Beschluss vom Arbeitsgericht Karlsruhe - 11 Ca 250/06

Tenor

1. Das Arbeitsgericht Karlsruhe erklärt sich für örtlich unzuständig.

2. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Arbeitsgericht Frankfurt am Main verwiesen.

Gründe

 
I.
Mit ihrer per Telefax am 06.11.2006 eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen eine Kündigung der Beklagte vom 30.10.2006 (Klageschrift Aktenbl. 1 ff.).
Die Klägerin ist wohnhaft in K..
Die Beklagte hat ihren Sitz in Luxemburg.
Die Klägerin ist für die Beklagte im Außendienst als "Area Sales Representative" tätig. Sie unterhält an ihrem Wohnsitz ein Homeoffice, von dem aus sie sämtlichen Schriftverkehr führt. Für Kunden ist sie in ihrem Homeoffice unter ihrer Wohnanschrift erreichbar. Von dort aus nimmt sie auch ihre Außendiensttätigkeit für die Beklagte wahr. Der Klägerin ist als Betreuungsgebiet das Gebiet "West" zugewiesen. Dies umfasst die Bundesländer Baden-Württemberg, teilweise Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland.
Die Beklagte betreibt ihre Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland durch Gebietsrepräsentanten, die ausschließlich für administrative Zwecke an ihren jeweiligen Wohnorten ein sog. Homeoffice unterhalten. Geschäftskontakte werden im Wesentlichen bei den J. D. Vertriebspartnern bzw. den Käufern der Produkte des J. D. Konzerns getätigt. Disziplinarische Maßnahmen wie Abmahnungen oder Kündigungen obliegen der alleinigen Verantwortlichkeit des in Luxemburg ansässigen Personalleiters der Beklagten. Von dort aus wurde auch die Kündigung der Klägerin ausgesprochen. Sie wurde allerdings von Bruchsal aus an die Klägerin verschickt. Sämtliche entgeltrelevanten Verfügungen erfolgen ausschließlich von Luxemburg aus. Auch das sog. "back office" für die Klägerin sitzt in Luxemburg.
Der Arbeitsvertrag der Klägerin wurde nicht in Bruchsal geschlossen. Die Klägerin wurde zunächst von der L N C PLC in Frankfurt (Arbeitsvertrag Abl. 38 f.) eingestellt. Das Arbeitsverhältnis ging dann durch zahlreiche Betriebsübergänge auf die Beklagte über (Einzelheiten Abl. 28 ff.)
Die Klägerin trägt vor, die Beklagte unterhalte in Bruchsal eine Niederlassung. Die Arbeitsverträge der in Deutschland Beschäftigten würden von dort aus gelenkt. Sämtliche Kunden die von der Klägerin akquiriert wurden, würden von dort aus betreut. Auch würde die Beklagte von dort aus Kreditverträge abschließen. Sitzungen würden dort ebenfalls abgehalten. Daher ist sie der Ansicht, dass ein Gerichtsstand in Karlsruhe gegeben sei.
Die Klägerin beantragt hilfsweise für den Fall, dass das Gericht von seiner örtlichen Unzuständigkeit ausgeht,
die Verweisung an das Arbeitsgericht Frankfurt am Main.
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Die Beklagte geht davon aus, dass die Klage mangels internationaler Zuständigkeit des angerufenen Gerichts unzulässig ist. Eine Verweisung nach Frankfurt scheide aus, da in der Bundesrepublik Deutschland kein Gerichtsstand der Beklagten für dieses Verfahren bestehe. Die Beklagte unterhalte in Bruchsal keine Niederlassung, sondern nur eine Repräsentanz im Sinne des § 53a KWG. Dies stelle keine Niederlassung der Beklagten dar. Dadurch dass diese Räume zur Abhaltung von Sitzungen, Schulungen, Marketingabstimmungen, Sammlung volkswirtschaftlicher Informationen sowie der Werbung für die Beklagte genutzt würden, entstehe keine Niederlassung.
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Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 09.11.2006 wurde auf Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts hingewiesen. Die Parteien erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
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Das Arbeitsgericht Karlsruhe ist örtlich nicht zuständig.
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Der Rechtsstreit ist deshalb auf die Rüge der Beklagten im Schriftsatz vom 22.12.2006 gem. § 48 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG i.Verb.m. § 17 a Abs. 4 GVG an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Frankfurt am Main zu verweisen.
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Die Entscheidung erfolgt durch den Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 i.Verb.m. § 55 Abs. 1 ArbGG, nachdem den Parteien zuvor rechtliches Gehör gewährt wurde.
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Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ergibt sich aus Artikel 19 Nr. 2 lit. a) EuGVVO. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts mit der Folge eines entsprechenden Wahlrechts für die klagende Partei ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ersichtlich.
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1. Die örtliche Zuständigkeit richtet vorliegend ausschließlich nach den Bestimmungen der EuGVVO.
17 
a) In seinem Anwendungsbereich geht die EuGVVO den nationalen Vorschriften vor (Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 26. Auflage, Vorbem. EuGVVO Randnr. 4).
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b) Die EuGVVO ist auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbar.
19 
aa) Die EuGVVO ist räumlich anwendbar, sowohl die Beklagte als auch die Klägerin haben ihren (Wohn)sitz in einem Mitgliedsstaat der EU. Auch das angerufene Gericht hat seinen Sitz in der EU.
20 
bb) Die EuGVVO ist gem. Art. 66 Abs. 1 EuGVVO zeitlich anwendbar, da die Klage erhoben wurde, nachdem die EuGVVO in Kraft getreten ist.
21 
cc) Der Rechtsstreit hat grenzüberschreitenden Bezug und weist Berührungspunkte zu zwei Mitgliedsstaaten auf (hierzu: Hüßtege in: Thomas/Putzo ZPO, 26. Aufl., Vorbem. EuGVVO Rn. 10 ff.). Die Beklagte hat ihren Sitz in Luxemburg und die Klägerin hat in Deutschland ihren Wohnsitz.
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dd) Es bestehen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg keine zwischenstaatlichen Verträge, die gem. Art. 71 EuGVVO vorgehen.
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2. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main ist gem. Art. 19 EuGVVO zur Entscheidung berufen.
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a) Da es sich um eine Streitigkeit aus einem individuellen Arbeitsvertrag (in Abgrenzung zu Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen, vgl. Junker NZA 2005, 199, (201)) gem. des 1. Kapitels, 5. Abschnitt der EuGVVO handelt, sind die Artikel 18 bis 21 EuGVVO abschließend, mit Ausnahme der Art. 4 und 5 Nr. 5 EuGVVO (Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 26. Auflage, Vorbem. Art. 18 bis 21 EuGVVO Randnr. 1; Junker NZA 2001, 199, (203)).
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b) Da die Parteien keine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben (Art. 21 EuGVVO) und die Bekl. auch ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat hat (Art. 18 Abs. 2 EuGVVO), bestimmt sich der Gerichtsstand bei Klagen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber grundsätzlich nach Art. 19 EuGVVO.
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Nach Art. 19 Nr. 2 lit. a) EuGVVO ist Gerichtsstand Frankfurt am Main und zwar sowohl in örtlicher wie internationaler Hinsicht (Junker NZA 2005, 199, (202)).
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Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 12.06.1986 - 2 AZR 398/85 - AP Nr. 1 zu Art. 5 Brüsseler Abkommen) ging für die gegenüber Artikel 19 Nr. 2 lit. a) EuGVVO engere Fassung des Art. 5 Abs. 1 EuGVÜ bereits davon aus, dass dieser Gerichtsstand regelmäßig bei einem Außendienstmitarbeiter dann am Wohnsitz des Außendienstmitarbeiters gegeben ist, wenn der Außendienstmitarbeiter dort ein Büro für seine gegenüber dem Arbeitgeber zu erbringende Arbeitsleistung eingerichtet hat und von dort aus seine Arbeitstätigkeit organisiert. Aufgrund der autonomen Auslegung des Artikel 19 EuGVVO kommt es nicht darauf an, ob dieser Rechtsprechung auch für rein nationale Sachverhalte zu folgen ist. Auch der EuGH geht davon aus, dass der gewöhnliche Arbeitsort iSd. Art. 5 EuGVÜ der Ort ist, an dem der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls seine Tätigkeit schwerpunktmäßig verrichtet hat und von dem Arbeitgeber eingesetzt wurde (EuGH vom 10.04.2003 - C-437/00 - EuZW 2003, 413, zust. Hüßtege in: Thomas/ Putzo, ZPO, 26 Aufl., Art. 20 EuGVVO Rn. 5). Insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer über ein Büro verfügt, von dem aus er seine Arbeitstätigkeit organisiert, bildet dies den Mittelpunkt seiner Tätigkeit (EuGH vom 09.01.1997 - C-383/95 - NZA 1997, 225, vom 13.07.1993 - C-125/92 - IPrax 1997, 110; Geimer in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., Anh I Art. 19 EG-VO Zivil und Handelssachen (EuGVVO) Rn. 6 m.w.N.; Junker NZA 2005, 199, (203)). Dies gilt ebenso für Art. 19 Nr. 2 lit. a) EuGVVO (Hüßtege in: Thomas/ Putzo, ZPO, 26 Aufl., Art. 20 EuGVVO Rn. 5; Geimer in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., Anh I Art. 19 EG-VO Zivil und Handelssachen (EuGVVO) Rn. 6 m.w.N.; Junker NZA 2005, 199, (203); Musielak, ZPO, 5. Aufl., Art. 5 VO (EWG) 44/2001 Rn. 2).
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Unstreitig unterhält die Klägerin an ihrem Wohnsitz ein Büro, von dem sie ihre Außendiensttätigkeit für die Beklagte organisiert. Damit ist das für den Wohnsitz der Klägerin zuständige Gericht zur Entscheidung berufen. Dies ist das Arbeitsgericht Frankfurt am Main.
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c) Daneben besteht kein Gerichtsstand nach Art. 4 oder Art. 5 Nr. 5 EuGVVO mit der Folge eines entsprechenden Wahlrechtes der Klägerin.
30 
aa) Da die Beklagte ihren (Wohn-)Sitz in einem Mitgliedsstaat hat, ist Art. 4 EuGVVO nicht anwendbar.
31 
bb) Ein Gerichtsstand gem. Art. 5 Nr. 5 EuGVVO ist am Ort des angerufenen Arbeitsgerichts Karlsruhe nicht ersichtlich. Mit dem Begriff der Zweigniederlassung, der Agentur oder der sonstigen Niederlassung ist ein Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit gemeint, der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt, eine Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, dass er in der Weise Geschäfte mit Dritten betreiben kann, dass diese, obgleich sie wissen, dass möglicherweise ein Rechtsverhältnis mit dem im Ausland ansässigen Stammhaus begründet wird, sich nicht unmittelbar an dieses zu wenden brauchen, sondern Geschäfte an dem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit mit dem abschließen können, dessen Außenstelle dort ist (EuGH vom 22.11.1978 - 33/78 - RIW 1979, 56; ähnlich Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 22 m.w.N.; Geimer in: Zöller ZPO, 26. Aufl., Anh I Art. 5 EG-VO Zivil und Handelssachen (EuGVVO) Rn. 44 m.w.N.). Indiz ist die Angabe der Adresse auf Briefbögen oder der Unterhalt eines Büros, welches dem Besucherverkehr geöffnet ist (EuGH vom 22.11.1978 aaO). Zudem muss die Klage einen Bezug zu der Niederlassung aufweisen (Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 23 m.w.N.; Geimer in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., Anh I Art. 5 EG-VO Zivil und Handelssachen (EuGVVO) Rn. 49 m.w.N.; Musielak, ZPO, 5. Aufl., Art. 5 VO (EWG) 44/2001 Rn. 24 m.w.N.). Die Beklagte trägt hierzu substantiiert vor, dass sie in Bruchsal eine Repräsentanz gem. § 53a KWG unterhalte. Nach herrschender Ansicht in Rechtsprechung und Lehre liegt eine Repräsentanz im Sinne von § 53a KWG nur vor, wenn sich eine Stelle auf die Werbung für eine ausländische Bank und Kontaktpflege mit ihr beschränkt, rechtsgeschäftliche Willenserklärungen jedoch nicht im Namen der Bank abgibt und nicht als Stellvertreter für sie entgegennimmt sowie Kundenanträge lediglich als Bote an die Bank weiterleitet (BGH vom 17. Juli 1987, NJW 1987, 381 (382); BGH, WM 1999, 2249; OLG Frankfurt am Main, WM 2002, 1219 (1222); Beck, KWG, § 53 a Rdnr. 5 f.; Panowitz/Jung, KWG, § 53 a Rdnr. 3; Reischauer/Kleinhans, KWG, § 53 a Rdnr. 3; Schork, KWG, § 53 Rdnr. 4; Szagunn/Haug/Ergenzinger, KWG, § 53 a Rdnr. 1; andere Auffassung Boos/Fischer/Schulte-Mattler Kreditwesengesetz, 2. Auflage 2004 § 53a Rn. 19 ff). Die Beklagte trägt vor, dass sämtliche das Arbeitsverhältnis betreffenden Anordnungen in Luxemburg getroffen würden, auch hinsichtlich des Arbeitsentgeltes der Klägerin. Dem pauschalen Vortrag der Klägerin, ihr Arbeitsverhältnis würde von Bruchsal aus gelenkt, ist die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 22.12.2006 unter Vortrag subtantiierter Tatsachen entgegen getreten. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, ihren pauschalen Vortrag hierauf hin zu substantiieren. Hierzu wurde ihr eine nochmalige Schriftsatzsatzfrist gewährt. Der Schriftsatz der Klägerin vom 26.01.2007 enthält allerdings keinen weiteren Tatsachenvortrag. Sie trägt keinerlei Tatsachen vor, aus denen sich ergibt, dass die Beklagte von Bruchsal aus eigene Geschäfte mit Bezug auf das Arbeitsverhältnis abschließen würde. Vielmehr enthalten sämtliche vorgelegten Schreiben der Beklagten in ihrem Briefkopf nur eine Anschrift in Luxemburg. Daher weist die Klage keinen Bezug zu einer möglichen Niederlassung der Beklagten in Bruchsal auf.

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