Beschluss vom Amtsgericht Siegburg - 324 F 21/21
Tenor
Der Antrag der Antragstellerinnen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 2.) und die Antragstellerin zu 3.) zu gleichen Teilen.
Verfahrenswert: 2.000,- €.
1
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin zu 1.) ist die leibliche Tochter der Antragstellerin zu 2.), welche mit der Antragstellerin zu 3.) verheiratet ist. Leiblicher Vater der Antragstellerin zu 1.) ist ein mit den Beteiligten bekannter Samenspender. Die Antragstellerinnen zu 2.) und zu 3.) sind bereits Eltern der im Jahr 2017 geborenen M7, die von dem gleichen Samenspender abstammt und von der Antragstellerin zu 3.) adoptiert wurde.
4Die Beteiligten begehren nun die Feststellung, dass zwischen der Antragstellerin zu 1.) und der Antragstellerin zu 3.) ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht. Sie stützen ihren Antrag auf § 1592 Nr. 1 BGB und sind der Auffassung, dass diese Vorschrift auch die Anerkennung der Mutterschaft durch die Ehefrau der leiblichen Mutter erfasse. Jedenfalls aber müsse die gesetzliche Regelung analog auf eine derartige Konstellation angewandt werden, da eine planwidrige Regelungslücke bei nahezu identischer Interessenlage vorliege. Die bei der Schaffung des Abstammungsrechts herrschende Vorstellung des Gesetzgebers, wonach Kinder nur in einer Beziehung zwischen Mann und Frau entstehen könnten, sei überholt und entspreche nicht mehr der heutigen Realität mit mehr als zwei Geschlechtern und verschiedensten Familienformen. Aufgrund der gesetzgeberischen Hast bei der Einführung der „Ehe für alle“ sei es dann unterblieben, auch das Abstammungsrecht zu reformieren. Die Interessenlage von Kindern und Eltern sei in einer Ehe zwischen homosexuellen Partnern nicht anders als in einer Ehe zwischen Mann und Frau. Allein die Tatsache, dass der Ehepartner der leiblichen Mutter kein Mann sei, rechtfertige keine Ungleichbehandlung, zumal das geltende Abstammungsrecht bereits jetzt keine biologische Abstammung des Kindes von seinem Elternteil voraussetze. Eine abstammungsrechtliche Gleichbehandlung von Kindern aus homosexuellen Partnerschaften sei im Übrigen schon verfassungsrechtlich geboten, um eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung dieser Familien zu vermeiden. Den Kindern werde verwehrt, von Geburt an zwei rechtliche Elternteile zu erhalten und die Eltern würden auf das diskriminierende und demütigende Adoptionsverfahren verwiesen, welches gar nicht auf ihre familiäre Situation ausgelegt sei.
5II.
6Der Antrag der Antragstellerinnen ist unbegründet.
7Für die begehrte Feststellung des Mutter-Kind-Verhältnisses zwischen den Antragstellerinnen zu 1.) und zu 3.) fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen erfasst § 1592 Nr. 1 BGB die vorliegende Konstellation weder in direkter noch in analoger Anwendung.
8Eine direkte Anwendung von § 1592 Nr. 1 BGB auf die Mit-Mutterschaft ist mit dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, welcher die Vaterschaft eines mit der Mutter verheirateten Mannes zum Inhalt hat, nicht in Einklang zu bringen. Auch ihrem Sinn und Zweck nach soll die Vorschrift nicht die Elternschaft von zwei Menschen gleichen Geschlechts normieren, sondern geht, wie das Abstammungsrecht insgesamt, davon aus, dass ein Kind einem männlichen und einem weiblichen Elternteil zugeordnet ist (BGH, FamRZ 2018, 1919, Rz. 12 f.).
9Eine entsprechende Anwendung von § 1592 Nr. 1 BGB scheidet ebenfalls aus. Voraussetzung für eine solche Analogie wäre, dass eine planwidrige Regelungslücke hinsichtlich eines Sachverhalts besteht, den der Gesetzgeber in gleicher Weise geregelt hätte. An beiden Voraussetzungen fehlt es hier. Es besteht keine planwidrige Regelungslücke, da der Gesetzgeber bei Einführung der „Ehe für alle“ bewusst von einer Reform des Abstammungsrechts Abstand genommen hat. Ziel der damaligen Reform war es, das Ehe- und Adoptionsrecht anzugleichen; Das Abstammungsrecht, welches gesetzessystematisch keine Wirkung der Ehe ist, war hiervon nicht erfasst. Dass es sich insoweit um ein Versehen des Gesetzgebers handelt, kann ausgeschlossen worden, nachdem ein vom Justizministerium zur Vorbereitung der Reform des Abstammungsrechts eingesetzter Arbeitskreis wenige Tage vor Verabschiedung des Gesetzes zur „Ehe für alle“ seine Ergebnisse vorgelegt hatte (BGH, FamRZ 2018, 1919, Rz. 17-20). Überdies besteht keine Vergleichbarkeit zwischen der mit § 1592 Nr. 1 BGB geregelten Vaterschaft des Ehemannes und der Mit-Mutterschaft einer mit der Kindesmutter verheirateten Frau. Zunächst zutreffend verweisen die Antragstellerinnen darauf, dass die soziale Situation insoweit durchaus vergleichbar ist, als dass beide Eheleute das Kind versorgen und betreuen, also in tatsächlicher Hinsicht für es Verantwortung übernehmen. Der wesentliche Unterschied besteht allerdings darin, dass die Vaterschaft kraft Ehe regelmäßig die biologische Abstammung abbildet. Die mit der Kindesmutter verheiratete Frau ist demgegenüber in aller Regel nicht mit dem Kind biologisch verwandt und nahezu immer von dem leiblichen Vater personenverschieden. Dass in beide Richtungen Ausnahmen bestehen, etwa wenn der Ehemann wegen einer Samenspende nicht der leibliche Vater ist oder das Kind aus einer (nach deutschem Recht verbotenen) Eizellenspende der mit der Kindesmutter verheirateten Frau stammt, ändert an diesem Grundsatz nichts. Hinzu kommt, dass bei einer Begründung der Mit-Mutterschaft durch die Ehe komplexe Folgefragen wie die Anfechtbarkeit einer solchen Mit-Mutterschaft und die Stellung des leiblichen Vaters im Zuge einer umfassenden Reform des Abstammungsrechts durch den Gesetzgeber zu klären wären. In Anbetracht dieser grundlegenden tatsächlichen Unterschiede und der resultierenden Folgefragen lässt sich der Schluss, der Gesetzgeber habe auch die Mit-Mutterschaft unter § 1592 Nr. 1 BGB fassen wollen, nicht ziehen (BGH, FamRZ 2018, 1919, Rz. 22 f.).
10Das dargestellte geltende Abstammungsrecht ist auch nicht verfassungsrechtlich zu beanstanden (BGH, FamRZ 2018, 1919, Rz. 24 ff.). Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen werden weder gleichgeschlechtliche Ehepaare, noch die in solche Ehen geborenen Kinder durch das geltende Recht i.S.d. Art. 3 GG benachteiligt. Ein zulässiges Differenzierungskriterium zwischen den Familienkonstellationen mit verschiedengeschlechtlichen und gleichgeschlechtlichen Eheleuten besteht schlicht darin, dass Mann und Frau biologisch in der Lage sind, neues Leben hervorzubringen, während dies bei zwei Frauen oder zwei Männern nicht der Fall ist. Daraus resultiert wie ausgeführt, dass der Ehemann der Kindesmutter im Regelfall auch der Vater des in die Ehe geborenen Kindes sein wird, während eine mit der Mutter verheiratete Frau nahezu nie mit deren Kind biologisch verwandt ist. Es ist dem Gesetzgeber unbenommen, an diese biologischen Realitäten anzuknüpfen und die Vermutung des § 1592 Nr. 1 BGB auf verschiedengeschlechtliche Ehen zu beschränken, um eine möglichst große Übereinstimmung zwischen der qua Gesetzes eintretenden Elternschaft und der leiblichen Abstammung zu erreichen. Er ist nicht verfassungsrechtlich gezwungen, dieses legitime Ziel insgesamt aufzugeben, weil er sieht (wie § 1600d Abs. 4 BGB für den Fall der Samenspende zeigt), dass seine Vermutung im Einzelfall unzutreffend sein kann. Dies gilt umso mehr, als den Interessen der in gleichgeschlechtliche Ehen geborenen Kinder durch das Adoptionsverfahren ausreichend Rechnung getragen werden kann. Inwieweit ein solches Adoptionsverfahren für die betroffenen Familien diskriminierend oder gar demütigend sein soll, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Lediglich ergänzend sei darauf verwiesen, dass die Auffassung der Antragstellerinnen, eine verfassungskonforme Regelung könne durch die Anpassung von § 1592 Nr. 1 BGB erreicht werden, nicht frei von Widersprüchen ist. Zwar wäre dann eine vollständige Angleichung der Ehe zweier weiblicher Eheleute mit der verschiedengeschlechtlichen Ehe vollzogen, es würden aber andere, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Positionen tangiert, wie etwa die Rechte des leiblichen Vaters und das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung. Schließlich könnten zwei männliche Ehegatten, die gemeinsam Verantwortung für ein neugeborenes Kind tragen wollen, auf eine unzulässige Diskriminierung gegenüber zwei weiblichen Ehegatten verweisen, da sonst die biologische Unterscheidung zwischen den Geschlechtern doch wieder eine Rolle spielt. Es handelt sich hierbei insgesamt um ein hochkomplexes Themenfeld, bei welchem der Gesetzgeber sich bemühen muss, eine bestmögliche Konkordanz zwischen den verschiedenen, verfassungsrechtlich verbürgten Rechtspositionen herzustellen. Hierbei dem Gesetzgeber durch eine richterliche Rechtsfortbildung Vorgaben zu machen, ist weder verfassungsrechtlich erforderlich, noch sonst angezeigt.
11Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.
12Rechtsbehelfsbelehrung:
13Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Siegburg, Neue Q-Straße, S2 schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
14Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Siegburg eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
15Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
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