Beschluss vom Amtsgericht Köln - 70a IN 111/19 (283 M 555/21)
Tenor
In der Zwangsvollstreckungssache 283 M 555/21
ist der beschrittene Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten unzulässig.
Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen, § 17a Abs. 2 GVG.
1
Gründe:
2Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn I. Das Insolvenzverfahren wurde am 01.12.2019 eröffnet.
3Die Antragsgegnerin, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, hat am 22.10.2018 und am 18.10.2019 jeweils Leistungsbescheide erlassen, in denen es um einen Ausgleichsbeitrag zur Finanzierung der Ausbildungsvergütung in der Altenpflege gemäß § 25 Altenpflegegesetz ging. Durch Bescheid vom 22.10.2018 wurden Umlagen für das zweite Halbjahr 2019 festgesetzt. Die mit Bescheid vom 18.10.2019 festgesetzten Umlagen betreffen die Zeit nach Insolvenzeröffnung.
4Nach Vortrag des Antragstellers weigert sich die Antragsgegnerin, die Umlagen anhand der geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse des Insolvenzschuldners neu zu bemessen und gegen ihn, den Insolvenzverwalter, festzusetzen. Sie vertrete die Ansicht, sie könne aufgrund des gegen den Schuldner ergangenen rechtskräftigen Bescheides in die Masse vollstrecken. Mit Schreiben vom 21.04.2021 (Bl. 8 GA) hat sie den Antragsteller gemahnt und bei Nichtzahlung bis zum 05.05.2021 angedroht, ohne weitere Ankündigung Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners in die Wege zu leiten.
5Der Antragsteller rügt neben der Verletzung allgemeiner Vollstreckungsvoraussetzungen die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aufgrund § 89 Abs. 1 InsO.
6Er ist der Ansicht, die Zwangsvollstreckung sei bereits aus formellen Gründen unzulässig. Es fehle nämlich an einem gegen ihn, den Insolvenzverwalter, gerichteten Bescheid als allgemeiner Vollstreckungsvoraussetzung. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwVG NRW müsse sich der Leistungsbescheid gegen den Vollstreckungsschuldner richten. Entsprechend der Androhung solle aber die von ihm als Insolvenzverwalter verwaltete Masse in Anspruch genommen werden, wozu ein Leistungsbescheid gegen den Verwalter notwendig wäre. Der Leistungsbescheid richte sich hingegen gegen den Insolvenzschuldner und könne damit keine Grundlage für die Verwaltungsvollstreckung gegen den Insolvenzverwalter sein.
7Der Bescheid vom 22.10.2018 betreffe Umlagen für das Jahr 2019, es seien Zahlungsfristen von je 7.455,09 EUR bis zum 15.01.2019, 15.04.2019, 15.07.2019 und von 7.455,07 EUR zum 15.10.2019 festgelegt worden. Es handele sich zweifelsfrei um Insolvenzforderungen. Die Zwangsvollstreckung sei gemäß § 89 Abs. 1 InsO unzulässig.
8Der zweite Bescheid vom 18.10.2019 betreffe Zeiträume und Fälligkeiten nach Insolvenzeröffnung, nämlich von je 6.518,83 EUR zum 15.01.2020, zum 15.04.2020, zum 15.07.2020 und von 6.518,52 EUR zum 15.10.2020. Es handele sich gleichwohl um Insolvenzforderungen im Sinne des § 38 InsO. Denn die Entstehung der Forderung sei mit der Festsetzung bereits vor Insolvenzordnung abgeschlossen. Der anspruchsbegründende Tatbestand sei bereits vor Verfahrenseröffnung materiell-rechtlich abgeschlossen gewesen. Auf die Fälligkeit, die nach Insolvenzeröffnung eintrete, komme es nicht an. Die im Bescheid ausgewiesene Forderung werde nach einem vorher abzuschließenden Bemessungsverfahren im Voraus für das Folgejahr gemäß § 7 Abs. 1 Altenpflegeausgleichsverordnung festgesetzt.
9Möglicherweise sei die Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit zu überdenken, wenn die Antragsgegnerin die Umlagen gegen den Insolvenzverwalter neu festsetzte. Der gegenwärtige, gegen den Insolvenzschuldner gerichtete Bescheid sei jedenfalls Insolvenzforderung, weil alle Umstände, die zum Entstehen dieser Forderung geführt hätten, bereits vor Insolvenzeröffnung abgeschlossen seien und von der Antragsgegnerin auch so betrachtet würden.
10Der Antragsteller ist der Ansicht, das Insolvenzgericht sei als Vollstreckungsgericht zuständig. Maßgebliches Argument sei der Gesetzeswortlaut. Die Gesetzesbegründung sei unergiebig, auch die Regelung des § 185 InsO sei nicht vergleichbar. Sinn und Zweck des § 89 InsO gebiete es, der Masse immer dieselben Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Vollstreckungsmaßnahmen zu ermöglichen, unabhängig davon, welcher Gläubiger die Zwangsvollstreckung im konkreten Einzelfall betreibe. Ansonsten würde die Qualität des Rechtsschutzes des Insolvenzverwalters, den dieser für die Masse im Interesse der Gläubigergemeinschaft begehre, letzten Endes davon abhängen, auf Grundlage welcher Verfahrensordnung die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Masse umgesetzt werden sollen. Zwangsläufig auftretende Unterschiede könnten nicht im Interesse eines über § 89 InsO einheitlich zu gewährenden Rechtsschutzes der Masse vor unzulässigen Vollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger sein, wenn man den rechtsschutzsuchenden Insolvenzverwalter jeweils an die Fachgerichte der einzelnen Gerichtsbarkeiten verweisen würde. Denn in den jeweiligen Verfahrensordnungen wie z.B. der AO und der VwGO sei das Rechtsmittel der Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung nach § 766 ZPO überhaupt nicht vorgesehen. Im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung müsse stets vorab der der Zwangsvollstreckung zugrunde liegende Verwaltungsakt angegriffen bzw. die Aussetzung von dessen Vollziehbarkeit beantragt werden. Im konkreten Fall sei es auch nicht möglich, vor dem Verwaltungsgericht kurzfristig Rechtsschutz gegen die drohende Zwangsvollstreckung zu erhalten. Denn vorläufiger Rechtsschutz gegen die Vollstreckung aus belastenden Verwaltungsakten sei vor den Verwaltungsgerichten bekanntlich nach Maßgabe von § 80 Abs. 5 VwGO zu beantragen. Dieser könne nur dann gewährt werden, wenn der belastende Verwaltungsakt, auf dessen Grundlage die Vollstreckung erfolgen soll, nicht schon selbst bestandskräftig sei. Die Gebührenbescheide, auf deren Grundlage die Antragsgegnerin die Zwangsvollstreckung gegen die Masse betreiben möchte, seien allerdings schon vor Verfahrenseröffnung unmittelbar gegen den Schuldner selbst erlassen worden, sodass hier jedenfalls Bestandskraft eingetreten sei und Vollstreckungsschutz nicht mehr erreicht werden könne. Wäre die Auffassung richtig, dass der Rechtsstreit vor den Verwaltungsgerichten zu führen sei, so würden auch Gerichte der Finanz-, Sozial-, Verwaltungs- und Arbeitsgerichtsbarkeit darüber zu urteilen haben, unter welchen Voraussetzungen eine Forderung als Insolvenzforderung anzusehen sei. Letztendlich könnte dieser Umstand dann dazu führen, dass der Bundesfinanzhof zum Beispiel eine andere Einschätzung von Insolvenzforderungen vornehme, als der Bundesgerichtshof dies bislang tue. Zudem sei es nicht fernliegend, dass durch die jeweiligen Gerichte Entscheidungen getroffen würden, "die tendenziell primär das Interesse der eigenen Klientel, insbesondere der öffentlichen Hand, verfolgen" würden. Die Erfahrung der Praxis habe wiederholt gezeigt, dass "insbesondere die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit fast ausschließlich zu Gunsten des Fiskus entscheiden" würden. Exemplarisch sei die seinerzeit heftig umstrittene Anwendung des Bundesfinanzhofs von § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 UStG zu nennen. Höchst bedenklich sei dabei die offenkundig interessenorientierte, dogmatisch nicht begründbare Rechtsanwendung des Bundesfinanzhofs, allein den Fiskus auf Kosten anderer Gläubiger zu privilegieren.
11Mit seinem als Erinnerung gemäß § 89 Abs. 3 i.V.m. § 766 ZPO bezeichneten Rechtsmittel vom 03.05.2021 beantragt der Antragsteller,
12die Zwangsvollstreckung aus dem
13Leistungsbescheid vom 22.10.2018 mit dem Az. 111 der Antragsgegnerin wegen der Zahlung rückständiger Altenpflegeumlagege i.H.v. 2.485,03 € zuzüglich Mahngebühren sowie aus dem
14Leistungsbescheid vom 18.10.2019 mit dem Az. 222 der Antragsgegnerin wegen Zahlung rückständiger Altenpflegeumlage i.H.v. 26.074,11 € zuzüglich Mahngebühren
15für unzulässig zu erklären.
16Für den Fall, dass keine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts besteht, beantragt er die Verweisung an das zuständige Verwaltungsgericht Köln als Gericht des ersten Rechtszugs und damit Vollstreckungsgericht gemäß § 167 Abs. 1 S. 2 VwGO.
17Die Antragsgegnerin hält den Rechtsweg zum Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht für unzulässig. Einer Verweisung an das Verwaltungsgericht Köln stimmt sie zu. In der Sache selbst sei der Sachverhalt durch den Antragsteller nicht zutreffend dargestellt worden. Sie gehe davon aus, dass das Verwaltungsgericht der Antragsgegnerin insoweit noch Gelegenheit zur Stellungnahme werde.
18Das Gericht hat mit Schreiben vom 26.05.2021 dem Antragsteller und der Antragsgegnerin unter formloser Übersendung der Antragsschrift Gelegenheit zur Stellungnahme insbesondere zur Frage der Rechtswegzuständigkeit gegeben.
19Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Gerichtsakte Bezug genommen.
20II.
21Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist unzulässig. Zuständig für den Rechtsstreit sind die Verwaltungsgerichte, im konkreten Fall das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Köln, an das gemäß § 17a Abs. 2 GVG zu verweisen war.
22Gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Hingegen gehören gemäß § 13 GVG vor die ordentlichen Gerichte die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.
23Der vorliegende Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, da die streitentscheidenden Normen öffentlich-rechtlicher Natur sind. Kern des Streites sind Normen der Altenpflegeausgleichsverordnung und sowie die Verpflichtung zur Zahlung aus einem Leistungsbescheid, also aus einem Verwaltungsakt.
24Eine Sonderzuweisung zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit besteht nicht. Eine solche Zuweisung, die die Zuständigkeit des Amtsgerichts Köln begründen könnte, ist insbesondere nicht § 89 Abs. 3 InsO.
25Aus § 89 Abs. 3 InsO folgt eine Spezialzuweisung an die Insolvenzgerichte als besondere Vollstreckungsgerichte (BGH, Beschl. v. 5.2.2004 - IX ZB 97/03, NZI 2004, 278). Dies setzt aber voraus, dass für den Rechtsbehelf das Vollstreckungsgericht der Zivilgerichtsbarkeit überhaupt zuständig ist. Denn die Norm erschöpft sich darin, eine funktionale Zuständigkeit der Insolvenzgerichte als Vollstreckungsgerichte zu begründen, soweit für Rechtsbehelfe im Wege der Einzelzwangsvollstreckung die Vollstreckungsgerichte der Zivilgerichtsbarkeit zuständig sind.
26Die durch § 89 Abs. 3 InsO vorgenommene Verlagerung auf die Insolvenzgerichte ist unvollständig, weil sie die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nur anstelle des (zivilprozessualen) Vollstreckungsgerichts begründet (vgl Kayser, in Heidelberger Kommentar, § 89 InsO, Rn. 34). Soweit andere, besondere Ausgestaltungen von Rechtsmittelzügen bestehen, sind diese regelmäßig gleichfalls aus Gründen der Sachnähe geschaffen worden und deshalb zu respektieren (vgl. Kayser, a.a.O. Rn. 37 für die registerrechtlichen Rechtsmittelzüge).
27Es ist deshalb auch bislang einhellige Meinung und soweit ersichtlich unbestritten, dass etwa über die Anwendbarkeit des § 89 Abs. 1 InsO im Rahmen der Vollstreckung einer Geldstrafe oder einer Geldbuße die Straf(vollstreckungs)gerichte und nicht die Insolvenzgerichte zu entscheiden haben (vgl. etwa LG Duisburg, Beschl. v. 5.7.2017 – 69 Qs 22/17, SVR 2018, 37; LG Bochum , Beschl. vom 04.12.2012 - 9 Qs 86/12, BeckRS 2013, 17768; vgl. auch BVerfG, Beschl v. 24.8.2006 - 2 BvR 1552/06, NJW 2006, 3626).
28§ 89 Abs. 3 InsO begründet insbesondere keine Rechtswegzuweisung. Wenn schon Sonderzuweisungen innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit, wie die registerrechtlichen und strafrechtlichen Rechtswege, vorrangig sind, so gilt dies erst Recht für Rechtswegzuweisungen zu den Fachgerichtsbarkeiten.
29Es ist nicht ersichtlich, dass § 89 Abs. 3 InsO eine Rechtswegspaltung herbeiführen wollte (so offenbar aber nunmehr AG Hannover, Beschl. v. 2.10.2020 – 904 IK 481/19, NZI 2021, 439 unter Bezug u.a. auf App, NZI 1999, 138, 139). Eine solche Rechtswegspaltung würde aber drohen, wenn die Insolvenzgerichte über insolvenzrechtliche Einwendungen nach § 89 Abs. 1 und 2 InsO entscheiden müssten und auf dieser Grundlage die Zwangsvollstreckung einstellen könnten oder müssten, während die Verwaltungsgerichte die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus allen anderen Rechtsgründen prüfen müssten. Eine solche Rechtswegspaltung widerspräche den Interessen des rechtsuchenden Bürgers. Auch aus der Gesetzesbegründung lässt sich kein Hinweis herleiten, dass § 89 Abs. 3 InsO eine Rechtswegzuweisung enthalten würde. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/2443 vom 15.04.1992, S. 138 zu § 100 RegE), die lautet: "Werden die Vollstreckungsverbote im Einzelfall nicht beachtet, so ist wie nach allgemeinem Vollstreckungsrecht (§ 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO) die Erinnerung statthaft. Über diese soll jedoch nach Absatz 3 Satz 1 nicht das Vollstreckungsgericht, sondern das Insolvenzgericht entscheiden; denn dieses kann die Voraussetzungen der Verbote, insbesondere im Falle des Absatzes 1 die Eigenschaft des vollstreckenden Gläubigers als Insolvenzgläubiger, besser beurteilen. Einstweilige Anordnungen sollen ebenfalls vom Insolvenzgericht getroffen werden können (Absatz 3 Satz 2; vgl. § 766 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 732 Abs. 2 ZPO)", stellt lediglich darauf ab, dass die Insolvenzgerichte die Eigenschaft des Gläubigers als Insolvenzgläubiger besser beurteilen könnten als die Vollstreckungsgerichte. Sie setzt sich nicht damit auseinander, ob ggf. andere Sonderfragen, die die Zuständigkeit der Fachgerichte begründen, noch bedeutsamer sind.
30Ein solcher Hinweis wäre aber zu erwarten gewesen, wenn der Gesetzgeber eine Rechtswegzuweisung hätte vornehmen wollen. Denn insbesondere § 185 InsO und die Gesetzesbegründung zu § 185 InsO lassen einen eindeutigen Willen des Gesetzgebers erkennen, die Zuständigkeiten der Fachgerichte nicht antasten zu wollen. Die Gesetzesbegründung lautet (BT-Drs. 12/2443 vom 15.04.1992, S. 185 zu § 213 RegE) "...Streitigkeiten um Forderungen, für deren Feststellung die ordentlichen Gerichte nicht zuständig sind, sollen von den zuständigen anderen Gerichten oder der zuständigen Verwaltungsbehörde entschieden werden. So sind Streitigkeiten um die Feststellung von Forderungen aus Arbeitsverhältnissen vor den Arbeitsgerichten auszutragen; bei einem Widerspruch gegen eine angemeldete Steuerforderung kann die Finanzbehörde einen Feststellungsbescheid erlassen. Für diese Verfahren gelten sinngemäß die Vorschriften des Gesetzentwurfs über die Feststellung einer Forderung durch das ordentliche Gericht. All dies entspricht geltendem Konkursrecht (vgl. § 146 Abs. 5 KO) ..."
31Rechtsstreitigkeiten über die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus Leistungsbescheiden des A. H. richten sich nach öffentlichem Recht und sind deshalb vor den Verwaltungsgerichten zu führen (ebenso offensichtlich LG Itzehoe für den Fall der Zuständigkeit der Sozialgerichte in dem der Entscheidung BGH, Beschl. v. 5.2.2004 - IX ZB 97/03, NZI 2004, 278 zugrunde liegenden Sachverhalt).
32Das Argument der Sachnähe gegenüber den Vollstreckungsgerichten, das der Zuweisung an die Insolvenzgerichte zugrunde liegt, kann nur innerhalb der Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit greifen. Für die den Fachgerichten zugewiesenen Rechtsstreitigkeiten ist anerkannt, dass diese auch über die insolvenzrechtliche Qualifikation einer Forderung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit zu entscheiden haben (vgl. jüngst LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.2.2021 – L 2 R 428/18, ZInsO 2021, 1217). Dies gilt namentlich auch für den Zeitpunkt des Entstehens einer Forderung. Die hier zu beachtenden Besonderheiten können von den Fachgerichten besser und systemkonformer entschieden werden als von den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Der vom Antragsteller den Fachgerichtsbarkeiten pauschal gemachte Vorwurf des Entscheidens im Sinne einer "Klientel" - wer immer das nach Ansicht des Antragstellers im Einzelfall sein mag - ist abwegig und stellt eine Verkennung der Unabhängigkeit der Justiz dar. Eine Zuweisung der Streitigkeit an das Insolvenzgericht vermag er nicht zu begründen.
33Soweit der Antragsteller darauf abstellt, es gebe in der VwGO keinen § 766 ZPO entsprechenden Rechtsschutz, so führt dies ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Denn Zweck des § 89 Abs. 3 InsO ist es nicht, weitere Rechtsmittel zu schaffen, sondern lediglich bestehende Rechtsmittel, namentlich die in der Gesetzesbegründung benannte Erinnerung nach § 766 ZPO, den Insolvenzgerichten als besonderes Vollstreckungsgericht zuzuweisen, soweit die zivilgerichtlichen Vollstreckungsgerichte zuständig sind. Die vom Antragsteller vorgenommene Auslegung des § 89 Abs. 3 InsO würde aber dazu führen, dass ein besonderes insolvenzrechtliches Rechtsmittel geschaffen würde. Dem kann nicht gefolgt werden.
34Köln, 18.06.2021
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