Beschluss vom Amtsgericht Aachen - 103 C 26/20
Tenor
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
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Gründe:
2Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
3Ein Fall des § 93 ZPO liegt nicht vor. Das Anerkenntnis der Beklagten vom 00.00.0000 ist kein sofortiges Anerkenntnis. Insbesondere war die Klägerin berechtigt, eine Nachbesichtigung des beschädigten Fahrzeuges die Beklagte zu 1.) pauschal zu verweigern.
4Nach § 93 ZPO fallen die Kosten eines Rechtsstreites dem Kläger zur Last, wenn der Beklagte zur Klageerhebung durch sein Verhalten keinen Anlass gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt. Zur Erhebung der Klage hat der Beklagte bereits dann Veranlassung gegeben, wenn er sich so verhalten hat, dass der Kläger annehmen musste, ohne Anrufung des Gerichts sein Ziel nicht erreichen zu können. In der Regel genügt es dazu, dass sich der Beklagte mit Erfüllung von fälligen Forderungen in Verzug befindet. Etwas anderes kann sich ergeben, wenn der Anspruch vorprozessual nicht ausreichend schlüssig begründet worden ist und sich die Schlüssigkeit erst im Rechtsstreit ergibt, so dass ein daraufhin im Rechtsstreit erklärtes Anerkenntnis des Beklagten noch „sofortig“ sein kann.
5In Verkehrshaftpflichtfällen führen diese Grundsätze in Verbindung mit §§ 115, 119 Abs. 1 VVG dazu, dass der Geschädigte dem Haftpflichtversicherer gegenüber seine Ansprüche spezifiziert geltend machen muss und er ihm weiter eine ausreichende Prüffrist einräumen muss. Erst dann kann der Haftpflichtversicherer mit der Regulierung in Verzug geraten. Diese Frist liegt in der Regel bei vier bis sechs Wochen und beginnt mit dem Zugang des ausreichend spezifizierten Anspruchsschreibens (OLG Celle, NJOZ 2020, 309). Wartet der Geschädigte diese Frist nicht ab, ist eine gleichwohl erhobene Klage nicht veranlasst. Nach § 119 Abs. 3 VVG ist der Versicherer weiter berechtigt, Auskunft zu verlangen, soweit dies zur Feststellung des Schadensereignisses und die Höhe des Schadens erforderlich ist. Macht der Versicherer innerhalb der Regulierungsfrist von diesem Recht Gebrauch, so verlängert sich die Regulierungsfrist entsprechend. Bei § 119 Abs. 3 VVG handelt es sich aber nur um eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung, in deren Rahmen nach § 119 Abs. 3 Satz 2 VVG auch vorhandene oder leicht zu beschaffende Unterlagen – wie z.B. das selbst eingeholte Sachverständigengutachten - vorgelegt werden müssen, die dem Versicherer eine Prüfung ermöglichen. Gerade die Spezifikation und Beschränkung auf „Belege“ in § 119 Abs. 3 Satz 2 VVG zeigt daher, dass keine darüberhinausgehende Verpflichtung besteht, auch eine Inaugenscheinnahme des beschädigten Fahrzeuges auf Ersuchen des Versicherers zu ermöglichen. Eine dem § 809 BGB entsprechende Norm, die ein Recht zur Besichtigung einer Sache gewährt, enthält § 119 Abs. 3 VVG nicht. Dementsprechend führt eine Aufforderung des Versicherers, das beschädigte Fahrzeug für eine Nachbesichtigung zur Verfügung zu stellen, zu keiner Verlängerung der Regulierungsfrist und lässt eine Weigerung des Geschädigten die Klageveranlassung nicht entfallen. Dies gilt entgegen der Ansicht des OLG Saarbrücken in dem vorgelegten Beschluss vom 29.05.2018 – 4 W 9/18 jedenfalls dann uneingeschränkt, wenn der Versicherer sein vorgerichtliches Besichtigungsverlangen nicht begründet. Genauso wie der Geschädigte seine Ansprüche spezifizieren muss, muss der Versicherer sein Auskunftsbegehren spezifizieren und ein berechtigtes Interesse an einer Besichtigung darlegen. Nur wenn der Grund für die Nachbesichtigung bekannt gegeben wird, kann sich eine grundlose Weigerung des Geschädigten, eine solche zuzulassen, als Verstoss gegen eine, aus dem auf der Grundlage von § 115 VVG begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis abgeleitete Rücksichtnahmepflicht des Geschädigten ergeben; denn hierdurch verletzt der Geschädigte gerade das Interesse beider Seiten an einer möglichst kostengünstigen und zügigen Regulierung. Würde hingegen schon jede Weigerung des Geschädigten auf eine pauschale Nachbesichtigungsaufforderung ausreichen, um eine Pflichtverletzung des Geschädigten anzunehmen, würde eine faktisches - gesetzlich aber gerade nicht bestehendes - Nachbesichtigungsrecht des Versicherers geschaffen. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass das eingereichte Privatgutachten des Geschädigten konkrete Zweifel an der Berechtigung der Forderung aufwirft; denn der Geschädigte muss nicht antizipieren, welche Bedenken sich ggfs. auf Seiten des Versicherers ergeben haben. Vielmehr ist es Sache des Versicherers diese Bedenken dem Geschädigten gegenüber bekanntzugeben, um damit ein etwaiges Nachbesichtigungsbegehren zu begründen.
6Dem in dem Beschluss des OLG Saarbrücken mitgeteilten Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, dass es vorgerichtlich ein konkrete Punkte im privaten Sachverständigengutachten beanstandendes Schreiben der Versicherung gegeben hat, aus dem sich dem Geschädigten die Notwendigkeit einer Nachbesichtigung auch in Hinblick auf eine vorgerichtliche Regulierung plausibel hätte erschließen können. Wie dargelegt ist aber eine solche begründete Aufforderung zur Ermöglichen der Nachbesichtigung Voraussetzung dafür, dass eine grundlose Verweigerung der Nachbesichtigung seitens des Geschädigten dazu führen kann, dass keine Veranlassung zur Klageerhebung bestand; denn erst wenn der Versicherer sein berechtigtes Interesse an der Nachbesichtigung plausibel darlegt, muss der Geschädigte nicht befürchten, dass der Versicherer die Nachbesichtigung zum Zwecke der Ausforschung etwaiger Abzugspositionen nutzen will sondern ein das Interesse hat, der Regulierung entgegenstehende Punkte zügig und kostengünstig zu klären.
7Danach bestand vorliegend Klageveranlassung, obwohl die Klägerin der Beklagten zu 1.) keine Möglichkeit zur Nachbesichtigung einräumte. Dabei kann dahinstehen, ob die seitens der Beklagten zu 1.) in Hinblick auf die Kompatibilität zwischen Reparaturkosten und Schaden gegen das vorgelegte vorgerichtliche Sachverständigengutachten des TÜV Rheinland vom 00.00.0000 (Bl. 6 ff d.A.) berechtigt oder auch nur plausibel waren. Denn entscheidend ist, dass diese eine Nachbesichtigung erklärlich erscheinen lassenden Bedenken der Klägerin nicht mitgeteilt worden sind. Das Schreiben der Beklagten zu 1.) vom 00.00.0000 ist nicht bekannt. Soweit es sich aber – wie sich aus dem anwaltlichen Antwortschreiben der Klägerin vom 00.00.0000 (Bl. 19 d-A.) ergibt - nur um eine pauschale Aufforderung zur Nachbesichtigung handelte, ist dies nach dem oben Gesagten unzureichend und durfte von der Klägerin auch pauschal verweigert werden. Da die weiteren Voraussetzungen für die Fälligkeit des Anspruches vorlagen und die Beklagte sich aufgrund der Fristsetzung in dem Schreiben vom 00.00.0000 auch in Verzug befand, die Klage sich zudem als begründet erwiesen hat, liegt kein sofortiges Anerkenntnis gemäss § 93 ZPO vor.
8Rechtsbehelfsbelehrung:
9Gegen die Kostengrundentscheidung ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zulässig, wenn der Wert der Hauptsache 600,00 EUR und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Aachen, Adalbertsteinweg 92, 52070 Aachen oder dem Landgericht Aachen, Adalbertsteinweg 90, 52070 Aachen schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts einzulegen.
10Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
11Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Aachen oder dem Landgericht Aachen eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die sofortige Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
12Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
13Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
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Referenzen
- ZPO § 130a Elektronisches Dokument 1x
- §§ 115, 119 Abs. 1 VVG 2x (nicht zugeordnet)
- § 119 Abs. 3 Satz 2 VVG 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 93 Kosten bei sofortigem Anerkenntnis 3x
- § 119 Abs. 3 VVG 3x (nicht zugeordnet)
- § 115 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- 4 W 9/18 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 809 Besichtigung einer Sache 1x