Urteil vom Amtsgericht Stuttgart - 33 C 2614/15

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert: EUR 5.199,60

Tatbestand

 
Der Kläger verlangt als Vermieter des Beklagten Räumung und Herausgabe einer Wohnung, gestützt auf zwei Kündigungen wegen Zahlungsverzug.
Der Beklagte ist seit Oktober 1991 Mieter der im 4. OG links … gelegenen 3-Zimmer-Wohnung. Der Kläger ist als neuer Eigentümer des Objekts nachträglich in das Mietverhältnis eingetreten.
Die monatliche Gesamtmiete beläuft sich auf EUR 433,30.
Mit Anwaltsschreiben vom 17.03.2014 (K2, Bl. 17 ff. d. A.) sprach der Kläger die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses aus. Zur Begründung sind in dem Kündigungsschreiben Zahlungsrückstände des Beklagten im Zeitraum Januar 2011 bis März 2014 in Höhe von insgesamt EUR 2.194,32 genannt. Außerdem finden sich in dem Kündigungsschreiben Hinweise auf titulierte Forderungen des Klägers gegen den Beklagten.
Diese Kündigung war Gegenstand des Verfahrens 33 C 3756/14 (siehe Aktenauszug, Bl. 54 ff. d. A.). Die Räumungsklage vom 04.08.2014 wurde dem Beklagten am 06.08.2014 zugestellt. Am 01.09.2014 gab das Jobcenter der Stadt Stuttgart eine Übernahmeverpflichtung zugunsten des Beklagten ab (Bl. 59 d. A.). Mit Anwaltsschriftsatz vom 17.09.2014 (Bl. 60 d. A.) erklärte der Kläger den Rechtsstreit im Hinblick auf die Übernahmeverpflichtung in der Hauptsache für erledigt. In dem Schriftsatz ist darüber hinaus ausgeführt, der Kläger halte an der ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses fest und behalte sich die Erhebung einer erneuten Räumungsklage vor, sofern der Beklagte das Mietobjekt nicht bis zum 31.12.2014 geräumt an den Kläger herausgegeben haben sollte.
Der Beklagte schloss sich der Erledigungserklärung des Klägers an und gab eine Kostenübernahmeerklärung ab (Schreiben vom 24.09.2014, Bl. 61 d. A.). Der Kostenbeschluss datierte vom 26.09.2014.
Mit Anwaltsschreiben vom 19.02.2015 (K4, Bl. 25 f. d. A.) wies der Kläger darauf hin, dass sich durch die Übernahmeerklärung lediglich die außerordentliche Kündigung erledigt habe, während die ordentliche Kündigung wirksam geblieben sei. Im Hinblick darauf wurde der Beklagte aufgefordert, das Mietobjekt bis spätestens 31.03.2015 geräumt herauszugeben.
Die Räumungsklage im vorliegenden Verfahren datiert vom 08.05.2015. In der Klageschrift unter Ziff. 8 (Bl. 6 d. A.) sprach der Kläger erneut die außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs aus. Zur Begründung ist ausgeführt, der Beklagte habe weiterhin die Miete unregelmäßig und nicht in voller Höhe bezahlt. Nachfolgend sind Zahlungseingänge des Jahres 2015 dargestellt.
Der Kläger trägt vor,
das Festhalten an der ordentlichen Kündigung trotz erfolgter Schonfristzahlung sei nicht rechtsmissbräuchlich. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 17.03.2014 sei wirksam. Angesichts der Gesamtumstände liege eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Beklagten vor.
10 
Die übereinstimmende Erledigungserklärung im vorangegangenen Rechtsstreit stehe der Erhebung einer neuen Räumungsklage nicht entgegen.
11 
Auch die im vorliegenden Verfahren ausgesprochene Kündigung sei wirksam, denn für eine ordentliche Kündigung sei es ausreichend, wenn der Mietrückstand eine Monatsmiete übersteige und der Verzug länger als einen Monat andauere.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
den Beklagten zu verurteilen, die Wohnung im 4. OG links des Objektes …, bestehend aus 3 Zimmern, Küche und Bad zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.
14 
Der Beklagte beantragt,
15 
die Klage abzuweisen.
16 
Er trägt vor,
im Hinblick auf die übereinstimmende Erledigungserklärung im vorangegangenen Verfahren verbiete sich zumindest nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ein Rückgriff auf die Erstklage.
17 
Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 17.03.2014 sei unwirksam, denn dem Beklagten könne kein Verschulden und Fehlverhalten vorgeworfen werden.
18 
Die in der Klageschrift vom 08.05.2015 enthaltene fristlose Kündigung sei unwirksam, da der Rückstand unter Berücksichtigung einer mehrmonatigen Überzahlung unter einer Monatsmiete gelegen habe.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze und die mit diesen vorgelegten Unterlagen verwiesen.
20 
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2015 beide Parteien angehört. Auf das Protokoll nebst Anhang (Bl. 74 ff. d. A.) wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die Klage ist unbegründet. Weder die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 17.03.2014 noch die Kündigungen aus der Klageschrift vom 08.05.2015 haben das Mietverhältnis zwischen den Parteien wirksam beendet.
I.
22 
Wie im Anhang zum Sitzungsprotokoll vom 20.07.2015 ausgeführt, hält das Gericht an seiner Ansicht fest, dass, soweit die Zweitklage nicht auf neue Tatsachen gestützt wird, der Beklagte ihr den Einwand der erledigten Sache entgegenhalten kann (siehe Münchner Kommentar, ZPO, 4. Auflage, § 91a RN 42 m.w.N.; Zöller ZPO, 30. Auflage, § 91a RN 28).
23 
So ist im Kommentar Zöller ZPO ausdrücklich ausgeführt, dass für den Fall, dass der Beklagte der Erledigungserklärung der Klägerseite zugestimmt hat, diese auch regelmäßig eingetreten und eine neue Klage daher aussichtslos ist.
24 
Zumindest verstößt die erneute Klageerhebung trotz übereinstimmender Erledigungserklärung vorliegend nach Auffassung des Gerichts gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB. Zwischen dem Ausspruch der Kündigung vom 17.03.2014 und der Erhebung der Räumungsklage im vorliegenden Verfahren liegt ein Zeitraum von einem Jahr und zwei Monaten. Zwischen der Erledigungserklärung im vorangegangenen Verfahren und der Räumungsklage liegt ein Zeitraum von immerhin 8 Monaten. Angesichts dieses Zeitablaufs konnte und durfte der Beklagte darauf vertrauen, dass auf die Kündigung vom 17.03.2014 keine neue Räumungsklage gestützt wird. Die neue Klage steht im Widerspruch zu dem auf Streitbeendigung ohne Urteil angelegten Klägerverhalten im Erstprozess.
25 
Es kommt hinzu, dass nach Auffassung des Gerichts hinsichtlich der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 17.03.2014 die Grundsätze zur Anwendung kommen, die im Urteil des BGH vom 16.02.2005 (WuM 2005, 250 ff.) dargelegt worden sind. Zwischen der Zustellung der Räumungsklage vom 04.08.2014 und der Übernahmeverpflichtung seitens der Stadt Stuttgart lag ein Zeitraum von weniger als einem Monat. Dass die Übernahmeverpflichtung erst Anfang September 2014 erfolgt ist, lag allein daran, dass die Räumungsklage erst 5 Monate nach Ausspruch der Kündigung erhoben wurde. Dies kann nicht dem Beklagten angelastet werden. Der vollständige Ausgleich der Mietrückstände führt vorliegend dazu, ein erhebliches Verschulden des Beklagten zu verneinen.
26 
Soweit der Kläger auf titulierte Kostenerstattungsansprüche und sonstige titulierte Forderungen verweist, bleiben diese außer Betracht, da es sich nicht um periodische Zahlungen handelt (siehe Schmidt-Futterer Mietrecht, 12. Auflage, § 569 RN 40).
27 
Soweit im Schriftsatz des Klägervertreters vom 18.08.2015 unter Ziff. 3 (Bl. 85 - 87 d. A.) weitere Ausführungen dazu enthalten sind, ein Verschulden des Beklagten zu bejahen, bleibt dieses Vorbringen unberücksichtigt, da es in der Kündigung vom 17.03.2014 nicht enthalten ist.
28 
Auch die in der Klageschrift vom 08.05.2015 unter Ziff. 8 enthaltene außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung hat das Mietverhältnis zwischen den Parteien nicht wirksam beendet.
29 
Wie bereits auf S. 2 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2015 ausgeführt, sind diese Kündigungen bereits formell unwirksam. Die Darstellung beschränkt sich darauf, die Zahlungseingänge des Jahres 2015 darzulegen, wobei nach Ziff. 4 des Schriftsatzes vom 26.06.2015 (Bl. 65 d. A.) die Darstellung unvollständig ist, denn es fehlt die Zahlung vom 29.04.2015 in Höhe von EUR 433,20. Sowohl für eine fristlose als auch für eine ordentliche Kündigung wäre aber zumindest zu verlangen, dass der offene Mietrückstand beziffert wird. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
30 
Es kommt hinzu, dass unter Berücksichtigung des unstreitigen Vorbringens der Parteien zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen ein Mietrückstand von weniger als einer Monatsmiete bestand. Dieser errechnet sich aus 5 Sollmieten in Höhe von 5 mal EUR 433,30 = EUR 2.166,50 abzüglich der Zahlungen des Beklagten bis zu diesem Zeitpunkt in Höhe von EUR 1.602,20, woraus sich ein offener Restbetrag in Höhe von EUR 554,30 errechnet. Hiervon abzuziehen ist zumindest eine Überzahlung für den Zeitraum August 2014 bis März 2015 in Höhe von 8 mal EUR 25,80 = EUR 206,40. Dies führt zu einer offenen Forderung des Klägers im Mai 2015 in Höhe von EUR 357,80. Hierauf kann weder eine fristlose noch eine ordentliche Kündigung gestützt werden.
II.
31 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe

 
21 
Die Klage ist unbegründet. Weder die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 17.03.2014 noch die Kündigungen aus der Klageschrift vom 08.05.2015 haben das Mietverhältnis zwischen den Parteien wirksam beendet.
I.
22 
Wie im Anhang zum Sitzungsprotokoll vom 20.07.2015 ausgeführt, hält das Gericht an seiner Ansicht fest, dass, soweit die Zweitklage nicht auf neue Tatsachen gestützt wird, der Beklagte ihr den Einwand der erledigten Sache entgegenhalten kann (siehe Münchner Kommentar, ZPO, 4. Auflage, § 91a RN 42 m.w.N.; Zöller ZPO, 30. Auflage, § 91a RN 28).
23 
So ist im Kommentar Zöller ZPO ausdrücklich ausgeführt, dass für den Fall, dass der Beklagte der Erledigungserklärung der Klägerseite zugestimmt hat, diese auch regelmäßig eingetreten und eine neue Klage daher aussichtslos ist.
24 
Zumindest verstößt die erneute Klageerhebung trotz übereinstimmender Erledigungserklärung vorliegend nach Auffassung des Gerichts gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB. Zwischen dem Ausspruch der Kündigung vom 17.03.2014 und der Erhebung der Räumungsklage im vorliegenden Verfahren liegt ein Zeitraum von einem Jahr und zwei Monaten. Zwischen der Erledigungserklärung im vorangegangenen Verfahren und der Räumungsklage liegt ein Zeitraum von immerhin 8 Monaten. Angesichts dieses Zeitablaufs konnte und durfte der Beklagte darauf vertrauen, dass auf die Kündigung vom 17.03.2014 keine neue Räumungsklage gestützt wird. Die neue Klage steht im Widerspruch zu dem auf Streitbeendigung ohne Urteil angelegten Klägerverhalten im Erstprozess.
25 
Es kommt hinzu, dass nach Auffassung des Gerichts hinsichtlich der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 17.03.2014 die Grundsätze zur Anwendung kommen, die im Urteil des BGH vom 16.02.2005 (WuM 2005, 250 ff.) dargelegt worden sind. Zwischen der Zustellung der Räumungsklage vom 04.08.2014 und der Übernahmeverpflichtung seitens der Stadt Stuttgart lag ein Zeitraum von weniger als einem Monat. Dass die Übernahmeverpflichtung erst Anfang September 2014 erfolgt ist, lag allein daran, dass die Räumungsklage erst 5 Monate nach Ausspruch der Kündigung erhoben wurde. Dies kann nicht dem Beklagten angelastet werden. Der vollständige Ausgleich der Mietrückstände führt vorliegend dazu, ein erhebliches Verschulden des Beklagten zu verneinen.
26 
Soweit der Kläger auf titulierte Kostenerstattungsansprüche und sonstige titulierte Forderungen verweist, bleiben diese außer Betracht, da es sich nicht um periodische Zahlungen handelt (siehe Schmidt-Futterer Mietrecht, 12. Auflage, § 569 RN 40).
27 
Soweit im Schriftsatz des Klägervertreters vom 18.08.2015 unter Ziff. 3 (Bl. 85 - 87 d. A.) weitere Ausführungen dazu enthalten sind, ein Verschulden des Beklagten zu bejahen, bleibt dieses Vorbringen unberücksichtigt, da es in der Kündigung vom 17.03.2014 nicht enthalten ist.
28 
Auch die in der Klageschrift vom 08.05.2015 unter Ziff. 8 enthaltene außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung hat das Mietverhältnis zwischen den Parteien nicht wirksam beendet.
29 
Wie bereits auf S. 2 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2015 ausgeführt, sind diese Kündigungen bereits formell unwirksam. Die Darstellung beschränkt sich darauf, die Zahlungseingänge des Jahres 2015 darzulegen, wobei nach Ziff. 4 des Schriftsatzes vom 26.06.2015 (Bl. 65 d. A.) die Darstellung unvollständig ist, denn es fehlt die Zahlung vom 29.04.2015 in Höhe von EUR 433,20. Sowohl für eine fristlose als auch für eine ordentliche Kündigung wäre aber zumindest zu verlangen, dass der offene Mietrückstand beziffert wird. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
30 
Es kommt hinzu, dass unter Berücksichtigung des unstreitigen Vorbringens der Parteien zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen ein Mietrückstand von weniger als einer Monatsmiete bestand. Dieser errechnet sich aus 5 Sollmieten in Höhe von 5 mal EUR 433,30 = EUR 2.166,50 abzüglich der Zahlungen des Beklagten bis zu diesem Zeitpunkt in Höhe von EUR 1.602,20, woraus sich ein offener Restbetrag in Höhe von EUR 554,30 errechnet. Hiervon abzuziehen ist zumindest eine Überzahlung für den Zeitraum August 2014 bis März 2015 in Höhe von 8 mal EUR 25,80 = EUR 206,40. Dies führt zu einer offenen Forderung des Klägers im Mai 2015 in Höhe von EUR 357,80. Hierauf kann weder eine fristlose noch eine ordentliche Kündigung gestützt werden.
II.
31 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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