Urteil vom Amtsgericht Gummersbach - 16 C 393/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit leisten in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, welcher sich am 23.06.2011 zwischen dem Pkw des Klägers und dem Pkw der Beklagten zu 1), welcher bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, in F. ereignete.
3Die Beklagte zu 1) verließ das Tankstellengelände der Firma N., um nach links auf die B00 Richtung H. abzubiegen. Auf der B00 näherte sich der Zeuge Z. mit dem klägerischen Pkw von F. kommend in Fahrtrichtung H. Im Bereich der Tankstelle kam es dann zu dem streitgegenständlichen Unfall, bei dem der klägerische Pkw auf das Heck des Beklagtenfahrzeugs auffuhr. Der genaue Unfallhergang ist zwischen den Parteien streitig.
4Der Kläger macht einen Wiederbeschaffungsaufwand von 3.560 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 371,46 € sowie eine Unkostenpauschale in Höhe von 25 € geltend.
5Der Kläger behauptet, die Beklagte zu 1) habe sich von dem Tankstellengelände aus nach links ohne Beachtung des fließenden Verkehrs in diesen einsortiert. Sie habe zuvor an der Ausfahrt des Tankstellengeländes trotz Stoppschild nicht gehalten. Sie sei dann unmittelbar vor dem klägerischen Pkw auf die B00 gezogen. Der Zeuge Z. habe eine sofortige Notbremsung vorgenommen, wodurch das Klägerfahrzeug mit dem rechten Reifen gegen den Bürgersteig geraten sei. Der klägerische Pkw sei mit angepasster Geschwindigkeit gefahren, trotz Notbremsung sei der Unfall unvermeidbar gewesen.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 3.956,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.08.2011 zu zahlen.
8Die Beklagten beantragen,
9die Klage abzuweisen.
10Sie behauptet, der Zeuge Z. sei aus Unachtsamkeit und mit überhöhter Geschwindigkeit auf das Beklagtenfahrzeug aufgefahren. Bevor sie losgefahren sei, habe die Beklagte zu 1) auf den vorfahrtsberechtigten Verkehr geachtet, anschließend sei sie zügig auf die B00 aufgefahren. Nach einer Fahrt von mindestens 20 Metern sei es zur Kollision gekommen.
11Das Gericht hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung am 25.01.2012. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 25.01.2012 Bezug genommen. Weiterhin das das Gericht Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 15.02.2012 sowie dem Beschluss vom 16.11.2012. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten sowie das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen L. Bezug genommen.
12Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe
14Die Klage ist zulässig, aber unbegründet und aus diesem Grund abzuweisen.
15Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.956,46 € nicht gemäß §§ 7 ff., 18 StVG, 823 ff., 249 BGB i. V. m. § 115 I VVG zu. Der Anspruch besteht dem Grunde nach nicht.
16Der Verkehrsunfall wurde durch den Zeugen Z. ganz überwiegend selbst verursacht, weswegen die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs gänzlich dahinter zurücktritt und der Kläger zu 100 % selbst für die streitgegenständlichen Unfallfolgen einzutreten hat.
17Liegen wie hier, die Voraussetzungen der §§ 17 I, II, 18 III StVG vor, so richtet sich die Haftungsverteilung nach den Umständen, insbesondere danach, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung der Verursachungsanteile können allerdings nur solche Umstände berücksichtigt werden, die entweder unstreitig oder bewiesen sind. Auf ein Verschulden kommt es nur nachrangig an, da zunächst die objektiven Umstände der Unfallverursachung maßgeblich sind. Dabei hat jede Seite die Umstände zu beweisen, die für sie günstig, für die Gegenseite also ungünstig sind (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 09.10.2012, Az.: 22 U 109/11).
18Ausgangspunkt jeder Abwägung ist zunächst die Höhe der jeweiligen Betriebsgefahr eines Kfz, die je nach Fahrzeugtyp und Verkehrssituation unterschiedlich sein kann.
19Vorliegend ist bezüglich der Betriebsgefahr von einer Haftung nach Kopfteilen auszugehen, da von beiden an dem Unfall beteiligten Pkws die gleiche Betriebsgefahr ausging.
20Der Kläger hat keine Verursachungsbeiträge der Beklagten zu 1) zu beweisen vermocht, aufgrund derer der Verursachungsbeitrag der Beklagten zu 1) erhöht und damit der Verursachungsbeitrag des Klägers verringert werden würde.
21Der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis nicht geführt, dass die Beklagte zu 1) vor dem Einordnen in den fließenden Verkehr weder gehalten noch den Verkehr beachtet hat. Die Zeugenaussagen haben nicht zu der Überzeugung des Gerichts geführt, dass die Behauptung des Klägers bezüglich eines sorgfaltspflichtverletzenden Verursachungsbeitrags der Beklagten zu 1) zutreffend ist.Der Zeuge L. hat zwar ausgesagt, die Beklagte zu 1) sein sehr schnell aus der Ausfahrt gefahren. Allerdings sagte er weiter aus, dies habe man wegen des Winkels nicht sehen können. Der Zeuge L. hat den Klägervortrag mithin nicht bestätigt, vielmehr hat der Zeuge keinerlei Aussage darüber gemacht, ob die Beklagte zu 1) vor dem Verlassen des Tankstellengeländes gehalten und den fließenden Verkehr beobachtet hat. Nach der eigenen Aussage des Zeugen L. hätte er derartige Umstände wohl auch gar nicht sehen können. Die Zeugenaussage ist somit unergiebig. Ebenso verhält es sich mit der Zeugenaussage des Zeugen B. Dieser hat lediglich ausgesagt, dass die Beklagte zu 1) links aus der Tankstelle herausgefahren sei. Konkreter zu den genaueren Umständen hat er nicht ausgesagt. Lediglich der Zeuge Z. hat ausgesagt, die Beklagte zu 1) sei ohne zu gucken in den fließenden Verkehr gefahren, sie sei einfach in den fließenden Verkehr reingefahren, sie sei sehr schnell aus der Ausfahrt herausgefahren, obwohl sie die Vorfahrt zu gewähren hatte. Nicht einmal der Zeuge Z. hat ausgesagt, dass die Beklagte zu 1) nicht an dem Stoppschild angehalten habe. Im Übrigen hält das Gericht die Aussage des Zeugen Z. nicht für glaubhaft. Der Zeuge Z. behauptet, mit angemessener Geschwindigkeit gefahren zu sein, mit ungefähr 50 km/h. Diese Aussage wird durch die Ausführungen des Sachverständigen L. widerlegt. Nach dessen Ausführungen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Zeuge Z. nicht mit der gebotenen Geschwindigkeit von 50 km/h gefahren ist, weil sich diese Geschwindigkeit nicht mit den Schadensbildern und der Anstoßkonstellation der am Unfall beteiligten Pkws vereinbaren lässt. Für das Gericht ist auch nicht nachvollziehbar dargelegt, wie der Zeuge Z. so genau auf die Beklagte zu 1) geachtet haben will, um festgestellt zu haben, dass diese nicht den fließenden Verkehr beachtet. Vielmehr scheint die Aussage von einer Belastungstendenz geprägt zu sein, was besonders durch die Erklärung des Zeugen am Ende seiner Aussage deutlich wird: „ Das spielt ja jetzt eigentlich auch keine Rolle. Fakt ist, dass die Beklagte zu 1) mir die Vorfahrt genommen hat.“
22Die Beklagten hingegen haben wesentliche Verursachungsbeiträge des Zeugen Z. zu beweisen vermocht, welche sich der Kläger im Rahmen der Haftungseinheit zurechnen lassen muss und die zu einem gänzlichen Zurücktreten der Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs führen.
23Gegen den Zeugen Z. spricht zwar nicht der Anscheinsbeweis gegen den auffahrenden Hintermann, da dieser Anscheinsbeweis bei einem Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden erst wenige Augenblicke vor dem Auffahrunfall nicht eingreift (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 4 StVO Rn. 36). Allerdings steht aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen L. zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Zeuge Z. zu schnell gefahren ist und dadurch der Unfall jedenfalls weit überwiegend verursacht wurde. Der Sachverständige L. hat ausgeführt, dass das Unfallereignis für den Zeugen Z. bei Reaktion auf das abbiegende Beklagtenfahrzeugs und Einhaltung der örtlich zulässigen Höchstgeschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre. Dies gilt unabhängig davon, ob das Beklagtenfahrzeug aus dem Stand oder durchgehend auf die B00 aufgefahren ist. Folglich ist es infolge des Nichteinhaltens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu dem streitgegenständlichen Unfall gekommen. Die Vollbremsung des Zeugen Z., die den Unfall nicht verhindern konnte, entlastet den Zeugen Z. und damit auch den Kläger nicht.
24Das Gericht ist bei seiner Entscheidung vollumfänglich den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen L. gefolgt. Der Sachverständige besitzt die erforderliche Sachkunde, hat die Beweisfragen richtig verstanden, ist vom richtigen Sachverhalt ausgegangen, hat die Beweisfragen vollständig beantwortet und verständlich dargestellt, wie er zu seinen Ergebnissen gelangt ist. Soweit der Sachverständige L. in dem Gutachten ausführt, dass neben dem von ihm näher untersuchten Kollisionsstellungen noch weitere zwanglos möglich seien, schließt dies aus Sicht des Gerichts nicht aus, den Ausführungen des Sachverständigen zu folgen. Es hätte dem Kläger oblegen, konkreter dazu vorzutragen, aufgrund welcher Umstände von einer anderen Kollisionsstellung auszugehen sei. Dies hat der Kläger nicht getan.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
26Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
27Streitwert: 3.956,46 €
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Referenzen
- StVG § 17 Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge 1x
- § 115 I VVG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- 22 U 109/11 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 7 ff., 18 StVG, 823 ff., 249 BGB 3x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- § 4 StVO 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes 1x