Urteil vom Amtsgericht Nürtingen - 11 C 790/09

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger als Mitgläubiger 1.479,- EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 01.04.2009 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden ferner verurteilt, als Gesamtschuldner die Kläger hinsichtlich der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 223,72 EUR gegenüber den Honoraransprüchen der Rechtsanwälte B. & K. freizustellen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

4. Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 1.479,- EUR .

Tatbestand

 
Mit der am 11.05.2009 beim Amtsgericht Nürtingen eingegangenen Klage verlangen die beiden Kläger als Geschädigte von den Beklagten als Tierhalter zweier Katzen gemäß § 833 BGB vollen Schadenersatz in Höhe von 1.479,- EUR, weil die Katzen der Beklagten bei einem Unterbringungsaufenthalt bei den Klägern Mobiliar der Kläger stark verkratzt haben.
Die beiden Kläger einerseits und die Beklagten andererseits sind seit längerem untereinander befreundet und sind es auch nach Klageerhebung noch.
Wie in der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2009 unstreitig wurde, haben die Beklagten in der Zeit vor dem 26.09.2008 mehrfach, insgesamt acht mal, die von den Beklagten gehaltenen Hauskatzen während der Dauer von mehrtägigen Ortsabwesenheiten der Beklagten, den Klägern zur Betreuung und Pflege und Aufsicht übergeben, wobei die Aufsicht in der Wohnung der Kläger jeweils stattfand.
Es wurde ebenfalls unstreitig, dass die beiden Katzen mittels einer sogenannten Transportbox bei den Klägern angeliefert wurden und zum Gepäck der Katzen auch ein sogenannter Katzenbaum gehörte (der Katzenbaum hat die Bestimmung, dass die Katzen sich an diesem ihre Krallen abschleifen können).
Bei den dem Aufenthalt vom 26.09.2008 - 28.09.2008 vorangegangenen Aufenthalten kam es unstreitig zu keinerlei Beschädigungen durch die Katzen an der Wohnung oder dem Mobiliar der Kläger.
Wie ebenfalls durch Erklärung beider Beklagten in der mündlichen Verhandlung unstreitig wurde (zuvor hatten die von der hinter den Beklagten stehenden Haftpflichtversicherung der Beklagten beauftragten Prozessbevollmächtigten der Beklagten sich mit Nichtwissen im Sinne des Bestreitens gemäß § 138 Abs. IV ZPO eingelassen), haben die Katzen mit ihren Krallen während der Aufenthaltsdauer bei den Klägern einen Esstisch und eine Couchgarnitur (beide Möbel waren mit Leder bezogen) zerkratzt und mit Löchern versehen, vgl. im Einzelnen die Lichtbilder Bl. 14 ff. d. Gerichtsakten.
Die Couchgarnitur hatten die Kläger am 22.05.2008 zum Preise von 1.169,- EUR und den Tisch am 05.07.2008 zum Preise von 285,- EUR erworben.
Die Summe dieser beiden Beträge zuzüglich einer Kostenpauschale von 25,- EUR bilden die Hauptforderung der Klage mit 1.479,- EUR.
Unstreitig hatten die Kläger ihre Wohnung, in welcher sich die Katzen der Beklagten aufhielten, am 27.09.2008 zu Einkaufszwecken verlassen, ohne die Katzen in der Transportbox eingeschlossen zu haben, vielmehr durften sich die Katzen wie bis dahin auch frei in der Wohnung bewegen.
10 
Die Prozessbevollmächtigten der Kläger haben die Haftpflichtversicherung, an welche die Beklagten die Kläger verwiesen haben, mit Schreiben vom 18.03.2009 zur Schadensregulierung aufgefordert.
11 
Die Haftpflichtversicherung der Beklagten hat mit Schreiben vom 31.03.2009 die Haftung abgelehnt, vgl. Anlage 3, Bl. 7 d. Gerichtsakten.
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Die Kläger verlangen daher neben der Hauptsumme auch noch außergerichtlich angefallene Anwaltskosten aus Streitwert 1.479,- EUR, wegen der Berechnung wird auf Seite 4 der Klageschrift Bezug genommen.
13 
Die Kläger haben beantragt
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wie in Tenor Ziffer 1 und Ziffer 2 dieses Urteils für Recht erkannt.
15 
Die Beklagten haben
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Klageabweisung beantragt .
17 
Sie haben Zweifel bezüglich der Höhe des geltend gemachten Schadens.
18 
Die Beklagten hat durch ihren von der Versicherung gestellten Anwalt vortragen lassen, dass die Kläger dazu berufen und faktisch in der Lage gewesen seien, die Rechtsgüter der Kläger vor der vermeintlichen Tiergefahr zu schützen. Die Kläger seien zum schadenstiftenden Zeitpunkt Tierhüter gewesen. Die Kläger hätten keine ausreichenden und geeigneten Vorkehrungen getroffen und mithin die erforderliche eigene Sorgfalt nicht beachtet, um den Schaden zu vermeiden. Im Übrigen müsse von einem stillschweigenden Haftungsverzicht ausgegangen werden, zumal es die Kläger selbst in der Hand hatten, das Tierverhalten zu beeinflussen, etwa dadurch, dass sie die Tiere von den schützenswerten Gegenständen der Kläger fernhielten.
19 
Ein Anspruch scheide schon tatbestandsmäßig aus. Im Übrigen würde er nach Maßgabe des § 254 BGB scheitern.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen sowie ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2009 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet.
22 
I. Zum Haftungsgrund:
23 
Die Beklagten haften als unstreitige Tierhalter im Sinne von § 833 Satz 1 BGB den Klägern auf Ersatz des Schadens, der durch das unstreitige Kratzverhalten der Katzen der Beklagten am Eigentum der Kläger entstanden ist. Die Katzen der Beklagten sind sogenannte „Luxustiere“, für die die Haftungsprivilegierung des Satzes 2 von § 833 BGB nicht gilt.
24 
Der Umstand, weshalb die Kläger in den Besitz der Katzen der Beklagten gekommen sind, liegt in einem freundschaftlichen Gefälligkeitsverhältnis, da die Kläger es übernommen haben, die Katzen der Beklagten während deren Ortsabwesenheit in ihren heimischen Bereich zur Pflege und Hüte aufzunehmen.
25 
Dafür, dass die Kläger mit der Gefälligkeit, die sie den Beklagten erweisen, gegenüber den Beklagten auch einen umfassenden Haftungsverzicht stillschweigend vereinbaren wollten, im Hinblick auf die Tierhalterhaftung, gibt der Sachverhalt keinerlei Anhalt.
26 
Allerdings unterliegen die Kläger als sogenannte Tieraufseher im Sinne des § 834 BGB einem eigenen Pflichtenprogramm. Dies bedeutet im Verhältnis zu den Beklagten als Tierhalter, dass sie auch für den Schaden, den die Tiere an dem Eigentum der Kläger angerichtet haben, die Verantwortung zu übernehmen haben, es sei denn, sie hätten bei der Führung der Aufsicht über die Tiere die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet.
27 
Dies bedeutet, auf den konkreten Fall angewandt, dass die Kläger keinen Anspruch auf Schadenersatz gegenüber den Beklagten hätten, wenn sie sich einer Sorgfaltspflichtverletzung bei der Führung der Aufsicht über die Tiere schuldig gemacht hätten.
28 
Hier ist somit die Frage zu beantworten, ob die Kläger verpflichtet waren, während der Zeit ihrer Abwesenheit, bezogen auf die Wohnung, in der sich die Katzen aufhielten, diese in die Transportbox einzusperren.
29 
Das Gericht verneint im konkreten Falle diese Pflicht, da sich die konkreten Katzen bereits bei achtmaligen früheren Aufenthalten bei den Klägern als nicht schadenstiftend gezeigt haben und den Katzen zur Betätigung ihrer Krallen der mitgelieferte Katzenbaum zur Verfügung stand, den die Katzen in der Vergangenheit auch benutzt haben.
30 
Wollte man anders entscheiden, müsste den Klägern auch bei ihrem eigenen Aufenthalt in der Wohnung, aber in einem anderen Raum als dem, in dem sich die Katzen aufhalten (etwa wenn in einem Bügelzimmer gebügelt wird und die Katzen halten sich im Wohnzimmer auf), ständig angesonnen werden, die Katzen in der Katzenbox einzusperren. Nur so würde die absolute Kontrolle der gefälligkeitshalber handelnden Kläger über die Katzen gewährleistet sein. Dieses Pflichtenprogramm hält das Gericht für überzogen und wäre auch nicht im Sinne der Beklagten selbst gewesen.
31 
In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass es eben einen Unterschied macht, ob die Katzen bei Übergabe während einer mehrtägigen Ortsabwesenheit der Halter zur Aufsicht und Pflege vorübergehend einem Tierheim oder wie hier Freunden anvertraut werden. Im ersteren Fall ist zu erwarten, dass die Katzen in einem Käfig gehalten werden. Davon haben die Beklagten Abstand genommen und die Katzen den befreundeten Klägern übergeben. Sinn dieses Tuns ist, dass den Katzen eine größtmögliche Bewegungsfreiheit ermöglicht wird.
32 
Nach allem verneint somit das Gericht einen Sorgfaltsverstoß der Kläger im Sinne des § 834 Satz 2 BGB, es bleibt bei der grundsätzlichen Tierhalterhaftung gemäß § 833 BGB für die „Luxustiere“.
33 
II. Zur Schadenshöhe:
34 
Nachdem durch Erklärung der Beklagten die Schadenstiftung durch die Katzen der Beklagten unstreitig geworden ist und die beiden beschädigten Möbelstücke im Mai bzw. Juli 2008 neuwertig angeschafft wurden, und das Gericht die Einschätzung der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2009 teilt, dass eine Reparatur der Ledermöbel im Zweifel mutmaßlich teurer wäre als die Neuanschaffung derselben, kann der Bemessung des Schadens der Anschaffungspreis zugrunde gelegt werden.
35 
Da es sich um eine unerlaubte Handlung handelt, ist auch die Beanspruchung der Kostenpauschale von 25,- EUR zu billigen.
36 
Den Klägern war mithin der begehrte Schadenersatz in vollem Umfang zuzusprechen.
37 
Der Zinsbeginn mit dem 01.04.2009 ist zutreffend gewählt, da die für die Beklagten handelnde und den Anspruch der Kläger ablehnende Versicherung mit Schreiben vom 31.03.2009 jede Haftung ablehnte.
38 
Die von den Klägern mit Klageantrag Ziffer 2 beanspruchten außergerichtlichen Anwaltskosten aus Gegenstandswert 1.479,- EUR sind von den Klägervertretern zutreffend berechnet worden, vgl. Seite 4 der Klageschrift. Der Freistellungsanspruch, den die Kläger geltend gemacht haben, ist mithin unter dem Gesichtspunkt der Naturalrestitution ebenfalls begründet.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 Abs. IV ZPO.
40 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils stützt sich auf § 709 ZPO.

Gründe

 
21 
Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet.
22 
I. Zum Haftungsgrund:
23 
Die Beklagten haften als unstreitige Tierhalter im Sinne von § 833 Satz 1 BGB den Klägern auf Ersatz des Schadens, der durch das unstreitige Kratzverhalten der Katzen der Beklagten am Eigentum der Kläger entstanden ist. Die Katzen der Beklagten sind sogenannte „Luxustiere“, für die die Haftungsprivilegierung des Satzes 2 von § 833 BGB nicht gilt.
24 
Der Umstand, weshalb die Kläger in den Besitz der Katzen der Beklagten gekommen sind, liegt in einem freundschaftlichen Gefälligkeitsverhältnis, da die Kläger es übernommen haben, die Katzen der Beklagten während deren Ortsabwesenheit in ihren heimischen Bereich zur Pflege und Hüte aufzunehmen.
25 
Dafür, dass die Kläger mit der Gefälligkeit, die sie den Beklagten erweisen, gegenüber den Beklagten auch einen umfassenden Haftungsverzicht stillschweigend vereinbaren wollten, im Hinblick auf die Tierhalterhaftung, gibt der Sachverhalt keinerlei Anhalt.
26 
Allerdings unterliegen die Kläger als sogenannte Tieraufseher im Sinne des § 834 BGB einem eigenen Pflichtenprogramm. Dies bedeutet im Verhältnis zu den Beklagten als Tierhalter, dass sie auch für den Schaden, den die Tiere an dem Eigentum der Kläger angerichtet haben, die Verantwortung zu übernehmen haben, es sei denn, sie hätten bei der Führung der Aufsicht über die Tiere die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet.
27 
Dies bedeutet, auf den konkreten Fall angewandt, dass die Kläger keinen Anspruch auf Schadenersatz gegenüber den Beklagten hätten, wenn sie sich einer Sorgfaltspflichtverletzung bei der Führung der Aufsicht über die Tiere schuldig gemacht hätten.
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Hier ist somit die Frage zu beantworten, ob die Kläger verpflichtet waren, während der Zeit ihrer Abwesenheit, bezogen auf die Wohnung, in der sich die Katzen aufhielten, diese in die Transportbox einzusperren.
29 
Das Gericht verneint im konkreten Falle diese Pflicht, da sich die konkreten Katzen bereits bei achtmaligen früheren Aufenthalten bei den Klägern als nicht schadenstiftend gezeigt haben und den Katzen zur Betätigung ihrer Krallen der mitgelieferte Katzenbaum zur Verfügung stand, den die Katzen in der Vergangenheit auch benutzt haben.
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Wollte man anders entscheiden, müsste den Klägern auch bei ihrem eigenen Aufenthalt in der Wohnung, aber in einem anderen Raum als dem, in dem sich die Katzen aufhalten (etwa wenn in einem Bügelzimmer gebügelt wird und die Katzen halten sich im Wohnzimmer auf), ständig angesonnen werden, die Katzen in der Katzenbox einzusperren. Nur so würde die absolute Kontrolle der gefälligkeitshalber handelnden Kläger über die Katzen gewährleistet sein. Dieses Pflichtenprogramm hält das Gericht für überzogen und wäre auch nicht im Sinne der Beklagten selbst gewesen.
31 
In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass es eben einen Unterschied macht, ob die Katzen bei Übergabe während einer mehrtägigen Ortsabwesenheit der Halter zur Aufsicht und Pflege vorübergehend einem Tierheim oder wie hier Freunden anvertraut werden. Im ersteren Fall ist zu erwarten, dass die Katzen in einem Käfig gehalten werden. Davon haben die Beklagten Abstand genommen und die Katzen den befreundeten Klägern übergeben. Sinn dieses Tuns ist, dass den Katzen eine größtmögliche Bewegungsfreiheit ermöglicht wird.
32 
Nach allem verneint somit das Gericht einen Sorgfaltsverstoß der Kläger im Sinne des § 834 Satz 2 BGB, es bleibt bei der grundsätzlichen Tierhalterhaftung gemäß § 833 BGB für die „Luxustiere“.
33 
II. Zur Schadenshöhe:
34 
Nachdem durch Erklärung der Beklagten die Schadenstiftung durch die Katzen der Beklagten unstreitig geworden ist und die beiden beschädigten Möbelstücke im Mai bzw. Juli 2008 neuwertig angeschafft wurden, und das Gericht die Einschätzung der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2009 teilt, dass eine Reparatur der Ledermöbel im Zweifel mutmaßlich teurer wäre als die Neuanschaffung derselben, kann der Bemessung des Schadens der Anschaffungspreis zugrunde gelegt werden.
35 
Da es sich um eine unerlaubte Handlung handelt, ist auch die Beanspruchung der Kostenpauschale von 25,- EUR zu billigen.
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Den Klägern war mithin der begehrte Schadenersatz in vollem Umfang zuzusprechen.
37 
Der Zinsbeginn mit dem 01.04.2009 ist zutreffend gewählt, da die für die Beklagten handelnde und den Anspruch der Kläger ablehnende Versicherung mit Schreiben vom 31.03.2009 jede Haftung ablehnte.
38 
Die von den Klägern mit Klageantrag Ziffer 2 beanspruchten außergerichtlichen Anwaltskosten aus Gegenstandswert 1.479,- EUR sind von den Klägervertretern zutreffend berechnet worden, vgl. Seite 4 der Klageschrift. Der Freistellungsanspruch, den die Kläger geltend gemacht haben, ist mithin unter dem Gesichtspunkt der Naturalrestitution ebenfalls begründet.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 Abs. IV ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils stützt sich auf § 709 ZPO.

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