Beschluss vom Amtsgericht Gummersbach - 40 VI 796/14
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin, den am 29.10.2014 vom Amtsgericht H. erteilten Erbschein einzuziehen, wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Antragstellerin und der Antragsgegner wurden von der Erblasserin bereits in den 70er bzw. 80er Jahren adoptiert. Bei der Beteiligten zu 3), geboren am 00.00.1987, und der Beteiligten zu 4), geboren am 00.00.1995, handelte es sich um Pflegekinder der Erblasserin; sie kamen bereits wenige Tage nach ihrer Geburt in die Obhut der Erblasserin; eine Adoption durch die Erblasserin war aufgrund der jeweils fehlenden Zustimmung der leiblichen Mütter der Beteiligten zu 3) und 4) nicht möglich.
4Die Erblasserin errichtete unter dem 00.00.1993, unter dem 00.00.1995 und unter dem 00.00.1999 Testamente. Wegen der Wortlaute der Testamente vom 00.00.1993 und vom 00.00.1995 wird auf Bl. 4–11 der Testamentsakte, Az. 40 IV 000/14, Bezug genommen. Das Testament vom 00.00.1999 enthält u.a. folgenden Inhalt:
5„Mein letzter Wille!
6Es bleibt die gesetzliche Regelung. Das Haus darf in den nächsten 20 Jahren nicht verkauft werden. Aus dem Überschuߠ der Lebensversicherung soll zuerst das WFA–Darlehen abgezahlt werden. Meine persönlichen Sachen sollen unter meinen 4 Kindern aufgeteilt werden. E. soll auf jeden Fall meine Barbie und K. auf jeden Fall meinen Steiff–Teddy haben (…).
7Ich liebe Euch alle 4 gleich und ich weiss, Ihr werdet es gut machen.“
8Die Erblasserin verstarb am 08.08.2014; im Oktober 2014 erfolgte die Testamentseröffnung. Am 13.10.2014 führten die Antragstellerin und der Antragsgegner eine SMS–Unterhaltung mit folgendem Inhalt (Bl. 38 d.A.):
9Antragstellerin: „ Ja die Testamente hab ich bekommen“
10Antragsgegner: „Wann denn?“
11Antragstellerin: „Samstag. Wir erben alle zu gleichen Teilen“
12Antragsgegner: „Ok. Hab noch nix bekommen. Ich denke, dann kommt das heute.“
13Am 24.10.2014 haben der Antragsgegner und die Beteiligten zu 3) und 4) die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheines auf Grundlage des Testaments vom 00.00.1999, nachdem die Erblasserin von den Beteiligten zu 1) bis 4) zu gleichen Teilen beerbt wurde, beantragt. Unter dem 29.10.2014 hat das Nachlassgericht antragsgemäß den Erbschein erteilt. Mit Schriftsatz vom 29.12.2014 hat die Antragstellerin die Einziehung des Erbscheins beantragt.
14Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass der Erbschein unrichtig sei. Erben der Erblasserin seien lediglich sie selbst und der Antragsgegner – die Adoptivkinder und gesetzlichen Erben der Erblasserin – geworden, nicht auch die Beteiligten zu 3) und 4) als Pflegekinder der Erblasserin. Dies ergebe sich aus der im Testament vom 00.00.1999 enthaltenen Bestimmung „Es bleibt die gesetzliche Regelung“. Die Beteiligten zu 3) und 4) seien nach dem Testament lediglich Vermächtnisnehmer. Die Erblasserin sei sich bewusst gewesen, dass nach der „gesetzlichen Regelung“ lediglich ihre Adoptivkinder erben würden. Bereits in einem früheren Testament vom 00.00.1995 haben sie sprachlich zwischen ihren „Adoptivkindern“ und ihren „Pflegekindern“ unterschieden. Hätte sie auch ihre Pflegekinder zu Erben einsetzen wollen, hätte es der Regelung, nach der ihre persönlichen Sachen zwischen ihren vier Kindern aufgeteilt werden sollen, nicht bedurft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 19 f., 44 f. und 52 ff. und 77 f. d.A. Bezug genommen.
15Die Antragstellerin beantragt,
16den am 29.10.2014 vom Amtsgericht H. erteilten Erbschein, wegen Unrichtigkeit einzuziehen.
17Der Antragsgegner beantragt,
18den Antrag auf Einziehung des Erbscheins zurückzuweisen.
19Der Antragsgegner und die Beteiligten zu 3) und 4) sind der Ansicht, dass die Erblasserin mit der Formulierung „Es bleibt die gesetzliche Regelung“ habe ausdrücken wollen, dass ihre Adoptivkinder und ihre Pflegekinder zu gleichen Teilen erben sollten, da die Erblasserin sie – ungeachtet ihrer jeweiligen rechtlichen Stellung zu der Erblasserin – gleich geliebt und gleich behandelt habe.
20Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte sowie der Testamentsakte, Az. 40 IV 000/14, Bezug genommen.
21II.
221.
23Ergibt sich, dass ein erteilter Erbschein unrichtig ist, so hat das Nachlassgericht diesen gemäß § 2361 Abs. 1 BGB einzuziehen. Demgemäß war der erteilte Erbschein nicht einzuziehen, da dieser dem tatsächlichen Willen der Erblasserin entspricht.
24Bei dem am 00.00.1999 erstellten, privatschriftlichen Testament der Erblasserin, handelt es sich erkennbar – dies zeigt auch die Zusammenschau mit den zuvor errichteten privatschriftlichen Testamenten vom 00.00.1993 und vom 00.00.1995 – um das Testament eines juristischen Laien. Die in dem Testament getroffene Regelung „Es bleibt die gesetzliche Regelung“ ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin keineswegs eindeutig dahingehend zu verstehen, dass die Erblasserin ihre gesetzlichen Erben – die Antragstellerin und den Antragsgegner – als Erben einsetzen wollte. Sie ist vielmehr schon aus dem Grund auslegungsbedürftig, weil die Erblasserin den Begriff „gesetzliche Regelung“ und nicht den Begriff „gesetzlichen Erbfolge“ verwendete und aus dem weiteren Testamentsinhalt nicht eindeutig hervor geht, was mit „gesetzliche Regelung“ gemeint ist, welche Personen also aufgrund der „gesetzlichen Regelung“ zu Erben der Erblasserin eingesetzt werden sollten. Neben einer Einsetzung ihrer Adoptivkinder als Erben zu gleichen Teilen ist hier ebenso eine Einsetzung ihrer Adoptivkinder und ihrer Pflegekinder als Erben zu gleichen Teilen denkbar.
25Bei der Auslegung einer Verfügung von Todes wegen ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Die insoweit gebotene Testamentsauslegung muss die Ermittlung dessen zum Ziel haben, was der testierende Erblasser mit seinen Worten sagen wollte; allein sein subjektives Verständnis der von ihm verwendeten Worte und Begrifflichkeiten ist insoweit maßgeblich (OLG Hamm, Urteil vom 29.03.2011, 10 U 112/10).
26Bereits die Formulierung am Ende des Testaments legt nahe, dass die Erblasserin eine unterschiedliche Behandlung der Beteiligten zu 1) bis 4) aufgrund deren rechtlicher Beziehung zu ihr – Adoptivkinder auf der einen und Pflegekinder auf der anderen Seite – nicht vornahm und vielmehr die Beteiligten zu 1) bis 4) als Erben zu gleichen Teilen einsetzen wollte („Ich liebe Euch alle 4 gleich und ich weiss, Ihr werdet es gut machen“). Diese Gleichbehandlung wird zudem aus der im Testament enthaltenen Bestimmung, dass die persönlichen Sachen der Erblasserin zwischen ihren vier Kindern aufgeteilt werden sollen, ersichtlich. Dass die Erblasserin ihren persönlichen Gegenständen bzw. deren Verteilung wiederum große Bedeutung beimaß, wird aus der Zusammenschau aller Testamente deutlich, in der sie stets bestimmte persönliche Gegenstände ausdrücklich einem der Beteiligten zu 1) bis 4) zuwies. Da es sich bei der Erblasserin – wie bereits dargestellt – um einen juristischen Laien handelte, kann dieser Bestimmung auch nicht entnommen werden, dass die Beteiligten zu 3) und 4) lediglich Vermächtnisnehmer sein sollten; Laientestamente enthalten häufig Wiederholungen, weil der Testierende die erbrechtlichen Konstrukte nicht kennt. Aus der in Bezug genommenen Formulierung wird zudem deutlich, dass die Erblasserin neben ihren Adoptivkindern auch ihre Pflegekinder als ihre „Kinder“ bezeichnete, ohne hierbei terminologisch zu differenzieren.
27Dass die Erblasserin neben ihren Adoptivkindern auch ihre Pflegekinder als Erben im Sinne der „gesetzlichen Regelung“ verstanden wissen wollte, wird zudem dadurch belegt, dass die Erblasserin bereits im ersten Testament vom 00.00.1993 die Beteiligte zu 3) – die Beteiligte zu 4) war zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboren – nach ihrer Vorstellung als weitere Erbin für den Fall einsetzen wollte, dass diese an ihrem 18. Geburtstag noch mit der Antragstellerin und dem Antragsgegner in einer Familie leben sollte; in diesem Fall sollte das Erbe gedrittelt werden. Dem steht nicht entgegen, dass die Erblasserin sodann im Testament vom 00.00.1995 die Antragstellerin und den Antragsgegner als Erben zu gleichen Teilen einsetzte. Hätte die Erblasserin an dieser Erbeinsetzung festhalten wollen, hätte es aus ihrer laienhaften Sicht nahe gelegen, die Antragstellerin und den Antragsgegner im Testament vom 00.00.1999 wiederum namentlich aufzuführen, anstatt pauschal – ohne weitere namentliche Bezeichnung der Erben und damit anders als in den vorherigen Testamenten vom 00.00.1993 und vom 00.00.1995 – auf die „gesetzliche Regelung“ Bezug zu nehmen.
28Die Gleichbehandlung der Beteiligten zu 1) bis 4) unabhängig von deren rechtlicher Stellung zur Erblasserin wird zudem durch mehrere schriftliche Zeugenaussagen Angehöriger und enger Freunde der Erblasserin – auch Zeugenaussagen sind bei der Ermittlung des wirklichen Erblasserwillens einzubeziehen – bestätigt; auf die Aussagen des Bruder der Erblasserin, Herrn U. S. (Bl. 41 d.A.), der langjährigen Freunde und Paten der Beteiligten zu 2) bis 4), Frau C. I. und Herr I. I. (Bl. 42 d.A.), deren Tante, Frau E. B. (Bl. 43 bzw. 50 d.A.) sowie deren Onkel, Herrn E. S. (Bl. 49 d.A.), wird insoweit Bezug genommen. Herr U. S. gab auch an, dass die Erblasserin ihm gegenüber geäußert habe, dass alle ihre Kinder sie nach ihrem Tod zu gleichen Teilen beerben sollten.
29Zuletzt belegen auch die von der Antragstellerin abgegeben Erklärungen in der SMS–Unterhaltung mit dem Antragsgegner vom 13.10.2014, nachdem diese vom Inhalt der eröffneten Testamente Kenntnis erlangt hatte, dafür, dass nach dem Willen der Erblasserin nicht lediglich sie und der Antragsgegner zu gleichen Teilen, sondern daneben auch die Beteiligten zu 3) und 4) die Erblasserin beerben sollten. Mit der Formulierung „Wir erben alle zu gleichen Teilen“ kann die Antragstellerin nur gemeint haben, dass nach ihrem Verständnis auch die Beteiligten zu 3) und 4) erben sollten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geben auch die nach dem Erbfall geäußerten Auffassungen der Beteiligten von dem Inhalt des Testaments Anhaltspunkte für den Willen des Erblassers (vgl. BGH ZEV 2009, 459, 461 m.w.N.).
30Mangels Unrichtigkeit war der Erbschein daher nicht einzuziehen.
312.
32Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 353 Abs. 1, 81 Abs. 1 S. 1 FamFG.
333.
34Verfahrenswert: 51.250,00 EUR
35Rechtsbehelfsbelehrung:
36Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Nachlassgericht – H., Nstr. 6, XXXXX H. schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
37Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
38Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Nachlassgericht – H. eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
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Referenzen
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- BGB § 2361 Einziehung oder Kraftloserklärung des unrichtigen Erbscheins 1x
- 10 U 112/10 1x (nicht zugeordnet)
- 40 IV 000/14 2x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 353 Einziehung oder Kraftloserklärung von Erbscheinen 1x