Urteil vom Arbeitsgericht Bonn - 3 Ca 1698/21
Tenor
1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die Kündigung der Beklagten vom 30.9.2021 noch durch die Email übermittelte Kündigung ohne Datum beendet worden.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Streitwert: 52.500,00 €.
4. Eine gesonderte Zulassung der Berufung gem. § 64 Abs. 3 ArbGG erfolgt nicht.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin ist seit dem 14.09.2020 für die Beklagte als „Direktor, Creative Services“ beschäftigt. Grundlage der arbeitsrechtlichen Beziehungen der Parteien ist der Arbeitsvertrag vom 02.09.2020.
3Die Beklagte, bei der regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt sind, kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 30.09.2021, der Klägerin zugegangen am 04.10.2021, zum 31.12.2021.
4Mit der bei Gericht am 08.10.2021 eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen diese Kündigung und begehrt die Weiterbeschäftigung für den Fall des Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage.
5Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Kündigung 52 Jahre alt und erzielte ein durchschnittliches regelmäßiges Entgelt i.H.v. 17.500,00 € brutto im Monat.
6Die Beklagte ist ein deutsches Unternehmen der B., einem führenden Anbieter von Sicherheitslösungen für das Identitätsmanagement von Cloud Unternehmen. Das Marketing wird zentral und Konzerneinheitlich seitens der Muttergesellschaft, der L. in den E. gesteuert und durchgeführt. Die Beklagte beruft sich für die Kündigung auf betriebsbedingte Kündigungsgründe, da der Arbeitsplatz der Klägerin bei der Beklagten durch ein Insourcing der Aufgaben der Klägerin von der Beklagten zur Muttergesellschaft entfallen sei.
7Vor dem Eintritt der Klägerin bei der Beklagten war die Klägerin seit dem 30.11.2015 bei der Muttergesellschaft beschäftigt. Aufgrund eines Umzugs des Ehemanns der Klägerin wollte die Klägerin im Jahre 2020 ebenfalls von Deutschland aus tätig werden. In der Nachfolge machte die Beklagte unter dem 02.09.2020 das Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages unter näher bezeichneten Bedingungen. In diesem Angebot ist mehrfach von einem „transfer“ der Klägerin zu der Beklagten die Rede. In Ziffer 4 wurde vereinbart, dass vor dem Wechsel der Klägerin zu der Beklagten über die Einzelheiten noch ein Arbeitsvertrag abgeschlossen werden solle. Dies erfolgte dann unter dem 02.09.2020.
8Die Klägerin wird innerhalb des Konzerns in einer Matrix-Struktur beschäftigt. Geführt wird der Marketing-Bereich des Konzerns von der Chief Marketing Officer mit Sitz in den E.. Darunter angesiedelt ist Frau M. als Senior bei Director Corporate Communications, ebenfalls mit Sitz in den E.. Darunter angesiedelt ist die Klägerin, ihr unterstellt sind drei Designer, ebenfalls mit Sitz in den E.. Zum November 2021 wurde auf der Hierarchiestufe der Klägerin die Mitarbeiterinnen R. als Director Creative Brandmarketing mit Sitz in den E. eingestellt. Dieser Einstellung lag zugrunde eine Stellenausschreibung vom 06.10.2021 in der als Voraussetzung für die Stelle einer Bachelor Abschluss in Marketing, Kommunikation, Design, Werbung oder verwandten Disziplinen verlangt wurde. Neben weiteren „weichen“ Anforderungen wurde mindestens 10 Jahre Erfahrung in Marken, Marketing oder Design als wünschenswert bezeichnet.
9Im September 2021 teilte die Muttergesellschaft der Beklagten mit, dass die Tätigkeiten, die zuvor die Klägerin ausgeübt hat, nunmehr nicht mehr von der Beklagten sondern von der Muttergesellschaft ausgeführt werden sollten. Gleichzeitig hatte die Muttergesellschaft die Entscheidung getroffen, ihre Marketingstrategie zu verändern und nunmehr ein Brand Marketing durchzuführen.
10Die Klägerin hält die Kündigung für sozial ungerechtfertigt.
11Sie ist zunächst der Auffassung, dass sie von der Beklagten innerhalb des Konzerns in der Art und Weise übernommen worden sei, dass die Vorbeschäftigung seit 2015 auf das Arbeitsverhältnis anzurechnen sei. Es habe durch den Wechsel der Klägerin zur Beklagten lediglich einer Änderung des Arbeitsortes gegeben. Die Klägerin habe, was zwischen den Parteien unstreitig ist, außerdem den kompletten Bonus für das Jahr 2020 von der Beklagten erhalten, obwohl dieser von der Beklagten allenfalls nur zeitanteilig zu tragen gewesen wäre.
12Ihr Wechsel zu der Beklagten sei auch nicht auf Initiative der Klägerin erfolgt. Diese habe der Beklagten seinerzeit nur mitgeteilt, dass sie wegen des Umzuges ihres Ehemannes nach Deutschland nunmehr von Deutschland aus tätig werden wolle. Der Wechsel zu der Beklagten sei dann auf Initiative der Beklagten erfolgt.
13Bei der Entscheidung der Muttergesellschaft, die von der Klägerin der Beklagten ausgeübten Tätigkeiten nunmehr wieder zurück in die Konzern-Muttergesellschaft zu holen, sei es einzig und allein darum gegangen, die Kündigung der Klägerin vorzubereiten. Dies belege auch eine E-Mail der Konzern-Muttergesellschaft an das Marketingteam, in dem das Ausscheiden der Klägerin kommuniziert wurde. Mit der Formulierung
14„We will be bringing in a new leader to elevate our brand and creative services. With this change, Q.p has desparted SailPoint“
15dokumentiere die Beklagte, dass es lediglich um einen Austausch zwischen der Klägerin und der neu eingestellten Mitarbeiterin R. gehe. Außerdem sei diese nach ihrer Einstellung nicht in der Lage, Aufgaben der Klägerin zu übernehmen.
16Die Klägerin beantragt,
171. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die – der Klägerin am 04.10.2021 zugegangene – Kündigung der Beklagten vom 30.09.2021 noch durch die der Klägern am 30.09.2021 per E-Mail übermittelte (undatierte) Kündigung der Beklagten aufgelöst ist;
182. hilfsweise für den Fall des klägerseitigen Unterliegens mit dem Kündigungsschutzantrag zu 1), die Beklagte zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrages ab 01.02.2022, hilfsweise ab 01.01.2022, zu denselben Arbeitsbedingungen, wie sie zwischen den Parteien bis zum Ablauf der Kündigungsfrist der Kündigung vom 30.09.2021 bestanden haben, unter Anrechnung der bisherigen Beschäftigungszeit seit 30.11.2015, hilfsweise seit 14.09.2020 anzunehmen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie hält die ausgesprochene Kündigung für sozial gerechtfertigt.
22Das Bedürfnis zur Beschäftigung der Klägerin sei dadurch entfallen, dass die Muttergesellschaft der Beklagten die von der Klägerin ausgeführten Arbeiten nicht mehr von der Beklagten, sondern von Mitarbeitern der Muttergesellschaft ausführen lasse. Da die Beklagte keine eigenen Marketingaktivitäten betreibe, sei damit bei der Beklagten der gesamte Beschäftigungsbedarf für die Klägerin entfallen.
23Da die Muttergesellschaft außerdem entschieden habe, die Marketingstrategie auf ein Brand Marketing umzustellen, seien auch bei der Muttergesellschaft 70 % der Tätigkeiten der Klägerin entfallen. Soweit noch 30 % verblieben, würden diese von der neueingestellten Mitarbeiterin Z. ausgeführt, die neben ihren Aufgaben im Bereich Brand-Marketing noch zu 30 % Kapazitäten offen gehabt habe, innerhalb derer sie nunmehr die verbleibenden Resttätigkeiten der Klägerin übernehmen könne. Soweit sich die Klägerin mit ihrer Rüge der Sozialauswahl auf dem bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter J. berufe, sei dieser schon hierarchisch nicht mit der Klägerin vergleichbar, was sich auch durch die deutlich höhere Vergütung der Klägerin dokumentiere. Außerdem sei Herr J. V. Marketingtätigkeiten und unterstütze dabei das lokale Vertriebsteam und sei deswegen auch von der Arbeitsaufgabe nicht mit der Klägerin vergleichbar.
24Die organisatorischen Maßnahmen der Konzern-Muttergesellschaft seien nicht auf die Kündigung der Klägerin beschränkt geblieben. Vielmehr sei im Zuge der auf die Umstrukturierung erfolgenden Bedarfsanalyse das gesamte Führungsteam im Marketing, insbesondere Corporate Marketing, ausgewechselt worden, Verantwortlichkeiten umverteilt, Aufgaben neu gewichtet und insbesondere die Creative Services ganz einheitlich eingeschränkt worden. Bei der Muttergesellschaft seien etwa noch 10 % des alten Corporate Marketing Teams beschäftigt, die Positionen der übrigen Mitarbeiter seien entweder entfallen oder neu besetzt worden.
25Die Beschäftigungszeit der Klägerin vor Eintritt bei der Beklagten sei auch nicht auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten anzurechnen. Der Wechsel zur Beklagten sei da seinerzeit auf Initiative der Klägerin erfolgt. Die Klägerin habe dadurch erstmals einen Kündigungsschutz erhalten, der für sie in den E. nicht existiert hatte.
26Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.
27E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
28Die zulässige Klage ist begründet.
29Die von der Beklagten am 30.09.2021 ausgesprochene Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 1 und 2 KSchG sozial gerechtfertigt und vermag daher das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zu beenden.
30Im Rahmen eines konzernweiten Kündigungsschutzes zu Gunsten der Klägerin kann sich die Beklagte rechtlich im Rahmen des § 1 Abs. 1 und 2 KSchG nicht auf den Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses bei der Beklagten berufen und hat den Wegfall der Aufgaben der Klägerin innerhalb des Konzerns nicht hinreichend dargelegt.
311. Betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z.B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z.B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen dringend sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein. Der – nicht auf Schlagworte beschränkte – Vortrag des Arbeitgebers muss erkennen lassen, ob das Bedürfnis an der Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt (ständige Rechtsprechung des BAG, z.B. 30.05.1985, 2 AZR 321/84; Juris).
322. Nach diesen Grundsätzen könnte sich auf den ersten Blick die Beklagte darauf berufen, dass aufgrund der Entscheidung der Muttergesellschaft, die zuvor von der Klägerin bei der Beklagten ausgeübten Tätigkeiten nunmehr nicht mehr bei der Beklagten, sondern durch eigene Mitarbeiter bei der Konzernmuttergesellschaft ausführen zu lassen, auf betriebliche Gründe im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG berufen.
333. Vorliegend reicht es aufgrund eines in diesem Fall eingreifenden konzernweiten Kündigungsschutzes nicht aus, nur einen Wegfall der Aufgaben bei der Beklagten zu betrachten. Vielmehr ist aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles darauf abzustellen, ob Aufgaben der Klägerin bei der Konzernmuttergesellschaft entfallen sind. Dies ist vorliegend nach dem Vortrag der Beklagten zu verneinen. Vielmehr stellt sich die ausgesprochene Kündigung als rechtsunwirksame Austauschkündigung in Bezug auf die Konzernmuttergesellschaft dar.
34a) Das Kündigungsschutzgesetzes ist zwar grundsätzlich unternehmensbezogen, und nicht konzernbezogen. Aufgrund besonderer Sachverhaltsgestaltungen sind Ausnahmefälle denkbar, in denen ein Konzern bezogene Betrachtung geboten ist. Davon ist nicht nur auszugehen, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat und dieser Umstand im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, sondern auch vor allem dann, wenn sich eine solche Verpflichtung unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag oder einer sonstigen vertraglichen Absprache ergibt. Der Arbeitnehmer kann nach dem Arbeitsvertrag von vornherein für den Unternehmens- und den Konzernbereich eingestellt worden sein oder sich vertraglich mit einer Versetzung innerhalb des Unternehmens- bzw. Konzerngruppe einverstanden erklärt haben. Bei einer solchen Vertragsgestaltung muss der Arbeitgeber als verpflichtet angesehen werden, zunächst eine Unterbringung des Arbeitnehmers in einem anderen Konzernbetrieb zu versuchen, bevor er dem Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen gekündigt. Gleiches muss auch dann gelten, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine diesbezügliche Zusage gemacht oder eine Übernahme durch einen anderen Konzernbetrieb in Aussicht stellt. Auch eine solche aufgrund formloser Zusage oder eines vorangegangenen Verhaltens erzeugte Selbstbindung kann den Arbeitgeber verpflichten, vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung eine anderweitige Unterbringung des Arbeitnehmers in einen Konzernbetrieb zu versuchen (vgl. BAG, 27.11.1991, 2 AZR 255/91; Juris).
35b) Einen konzernweiten Kündigungsschutz hat das BAG insbesondere angenommen, wenn arbeitsvertraglich ein konzernweiter Einsatz des Arbeitnehmers vereinbart war (vgl. BAG, 21.01.1999, 2 AZR 448/97; Juris). Nach Auffassung des LAG Hamburg (31.10.2001, 8 SA 72/01; Juris) ließe sich wohl möglich auch eine konzernbezogene Versetzungspflicht des Beschäftigungsunternehmens dann begründen, wenn man es mit einer eigentlichen Verlagerung von Tätigkeiten zu tun habe.
36c) In der Literatur wird vertreten, dass ein konzernbezogener Kündigungsschutz aus Vertrauensgesichtspunkten im Fall der Selbstbindung des Arbeitgebers bestehen könne. Seien für den Fortfall des Arbeitsplatzes konzerninterne Gründe (wie etwa die Verlagerung der Tätigkeiten auf anderer Konzernunternehmen) ursächlich, sei der bisherige Arbeitgeber gegebenenfalls nicht zur betriebsbedingten Kündigung berechtigt, sondern müsse für eine Weiterbeschäftigung der betroffenen Arbeitnehmer in dem anderen Konzernunternehmen sorgen (Kittner/Däubler/Zwanziger Kündigungsschutzrecht, 5. Aufl. § 1 Gründungschutzgesetz, Rn. 397; HK-Dorndorf/ Weller, 4. Aufl. Rn. 902; KR-Etzel, 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 539; vgl. Lingemann/von Steinau-Steinbrück DB 1999, 2161). Das BAG hat eine Entscheidung über diese Auffassung offengelassen (vgl. BAG, 26.09.2002, 2 AZR 636/01 Rn. 29; Juris).
37d) Stets wird, soweit ersichtlich, in jedem Fall eines konzerndimensionalen Kündigungsschutzes neben einer vorangegangenen Selbstbindung des Arbeitgebers verlangt, dass dem Beschäftigungsbetrieb aufgrund einer Abstimmung mit dem herrschenden Unternehmen oder dem anderen Konzernbetrieb ein bestimmender Einfluss auf eine mögliche Versetzung des anderenfalls zu kündigenden Arbeitnehmers vorbehalten worden ist (vgl. BAG, 14.10.1982, 2 AZR 568/80; Juris).
38e) Für die Matrixstruktur wird vertreten, dass die Kündigung eines Arbeitnehmers, der aufgrund der Matrixstruktur nicht in dem Vertragsunternehmen, sondern nur im Konzernunternehmen eingegliedert worden ist, dass Konzernunternehmen als „Auch-Arbeitgeber“ ebenso an die Vorgaben des Kündigungsschutzgesetz gebunden ist. Soweit die Position jedoch nur vom Vertragsarbeitgeber zum weisungsgebenden Arbeitgeber verschoben werde, dürfte der „Auch-Arbeitgeber“ nicht den Wegfall des Arbeitsplatzes begründen können, sondern müsse ebenfalls freie Arbeitsplätze in seinem Unternehmen berücksichtigen (vgl. Wisskirchen, Bissels, DB 2007, 340-346, 343).
394. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsauffassung kommt die Kammer im vorliegenden Fall zu folgendem Ergebnis:
40a) Aufgrund der Matrixstruktur ist nicht erkennbar, dass die Klägerin bei der Beklagten eingegliedert war. Vielmehr war die Klägerin weiterhin auch nach ihrem Wechsel zu der Beklagten unverändert in die Matrixstrukturen der Konzern-Mutter eingebunden war. Nach dem Vortrag der Parteien ist der Inhalt der Tätigkeit der Klägerin und deren hierarchische und disziplinarische Einordnung anlässlich ihres Wechsels von der Konzernmutter zu der Beklagten unverändert geblieben. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Beklagte vorgetragen hat, keine eigenen Marketingaktivitäten zu unterhalten sodass die Tätigkeiten der Klägerin abgesehen von dem Ortswechsel und der arbeitsvertraglichen Beziehung mit der Beklagten unverändert geblieben sind.
41b) Aufgrund der tatsächlichen Möglichkeit der Konzernmutter, die Tätigkeiten der Klägerin von der Konzernmutter auf die Beklagte und zurück wieder auf die Konzernmutter zu übertragen, ist für die Klägerin im Sinne eines Vertrauenstatbestandes eine Selbstbindung der Einheit aus Konzernmutter und Vertragsarbeitgeber entstanden mit der Folge, dass es nicht allein auf den Wegfall der Tätigkeiten der Klägerin bei der Beklagten ankommt, sondern auch zu einem Wegfall der Tätigkeiten insgesamt bei der Konzernmutter gekommen sein muss, um die Kündigung betrieblich zu rechtfertigen. Auf die Möglichkeit der Beklagten als Vertragsarbeitgeber, Einfluss auf die Weiterbeschäftigung der Klägerin bei der Konzernmutter oder einem anderen Konzernunternehmen zu nehmen, kommt es angesichts dieses Vertrauenstatbestandes nicht an.
42c) Bei der Prüfung, ob die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten entfallen sind, ist daher auf den konzerndimensionalen Verbund der Beklagten zusammen mit der D.-Muttergesellschaft abzustellen ist. Schon nach dem Vortrag der Beklagte kann nicht erkannt werden, dass die Tätigkeiten der Klägerin im Verbund der Beklagten und der Konzernmutter entfallen sind.
43d) Die Beklagte hat zwar vorgetragen, dass durch die unternehmerische Entscheidung der Konzernmutter, das Marketing auf Brand Marketing umzustellen 70 % der Tätigkeiten der Klägerin entfallen sind. Allerdings ist dem Vortrag nicht zu entnehmen, was die Umstellung auf „Brand Marketing“ inhaltlich bedeutet hat. Ohne weiteren Vortrag der Beklagten muss die Kammer davon ausgehen, dass Brand Marketing nur eine andere inhaltliche Ausrichtung des Marketings eines Unternehmens ist, vor allem im Gegensatz zum Produkt Marketing. Ohne weitere Angaben muss die Kammer auch davon ausgehen, dass die Klägerin mit ihrer langjährigen Berufserfahrung und angesichts der Höhe ihrer regelmäßigen Vergütung durchaus in der Lage ist, eine andere inhaltliche Ausrichtung des Marketings im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten auszufüllen.
44e) Dass die Tätigkeiten der Klägerin nicht entfallen sind, ergibt sich nach Auffassung der Kammer auch daraus, dass auf gleicher Hierarchiestufe wie die Klägerin eine Neueinstellung erfolgt ist.
45Soweit die Beklagte vorträgt, dass bei dieser Neueinstellung andere Anforderungen erforderlich waren und die Mitarbeiterin anderer Tätigkeiten ausübt, beschränkt sich der Vortrag der Beklagten ausschließlich auf Schlagworte. Aus der vorgelegten Stellenausschreibung ist beispielsweise nicht erkennbar, dass die Klägerin dort aufgeführte Anforderungen nicht erfüllt. Insbesondere hat die Beklagte auch nicht dargelegt, ob und wie das Stellenprofil angesichts des Ausschreibungstextes gegenüber den Tätigkeiten der Klägerin abgeändert und insbesondere neuen Anforderungen, die die Beklagte nicht beschreibt, angepasst worden ist. Daher muss zulasten der Beklagten als darlegungs- und beweispflichtige Partei davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeiten der Klägerin bei der Konzernmutter weiter vorhanden sind und im Verbund der Beklagten zusammen mit der D. Konzernmutter nicht weggefallen sind.
46Bei der Prüfung des Wegfalls des Bedürfnisses zur Beschäftigung der Klägerin ist mithin festzustellen, dass dieses bei der Konzernmutter durchaus besteht und nicht weggefallen ist.
47Daher ist die betriebsbedingte Kündigung der Beklagten gemäß § 1 Abs. 1 und 2 KSchG nicht sozial gerechtfertigt und vermag das Arbeitsverhältnis nicht zu beenden.
48Dementsprechend war der Klage stattzugeben.
495. Die Kostentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO aufgrund des Obsiegens Klägerin.
50Der Streitwert wurde festgesetzt gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 42 Abs. 2 S. 1 GKG i.H.v. 3 Bruttomonatsentgelten.
51Aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls kommt eine gesonderte Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG nicht in Betracht.
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