Urteil vom Amtsgericht Mönchengladbach - 35 C 420/18
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über Erstattungsansprüche aus einem Vertrag über die Vermittlung einer Jagdreise nach Weißrussland.
3Gemäß Vertrag vom 13.06.2017 vermittelte die Beklagte dem Kläger und einem Jagdgenossen die Gelegenheit für die Jagd auf einen Elch in Weißrussland. Teil des Vertrages waren die Reisebedingungen des Veranstalters, in denen es hieß:
4„1. Abschussgebühr Elch:
5- Bei Erlegung eines Elches mit einem Trophäengewicht über 8,00 kg erfolgt eine Zuzahlung in Höhe von € 5,90 je 10 g über 8,00 kg
- Erlegung eines 2. Elches bis 6 kg € 1.290,00
[…]
7- Sollte der Hirsch unter 6 kg Trophäengewicht haben, so werden € 500,00 erstattet
- Sollte der Jäger keine Chance bekommen, einen Elch zu beschießen, so werden € 1.500,00 erstattet
- Angeschweißt und 2 Fehlschlüssen auf 2 verschiedene Elche gelten als Erlegung
- Wird ein Elch erlegt, besteht die Option kostenlos ein Biber zu erlegen8
“
Während des Aufenthalts in Weißrussland schoss der Kläger auf einen Elchbullen, wobei die Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind.
10Mit Schreiben vom 12.11.2017 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Erstattungsbetrag in Höhe von 1.500,00 € geltend. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 20.11.2017 eine Erstattung ab. Daraufhin beauftragte der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten, der mit seinem per E-Mail versandten Schreiben vom 19.12.2017 den Erstattungsanspruch nochmals geltend machte. Mit Schreiben vom selben Tag wies die Beklagte den Anspruch erneut zurück.
11Dem Kläger wurde eine vorpräparierte Elch-Trophäe durch die Beklagte zur Verfügung gestellt, dessen Annahme der Kläger ablehnte.
12Der Kläger trat den Erstattungsanspruch in Höhe von 800,00 € an den Zeugen W ab.
13Der Kläger erstattete seinem Prozessbevollmächtigten vorgerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 201,71 €.
14Der Kläger behauptet, die Beklagte sei nicht nur Vermittlerin der Jagdreise gewesen.
15Er behauptet weiter, etwa eine halbe Stunde nach Besteigen des Hochsitzes sei ein Elch aus einer Dickung gekommen, der gute Schaufelansätze, aber offensichtlich noch jung gewesen sei. Der Berufsjäger habe deswegen signalisiert, nicht zu schießen, da der Elch zu klein und nicht schwer genug sei, vielleicht ein Geweih von 5 kg habe. Der Kläger habe den Jungbullen dann weiter mit dem Fernglas beobachtet und den Berufsjäger darauf aufmerksam gemacht, dass der Elch vorne mit den Vorderläufen einknicke. Der Berufsjäger habe den Bullen dann ebenfalls mit dem Fernglas verfolgt und bestätigt, dass der Elch krank sei. Nach kurzer Überlegung habe der Berufsjäger dem Kläger signalisierte, den jungen, kranken Bullen zu beschießen. Der Elch sei jedoch trotz seines Einknickens die ganze Zeit weiter gezogen und habe zu dem Zeitpunkt, als der Kläger geschossen habe, in Gestrüpp gestanden. Der Kopf sei schon nicht mehr sichtbar gewesen. Die Beine seien durch hohes Gras und Gestrüpp komplett verdeckt gewesen. Vom Körper sei nur der Teil ab der Schulter und nur bis zur Hüfte zu sehen gewesen trotz der davor hängenden Zweige. Der Berufsjäger habe trotzdem den Schuss freigegeben. Trotz intensiver Nachsuche im Dickicht habe man den Elch nicht gefunden. Man habe keine Spuren, nicht einmal kleinste Tropfen von Blut gefunden.
16Der Kläger bestreitet, dass die von der Beklagten angebotene Trophäe zu dem Elch gehöre, auf den er geschossen habe.
17Der Kläger behauptet weiter, die Abtretung des Erstattungsanspruchs in Höhe von 800,00 € sei vor Klageerhebung rückgängig gemacht worden.
18Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei die richtige Anspruchsgegnerin. Er habe auch keine Chance erhalten, einen Elch zu beschießen, da er das Tier nur beschossen habe, nachdem der Berufsjäger entschieden habe, den kranken Elch nicht sich selbst zu überlassen. Selbst wenn er eine Chance gehabt habe, einen Elch zu beschießen, so stünde ihm der Erstattungsanspruch zu, da der Fall einer fehlenden Trophäe dem Fall einer fehlenden Chance gleichzusetzen sei. Der Fall einer fehlenden Trophäe sei ansonsten nicht geregelt.
19Der Kläger beantragt,
20die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.500,00 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.11.2017 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 201,71 €.
21Die Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Die Beklagte behauptet, sie sei nicht die Veranstalterin der Jagdreise.
24Sie bestreitet, dass der vom Kläger beschriebene Elch der Elch sei, auf den der Kläger letztlich geschossen habe. Sie behauptet weiter, der vom Kläger beschossene Elch sei im Lauf einer Jagdgesellschaft von einem Treiber aufgefunden worden. Der Elch habe ich sich in ein Sumpfgebiet geschleppt und sei unweit von der Stelle, wo er beschossen worden sei, aufgefunden worden.
25Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei die falsche Anspruchsgegnerin, da sie Vermittlerin der Jagd sei. Der Kläger habe auch die Chance erhalten, einen Elch zu beschießen. Auf die Gründe für den Schuss käme es nicht an. Schließlich habe er auch den Elch getroffen, die Trophäe aber abgelehnt.
26Entscheidungsgründe:
27Die zulässige Klage ist unbegründet.
28I.
291.
30Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.500,00 € aus Ziffer 1 Unterpunkt 8 der Reisebedingungen des Veranstalters.
31a)
32Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte Veranstalterin der Jagdreise ist. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass die Beklagte Veranstalterin und damit passivlegitimiert wäre, stünde dem Kläger der begehrte Anspruch nicht zu.
33b)
34Einen Anspruch kann der Kläger insbesondere nicht aus Ziffer 1 Unterpunkt 8 der Reisebedingungen des Veranstalters herleiten.
35aa)
36Die Regelung in Ziffer 1 Unterpunkt 8 der Reisebedingungen hat der Kläger einen Erstattungsanspruch in Höhe von 1.500,00 €, wenn er keine Chance bekam, einen Elch zu beschießen. Es ist daher auszulegen, was unter dem Begriff der Chance zu verstehen ist.
37Bei den Reisebedingungen handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen. Solche sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen (stRspr; BGH, NJW-RR 2016, 526, Rn. 17). Ansatzpunkt für die bei einem Formularvertrag gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut (BGH, NJW-RR 2016, 526, Rn. 18 m.w.N.).
38Nach diesen Kriterien ergibt die Auslegung, dass der Jäger nur die Möglichkeit erhalten muss, einen Elch zu beschießen.
39(1)
40Unter dem Begriff „Chance“ ist nach allgemeinem Verständnis des Wortlauts eine „Möglichkeit“ zu verstehen. Dass diese Möglichkeit eine besonders gute oder besonders aussichtsreiche sein müsste, ist aus dem verwendeten Wortlaut nicht ersichtlich. Zwar beinhaltet der Begriff „Chance“, dass das erstrebte Ziel auch erreichbar sein muss, dies gilt aber ebenso für den Begriff „Möglichkeit“. Sowohl der Begriff „Chance“ als auch der Begriff „Möglichkeit“ setzen somit im konkreten Zusammenhang voraus, dass eine erfolgreiche Abgabe eines Schusses auf einen Elch nicht von vorherein ausgeschlossen sein darf.
41Aus dem Wortlaut der Regelung ergibt sich auch nicht, dass der Jäger ein bestimmtes Motiv für den Schuss haben muss.
42Soweit der Kläger die Regelung in Ziffer 1 Unterpunkt 8 der Reisebedingungen so auslegen will, dass der Fall einer fehlenden Trophäe dem Fall der fehlenden Chance gleichgesetzt sei, ist dies vom Wortlaut der Regelung nicht gedeckt. Dass keine Trophäe erzielt wurde, muss nämlich nicht mit der mangelnden Chance begründet sein, sondern kann aus anderen Umständen resultieren, nicht zuletzt der mangelnden Treffgenauigkeit des jeweiligen Jägers.
43(2)
44Doch selbst wenn man unter dem Begriff „Chance“ jedenfalls auch eine aussichtsreiche Möglichkeit verstehen könnte, so käme es entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (BGH, NJW-RR 2007, 1697, 1700). Jedenfalls danach ist unter dem Begriff „Chance“ nichts anderes als eine Möglichkeit zu verstehen, einen Elch zu beschießen. Verständige und redliche Vertragspartner der entsprechenden Verkehrskreise (vorliegend also Veranstalter von Jagdreisen und Jäger) können die Regelung objektiv nur so verstehen, dass die Regelung dem Jäger für entgangene „Jagdfreude“ einen Erstattungsanspruch zubilligen will. Für einen Jäger, der während seines Jagdaufenthalts keinen Elch zu Gesicht bekommt, also keine Möglichkeit hat, einen Elch zu beschießen, ist jeglicher Reiz der Jagd und somit der Jagdreise verloren gegangen. Gleiches gilt, soweit der Jäger zwar einen Elch sieht, eine Möglichkeit des Beschusses jedoch ausgeschlossen ist. Diesbezüglich soll der Jäger durch den Erstattungsanspruch „entschädigt“ werden. Demgegenüber ist die „Jagdfreude“ aber nicht entgangen, wenn der Jäger tatsächlich eine Möglichkeit erhalten hat, einen Elch zu beschießen, selbst wenn diese Möglichkeit nicht besonders aussichtsreich gewesen ist.
45bb)
46Unter Berücksichtigung dieser Auslegung, hatte der Kläger die Chance einen Elch zu beschießen.
47Dies erfordert nicht einmal, dass tatsächlich ein Schuss abgefeuert wurde. Es genügt die reine Möglichkeit, einen Elch zu beschießen. Das wird auch darin deutlich, dass der Kläger es andernfalls in der Hand hätte, die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs zu schaffen. Der Jäger könnte sonst zum Beispiel eine sich bietende Möglichkeit zum Schuss verweigern, um die Gefahr eines Fehlschusses zu verhindern und sich stattdessen den Erstattungsanspruch zu sichern.
48Gibt der Jäger jedoch einen Schuss ab, so macht er dadurch hinreichend deutlich, dass eine Chance zum Schuss bestand. Dass der Kläger geschossen hat, ist unstreitig. Er legt auch nicht dar, dass es ausgeschlossen gewesen sei, den Elch zu erlegen. Vielmehr hat er vorgetragen, dass die Möglichkeit keine besonders gute gewesen sei, weil das Tier teilweise verdeckt gewesen sei. Darauf kommt es aber (wie aufgezeigt) nicht an. Somit legt der Kläger letztlich selbst dar, dass er die Möglichkeit hatte, einen Elch zu beschießen.
49Auf das Motiv für den Schuss kommt es ebenso wenig an, wie auf die Frage, ob der Jäger eine Trophäe erzielt.
502.
51Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.500,00 € aus dem Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung, weil der Fall einer fehlenden Trophäe nicht geregelt sei. Insbesondere kann die ergänzende Vertragsauslegung nicht ergeben, dass der Fall der fehlenden Trophäe dem Fall der fehlenden Chance gleichzustellen wäre.
52Auch wenn es sich vorliegend um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, ist eine ergänzende Vertragsauslegung möglich, da eine (etwaige) Lücke des Vertrages nicht auf AGB-rechtlichen Einbeziehungs- oder Inhaltskontrollschranken beruht (BGH, NJW-RR 2007, 1697, Rn. 34).
53Die Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung sind jedoch nicht gegeben.
54a)
55Es besteht bereits keine Regelungslücke im Vertrag. Die ergänzende Vertragsauslegung setzt zunächst voraus, dass ein Vertrag innerhalb des durch ihn gesteckten Rahmens oder innerhalb der objektiv gewollten Vereinbarung ergänzungsbedürftig ist, weil eine Vereinbarung in einem regelungsbedürftigen Punkt fehlt. Allein der Umstand, dass ein Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält, besagt jedoch nicht, dass es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit handelt. Von einer solchen kann nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zu Grunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin wenn ohne die Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (BGH, NJW 2015, 1167, Rn. 24).
56Der Kläger beruft sich darauf, dass eine Regelungslücke vorliegt, weil der Vertrag keine Regelung für den Fall enthalte, bei dem der Jäger keine Trophäe erzielt. Dies ist jedoch unzutreffend. In den Reisebedingungen des Veranstalters finden sich zwei Regelungen zum Fall fehlender Trophäen.
57Zum einen findet sich in Ziffer 1 Unterpunkt 9 der Reisebedingungen eine Regelung für den Fall, dass der Jäger einen Elch angeschweißt hat (= das Wild verwunden, so dass Blut fließt) und zwei Fehlschüsse auf zwei verschiedene Elche abgegeben hat. In diesem Fall wird eine Erlegung fingiert. Da die Erlegung nur fingiert ist, fehlt denknotwendig eine Trophäe.
58Des Weiteren ist auch die Regelung der fehlenden Chance, einen Elch zu beschießen, in Ziffer 1 Unterpunkt 8 der Reisebedingungen eine Regelung für den Fall einer fehlenden Trophäe, da ohne eine Chance einen Elch zu beschießen, denknotwendig auch keine Trophäe vorliegen kann.
59Diese Regelungen sind jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die allein durch den Umstand einer fehlenden Trophäe nicht erfüllt sind.
60Dass der Regelungsplan der Parteien nicht zu verwirklichen wäre, wenn eine Bestimmung zu weiteren Fällen fehlender Trophäen unterbliebe, ist nicht ersichtlich. Dies wäre nur denkbar, wenn dem Jäger eine Zusicherung gegeben werden sollte, dass er eine Trophäe erhalte. Dies ist aber nicht ersichtlich. Dagegen spricht im Übrigen schon die Regelung in Ziffer 1 Unterpunkt 9 der Reisebedingungen, die eine Erlegung fingiert ohne dem Jäger eine Erstattung zuzubilligen, die sich auf das Fehlen der Trophäe stützt. Insbesondere nimmt die Regelung in Ziffer 1 Unterpunkt 9 der Reisebedingungen keinen Bezug auf die Regelung in Ziffer 1 Unterpunkt 8 der Reisebedingungen.
61b)
62Selbst wenn man dies aber anders sehen wollte, so fehlt es am erforderlichen hypothetischen Parteiwillen, außerhalb der geregelten Fälle einen Erstattungsbetrag für weitere Fälle fehlender Trophäen zu vereinbaren.
63Die ergänzende Vertragsauslegung richtet sich danach, was redliche und verständige Parteien bei Kenntnis der planwidrigen Regelungslücke nach dem Vertragszweck und sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) vereinbart hätten (BGH, NJW 2006, 54, Rn. 26).
64Es ist nicht ersichtlich, dass redliche und verständige Parteien über die zwei vorhandenen Regelungen hinaus, eine Erstattung für andere Fälle einer fehlenden Trophäe geregelt hätten, wenn sie das Fehlen einer solchen Regelung gesehen hätten.
65Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Veranstalter mit den Regelungen in Ziffer 1 Unterpunkte 8 und 9 der Reisebedingungen ausschließlich Extremfälle geregelt hat.
66Zum einen wurde der Fall geregelt, dass der Jäger überhaupt keine Möglichkeit erhält, einen Elch zu beschießen. Es wurde also ein Fall der entgangenen „Jagdfreude“ geregelt, für den der Jäger einen Erstattungsbetrag erhalten soll.
67Zum anderen wurde der Fall geregelt, dass der Jäger sogar mehrfach die Gelegenheit erhält, einen Elch zu beschießen und dabei sogar einen Elch anschweißt (= verwundet, so dass Blut fließt), ohne aber einen Elch zu erlegen. Für diesen Fall soll der Jäger so behandelt werden, als habe er einen Elch erlegt. Dies dürfte zum einen dazu führen, dass er, sollte er später noch einen Elch erlegen, die Gebühr für die Erlegung eines zweiten Elchs zahlen muss. Zum anderen dürfte der Jäger aber auch den Vorteil erhalten, kostenlos einen Biber erlegen zu können.
68Wenn aber die Extremfälle (keine Möglichkeit und sehr viele Möglichkeiten) geregelt werden, spricht dies dafür, dass die Fallkonstellation zwischen den Extremfällen nicht geregelt werden sollten. Es ist auch nicht ersichtlich, warum auf Seiten eines redlichen und verständigen Veranstalters eine Erstattungspflicht für den jeden Fall einer fehlenden Trophäe geregelt werden sollte.
69Auch eine sachgemäße Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben rechtfertigt keine andere Beurteilung. Würde dem Jäger bereits dann ein Erstattungsanspruch zugebilligt, wenn er keine Trophäe erzielt, würde man den Interessen des Jägers unverhältnismäßig den Vorzug geben. Die gewünschte Auslegung des Klägers hätte nämlich zur Folge, dass insbesondere der schlechte Jäger über die Maßen bevorteilt würde. Der Jäger, der zahllose Gelegenheiten zum Beschuss eines Elches erhält, aber nur Fehlschüsse produziert, würde gerade besser gestellt, als derjenige der gegebenenfalls nur zwei Fehlschüsse vorgenommen und einen Elch angeschweißt hat. Zudem läge es letztlich allein in der Hand des Jägers, durch Weigerung der Abgabe eines Schusses den Eintritt der Erlegungsfiktion der Ziffer 1 Unterpunkt 9 der Reisebedingungen zu verhindern, um sich jedenfalls einen Erstattungsbetrag in Höhe von 1.500,00 € zu sichern. Ein Erstattungsanspruch für den Fall einer fehlenden Trophäe würde darüber hinaus auch die Interessen des Reiseveranstalters übermäßig zurückdrängen, da durch einen solchen Erstattungsanspruch dem Jäger letztlich eine Garantie auf eine Trophäe gegeben würde, obwohl entsprechende Versprechen seitens des Reiseveranstalters nicht geäußert wurden.
703.
71Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 500,00 € gemäß Ziffer 1 Unterpunkt 7 der Reisebedingungen des Veranstalters.
72Nach dieser Regelung ist ein Betrag in Höhe von 500,00 € zu erstatten, wenn „der Hirsch unter 6 kg Trophäengewicht“ hat. Hier ist durch Auslegung zu ermitteln, ob auch das Fehlen einer Trophäe unter den Fall eines Trophäengewichts unter 6 kg fällt und zu einem Erstattungsbetrag von 500,00 € führen kann.
73Die Auslegung ergibt jedoch, dass Ziffer 1 Unterpunkt 7 der Reisebedingungen die Erlegung eines Elches zur Voraussetzung hat.
74Die bei Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorrangige Auslegung nach dem Wortlaut steht der Auslegung nicht zwingend im Wege, dass auch die fehlende Trophäe ein Fall eines Trophäengewichts unter 6 kg ist.
75Allerdings ist des Weiteren zu berücksichtigen wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Der verständige und redliche Vertragspartner wird jedoch erkennen und wollen, dass Ziffer 1 Unterpunkt 7 der Reisebedingungen die Erlegung eines Elches zur Voraussetzung hat. Der gesamte Kontext der Regelung der Ziffer 1 der Reisebedingungen macht deutlich, dass die Erlegung des Elches erforderlich ist. Alle übrigen Regelungen der Ziffer 1 Unterpunkte 1-6 der Reisebedingungen, die auf das Gewicht der Trophäen abstellen, nehmen ausdrücklich Bezug auf die Erlegung eines Elches. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Ziffer 1 Unterpunkt 7 der Reisebedingungen (Gewicht unter 6 kg = Erstattung) offensichtlich das Gegenstück zu Ziffer 1 Unterpunkt 1 der Reisebedingungen (Gewicht über 8 kg = Zuzahlung) bildet.
76Somit sind die Voraussetzungen der Ziffer 1 Unterpunkt 7 der Reisebedingungen nicht erfüllt. Der Kläger bestreitet, einen Elch erlegt zu haben. Insbesondere bestreitet der Kläger, dass die von der Beklagten angebotene Trophäe, zu dem von ihm beschossenen Elch gehört, so dass ein Erstattungsanspruch selbst dann nicht gegeben wäre, wenn die angebotene Trophäe ein Gewicht unterhalb von 6 kg haben würde.
774.
78Mangels einer Hauptforderung steht dem Kläger auch kein Ersatz für vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu.
79II.
80Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
81Der Streitwert wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.
82Rechtsbehelfsbelehrung:
83A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
841. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
852. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
86Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Mönchengladbach, I-Straße, 41061 Mönchengladbach, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
87Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Mönchengladbach zu begründen.
88Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Mönchengladbach durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
89Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
90B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Mönchengladbach statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Mönchengladbach, I-Straße, 41061 Mönchengladbach, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
91Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
92Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
93Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
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