Beschluss vom Amtsgericht Detmold - 33 F 169/16
Tenor
I.
Der Antragsteller ist berechtigt und verpflichtet, mit dem gemeinsamen Kind W I, * 02.10.2006 Umgang zu üben wie folgt:
1.
In der Zeit vom 01.11.2016 – 28.02.2017
alle vier Wochen, jeweils in der Zeit von Samstag 10:00 Uhr bis Samstag 16:00 Uhr, erstmals am 12.11.2016.
2.
Ab März 2017:
alle zwei Wochen, jeweils in der Zeit von Samstag 10:00 Uhr bis Samstag 19:00 Uhr, erstmals am 11.03.2017.
II.
Der Antragsteller holt W zur Ausübung des Umgangs pünktlich am Wohnsitz der Antragsgegnerin ab und bringt W pünktlich dorthin wieder zurück.
Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, W pünktlich zur Abholung durch den Antragsteller bereitzuhalten und an den Antragsteller herauszugeben.
III.
Bei Zuwiderhandlung gegen die vorgenannten Regelungen kann das Gericht gegenüber dem jeweils Verpflichteten Ordnungsgeld bis zu 25.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder unmittelbar Ordnungshaft anordnen.
IV.
Die Kosten des Verfahrens werden zwischen den Kindeseltern gegeneinander aufgehoben.
V.
Der Verfahrenswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
1
I.
3Die Beteiligten sind die Eltern des zehn Jahre alten W, der bei der Kindesmutter lebt. Die Kindeseltern haben in den Jahren 2005/2006 für kurze Zeit eine Beziehung miteinander geführt. Aus dieser Beziehung ist W hervorgegangen. Die Kindeseltern haben zu keinem Zeitpunkt miteinander gelebt.
4Beide Elternteile haben mittlerweile neue Lebenspartner und leben mit diesen Lebenspartnern und eigenen (weiteren) Kindern zusammen. In der Vergangenheit gab es lediglich sporadisch Kontakte zwischen dem Kindesvater und W.
5Der Kindesvater beantragt, den Umgang zu regeln und formuliert dies dergestalt, dass er 14-tägig Übernachtungsumgangskontakt am Wochenende mit seinem Sohn haben möchte.
6Die Kindesmutter hat im Verfahren die Auffassung vertreten, sich an dem Wunsch ihres Sohnes zu orientieren, aber grundsätzlich keinen Vorbehalt gegen Kontakte von W mit dem Vater zu haben.
7Das Gericht hat für W Frau T als Verfahrensbeistand bestellt, die Beteiligten persönlich angehört und unmittelbar nach dem Verhandlungstermin auch W persönlich angehört.
8Auf den Verhandlungs- und Anhörungsvermerk bzw. wird Bezug genommen.
9II.
10Der Antrag auf Regelung des Umgangs ist grundsätzlich zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
111.
12Gem. § 1684 Abs. 1 BGB hat jedes Kind ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil hat und ist jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Unter Berücksichtigung der für die Umgangsregelung maßgebenden Kriterien, wie Alter und Belastbarkeit des Kindes und der Qualität der Bindung zum Umgangsberechtigten hat das Familiengericht gemäß § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB den Umgang konkret zu regeln.
13Im Rahmen einer gerichtlich festzulegenden Umgangsregelung ist gem. § 1697a BGB stets diejenige Entscheidung zu treffen, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Insoweit sind insbesondere die Belastbarkeit des Kindes, die bisherige Intensität seiner Beziehungen zum Umgangsberechtigten und seine Vertrautheit mit diesem, die räumliche Entfernung der Eltern voneinander, die Interessen und Bindungen von Kind und Eltern, das Verhältnis letzterer zueinander, die persönliche und berufliche Situation und Betreuungsmöglichkeit des Umgangsberechtigten, der Wille des Kindes, soweit er mit seinem Wohl vereinbar ist, sowie dessen Alter und altersbedingtes Zeitempfinden, Entwicklungs- und Gesundheitszustand in den Blick zu nehmen.
142.
15Im vorliegenden Fall bestehen angesichts der relativ kurzen Entfernung zwischen den jeweiligen Wohnorten der Kindeseltern, des Umstandes, dass der Kindesvater selbst Vater von vier weiteren Kindern ist, mit denen er zusammenlebt und des Umstandes, dass der Kindesvater und W sich in der Vergangenheit zwar nur sporadisch gesehen haben, einander jedoch bereits seit langer Zeit kennen, keine grundsätzlichen Anhaltspunkte, die eine Einschränkung des Umgangsrechts rechtfertigen könnten.
16a).
17Allerdings hat sich W ausdrücklich gegen jede Form des Umgangs mit seinem Vater ausgesprochen. Der Wille des Kindes ist zu berücksichtigen, soweit das mit seinem Wohl vereinbar ist, wobei in tatsächlicher Hinsicht in Rechnung zu stellen ist, dass ein durch einen Elternteil maßgeblich beeinflusster Kindeswille nicht beachtlich ist (vgl. dazu BGH FamRZ 2010, 1060). Mit der Kundgabe seines Willens macht das Kind zum einen von seinem Recht zur Selbstbestimmung Gebrauch. Denn jede gerichtliche Lösung eines Konflikts zwischen den Eltern, die sich auf die Zukunft des Kindes auswirkt, muss nicht nur auf das Wohl des Kindes ausgerichtet sein, sondern das Kind auch in seiner Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen, weil sorge- und umgangsrechtliche Regelungen entscheidenden Einfluss auf das weitere Leben des Kindes nehmen und es daher unmittelbar betreffen. Hat der unter diesem Aspekt gesehene Kindeswille bei einem Kleinkind noch eher geringes Gewicht, so kommt ihm mit zunehmendem Alter des Kindes vermehrt Bedeutung zu. Nur dadurch, dass Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis ihres Kindes zu selbständigem verantwortungsvollem Handeln berücksichtigen (vgl. § 1626 Abs. 2 S. 1 BGB), können sie das Ziel, ihr Kind zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu erziehen (vgl. § 1 Abs. 1 SGB VIII), erreichen, zumal sich die Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG entspringende Pflicht der Eltern, ihrem Kind Schutz und Hilfe angedeihen zu lassen, damit es sich zu einer solchen eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln kann, wie sie dem Menschenbild des Grundgesetzes entspricht, nicht nur auf das Kind bezieht, sondern den Eltern von Verfassungs wegen unmittelbar ihrem Kind gegenüber obliegt. Ein vom Kind kundgetaner Wille kann ferner Ausdruck von Bindungen zu einem Elternteil sein, die es geboten erscheinen lassen können, ihn in dieser Hinsicht zu berücksichtigen (vgl. zum Ganzen BVerfG FamRZ 2009, 1389; 2008, 845 und 1737; 2007, 105 und 1078; BGH FamRZ 2010, 1060).
18Soll ein der Ausübung des Umgangsrechts entgegenstehender Wille des Kindes Beachtung finden, muss daher in jedem Einzelfall zunächst geprüft werden, ob die Entwicklung seiner Persönlichkeit bereits so weit fortgeschritten ist, dass eine dem Willen des Kindes zuwiderlaufende Ausübung des Umgangsrechts eine Gefährdung seiner Entwicklung bedeuten könnte. Danach sind die Gründe zu prüfen, die das Kind zu seiner Haltung veranlassen. Diese Gründe müssen aus der Sicht des Kindes berechtigt erscheinen. Sind diese Kriterien erfüllt, ist es grundsätzlich Aufgabe des Gerichts, dem Kind die Bedeutung des Umgangsrechts für den durch den Ausschluss betroffenen Elternteil und für das Kind selbst vor Augen zu führen und das Kind zu einer eigenständigen Prüfung seiner ablehnenden Haltung zu veranlassen (vgl. Poncelet in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1684 BGB, Rn. 129). Der erklärte Wille des Kindes darf dann ohne Verstoß gegen die Grundrechte des Kindes aus Art. 6 Abs. 2 GG unbeachtet bleiben, wenn der Kindeswille offensichtlich beeinflusst wurde und die manipulierten Äußerungen des Kindes die tatsächlichen Bindungsverhältnisse nicht zutreffend wiedergeben (vgl. BVerfG v. 02.04.2001 - 1 BvR 212/98 - FamRZ 2001, 1057).
19b).
20Unter Berücksichtigung dieser vorgenannten Erwägungen geht das Gericht jedenfalls davon aus, dass der von W kundgetane Wille nicht gänzlich frei von Einflüssen Dritter, insbesondere der Kindesmutter ist. Das ergibt sich zur sicheren Überzeugung des Gerichts bereits daraus, dass es W sichtlich unangenehm war, als er auf die Nichteinhaltung des mit dem Kindesvater angesprochenen Termins angesprochen wurde und daraufhin, zumal zutreffend, erklärte, dies müsse man mit seiner Mutter besprechen. Er ist während der gesamten Anhörung konsequent bei seiner Haltung geblieben, keinen Kontakt zum Vater zu wünschen, hat aber den einen Umgangskontakt, der von Frau T begleitet wurde, als durchaus positiv beschrieben. Im Übrigen hat W auf der Heimfahrt von dem genannten Umgangskontakt gegenüber Frau T geäußert, man könne solche Treffen ruhig wiederholen, dies zu einer Zeit, als er sich noch nicht mit seiner Mutter besprechen konnte.
21Schließlich vermochte W auch keine Gründe zu benennen, die - auch aus Sicht des 10-jährigen W - Umgangskontakte mit dem um ihn bemühten Vater kategorisch ausschließen müssten.
22Andererseits ist es aber auch nachvollziehbar, dass W dem Kindesvater vorhält, sich in der Vergangenheit allenfalls sporadisch um ihn gekümmert zu haben und er deshalb, wiederum plausibel, derzeit nicht an regelmäßige Umgangskontakte mit seinem Vater und die Einhaltung derselben durch seinen Vater glauben mag.
233.
24Unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohlprinzips gemäß § 1697 a BGB ist das Gericht daher der Überzeugung, der kundgetane Wille W nicht übergangen werden darf, dieser Wunsch aber nicht zum vollständigen Ausschluss des Umgangsrechts (auch) des Kindesvaters führen darf, weil die Voraussetzungen des § 1684 Abs. 4 BGB nicht vollständig vorliegen.
25Der Vollzug des geregelten Umgangs in einer deutlich reduzierten Form ermöglicht es sowohl dem Antragsteller und Kindesvater als auch W einander in jeweils überschaubarer Zeit näher und besser kennen zu lernen, trägt aber andererseits auch dem Wunsch W Rechnung, seine Zeit ganz überwiegend im mütterlichen Haushalt zu verbringen. Deshalb hat das Gericht auch davon abgesehen, Übernachtungskontakte anzuordnen.
26Um Missverständnissen der Elternteile vorzubeugen, weist das Gericht ausdrücklich darauf hin, dass der Kindesvater in der tatsächlichen Ausgestaltung seines Zusammenseins mit dem Kind - unabhängig von der sorgerechtlichen Situation - grundsätzlich frei ist (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 2001, 639). Daraus folgt, dass es allein Aufgabe des Kindesvaters - und nicht der Kindesmutter - ist, den Umgang inhaltlich zu gestalten und beispielsweise auch mit W abzusprechen, ob er im Rahmen der Umgangskontakte eigene Termine (Geburtstagseinladungen, Veranstaltung von Sportvereinen etc.) wahrnehmen möchte oder nicht.
274.
28Die Kostentscheidung beruht auf §§ 80, 81 FamFG.
29Die Entscheidung den Verfahrenswert hat ihre Grundlage in § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG.
30Rechtsbehelfsbelehrung:
31Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Detmold, I-Str., 32756 Detmold schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
32Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Detmold eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
33Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
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Referenzen
- FamGKG § 45 Bestimmte Kindschaftssachen 1x
- BGB § 1697a Kindeswohlprinzip 2x
- § 1 Abs. 1 SGB VIII 1x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 80 Umfang der Kostenpflicht 1x
- BGB § 1626 Elterliche Sorge, Grundsätze 1x
- BGB § 1684 Umgang des Kindes mit den Eltern 4x
- FamFG § 81 Grundsatz der Kostenpflicht 1x
- 1 BvR 212/98 1x (nicht zugeordnet)