Beschluss vom Amtsgericht Zeitz - 5 M 754/16

Tenor

In der Zwangsvollstreckungssache

wird die Vollziehung der Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Zeitz vom 19.07.2016 bis zum Ende der Abtretungslaufzeit (02.08.2023) mit der Maßgabe ausgesetzt, dass die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners am 02.08.2017 sowie die innerhalb von 3 Monaten vor dem Eingang des Insolvenzantrages beim Insolvenzgericht (Eingang bei Gericht am 27.07.2017) auf dem Konto des Schuldners gutgeschriebenen und gepfändeten Beträge weder dem materiell-rechtlichen Pfändungspfandrecht des Gläubigers noch der öffentlich-rechtlichen Verstrickung unterliegen.

Gründe

1

Durch Beschluss des Amtsgerichts Halle (Saale) - Insolvenzgericht - vom 02.08.2017 (Geschäftsnummer: ...) wurde gemäß §§ 2, 3, 11, 16 ff. InsO das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners unter gleichzeitiger Ankündigung der Restschuldbefreiung eröffnet.

2

Durch Beschluss des Amtsgerichts Halle (Saale) - Insolvenzgericht - vom 25.07.2018 (Geschäftsnummer: ...) wurde gemäß § 200 InsO das Insolvenzverfahren aufgehoben und die Abtretungsfrist auf 6 Jahre, beginnend mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, bestimmt.

3

Somit sind kraft Gesetzes sämtliche Vollstreckungsmaßnahmen einzelner Insolvenzgläubiger für die Zeit des Insolvenzverfahrens gem. § 89 InsO und für die Zeit zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist ("Wohlverhaltensphase") gem. § 294 InsO unzulässig.

4

Der Schuldner beantragte am 08.11.2018 die Aufhebung der auf seinem Pfändungsschutzkonto bei der Drittschuldnerin liegenden Pfändungen sämtlicher Insolvenzgläubiger aufgrund des Vollstreckungsverbotes während der Wohlverhaltensphase und benannte neben anderen Verfahren auch das vorliegende Zwangsvollstreckungsverfahren.

5

Für die Entscheidung über den Antrag des Schuldners ist das Vollstreckungsgericht am Wohnsitz des Schuldners zuständig (§ 828 ZPO), nachdem das Insolvenzverfahren aufgehoben und in die Wohlverhaltensphase übergegangen ist, da es eine Sonderzuständigkeit des Insolvenzgerichts für Vollstreckungsschutzanträge nur während der Dauer des Insolvenzverfahrens gibt (§ 89 Abs. 3 ZPO).

6

Dem Gläubiger wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Einwendungen gegen die vom Gericht mit Schriftsatz vom 12.11.2018 in Aussicht gestellte Aufhebung der Pfändung während der Wohlverhaltensphase wurden seitens des Gläubigers nicht erhoben.

7

Die vollstreckbaren Ansprüche des Gläubigers stellen Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO dar, so dass der Gläubiger grundsätzlich dem Vollstreckungsverbot der §§ 89 und 294 InsO unterliegt. Dieses Vollstreckungsverbot ist insoweit begrenzt, soweit der Gläubiger ein dingliches Absonderungsrecht gemäß §§ 49 ff. InsO erworben hat.

8

Durch den vorliegenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hat der Gläubiger grundsätzlich ein Pfandrecht i.S.v. § 50 Abs. 1 InsO an dem Kontoguthaben des Schuldners erworben, da die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner vor der Insolvenzeröffnung (und auch vor der Zeit der Rückschlagsperre nach § 88 InsO) bewirkt wurde. Soweit der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss jedoch Beträge erfasst, die nach Insolvenzeröffnung auf dem Konto des Schuldners eingegangen sind, ist die Zwangsvollstreckung nach §§ 89 Abs. 1, 294 Abs. 1 InsO unzulässig. Insoweit liegt eine Pfändung künftiger Forderungen vor, die erst mit Entstehung der Forderungen wirksam wird (vgl. Schmidt/Keller, InsO, 19. Aufl., § 88 Rn. 22). Dies führt dazu, dass kein materiell-rechtliches Verwertungsrecht des Gläubigers wohl aber die öffentlich-rechtliche Verstrickung entsteht (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2017 - IX ZR 40/17 -, juris). Zur Beseitigung der Verstrickung kann das zuständige Vollstreckungsorgan die gegen das Vollstreckungsverbot verstoßenden Vollstreckungsmaßnahmen von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten uneingeschränkt aufheben (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - IX ZB 284/09 -, juris). Die Verstrickung wird auch beseitigt, sofern das Vollstreckungsorgan die Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens aussetzt, ohne die Pfändung insgesamt aufzuheben (vgl. BGH vom 21.09.2017, Rn.14). Nach Sinn und Zweck müssen diese für die Zeit des Insolvenzverfahrens entwickelten Grundsätze auch für die Zeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens bis zum Ende der Abtretungsfrist gelten, um das dem Vollstreckungsverbot des § 89 InsO entsprechende Vollstreckungsverbot des § 294 InsO umzusetzen.

9

Daher war die Vollziehung der Zwangsvollstreckungsmaßnahme bis zum Ende der "Wohlverhaltensphase" gemäß § 294 InsO auszusetzen.


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