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| Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO). |
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| I. Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim Verwaltungsgericht eingelegt (vgl. § 124 a Abs. 2 VwGO). Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO). |
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| II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Verpflichtungsklage zulässig, jedoch unbegründet ist. |
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| 1. Die Klage ist zulässig. |
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| Als Bewerber kann der Kläger die Gültigkeit der Gemeinderatswahl der Beigeladenen im Wege der Wahlanfechtung (§ 31 KomWG) zur Prüfung stellen. Die Wahlanfechtung lässt sich nur auf solche Gründe stützen, die in der abschließenden Regelung des § 32 Abs. 1 KomWG aufgeführt sind (vgl. Senat, Urt. v. 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris Rn. 24). Der Kläger beruft sich auf den gesetzlichen Wahlanfechtungsgrund, dass wesentliche Vorschriften über die Wahlhandlung sowie die Ermittlung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG), weil nach seinem Vorbringen die Vorschriften über die Stimmabgabe bei der Verhältniswahl nach § 26 Abs. 2 Satz 3 und 4 GemO, § 19 Abs. 2 KomWG sowie die Bestimmungen über die sich an die Stimmabgabe anschließende Verteilung der Sitze zunächst auf die einzelnen Wahlvorschläge nach dem Verhältnis der ihnen zufallenden Gesamtstimmenzahl gemäß § 25 Abs. 1 KomWG (Oberverteilung) und erst dann auf die in den Wahlvorschlägen aufgeführten einzelnen Bewerber gemäß § 26 Abs. 1 KomWG (Unterverteilung) verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügten. |
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| 2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Einspruchsbescheid des Landratsamts Enzkreis vom 28.06.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten, die Gemeinderatswahl der Beigeladenen vom 26.05.2019 für ungültig zu erklären (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). |
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| Weder die Vorschriften über die Stimmabgabe bei der Verhältniswahl nach § 26 Abs. 2 Satz 3 und 4 GemO, § 19 Abs. 2 KomWG noch die Bestimmungen über die sich an die Stimmabgabe anschließende Verteilung der Sitze zunächst auf die einzelnen Wahlvorschläge nach dem Verhältnis der ihnen zufallenden Gesamtstimmenzahl gemäß § 25 Abs. 1 KomWG (Oberverteilung) und erst dann auf die in den Wahlvorschlägen aufgeführten einzelnen Bewerber gemäß § 26 Abs. 1 KomWG (Unterverteilung) verstoßen gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl oder den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien, Wählervereinigungen und sonstigen Kandidaten. |
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| a) Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, nach dem das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben muss, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist, können die Länder bei der Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts sowohl ein reines Mehrheitswahlrecht, ein reines Verhältniswahlrecht oder eine Kombination beider Systeme einführen (vgl. BVerfG, Urt. v. 23.01.1957 - 2 BvF 3/56 -, juris Rn. 30). Der Landesgesetzgeber ist durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG insbesondere nicht gehalten, das Verhältniswahlrecht rein oder nur in abgewandelter Form einzuführen (vgl. StGH Bad.-Württ., Urt. v. 14.07.1979 - GR 4/78 -, ESVGH 29, 160, 163). |
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| Nach Art. 72 Abs. 2 Satz 1 LV ist landesverfassungsrechtlich vorgeschrieben, dass die Wahl in der Gemeinde bei Einreichung von mehr als einer gültigen Wahlvorschlagsliste unter Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältniswahl zu erfolgen hat. Mit der aktuellen Fassung ist die für die Gemeinderatswahlen einschlägige verfassungsrechtliche Vorgabe im Vergleich zu einer früheren Entwurfsfassung, die „nach den Grundsätzen der Verhältniswahl“ lautete, und im Vergleich zu Art. 28 Abs. 1 LV, der für die Landtagswahlen ein Verfahren vorschreibt, das „die Persönlichkeitswahl mit den Grundsätzen der Verhältniswahl verbindet“, schon ihrem Wortlaut nach die schwächere. Mit der Vorgabe des Art. 72 Abs. 2 Satz 1 LV, dass die Wahl unter Berücksichtigung der Grund- sätze der Verhältniswahl zu erfolgen hat, sind die landesverfassungsrechtlichen Anforderungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Gemeinderatswahlen als Verhältniswahl damit zurückgenommen und zugunsten anderer Wahlziele offener (vgl. StGH Bad.-Württ., Urt. v. 14.07.1979 - GR 4/78 -, ESVGH 29, 160, 162; Senat, Urt. v. 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris Rn. 27). |
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| Bei jeder Gestaltung des Wahlrechts ist der Gesetzgeber an den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit sowie die weiteren Wahlrechtsgrundsätze gebunden (vgl. BVerfG, Urt. v. 23.01.1957 - 2 BvF 3/56 -, juris Rn. 30). Der Gesetzgeber ist vor dem Hintergrund der Wahlrechtsgleichheit verpflichtet, das ausgewählte Wahlsystem ungeachtet verschiedener Ausgestaltungsmöglichkeiten in seinen Grundelementen folgerichtig zu gestalten und keine strukturwidrigen Elemente einzuführen. Er ist bei der Gestaltung des Wahlrechts gehalten, die Gleichheit der Wahl innerhalb des jeweiligen Wahlsystems zu wahren. Er muss, wenn er sich für ein Wahlsystem entschieden hat, die im Rahmen des jeweiligen Systems geltenden Maßstäbe der Wahlgleichheit beachten (vgl. BVerfG, Urt. v. 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 100 bis 101). |
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| Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl hat unter dem Grundgesetz und unter der Landesverfassung die gleiche Bedeutung und den gleichen Inhalt (vgl. BVerfG, Urt. v. 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 95). Er sichert die vom Demokratieprinzip vorausgesetzte Egalität der Bürger und ist eine der wesentlichen Grundlagen der Staatsordnung. Er gebietet, dass alle Wahlberechtigten das aktive und passive Wahlrecht möglichst in formal gleicher Weise ausüben können, und ist im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit zu verstehen. Aus dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit folgt für das Wahlgesetz, dass die Stimme eines jeden Wahlberechtigten grundsätzlich den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben muss. Alle Wähler sollen mit der Stimme, die sie abgeben, den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben. Bei der Verhältniswahl verlangt der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit darüber hinaus, dass jeder Wähler mit seiner Stimme auch den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung der zu wählenden Vertretung haben muss. Ziel des Verhältniswahlsystems ist es, dass alle Parteien in einem möglichst den Stimmenzahlen angenäherten Verhältnis in dem zu wählenden Organ vertreten sind. Zur Zählwert- und Erfolgschancengleichheit tritt im Verhältniswahlrecht die Erfolgswertgleichheit hinzu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.09.2017 - 2 BvC 46/14 -, juris Rn. 59 m. w. N.). Die Verhältniswahl in strikter Ausprägung macht das gewählte Vertretungsorgan zum getreuen Spiegelbild der parteipolitischen - beziehungsweise auf kommunaler Ebene auch der sonstigen - Gruppierung der Wählerschaft, in dem jede politische Richtung in der Stärke vertreten ist, die dem Gesamtanteil der für sie abgegebenen Stimmen entspricht (vgl. BVerfG, Urt. v. 10.04.1997 - 2 BvF 1/95 -, juris Rn. 63 m. w. N.). |
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| Der auf Landesebene aus Art. 26 Abs. 4, Art. 27 Abs. 3 LV i.V.m. Art. 21 Abs. 1 GG abzuleitende Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien verlangt, dass jeder Partei grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im gesamten Wahlverfahren und damit gleiche Chancen bei der Verteilung der Sitze eingeräumt werden. Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit hängt eng mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen. Deshalb muss in diesem Bereich - ebenso wie bei der durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbürgten gleichen Behandlung der Wähler - Gleichheit in einem strikten und formalen Sinn verstanden werden. Wenn die öffentliche Gewalt in den Parteienwettbewerb in einer Weise eingreift, die die Chancen der politischen Parteien verändern kann, sind ihrem Ermessen daher besonders enge Grenzen gezogen (vgl. VerfGH Bad.-Württ-, Urt. v. 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 46 m. w. N). |
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| Der Grundsatz der Chancengleichheit findet auch für andere Gruppen oder Kandidierende, die mit den politischen Parteien in den Wettbewerb um Wählerstimmen treten, gleichermaßen Anwendung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.04.2008 - 2 BvL 4/05 -, juris Rn. 49). Er gilt im gesamten Wahlverfahren, also nicht nur für den Wahlvorgang selbst, sondern auch für die Wahlvorbereitung und die Wahlwerbung (vgl. VerfGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 47 m. w. N.). |
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| Weder der Grundsatz der Wahlgleichheit noch der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und sonstigen Wahlbewerber unterliegt jedoch einem absoluten Differenzierungsverbot. Allerdings folgt aus dem formalen Charakter des Grundsatzes der Wahlgleichheit, dass dem Gesetzgeber bei der Ordnung des Wahlrechts nur ein eng bemessener Spielraum für Differenzierungen bleibt. |
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| Differenzierungen bedürfen zu ihrer Rechtfertigung stets eines besonderen, sachlich legitimierten, zwingenden Grundes. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich die Differenzierung von Verfassungs wegen als zwangsläufig oder notwendig darstellen muss, wie dies etwa in Fällen der Kollision des Grundsatzes der Wahlgleichheit mit den übrigen Wahlrechtsgrundsätzen oder den Grundrechten der Fall sein kann. Differenzierungen im Wahlrecht können auch durch Gründe gerechtfertigt werden, die durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das der Wahlgleichheit die Waage halten kann. Hierzu zählt insbesondere die Verwirklichung der mit der Wahl verfolgten Ziele. Dazu gehören die Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes und die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung. Der Gesetzgeber hat bei der Festlegung und konkreten Ausgestaltung des Wahlsystems den verschiedenen auf die Ziele der Wahl bezogenen verfassungsrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen und die gegebenenfalls kollidierenden Ziele in Ausgleich zu bringen (vgl. VerfGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 49 und 50). |
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| Differenzierende Regelungen müssen danach zur Verfolgung ihrer Zwecke geeignet und erforderlich sein. Ihr erlaubtes Ausmaß richtet sich auch danach, mit welcher Intensität in das - gleiche - Wahlrecht eingegriffen wird. Ebenso können gefestigte Rechtsüberzeugung und Rechtspraxis Beachtung finden. Der Gesetzgeber muss sich bei seiner Einschätzung und Bewertung nicht an abstrakt konstruierten Fallgestaltungen, sondern an der politischen Wirklichkeit orientieren. Gegen die Grundsätze der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien wird verstoßen, wenn der Gesetzgeber mit der Regelung ein Ziel verfolgt hat, das er bei der Ausgestaltung des Wahlrechts nicht verfolgen darf, oder wenn die Regelung nicht geeignet und erforderlich ist, um die mit der jeweiligen Wahl verfolgten Ziele zu erreichen (vgl. BVerfG, Urt. v. 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 110). |
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| b) Vor dem Hintergrund dieser Maßgaben ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass weder die Vorschriften über die Stimmabgabe bei der Verhältniswahl nach § 26 Abs. 2 Satz 3 und 4 GemO, § 19 Abs. 2 KomWG noch die Bestimmungen über die sich an die Stimmabgabe anschließende Verteilung der Sitze zunächst auf die einzelnen Wahlvorschläge nach dem Verhält-nis der ihnen zufallenden Gesamtstimmenzahl gemäß § 25 Abs. 1 KomWG (Oberverteilung) und erst dann auf die in den Wahlvorschlägen aufgeführten einzelnen Bewerber gemäß § 26 Abs. 1 KomWG (Unterverteilung) gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl und den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien, Wählervereinigungen und sonstigen Kandidaten verstoßen. |
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| Vielmehr ist die vom Kläger gerügte Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen und die daraus für Einzelbewerber und unvollständige Wahlvorschläge folgende geringere Chance, einen Sitz im Gemeinderat zu erringen, in der Kombination der Verhältniswahl mit Elementen der Personenwahl im baden-württembergischen Wahlsystem angelegt und verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn Art. 72 Abs. 2 LV legt in den Grenzen des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG - wie schon zuvor ausgeführt - nicht ein strenges Verhältniswahlsystem in der Gestalt gebundener Wahlvorschläge fest, sondern bringt durch die Formulierung „unter Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältniswahl“ zum Ausdruck, dass das System der sogenannten freien Liste mit der Möglichkeit der beschränkten Stimmenhäufung und der Übernahme von Bewerbern anderer Wahlvorschläge (Kumulieren und Panaschieren) für die Gemeinderatswahlen Anwendung finden kann (vgl. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, 4. Aufl., § 26 Rn. 4). Dem entsprechen auch die historischen Ausführungen des Verwaltungsgerichts, nach denen die landesverfassungsrechtlichen Vorgaben an die Ausgestaltung der Wahl als Verhältniswahl abgeschwächt wurden, um das vormals schon vorhandene Personenwahlelement in das Verhältniswahlrecht integrieren zu können (vgl. VG Karlsruhe Urt. v. 18.02.2021 - 9 K 5003/19 -, juris Rn. 57). |
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| c) Demgemäß gehen § 26 Abs. 2 GemO, § 19 Abs. 2, § 25 Abs. 1 und § 26 Abs. 1 KomWG in Übereinstimmung mit Art. 72 Abs. 2 Satz 1 LV erst einmal von einer Verhältniswahl aus. Danach werden die im Gemeinderat zu besetzenden Sitze gemäß § 25 Abs. 1 KomWG zunächst auf die einzelnen Wahlvorschläge verteilt. Dies geschieht in der Weise, dass die gleiche Anzahl von Stimmen, die einer Wählervereinigung zu einem Sitz verhilft, auch bei allen anderen Wählervereinigungen zu einem solchen Sitz ausreicht. Die Bewerber des gleichen Wahlvorschlags bilden also einen Stimmübertragungsverband. Es werden zunächst nicht die Stimmzahlen der einzelnen Bewerber betrachtet, sondern die Gesamtstimmzahlen der Wahlvorschläge verglichen. Hierbei werden auch die Stimmen, die durch Kumulation von bis zu drei Stimmen auf einen Bewerber sowie durch Übernahme von Bewerbern aus anderen Wahlvorschlägen gemäß § 26 Abs. 2 Satz 4 GemO gewonnen werden, dem jeweiligen Wahlvorschlag des jeweiligen Bewerbers zugerechnet. Denn die Verteilung der Sitze im Gemeinderat soll möglichst genau dem Verhältnis der auf die Wahlvorschläge entfallenden Stimmen und damit dem Stärkeverhältnis der an der Wahl beteiligten Wählervereinigungen entsprechen. Erst bei der anschließenden Verteilung der auf die einzelnen Wahlvorschläge entfallenen Sitze auf die Bewerber gemäß § 26 Abs. 1 KomWG entscheidet die Stimmenanzahl der einzelnen Bewerber (vgl. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, 4. Aufl., § 26 Rn. 2). Damit der Wahlberechtigte auf dieser zweiten Stufe der Wahl seine personellen Präferenzen für den Gemeinderat „sitzgenau“ in den Wahlprozess einbringen kann, ist es erforderlich, dass jeder Wahlberechtigte gemäß § 26 Abs. 2 Satz 4 GemO kumulieren und panaschieren kann sowie gemäß § 26 Abs. 2 Satz 3 GemO so viele Stimmen hat, wie Gemeinderäte zu wählen sind. |
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| Hieran zeigt sich, dass die Wahl im ersten Schritt der Oberverteilung gemäß § 25 Abs. 1 KomWG eine Verhältniswahl ist und erst im Rahmen der Unterverteilung nach § 26 Abs. 1 KomWG das Personenwahlelement zum Tragen kommt. |
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| d) Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, dass es sich in diesem System auch auswirkt, ob die Wählervereinigung einen vollständigen oder nur einen unvollständigen Wahlvorschlag eingereicht hat. Denn eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Wahlvorschlägen anhand ihrer Besetzung trägt - wie es das Verwaltungsgericht schon ausgeführt hat - dem Umstand Rechnung, dass eine Partei oder Wählervereinigung, für deren Wahlvorschlag sich eine größere Anzahl Bewerber hat aufstellen lassen, eine höhere Aggregation des Wählerwillens in der Gemeinde in sich trägt und damit die Integrationsfunktion des Wahlprozesses bereits zu einem gewissen Teil vor dem eigentlichen Wahlvorgang geleistet hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 02.03.1977 - 2 BvE 1/76 -, juris Rn. 59; VerfG Brandenburg, Urt. v. 23.10.2020 - 9/19 -, juris Rn. 140). Der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und sonstiger Wahlbewerber steht dem nicht entgegen. Denn er verlangt nicht, dass der Gesetzgeber vorhandene Unterschiede zwischen diesen beseitigt, sondern ihnen lediglich die gleichen Möglichkeiten im Wahlprozess einräumt (vgl. VerfGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 47 m. w. N.). Daher kann der Kläger - wie es das Verwaltungsgericht schon zu Recht festgehalten hat - nicht verlangen, dass mehr als drei Stimmen oder sogar alle zu vergebenden Stimmen einem Bewerber gegeben werden können. Denn der Gesetzgeber hat sich zulässigerweise dafür entschieden, die Oberverteilung der Sitze nach den Grundsätzen der Verhältniswahl vorzunehmen. Der Gesetzgeber war dabei auch nicht gehalten, die sich aus der unterschiedlichen Zahl von Bewerbern auf den einzelnen Wahllisten ergebende Unterschiede zu nivellieren. |
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| e) Unabhängig hiervon würde eine weitergehende Kumulierungsmöglichkeit das personale Element innerhalb des Kommunalwahlrechts weiter verstärken, obwohl es schon jetzt als sehr weitgehend angesehen wird und die Gefahr in sich trägt, dass Wahlvorschläge in ihrer Gesamtheit viele Stimmen und Mandate aufgrund einzelner beliebter Persönlichkeiten erhalten, und die so errungenen Mandate bei unvollständigen Wahlvorschlägen unter Umständen nicht besetzt werden könnten (vgl. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, 4. Aufl., § 26 Rn. 4). Der Erfolg eines Wahlvorschlags muss im System der Verhältniswahl, von dem auch das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg mit Blick auf Art. 72 Abs. 2 Satz 1 LV ausgeht, somit nicht von einzelnen Persönlichkeiten, sondern dem Stärkeverhältnis der an der Wahl beteiligten Wählervereinigungen abhängen. Denn nur dann kann der Gemeinderat die parteipolitischen - beziehungsweise auf kommunaler Ebene auch der sonstigen - Gruppierungen der Wählerschaft abbilden. Dabei ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, dass auf einen Wahlvorschlag mit mehreren Bewerbern auch mehr Stimmen entfallen können. |
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| f) Mit der Möglichkeit, weitere Bewerber für den eigenen Wahlvorschlag zu gewinnen oder einem anderen Wahlvorschlag als Bewerber beizutreten, besteht - anders als der Kläger annimmt - auch nicht die Gefahr, dass Personen mit entgegengesetzten politischen Anschauungen nur deswegen einen gemeinsamen Wahlvorschlag einreichen, um möglichst viele Mandate zu erringen. Denn die Wahlbewerber könnten es dann, gerade aufgrund der Möglichkeiten für den Wähler zu kumulieren und zu panaschieren, nicht verhindern, dass der politische Gegner mit Unterstützung der eigenen Stimmen in den Gemeinderat einzöge. Daher kann davon ausgegangen werden, dass Personen nur dann einen gemeinsamen Wahlvorschlag einreichen, wenn sie auch politisch gleichgerichtete Interessen vertreten. In diesem Fall läge auch keine Umgehung der Kumulierungsregelung vor. |
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| g) Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht im Hinblick auf den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit zu Recht ausgeführt, dass die Erfolgswertgleichheit der Stimmen auch im bestehenden System gewahrt ist, weil sich die abgegebenen Stimmen eines Wahlberechtigten in gleicher Weise wie die Stimmen aller anderen Wahlberechtigten auf die Zusammensetzung des Gemeinderats auswirken. Der Wähler ist in diesem System der personalisierten Verhältniswahl lediglich daran gehindert, die Gesamtzahl der ihm zustehenden Stimmen an einen Wahlvorschlag zu vergeben, der nicht über die notwendige Anzahl an Bewerbern verfügt, die zur Besetzung wenigstens eines Drittels des Gemeinderats erforderlich sind. Dies ist jedoch zum einen keine Frage der Erfolgswertgleichheit der abgegebenen Stimmen und zum anderen - wie schon zuvor ausgeführt - dadurch systemimmanent gerechtfertigt, dass die Anzahl der Bewerber auf einem Wahlvorschlag auch dessen Stärke mitbestimmt. |
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| h) Soweit der Kläger vorträgt, dass es auch bei vollständigen Wahlvorschlägen geschehen könne, dass ein Wahlvorschlag ein Mandat erhalte und der in den Gemeinderat einziehende Bewerber dieses Wahlvorschlags weniger Stimmen bekommen habe, als ein Bewerber eines anderen Wahlvorschlags, auf den kein Mandat entfallen sei, führt dies nicht weiter. Der Kläger verkennt, dass es sich auf der ersten Stufe der Wahl - wie zuvor ausgeführt - um eine Verhältniswahl handelt. Es kommt somit auf dieser Stufe nicht darauf an, wie viele Stimmen den einzelnen Wahlbewerbern zukommen, sondern darauf, wie viele Stimmen auf den jeweiligen Wahlvorschlag entfallen. Erst bei der anschließenden Verteilung der auf die einzelnen Wahlvorschläge entfallenen Sitze auf die Bewerber gemäß § 26 Abs. 1 KomWG entscheidet die Stimmenanzahl der einzelnen Bewerber. Dies ist auch sachgerecht, weil das Kommunalwahlrecht Baden-Württembergs mit Blick auf Art. 72 Abs. 2 Satz 1 LV von einem Verhältniswahlsystem ausgeht. Der Erfolg eines Wahlvorschlags muss in einem System, das von der Verhältniswahl ausgeht, nicht von einzelnen Persönlichkeiten, sondern dem Stärkeverhältnis der an der Wahl beteiligten Wählervereinigungen und deren Wahlvorschlägen abhängen. Denn nur dann kann der Gemeinderat die parteipolitischen - beziehungsweise auf kommunaler Ebene auch der sonstigen - Gruppierungen der Wählerschaft abbilden. Dabei ist es - wie ebenfalls zuvor ausgeführt - verfassungsrechtlich unbedenklich, dass auf einen Wahlvorschlag mit mehreren Bewerbern auch mehr Stimmen entfallen können als auf einen Wahlvorschlag mit weniger Bewerbern. |
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| i) Ob der Kläger bei einer Mehrheitswahl gemäß § 26 Abs. 3 GemO und § 27 KomWG in den Gemeinderat eingezogen wäre, kann dahinstehen, weil bei der Einreichung mehrerer gültiger Wahlvorschläge keine Mehrheitswahl durchgeführt wird, und das Wahlverhalten der Wähler bei einer Mehrheitswahl nicht einfach aus dem Wahlverhalten bei einer Wahl nach § 26 Abs. 2 GemO abgeleitet werden kann. |
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| j) Mit dem Vortrag, dass das gegebene Wahlsystem kleinere Wählervereinigungen gegenüber größeren Wählervereinigungen begünstigen würde, kann der Kläger ebenfalls nicht durchdringen. Denn da der Gesetzgeber bei verschiedenen in Betracht kommenden Verteilungssystemen eine Wahl zwischen diesen hat, sind die mit dem gewählten Verteilungssystem nach Sainte-Laguë/Schepers verbundenen systembedingten Differenzierungen im Erfolgswert grundsätzlich hinzunehmen. Solche systembedingten Differenzierungen entstehen nicht nur für die Listen, deren errungene Stimmen für die Berücksichtigung bei der Sitzverteilung nicht ausreichen, sondern führen auch zu einem unterschiedlichen Erfolgswert der für größere Parteien oder Wählervereinigungen abgegebenen Stimmen und damit zu einer - ebenfalls systemimmanenten - Benachteiligung größerer Parteien oder Wählervereinigungen, die für die Erlangung eines Sitzes nach dem Höchstzählverfahren gemäß § 25 Abs. 1 KomWG mehr Stimmen erzielen müssen als eine kleinere Wählervereinigung (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 26.09.2016 - 15 A 2466/15 -, juris Rn. 28 zum insoweit vergleichbaren Landesrecht). Die faktische Sperrwirkung, die - wie hier - zum Ausschluss ganzer Wahlvorschläge führen kann und damit im Ergebnis den Erfolgswert der für diese Wahlvorschläge abgegebenen Stimmen beeinträchtigt, ist damit zu rechtfertigen, die Zahl der Gemeinderatsmitglieder gerade kleinerer Gemeinden im Vergleich zu größeren Gemeinden zu beschränken (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2014, § 25 Rn. 5). |
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| k) Mit seinem weiteren Vorbringen, der Gemeinderat der Beigeladenen habe in verfassungswidriger Weise auf seine Erfolgsaussichten bei der Gemeinderatswahl Einfluss genommen, indem er es unterlassen habe, die Zahl der Gemeinderatssitze gemäß § 25 Abs. 2 GemO von achtzehn auf vierzehn Sitze zu reduzieren, ist der Kläger - wie es das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - bereits nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG präkludiert (vgl. Senat, Urt. v. 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris Rn. 46). Zudem ist es auch für den Senat nicht zu erkennen, dass das Unterlassen der Beigeladenen, von der in § 25 Abs. 2 2. HS GemO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen, im Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Kommunalwahlrecht und dabei insbesondere der Chancengleichheit der Wahlbewerber stünde. |
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| IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. |
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| Beschluss vom 22. August 2022 |
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| Der Streitwert wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 2 GKG für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000,-- Euro festgesetzt (vgl. Senat, Beschl. v. 02.05.2019 - 1 S 581/22 -, VBlBW 2020, 40). |
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