Maßstab für die Entscheidung des Gerichts im Verfahren auf Anordnung der sofortigen Vollziehung enthält § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht. Die Entscheidungskriterien ergeben sich vielmehr aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, auf den § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO Bezug nimmt. Soweit ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug nicht erkennbar ist (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 1. Alt. VwGO), kann danach auch in der hier vorliegenden Fallkonstellation des begünstigenden Verwaltungsakts mit drittbelastender Wirkung die sofortige Vollziehung angeordnet werden, wenn das Interesse des Begünstigten an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Belasteten an der aufschiebenden Wirkung überwiegt. In diesem Rahmen kommt es in erster Linie darauf an, ob der die aufschiebende Wirkung auslösende Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg haben wird. Dies ist (nur) dann der Fall, wenn die angefochtene Verfügung rechtswidrig ist und die Beigeladenen hierdurch in eigenen, gerade ihrem Schutz dienenden Rechtsnormen verletzt sind. Umgekehrt kann ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Begünstigten grundsätzlich bejaht werden, wenn der eingelegte Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und eine Fortdauer der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs dem Begünstigten gegenüber unbillig wäre (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 6.5.2020 - 8 S 455/20 -, juris Rn. 28). Darüber hinaus gehende Rechtsverletzungen verschaffen dem anfechtenden Dritten grundsätzlich keine im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigende Rechtsposition, weil ihm kein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch zukommt (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 6.5.2020 - 8 S 455/20 -, juris Rn. 28 m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 31.03.2016 - 8 B 1341/15 -, DVBl 2016, 714 und juris Rn. 49; jeweils m.w.N.). Ist der Verwaltungsakt, dessen sofortige Vollziehbarkeit begehrt wird, allerdings objektiv rechtswidrig, ohne zugleich subjektive Rechte des Dritten zu verletzen, darf das dem Gesetzmäßigkeitsprinzip verpflichtete Gericht (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG) die beantragte Vollziehbarkeitsanordnung gleichwohl nicht treffen (Puttler in Sodan/Ziekow, NK-Kommentar VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80a Rn. 27 m.w.N.; Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 42. EL Februar 2022, § 80a Rn. 63; Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 80a Rn. 11, 36). Die sofortige Vollziehung kann daher unabhängig von den Erfolgsaussichten des Nachbarrechtsbehelfs nicht gerichtlich angeordnet werden, wenn die erteilte wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Dies gilt insbesondere, wenn durch die Errichtung einer baulichen Anlage eventuell das Hochwasserrisiko steigt. In diesem Fall steht das Wohl der Allgemeinheit der Anordnung der sofortigen Vollziehung entgegen und es muss bei dem gesetzlichen Regelfall der aufschiebenden Wirkung verbleiben.
30 
b) Nach diesen Maßgaben ist der Antrag begründet. Das Vollzugsinteresse der Antragstellerin überwiegt gegenüber dem Aufschubinteresse der Beigeladenen und dem öffentlichen Interesse an der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen die wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung.
31 
aa) Nach § 78 Abs. 4 Satz 1 WHG ist in festgesetzten Überschwemmungsgebieten die Errichtung oder Erweiterung baulicher Anlagen nach den §§ 30, 33, 34 und 35 des Baugesetzbuches untersagt. Die zuständige Behörde kann gemäß § 78 Abs. 5 Satz 1 WHG abweichend von Absatz 4 Satz 1 die Errichtung oder Erweiterung einer baulichen Anlage im Einzelfall genehmigen, wenn
32 
1. das Vorhaben
33 
a) die Hochwasserrückhaltung nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt und der Verlust von verlorengehendem Rückhalteraum umfang-, funktions- und zeitgleich ausgeglichen wird,
34 
b) den Wasserstand und den Abfluss bei Hochwasser nicht nachteilig verändert,
35 
c) den bestehenden Hochwasserschutz nicht beeinträchtigt und
36 
d) hochwasserangepasst ausgeführt wird oder
37 
2. die nachteiligen Auswirkungen durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden können.
38 
Nach § 78 Abs. 5 Satz 2 WHG sind bei der Prüfung der Voraussetzungen des Satzes 1 auch die Auswirkungen auf die Nachbarschaft zu berücksichtigen.
39 
Die Neufassung des § 78 WHG vom 18.8.2021 hat am Wortlaut der hier maßgeblichen Bestimmungen nichts geändert.
40 
Während früher umstritten war, ob der Vorgängerfassung des § 78 WHG bzw. den Vorgängerregelungen in älteren Gesetzesfassungen des Wasserhaushaltsgesetzes drittschützende Wirkung zugunsten von Grundstücksnachbarn zukam (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 18.11.2013 - 5 S 2037/13 -, NVwZ-RR 2014, 265 und juris Rn. 6; Bayerischer VGH, Beschl. v. 16.12.2015 - 8 ZB 14.1471 -, juris Rn. 7), hat der Gesetzgeber über die am 5.1.2018 in Kraft getretene Neuregelung des § 78 WHG und maßgeblich über § 78 Abs. 5 Satz 2 WHG n.F. klargestellt, dass bei der Prüfung der wasserrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen des § 78 Abs. 5 Satz 1 WHG auch die Auswirkungen auf die Nachbarschaft zu berücksichtigen sind. Vor dem Hintergrund des Wortlauts der Neuregelung in § 78 Abs. 5 Satz 2 WHG sowie unter Berücksichtigung des in der Begründung zum Gesetzesentwurf eindeutig zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willens ist somit geklärt, dass dem hochwasserrechtlichen Bauverbot sowie den Ausnahmegenehmigungsvoraussetzungen eine drittschützende Wirkung zukommt (vgl. zum Ganzen BT-Drs. 18/10879 S. 27 f.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 6.2.2019 - 15 CS 18.24 -, juris Rn. 59 m.w.N.; VG Karlsruhe, Beschl. v. 2.8.2018 - 10 K 266/18 -, juris Rn. 34 ff.; Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG/AbwAG, 56. EL Juli 2021, § 78 WHG Rn. 3, 71).
41 
Gleichwohl können sich die Beigeladenen als Nachbarn nicht auf jede objektive Verletzung der hochwasserrechtlichen Vorschriften berufen. Vielmehr können sie sich nur bei einer Verletzung des hochwasserrechtlichen Rücksichtnahmegebots, welches nunmehr eindeutig in § 78 Abs. 5 Satz 2 WHG zum Ausdruck kommt, mit Erfolg gegen die wasserrechtliche Zulassung eines Vorhabens wehren. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die Belange der Nachbarschaft bezogen auf die bisher umstrittene Frage, ob die hochwasserrechtlichen Regelungen drittschützend sind, verdeutlicht werden, dass diese Frage - jedenfalls unter Geltung der Neuregelung - zu bejahen ist. Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, dass insoweit der auch unter Geltung der früheren Fassung bei Annahme einer drittschützenden Wirkung herangezogene Maßstab, nämlich die Prüfung des hochwasserrechtlichen Rücksichtnahmegebots, durch die Neufassung der Vorschrift verändert werden sollte (VG Karlsruhe, Beschl. v. 2.8.2018 - 10 K 266/18 -, juris Rn. 34 ff.). Vielmehr kommt es bei einer Drittanfechtungssituation nach wie vor darauf an, ob das hochwasserrechtliche Rücksichtnahmegebot durch die wasserrechtliche Zulassung eines Bauvorhabens verletzt wird. Dies ist dann der Fall, wenn die angegriffene behördliche Maßnahme zu einer von dem betroffenen Dritten nicht hinnehmbaren Beeinträchtigung führt (vgl. Senatsbeschl. v. 23.9.2014 - 3 S 784/14 -, juris Rn. 42). Dem Betroffenen muss durch den Verstoß gegen die hochwasserrechtlichen Vorschriften ein nicht nur unerheblicher Nachteil drohen bzw. es müsste hierdurch zu einer unzumutbaren Verschärfung der Hochwassergefahren kommen (Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG/AbwAG, 56. EL Juli 2021, § 78 WHG Rn. 4 m.w.N.; Zloch in Berendes/Frenz/Müggenborg, Wasserhaushaltsgesetz, 2. Aufl., § 78 Rn. 50).
42 
bb) Danach hat die Klage der Beigeladenen voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Denn bei summarischer Prüfung ist vorliegend bereits in objektiver Hinsicht kein Verstoß gegen die hochwasserrechtlichen Vorschriften feststellbar, jedenfalls fehlt es aber an einer mehr als geringfügigen Beeinträchtigung der Beigeladenen, so dass ein Verstoß gegen das hochwasserrechtliche Gebot der Rücksichtnahme aller Voraussicht nach zu verneinen sein wird.
43 
(1) Bei der gebotenen summarischen Prüfung ist die wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung rechtmäßig. Die Beschwerde hat die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts insoweit durchgreifend in Zweifel gezogen. Die rechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichts dagegen, dass die Erteilung der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung mit § 78 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b WHG in Einklang steht, greifen nicht (mehr) durch.
44 
(aa) Die Wasser- und Umweltbehörden des Landratsamts und des Regierungspräsidiums Stuttgart haben zu den hochwasserrechtlichen Fragen der Baurechts- und der Widerspruchsbehörde und den Einwendungen der Beigeladenen im Einzelnen Stellung genommen und sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung vorliegen, weil gegen das Bauvorhaben keine hochwasserrechtlichen Bedenken bestehen. Danach ist weder eine nachteilige Veränderung des Hochwasserstands, des Hochwasserabflusses und der Strömungsgeschwindigkeit oder -richtung zu befürchten noch geht Hochwasserrückhalteraum verloren.
45 
Wie das Verwaltungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend ausgeführt hat, kommt den amtlichen Sachverständigenaussagen der Fachbehörde für wasserwirtschaftliche Fragen im Verwaltungsprozess grundsätzlich ein hoher Erkenntniswert zu (Senatsurt. v. 15.12.2015 - 3 S 2158/14 -, juris Rn. 109 m.w.N.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 2.5.2011 - 8 ZB 10.2312 -, BayVBl 2012, 47 und juris Rn. 11). Die Stellungnahmen der Fachbehörden des Landratsamts und des Regierungspräsidiums Stuttgart weisen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts weder erkennbare Mängel auf noch gehen sie von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus. Sie enthalten keine unauflösbaren Widersprüche und es bestehen keine Zweifel an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen. Die Stellungnahmen werden auch durch die von den Beigeladenen erhobenen Einwendungen nicht erschüttert.
46 
Die Bedenken des Verwaltungsgerichts, wonach bei den sachverständigen Äußerungen die Volumenverdrängung und die Behinderung des Wasserabflusses durch geparkte Fahrzeuge und sonstige Gegenstände zu Unrecht unberücksichtigt geblieben seien und durch die Nebenbestimmungen Nrn. 10 und 11 nicht sichergestellt sei, dass die offene Garage von den künftigen Wohnungseigentümern und Mietern im Hochwasserfall nicht doch verschlossen werde, teilt der Senat nicht.
47 
Abgesehen von den von der Antragstellerin aufgezeigten praktischen Schwierigkeiten bei der Bestimmung, welche Volumina bei Kraftfahrzeugen und mobilen Gegenständen bei den gebotenen hydraulischen Berechnungen ggf. angesetzt werden sollten, bestehen auch durchgreifende Zweifel an dem rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts. Denn § 78 WHG bezieht sich nach Wortlaut und gesetzlicher Systematik auf die Errichtung baulicher Anlagen; Regelungsgegenstand sind Baugebiete und einzelne bauliche Anlagen, d.h. Immobilien. Sonstige Schutzvorschriften sind hingegen in § 78a WHG enthalten, insbesondere ist die dauerhafte Lagerung von (mobilen) Gegenständen, die den Wasserabfluss behindern oder fortgeschwemmt werden können, nach § 78a WHG Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WHG untersagt. Es erscheint daher zweifelhaft, dass bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 78 Abs. 5 Satz 1 WHG eine mögliche Beeinflussung des Hochwassers durch Fahrzeuge und andere mobile Gegenstände zu berücksichtigen ist. Fraglich ist auch, ob die mittlerweile aufgehobene Nebenbestimmung Nr. 11 (vgl. jetzt 3.1 und 3.2 der Entscheidung vom 20.1.2022) zur Aufstellung von Warnhinweisen anhand ihrer Eignung zum Ausgleich nachteiliger Veränderungen im Sinne des § 78 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 WHG zu prüfen ist, wie es das Verwaltungsgericht getan hat. Es dürfte sich nach Wortlaut und Sinn und Zweck eher um eine Konkretisierung der allgemeinen hochwasserrechtlichen Verhaltenspflichten im Sinne von § 5 Abs. 2, § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG handeln. Denn der Antragsgegner ist davon ausgegangen, dass bereits keine auszugleichende nachteilige Veränderung des Wasserstands und des Hochwasserabflusses durch das Gebäude eintritt, und hat ersichtlich verhaltensbezogene Pflichten begründet.
48 
Die aufgeworfenen Fragen können aber letztlich dahinstehen. Denn die Bedenken des Verwaltungsgerichts dürften durch die Entscheidung des Landratsamts über die Neufassung der entsprechenden Nebenbestimmungen vom 20.1.2022 ausgeräumt sein. Danach sind parkende Fahrzeuge und sonstige Gegenstände im Hochwasserfall zu entfernen; das Verschließen der Garagenöffnungen ist dauerhaft untersagt. Diese Gebote bzw. Verbote sind von der Genehmigungsinhaberin zeitlich unbegrenzt sicherzustellen und durch entsprechende Schilder im Parkbereich auch künftigen Eigentümern, Mietern und Besuchern bekanntzugeben. Damit dürfte hinreichend sichergestellt sein, dass sich Wasserstand und -abfluss im Hochwasserfall nicht infolge einer zusätzlichen Wasserverdrängung durch Kraftfahrzeuge und andere Gegenstände nachteilig verändern, und dass die Öffnungen der Garage auch im Hochwasserfall nicht verschlossen werden. Der Umstand, dass verhaltensbezogene Gebote und Verbote im Gefahrenfall auch missachtet werden können, kann nicht zur Rechtswidrigkeit der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung führen, die - wie ausgeführt - die Errichtung und Nutzung einer baulichen Anlage, mithin die Frage der Zustandsstörung, betrifft.
49 
(bb) Die sachverständigen Äußerungen der Fachbehörden werden - ebenso wenig wie das von der Antragstellerin vorgelegte Gutachten - durch die Einwendungen der Beigeladenen nicht substantiiert in Frage gestellt, zumal sie diese im Beschwerdeverfahren nicht mehr wiederholt haben.
50 
Den Beigeladenen ist allerdings zuzugeben, dass unterschiedliche Zahlenangaben etwa zu den Höhenlagen, den Grundflächen des Altbestands und des Neubaus und der Volumenverdrängung vorliegen und verschiedene Umstände wie etwa die Auffüllung des Geländes bis zum Erdgeschossfußboden zunächst nicht berücksichtigt worden sind.
51 
Die unterschiedlichen Höhenlagen erklären sich nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragstellerin daraus, dass die Höhenangaben in den Bauvorlagen dem Geoportal Baden-Württemberg entnommen wurden, während die Höhenangaben in dem von ihr vorgelegten Gutachten B. auf einer Neuvermessung des konkreten Geländes durch das Vermessungsbüro W. beruhen.
52 
Maßgeblich ist aber, dass ein Verlust von Retentionsraum im Vergleich zum Altbestand auch bei Zugrundelegung der von den Beigeladenen für richtig gehalten Maßangaben und Höhenlagen nicht zu besorgen ist.
53 
Das Umweltschutzamt des Landratsamts Göppingen hat seinen Berechnungen eine Differenz zwischen Geländeoberfläche und Hochwasserbemessungspegel von 1,2 m zugrunde gelegt (Geländeoberfläche 418,5 m üNN, Hochwasserbemessungspegel 419,70 m üNN). Davon ausgehend hat es eine für die Wasserverdrängung anrechenbare Kubatur des Altbestands von 275,52 m³ errechnet (Grundfläche des Altbestands von 229,6 m² x 1,2 m). Den Retentionsraumverlust durch das Bauvorhaben berechnet es in seiner im Widerspruchsverfahren abgegebenen Stellungnahme vom 4.11.2020 zuletzt mit 170,6 m³. Dabei legt es eine Kubatur des geschlossenen Nebengebäudes im Erdgeschoss von 141,24 m³ zugrunde (Grundfläche Nebengebäude 117,7 m² x 1,2 m) und addiert - entsprechend der Anregung der Beigeladenen - die Wasserverdrängung durch die Zufahrtsrampe (3,4 m³), durch die Außenwände der Garage (14,64 m³) sowie durch eine eventuelle Geländeanhebung für die außenliegenden Stellplätze (2,5 m³). Ein Urgeländeniveau sei hingegen nicht mehr feststellbar. Diese Berechnung ergibt einen erheblichen Volumengewinn von ca. 104,92 m³.
54 
Folgt man der Auffassung der Beigeladenen und des Gutachters der Antragstellerin, dass das ursprüngliche Geländeniveau ca. 0,24 m unter der festgelegten Erdgeschossfußbodenkante von 418,5 m üNN liegt, ist beim Altbau ein Wasserverdrängungsvolumen von ca. 55 m³ (229,6 m² x 0,24 m) und beim Neubau ein Volumen von ca. 69,36 m³ (Gesamtfläche Neubau 289 m² x 0,24 m) hinzuzurechnen. Auch danach ergibt sich ein Volumengewinn (Wasserverdrängung Altbau insgesamt ca. 330,5 m³, Neubau insgesamt ca. 240 m³).
55 
Auch wenn man den Vortrag der Beigeladenen als richtig unterstellt, dass der Altbau allenfalls eine Grundfläche von ca. 200 m² gehabt habe, ergibt sich im Vergleich zum Bauvorhaben kein Verlust von Hochwasserrückhalteraum. Denn danach hätte der Altbestand 288 m³ verdrängt (200 m² x 1,44 m), während der Volumenverlust durch das Bauvorhaben ca. 240 m³ beträgt. Danach wirken sich auch die von den Beigeladenen angenommenen Ungereimtheiten und die zunächst nicht berücksichtigten Baumaßnahmen jedenfalls im Ergebnis nicht nachteilig auf das Hochwasserrückhaltevolumen und den damit korrespondierenden Hochwasserstand aus.
56 
Entsprechendes gilt für die Frage der Versickerung. Zwar hat das Neubauvorhaben eine größere Grundfläche als der Altbestand; es führt daher voraussichtlich zu einer größeren Bodenversiegelung. Die Auswirkungen der Bodenversiegelung im Hochwasserfall sind zwischen den Beteiligten umstritten. Während die Behörden davon ausgehen, dass der Boden im Hochwasserfall gesättigt ist und ohnehin keine Versickerung mehr stattfindet, weisen die Beigeladenen in der Sache zutreffend darauf hin, dass die Bauverbote des § 78 WHG auch die Versickerungsfähigkeit des Bodens erhalten sollen. Da sich das Bauvorhaben allerdings im Wesentlichen auf einer bisher schon versiegelten Grundfläche im Siedlungsbereich befindet, dürfte davon auszugehen sein, dass sich die - ohnehin schon eingeschränkte - Versickerungsfähigkeit des Baugrundstücks nicht in einer Weise verschlechtert, die angesichts des erheblichen Retentionsgewinns durch die Offenhaltung der Garage zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Hochwasserrückhaltung führt.
57 
Der Einwand der Beigeladenen, der Altbestand könne nicht mehr berücksichtigt werden, greift jedenfalls in dem hier vorliegenden Siedlungsbereich nicht durch. Der Altbestand wurde in zeitlichem und räumlichen Zusammenhang mit dem Neubauvorhaben beseitigt; der bisherige Zeitablauf beruht lediglich darauf, dass die Beigeladenen Rechtsmittel eingelegt haben. Könnte der bisherige hochwasserrechtliche Zustand in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet in einer derartigen Konstellation nicht mehr berücksichtigt werden, käme dies einem Bauverbot auf einem bisher bebauten Grundstück gleich. Dies wäre mit dem Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG und der hierdurch geschützten Baufreiheit nicht vereinbar. Auch für den Fall einer durch Hochwasser zerstörten baulichen Anlage wird im Schrifttum überwiegend die Auffassung vertreten, dass es die verfassungsrechtlich geschützten Eigentümerinteressen gebieten, für die Frage einer Beeinträchtigung des Hochwasserschutzes nach § 78 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a - c WHG nicht auf den Zustand ohne die bauliche Anlage, sondern auf den Zustand zur Zeit der beseitigten bisherigen baulichen Anlage abzustellen, wenn der Ersatzbau nach Kubatur und Grundriss weitgehend identisch ist. Führt der Ersatzbau hingegen zu einer Erweiterung gegenüber dem Altbestand, so ist diese an den Anforderungen des § 78 Abs. 5 Satz 1 WHG zu messen (Hornfischer/Reith, VBlBW 2014, 401, 412; Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG/AbwAG, 56. EL Juli 2021, § 78 WHG Rn. 60; Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, 11. Aufl., § 78 Rn. 12). Ähnlich liegt es hier. Der größere Neubau ist zwar an den Anforderungen des § 78 Abs. 5 Satz 1 WHG zu messen; die Frage, ob die Hochwasserrückhaltung beeinträchtigt wird, darf aber durch einen Vergleich mit dem bisherigen Zustand beantwortet werden. Ob Entsprechendes auch gilt, wenn ein zeitlicher und räumlicher Zusammenhang zwischen dem Verlust des Altbestands und dem Neubauvorhaben nicht mehr besteht oder wenn sich ein Grundstück in dem von Bebauung grundsätzlich freizuhaltenden Außenbereich befindet, bedarf hier keiner Entscheidung.
58 
Der Senat hat auch keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, die offene Garage wie einen Rückhalteraum zu behandeln, obgleich Hochwasserrückhalteräume nach der Vorstellung des Wasserhaushaltsgesetzes eher natürliche, d.h. unbebaute und unversiegelte Räume sein dürften. Gleichwohl ist aufgrund der festgesetzten Höhenlage des Erdgeschossfußbodens sichergestellt, dass die Garage im Hochwasserfall geflutet wird und damit - einem Hochwasserrückhalteraum im Sinne des Gesetzes vergleichbar - Wasser aufnimmt, bevor der Hochwasserpegel die Grundstücke der Beigeladenen erreicht. Durch die neugefassten Nebenbestimmungen dürfte zudem hinreichend sichergestellt sein, dass die Garage für die Standzeit des Gebäudes weder durch dauerhafte bauliche Maßnahmen noch durch vorübergehende Maßnahmen im Hochwasserfall verschlossen wird.
59 
Die Bedenken der Beigeladenen im Hinblick auf eine Beeinträchtigung des Strömungsverhaltens und des Hochwasserabflusses erschließen sich dem Senat nicht. Der Annahme, dass sich das Bauvorhaben in einer Senke befindet, die Höhenspiegellagen im Hochwasserfall an allen maßgeblichen Punkten gleich sind und sich daher zunächst weitgehend gleichmäßig die Senke füllen wird, ohne dass eine wesentliche Veränderung des Strömungsverhaltens durch das Bauvorhaben eintritt, sind die Beigeladenen nicht substantiiert entgegengetreten. Weshalb die Verschiebung der hinteren Baugrenze nach Norden die Hochwasserströme beeinflussen sollte, ist nicht nachvollziehbar. Die Beigeladenen scheinen zu befürchten, dass das Hochwasser von der Nord- und der Westwand des Bauvorhabens aufgehalten und ggf. auf ihre Grundstücke gedrängt wird. Da der Riesbach aber im Osten des Überflutungsbereichs liegt, wird das Hochwasser nach den überzeugenden Ausführungen des Gutachtens B. zunächst von Osten kommen und dann - der Straße und dem Geländeverlauf folgend - voraussichtlich aus südlicher, südöstlicher oder südwestlicher Richtung auf das Baugrundstück und die Grundstücke der Beigeladenen fließen. Auch die Beigeladenen haben jedenfalls nicht dargetan, dass das Hochwasser aus nördlicher Richtung kommen könnte und das Bauvorhaben deshalb die Strömungsgeschwindigkeit oder die Strömungsrichtung zu ihrem Nachteil verändern könnte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Bauvorhaben, das ungefähr am tiefsten Punkt der Senke liegen dürfte, den Hochwasserabfluss beeinträchtigt. Soweit die Beigeladenen darauf hinweisen, dass in dem hier maßgeblichen Überschwemmungsgebiet der verdolte Griesbach verläuft, haben sie eine nachteilige Veränderung der Hochwasserströme und des Hochwasserabflusses ebenfalls nicht substantiiert dargelegt.
60 
cc) Auch die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 78 Abs. 5 Satz 1 WHG dürften gegeben sein. Durch die Nebenbestimmungen ist sichergestellt, dass der geschlossene Nebenraum zur Garage im Erdgeschoss hochwassersicher ausgebildet wird (vgl. § 78 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c) WHG) und dass das Hochwasser im Parkbereich und im Umgebungsgelände vollständig abläuft. Dass bestehende Hochwasserschutzmaßnahmen beeinträchtigt werden (§ 78 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c) WHG), zeigen die Beigeladenen nicht auf. Soweit sie auf die Versiegelung bisheriger öffentlicher Grünflächen verweisen, hat der Antragsgegner vorgetragen, dass der Spielplatz von der Gemeinde als Sandfläche, d.h. grundsätzlich versickerungsfähig, ausgebildet werden soll. Es besteht kein Anlass, hieran zu zweifeln.
61 
dd) Auch das Erhaltungsgebot des § 77 WHG steht der Erteilung der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung nicht entgegen. Danach sind Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 in ihrer Funktion als Rückhalteflächen zu erhalten (§ 77 Abs. 1 Satz 1 WHG). Frühere Überschwemmungsgebiete, die als Rückhalteflächen geeignet sind, sollen so weit wie möglich wiederhergestellt werden, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dem nicht entgegenstehen (§ 77 Abs. 2 WHG).
62 
Die Regelung des § 77 WHG ist grundsätzlich nicht drittschützend, so dass die Berufung auf das Erhaltungsgebot der Klage der Beigeladenen nicht zum Erfolg zu verhelfen vermag. Durch einen etwaigen Verstoß gegen § 77 WHG würden die Beigeladenen allenfalls dann in ihren Rechten verletzt, wenn zugleich gegen das wasserrechtliche Rücksichtnahmeverbot verstoßen würde (Senatsbeschl. v. 23.9.2014 - 3 S 784/14 -, juris Rn. 40 ff.).
63 
Ungeachtet dessen dürfte die Regelung aber auch tatbestandlich nicht eingreifen. Zum einen hatte der vorliegende Überschwemmungsbereich voraussichtlich keine Funktion als Rückhalteraum im Sinne dieser Vorschrift mehr, weil er vollständig bebaut war. Als Rückhalteflächen in Sinne des § 77 WHG sind alle Räume eines Überschwemmungsgebiets zu bezeichnen, die bei Überschwemmungen aufgrund ihrer topographischen Beschaffenheit Wasser zurückhalten, sammeln oder schadlos abfließen lassen können, unabhängig davon, ob sie durch die natürliche Geländetopographie oder durch bauliche oder sonstige Maßnahmen entstanden sind. Sie sollen dem Hochwasser den nötigen Raum zur Ausbreitung geben, so dass bebaute Flächen von Hochwasser verschont werden. Konkret sind es regelmäßig die tiefer liegenden und deshalb überschwemmbaren Grundstücke, sofern sie frei von Bebauung sind. Daher greift die Regelung des § 77 WHG regelmäßig nicht im unbeplanten Innenbereich, da die definitionsimmanente Bebauung regelmäßig der Eignung als Rückhaltefläche entgegensteht; Rückhalteflächen im Innenbereich sind daher nur in Ausnahmefällen denkbar (vgl. zum Ganzen Hünnekens in Landmann/Rohmer Umweltrecht, 97. EL Dezember 2021, § 77 WHG Rn. 5; Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG/AbwAG, 56. EL Juli 2021, § 77 WHG Rn. 10 m.w.N.; Schmitt in BeckOK Umweltrecht, 62. Ed. 1.10.2020, WHG § 77 Rn. 7).
64 
Da sich der hier maßgebliche Überschwemmungsbereich im unbeplanten Innenbereich befindet und auch bisher schon bebaut war, hatte er keine Funktion als Rückhaltefläche im Sinne des Gesetzes mehr. Er wird zwar bei einem HQ 100 Hochwasser überflutet und gehört damit begrifflich zu den Überschwemmungsgebieten i. S. d. § 76 Abs. 1 WHG. Ihm kommt jedoch gerade nicht die Funktion einer natürlichen Rückhaltefläche zu, auf der sich Hochwasser zum Schutz bebauter Gebiete ungehindert ausbreiten können soll. Es handelt sich vielmehr um ein Gebiet, das zum Schutz von Leib, Leben und Eigentum seiner Bewohner gerade vor Hochwasser geschützt werden muss (vgl. VG Hannover, Beschl. v. 10.1.2012 - 4 B 5078/11 -, juris Rn. 46). Unerheblich ist, ob er zu einem früheren Zeitpunkt diese Funktion hatte. Denn systematisch sind Rückhalteflächen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 WHG nur in dieser Funktion noch bestehende Räume; frühere, mittlerweile funktionslos gewordene Rückhalteflächen sind nach dem Maßstab der Wiederherstellungspflicht nach Absatz 2 zu beurteilen.
65 
Hinzu kommt, dass bei festgesetzten Überschwemmungsgebieten die Regelung des § 78 WHG lex specialis ist. Ob die Vorschrift des § 77 WHG neben einem Planungsleitsatz auch als projektbezogene Zulässigkeitsregelung fungiert, ob sie also der Verwirklichung eines baulichen Einzelvorhabens entgegensteht, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten (zum Meinungsstand Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG/AbwAG, 56. EL Juli 2021, § 77 WHG Rn. 10 m.w.N), bedarf hier aber keiner Entscheidung. Die Bedeutung der Vorschrift des § 77 WHG liegt darin, dass sie alle - also auch faktische - Überschwemmungsgebiete nach § 76 WHG betrifft. Im Fall eines konkret festgesetzten Überschwemmungsgebiets begründet hingegen bereits § 78 Abs. 4 WHG ein Bauverbot, von dem nur unter den im einzelnen genannten Voraussetzungen des § 78 Abs. 5 Satz 1 WHG eine Ausnahme genehmigt werden kann. Die detaillierten Bestimmungen des § 78 Abs. 4 und 5 WHG schließen einen Rückgriff auf das allgemeine Erhaltungsgebot des § 77 WHG aus, weil dies zu einer Umgehung der gesetzlichen Ausnahmetatbestände führen würde.
66 
(ee) Schließlich sind auch Ermessensfehler nicht ersichtlich. Es spricht vieles dafür, dass die wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung wegen der betroffenen Eigentümerinteressen im Sinne eines sog. intendierten Ermessens zu erteilen ist, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen (so die wohl überwiegende Ansicht im Schrifttum, vgl. etwa Queitsch in Wellmann/Queitsch/Fröhlich, Wasserhaushaltsgesetz, 2. Aufl., § 78 Rn. 4; Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG/AbwAG, 56. EL Juli 2021, § 78 WHG Rn. 57 m.w.N.; Zloch in Berendes/Frenz/Müggenborg, Wasserhaushaltsgesetz, 2. Aufl., § 78 Rn. 30 ff.; jeweils m.w.N.). Dies bedarf hier aber keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls ist vorliegend nicht ersichtlich, dass der Erteilung der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung weitere abwägungserhebliche Belange entgegenstehen, denen mit der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen noch nicht Rechnung getragen ist. Denn nach derzeitigem Sach- und Streitstand werden die Hochwassergefahren durch das Bauvorhaben aller Voraussicht nach nicht in unzumutbarer Weise zu Lasten der Beigeladenen oder zu Lasten des Gemeinwohls verschärft.
67 
(2) Stehen die Interessen der Beigeladenen und das öffentliche Interesse an einem wirksamen Hochwasserschutz der Erteilung der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung nach alledem nicht entgegen, überwiegt das Interesse der Antragstellerin, von dieser Genehmigung alsbald Gebrauch machen zu dürfen.
68 
Allerdings hat der Gesetzgeber - anders als bei der Erteilung einer Baugenehmigung nach § 212a BauGB - nicht angeordnet, dass die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 78 Abs. 5 WHG kraft Gesetzes entfällt. Gleichwohl ist auch im Rahmen des § 78 Abs. 5 WHG zu berücksichtigen, dass der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts nach Art. 14 Abs. 1 GG betroffen ist. Denn § 78 Abs. 4 WHG normiert ein Bauverbot für Einzelvorhaben in festgesetzten Überschwemmungsgebieten, von dem nur unter den Voraussetzungen des Absatz 5 abgewichen werden kann. Es handelt sich bei § 78 Abs. 4 und 5 WHG mithin um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, die dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt. Das Wohl der Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Belastungen. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Der Kernbereich der Eigentumsgarantie darf dabei nicht ausgehöhlt werden. Zu diesem gehört sowohl die Privatnützigkeit als auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand (vgl. zur Bauleitplanung BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss v. 19.12.2002 - 1 BvR 1402/01 -, juris Rn. 13). Die vorläufige Aufrechterhaltung des gesetzlichen Bauverbots begegnet daher nur dann keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn hochwasserbedingte Gefahren für Leben und Gesundheit, Eigentum oder erhebliche Sachwerte nicht auszuschließen sind. Stehen aber hochwasserrechtliche Bedenken einem Bauvorhaben im konkreten Fall nicht entgegen, erfordern mithin weder das Wohl der Allgemeinheit noch schützenswerte Belange der Nachbarschaft die einstweilige Aufrechterhaltung des Bauverbots, kommt der grundrechtlich garantierten Baufreiheit, der letztlich auch die Erteilung der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung nach § 78 Abs. 5 WHG dient, ein höheres Gewicht als dem öffentlichen und privaten Aufschubinteresse zu.
69 
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
70 
Für die Kostentragungspflicht der Hauptbeteiligten knüpft § 154 Abs. 1 VwGO allein an die Tatsache des (materiellen) Unterliegens an. Unerheblich ist, ob sie einen Antrag gestellt haben. Das gilt namentlich für den Antragsgegner. Er kann einer drohenden Kostenlast nicht dadurch entgehen, dass er von einem Abweisungsantrag absieht (Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, NK-VwGO, 5. Aufl. 2018, § 154 Rn. 26).
71 
Die Kosten des Verfahrens fallen auch nicht nach § 156 VwGO der Antragstellerin zur Last. Hat der Beklagte durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben, so fallen dem Kläger gemäß § 156 VwGO die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt. Die Anwendbarkeit dieser Regelung im Eilverfahren unterstellt (bejahend Olbertz in Schoch/Schneider, VwGO, 42. EL Februar 2022, VwGO, § 156 Rn. 22 m.w.N.), wäre dafür Voraussetzung, dass das Anerkenntnis wirksam ist und der Antragsgegner durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Stellung des Antrags gegeben sowie den Anspruch sofort anerkannt hat. Dies ist jedoch nicht der Fall.
72 
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, bestehen Bedenken gegen die Zulässigkeit eines Anerkenntnisses in der vorliegenden Konstellation eines dreipoligen Rechtsverhältnisses, weil dies zu einer Rechtsschutzverkürzung zu Lasten der Beigeladenen führen würde. Ungeachtet dessen ist Voraussetzung für ein wirksames Anerkenntnis, dass der Streitgegenstand der Disposition der Beteiligten unterliegt (Olbertz in Schoch/Schneider, VwGO, 42. EL Februar 2022, § 156 Rn. 5). § 80 a Abs. 3 2. Alternative VwGO ermächtigt das Gericht zur Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts. Die Entscheidungsbefugnis darüber, ob die sofortige Vollziehung nach Abwägung aller gegenläufigen Interessen gerichtlich angeordnet wird, steht mithin dem Gericht und nicht der Verwaltungsbehörde zu; eine Dispositionsbefugnis dergestalt, dass das Gericht aufgrund eines Anerkenntnisses zur gerichtlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung gleichsam gezwungen werden kann, besteht mithin nicht.
73 
Darüber hinaus hat der Antragsgegner durchaus Veranlassung zur Stellung des Antrags gegeben, weil das Landratsamt die sofortige Vollziehung der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung nicht gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO von Amts wegen behördlich angeordnet hat. Der Umstand, dass die Antragstellerin soweit ersichtlich keinen entsprechenden Antrag bei der Behörde gestellt hat, ist eine Frage des Rechtsschutzbedürfnisses, das - wie oben ausgeführt - vorliegend nicht verneint werden kann.
74 
Es entspricht allerdings nicht der Billigkeit, dem Antragsgegner auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese keinen Antrag gestellt haben und damit kein Kostenrisiko eingegangen sind (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
75 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG und folgt dem von den Beteiligten nicht beanstandeten Kostenansatz des Verwaltungsgerichts.
76 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen