Urteil vom Amtsgericht Lahr/Schwarzwald - 2 C 76/04

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.417,27 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 05.12.2003 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

 
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Kraftfahrzeug-Vollkaskoversicherung geltend.
Am 17.10.2003 fuhr der Kläger gegen 22.30 Uhr von seiner Arbeitsstelle kommend mit seinem bei der Beklagten versicherten PKW VW Bora, amtliches Kennzeichen ... auf der Kreisstraße zwischen K und N Richtung K. Auf der dortigen Brücke über die Eisenbahngleise kam er in einer Kurve mit dem rechten Vorderrad nach rechts auf das Fahrbahnbankett. Es kam zur Berührung mit der dortigen Leitplanke, an der sein Fahrzeug entlang schliff. Nach Besichtigung des Schadens an seinem Fahrzeug fuhr er kurze Zeit später nach Hause. Für die Reparatur der Schäden an seinem Fahrzeug musste der Kläger 4.717,27 Euro aufwenden. Diese Kosten machte er bei der Beklagten, bei der er eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 300,00 Euro unterhält, geltend. Am 05.12.2003 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme des Reparaturschadens endgültig ab.
Der Kläger behauptet, die Berührung seines Fahrzeugs an der Leitplanke habe lediglich einen kleineren Farbantrag an der Leitplanke verursacht. Er habe die Lackspuren an der Leitplanke nicht als Schaden angesehen.
Nach Teilrücknahme bezüglich eines Betrages von 300,00 Euro beantragt der Kläger:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.417,27 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 05.12.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich darauf, wegen Verletzung der vertraglichen Aufklärungsobliegenheit durch den Kläger leistungsfrei geworden zu sein. Der Kläger habe den Tatbestand des § 142 StGB erfüllt, weil er sich von der Unfallstelle entfernte, ohne dass die erforderlichen Feststellungen zu seiner Unfallbeteiligung hätten getroffen werden können und ohne dass er diese Feststellungen unverzüglich nachträglich ermöglich hat. Angesichts des hohen Eigenschadens am Fahrzeug des Klägers sei es technisch ausgeschlossen, dass an der Leitplanke lediglich ein Bagatellschaden von unter 80,00 Euro entstanden sei.
Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien verwiesen.
10 
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin ... und durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Kfz.-Sachverständigen .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift im Sitzungsprotokoll vom 20.01.2005 (AS 155 bis 161) und wegen des Inhalts des Sachverständigengutachtens auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen ... vom 06.04.2005 (AS 171 bis 181) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
11 
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
12 
Dem Kläger steht gemäß §§ 12 Abs. 1 Nr. II. e, 13 Abs. 1, 5 und 9 AKB nach Abzug der vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Wiederherstellung in Höhe von 4.417,27 Euro zu.
13 
Die Beklagte beruft sich zu Unrecht auf Leistungsfreiheit gemäß § 6 Abs. 3 VVG in Verbindung mit § 7 I. Abs. 2 S. 3 AKB. Die dafür beweispflichtige Beklagte hat nicht nachzuweisen vermocht, dass der Kläger gegen seine Aufklärungsobliegenheit verstoßen hat. Nach § 7 I Abs. 2 S. 3 AKB hat der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalles alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Die Aufklärungsobliegenheit erstreckt sich grundsätzlich auch auf das Verhalten des Versicherungsnehmers am Unfallort (vgl. BGH NJW-RR 2000, 553). Das bloße Verlassen der Unfallstelle stellt nur, aber auch stets eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit in der Kaskoversicherung dar, wenn dadurch der objektive und subjektive Tatbestand des § 142 StGB erfüllt wird (BGH VersR 1983, 258). Auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung wird die strafrechtlich sanktionierte Rechtspflicht von der vertraglichen Aufklärungsobliegenheit mit umfasst. Indes hat der Kläger im vorliegenden Fall nicht gegen die Strafrechtsnorm des § 142 StGB verstoßen, weshalb eine entsprechende Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nicht gegeben ist (vgl. BGH VersR 1983, 258). Denn nicht jeder regelwidrige Verkehrsvorgang ist ein Verkehrsunfall im Sinne von § 142 StGB. Diese Vorschrift greift nur dann ein, wenn ein nicht völlig belangloser Personen- oder Sachschaden entstanden ist. Dabei hat der Sachschaden am Fahrzeug des Klägers außer Betracht zu bleiben. Denn wer sich nur selbst verletzt oder seine eigene Sache beschädigt hat, braucht mangels fremden Aufklärungsinteresses nicht am Unfallort zu warten.
14 
Ein Schaden ist völlig belanglos, wenn Schadensersatzansprüche üblicherweise nicht gestellt werden (OLG Hamm, VRS 59, 258). Maßgebend ist der objektive Verkehrswert nach dem Eindruck zur Tatzeit unter Berücksichtigung gewöhnlicher Reparaturkosten.
15 
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass durch den Streifvorgang des Klägerfahrzeugs an der Leitplanke lediglich Farbantragungen entstanden sind. Die Zeugin ... hat glaubhaft ausgesagt, dass sie am Folgetag gemeinsam mit dem Kläger die Unfallstelle besichtigt und selbst keinerlei Schäden sondern nur eine Farbantragung an der Leitplanke feststellen konnte. Auch aus den Schäden am Klägerfahrzeug ergibt sich nichts anderes. Denn der Sachverständige ... hat überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass aufgrund des nur streifenden Charakters der Berührung des klägerischen PKW mit der Leitplanke an dieser bis auf deutliche rote Farbantragungen kein reparaturwürdiger Schaden entstanden sein muss. Bei den Schäden am Klägerfahrzeug handelt es sich um einen typischen Leitplankenschaden, der in streifender Form entstanden ist. Dabei war der Winkel zwischen der Längsachse des klägerischen Fahrzeugs und der Leitplanke bei der Berührung nahe 0 Grad. Da die Leitplanke im Brückenbereich durch in kurzen Abständen zueinander angebrachte Querelemente deutlich verstärkt und sehr stabil gegenüber Deformationen ist, ist es möglich, dass trotz des hohen Eigenschadens am Fahrzeug des Klägers an der Leitplanke kein rechnerischer Schaden bzw. allenfalls ein Bagatellschaden von unter 80,00 Euro entstanden ist. Wie die Rückfrage des Sachverständigen ergeben hat, werden bloße Farbantragungen an Leitplanken vom zuständigen Straßenbauamt Freiburg nicht repariert.
16 
Da im vorliegenden Fall die Kosten der Schadensbeseitigung unter 80,00 Euro liegen und objektiv eine Beseitigung des Schadens nicht erforderlich war, handelt es sich um keinen Verkehrsunfall im Sinne des § 142 Abs. 1 StGB.
17 
Im übrigen wäre selbst bei Annahme eines Verkehrsunfalls angesichts des konkreten Schadensbildes die Darlegung des Klägers, wonach er die bei seiner Untersuchung vorgefundenen Lackspuren an der Leitplanke nicht als Schaden ansah, nicht zu widerlegen, so dass der Nachweis der Erfüllung des subjektiven Tatbestands des § 142 StGB, der Vorsatz erfordert, nicht geführt wäre.
18 
Die Höhe der zur Wiederherstellung des Fahrzeugs erforderlichen Kosten sind unstreitig. Nach Abzug der Selbstbehalts kann der Kläger daher den aus dem Tenor ersichtlichen Betrag beanspruchen.
19 
Die zuerkannten Zinsen sind gemäß §§ 280, 286, 288 BGB gerechtfertigt. Die Beklagte befindet sich seit dem im Tenor ersichtlichen Zeitpunkt in Verzug, nachdem sie mit Schreiben vom 05.12.2003 eine Leistung an den Kläger endgültig abgelehnt hat.
II.
20 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, war seine Zuvielforderung verhältnismäßig geringfügig und hat nur geringfügig höhere Kosten veranlasst, weshalb es angemessen erschien, der Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzulegen. Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Gründe

 
11 
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
12 
Dem Kläger steht gemäß §§ 12 Abs. 1 Nr. II. e, 13 Abs. 1, 5 und 9 AKB nach Abzug der vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Wiederherstellung in Höhe von 4.417,27 Euro zu.
13 
Die Beklagte beruft sich zu Unrecht auf Leistungsfreiheit gemäß § 6 Abs. 3 VVG in Verbindung mit § 7 I. Abs. 2 S. 3 AKB. Die dafür beweispflichtige Beklagte hat nicht nachzuweisen vermocht, dass der Kläger gegen seine Aufklärungsobliegenheit verstoßen hat. Nach § 7 I Abs. 2 S. 3 AKB hat der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalles alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Die Aufklärungsobliegenheit erstreckt sich grundsätzlich auch auf das Verhalten des Versicherungsnehmers am Unfallort (vgl. BGH NJW-RR 2000, 553). Das bloße Verlassen der Unfallstelle stellt nur, aber auch stets eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit in der Kaskoversicherung dar, wenn dadurch der objektive und subjektive Tatbestand des § 142 StGB erfüllt wird (BGH VersR 1983, 258). Auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung wird die strafrechtlich sanktionierte Rechtspflicht von der vertraglichen Aufklärungsobliegenheit mit umfasst. Indes hat der Kläger im vorliegenden Fall nicht gegen die Strafrechtsnorm des § 142 StGB verstoßen, weshalb eine entsprechende Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nicht gegeben ist (vgl. BGH VersR 1983, 258). Denn nicht jeder regelwidrige Verkehrsvorgang ist ein Verkehrsunfall im Sinne von § 142 StGB. Diese Vorschrift greift nur dann ein, wenn ein nicht völlig belangloser Personen- oder Sachschaden entstanden ist. Dabei hat der Sachschaden am Fahrzeug des Klägers außer Betracht zu bleiben. Denn wer sich nur selbst verletzt oder seine eigene Sache beschädigt hat, braucht mangels fremden Aufklärungsinteresses nicht am Unfallort zu warten.
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Ein Schaden ist völlig belanglos, wenn Schadensersatzansprüche üblicherweise nicht gestellt werden (OLG Hamm, VRS 59, 258). Maßgebend ist der objektive Verkehrswert nach dem Eindruck zur Tatzeit unter Berücksichtigung gewöhnlicher Reparaturkosten.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass durch den Streifvorgang des Klägerfahrzeugs an der Leitplanke lediglich Farbantragungen entstanden sind. Die Zeugin ... hat glaubhaft ausgesagt, dass sie am Folgetag gemeinsam mit dem Kläger die Unfallstelle besichtigt und selbst keinerlei Schäden sondern nur eine Farbantragung an der Leitplanke feststellen konnte. Auch aus den Schäden am Klägerfahrzeug ergibt sich nichts anderes. Denn der Sachverständige ... hat überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass aufgrund des nur streifenden Charakters der Berührung des klägerischen PKW mit der Leitplanke an dieser bis auf deutliche rote Farbantragungen kein reparaturwürdiger Schaden entstanden sein muss. Bei den Schäden am Klägerfahrzeug handelt es sich um einen typischen Leitplankenschaden, der in streifender Form entstanden ist. Dabei war der Winkel zwischen der Längsachse des klägerischen Fahrzeugs und der Leitplanke bei der Berührung nahe 0 Grad. Da die Leitplanke im Brückenbereich durch in kurzen Abständen zueinander angebrachte Querelemente deutlich verstärkt und sehr stabil gegenüber Deformationen ist, ist es möglich, dass trotz des hohen Eigenschadens am Fahrzeug des Klägers an der Leitplanke kein rechnerischer Schaden bzw. allenfalls ein Bagatellschaden von unter 80,00 Euro entstanden ist. Wie die Rückfrage des Sachverständigen ergeben hat, werden bloße Farbantragungen an Leitplanken vom zuständigen Straßenbauamt Freiburg nicht repariert.
16 
Da im vorliegenden Fall die Kosten der Schadensbeseitigung unter 80,00 Euro liegen und objektiv eine Beseitigung des Schadens nicht erforderlich war, handelt es sich um keinen Verkehrsunfall im Sinne des § 142 Abs. 1 StGB.
17 
Im übrigen wäre selbst bei Annahme eines Verkehrsunfalls angesichts des konkreten Schadensbildes die Darlegung des Klägers, wonach er die bei seiner Untersuchung vorgefundenen Lackspuren an der Leitplanke nicht als Schaden ansah, nicht zu widerlegen, so dass der Nachweis der Erfüllung des subjektiven Tatbestands des § 142 StGB, der Vorsatz erfordert, nicht geführt wäre.
18 
Die Höhe der zur Wiederherstellung des Fahrzeugs erforderlichen Kosten sind unstreitig. Nach Abzug der Selbstbehalts kann der Kläger daher den aus dem Tenor ersichtlichen Betrag beanspruchen.
19 
Die zuerkannten Zinsen sind gemäß §§ 280, 286, 288 BGB gerechtfertigt. Die Beklagte befindet sich seit dem im Tenor ersichtlichen Zeitpunkt in Verzug, nachdem sie mit Schreiben vom 05.12.2003 eine Leistung an den Kläger endgültig abgelehnt hat.
II.
20 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, war seine Zuvielforderung verhältnismäßig geringfügig und hat nur geringfügig höhere Kosten veranlasst, weshalb es angemessen erschien, der Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzulegen. Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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