Urteil vom Arbeitsgericht Solingen - 3 Ga 20/15
Tenor
1.Der Antrag wird abgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Verfügungskläger.
3.Der Streitwert beträgt 5.445,31 €.
1
T a t b e s t a n d:
2Der Verfügungskläger begehrt die Beschäftigung im Umfang von 30 Wochenstunden während seiner Elternzeit.
3Der 38-jährige, verheiratete Verfügungskläger, Vater eines im August geborenen Kindes, ist bei der Verfügungsbeklagten seit dem 01.11.2014 auf Grundlage des Anstellungsvertrages vom 10.07.2014 als Operational Planner/Purchasing beschäftigt. Das Quartalsgehalt beträgt in Vollzeit (40 Stunden wöchentlich) 16.335,92 € brutto. Die Verfügungsbeklagte produziert und vertreibt hochwertige Werkzeuge für die Gebäudereinigung. Sie beschäftigt 86 Mitarbeiter und gehört zu einer Unternehmensgruppe, deren Sitz in den USA liegt.
4Der Verfügungskläger ist im Bereich Einkauf tätig. Dort sind des Weiteren Herr T. als Senior Planner (vgl. Arbeitsvertrag Bl. 77 ff d. A.) sowie seit dem 01.07.2015 Frau D. als Junior Planner ebenfalls mit jeweils 40 Stunden wöchentlich (vgl. Arbeitsvertrag Bl. 85 ff d. A.) beschäftigt. Die betriebsübliche Arbeitszeit liegt zwischen 8:00 und 17:00 Uhr.
5Bereits mit Schreiben vom 22.06.2015 (Bl. 16 d. A.) beantragte der Verfügungskläger Elternzeit für die ersten beiden Lebensjahre seines Kindes sowie eine Teilzeitbeschäftigung ab dem dritten Monat der Elternzeit. Die Verfügungsbeklagte bestätigte mit Schreiben vom 10.07.2015 die Elternzeit, lehnte aber die Teilzeit ab. Daraufhin beantragte der Verfügungskläger unter dem 06.08.2015 (Bl. 19 d. A.) Elternzeit für zunächst vier Monate und anschließend Elternzeit mit Teilzeitbeschäftigung vom 03.12.2015 bis zum 01.08.2017 nunmehr ausdrücklich unter der Bedingung, dass dem Teilzeitwunsch von 30 Stunden zugestimmt werde. Mit Schreiben vom 04.09.2015 stimmte die Verfügungsbeklagte dem Elternzeitverlangen zu, lehnte aber eine Teilzeitbeschäftigung erneut ab.
6Im Hauptsacheverfahren beim ArbG Solingen (3 Ca 1425/15) hat das Gericht mit Urteil vom 03.12.2015 die Verfügungsbeklagte verurteilt, dem Teilzeitbeschäftigungsantrag zuzustimmen; der Beschäftigungsantrag im Umfang von 30 Stunden ist hingegen abgewiesen worden.
7Der Verfügungskläger meint, die Voraussetzungen seines Teilzeitanspruchs lägen vor. Dringende betriebliche Gründe, die seinem Anspruch entgegenstehen könnten, lägen nicht vor. Er habe auch Anspruch auf Beschäftigung im Umfang von 30 Stunden die Woche.
8Der Verfügungskläger ist der Auffassung, aufgrund des erstinstanzlichen Urteils stehe fest, dass ein Verfügungsanspruch bestehe. Auch ein Verfügungsgrund sei gegeben. Er habe ein besonders schützenswertes Interesse daran, dass er Elternzeit in Anspruch nehmen könne, ohne dabei seine Berufstätigkeit vollständig aufgeben zu müssen. Die Rechte aus Artikel 6 GG ständen nicht nur alleinerziehenden Elternteilen zu, sondern auch Vätern.
9Der Verfügungskläger beantragt zuletzt,
10ihm zu gestatten, bis zum 01.08.2017 in einem Umfang von 10 Wochenarbeitsstunden nicht tätig zu werden.
11Die Verfügungsbeklagte beantragt,
12den Antrag abzuweisen.
13Sie macht geltend, dem Verfügungskläger stünde weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund zu. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Beschäftigungsantrag im Hauptsacheverfahren zurückgewiesen worden sei. Im Übrigen sei ein Arbeitnehmer im Rahmen der Elternzeit ohnehin nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet. Letztlich gehe es um die Durchsetzung von Entgeltansprüchen.
14Sie macht geltend, sie habe ein Organisationskonzept, das dem Anspruch entgegenstehe. Die Arbeit in der Abteilung Einkauf könne nur durch das Leisten von Überstunden bewältigt werden. Im Durchschnitt kämen alle drei Mitarbeiter auf 42 bis 43 Stunden wöchentlich. Den Mitarbeitern seien einzelne Lieferanten und Speditionen fest zugewiesen, was im Grundsatz unstrittig ist. Dadurch seien die Mitarbeiter mit den Gepflogenheiten ihrer Lieferanten und den Abläufen vertraut. Der Verfügungskläger betreue ein Einkaufvolumen von ca. 3.000.000,00 EUR, was unstreitig ist. Der Mitarbeiterin D. seien einfach zu betreuende deutsche Lieferanten zugewiesen. Ihr als Berufsanfängerin sei die Betreuung asiatischer Lieferanten noch nicht zumutbar. Der Umgang mit deutschen Lieferanten sei deutlich einfacher.
15Wegen der Zeitverschiebung seien die Lieferanten in China nur von 08:00 bis 11:00 Uhr und die Ansprechpartner in den USA zwischen 14:00 und 17:00 Uhr zu erreichen, was im Grundsatz ebenfalls unstreitig ist. Ihr Organisationskonzept beinhalte eine Matrixstruktur. Die fachlichen Vorgesetzten seien Mitarbeiter der amerikanischen Muttergesellschaft, was unstrittig ist.
16Soweit das Konzept bei Abwesenheiten nicht eingehalten werden könne, so beruhe dies auf äußere Umstände. Sie habe sich nach dem Antrag des Verfügungsklägers intensiv um eine Ersatzkraft bemüht. Mitarbeiter im Einkauf für 20 Monate mit einer Arbeitszeit von 10 Stunden seien nicht gefunden worden. Sie habe mehrere Personalagenturen eingeschaltet gehabt. Sie sei nicht gehalten, eine Ersatzkraft mit 17,5 Stunden einzustellen. Die viermonatige Elternzeit habe mittels eines Leiharbeitnehmers überbrückt werden können.
17Der Verfügungskläger macht geltend, ein Organisationskonzept stehe seinem Anspruch nicht entgegen. Dieses werde nicht durchgängig eingehalten. In Abwesenheitszeiten würden die Lieferanten von anderen Mitarbeitern betreut. Eine Abstimmung mit den Ansprechpartnern Übersee sei nicht täglich erforderlich. Ein Großteil der Kommunikation werde per Email abgewickelt, was unstrittig ist. Dies sei ohnehin eine Frage der Lage der Arbeitszeit und deren Dauer.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Parteienschriftsätze sowie den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
20Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war abzuweisen.
21A.
22I. Der zuletzt, auf Hinweis des Gerichts gestellte Antrag ist zulässig.
231. Bei der Durchsetzung eines Teilzeitanspruchs im Rahmen einer einstweiligen Verfügung werden verschiedene Anträge befürwortet: Antrag auf Beschäftigung im Umfang der gewünschten Zeit, Unterlassung einer abweichenden Beschäftigung oder Gestattung der Arbeit zur gewünschten Arbeitszeit (vgl. dazu Ullrich in: Antragslexikon Arbeitsrecht, 2. Auflage 2015).
242. Im vorliegenden Fall lehnt die Verfügungsbeklagte die Beschäftigung des Verfügungsklägers nicht ab. Sie möchte ihn vielmehr weiterhin in einem Umfang von 40 Stunden wöchentlich beschäftigen. Dem Verfügungskläger geht es mithin vorrangig nicht um die Durchsetzung der tatsächlichen Beschäftigung, sondern vielmehr darum, dass er vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens bereits in einem Umfang von 10 Arbeitsstunden pro Woche nicht tätig werden muss. Sein Rechtsschutzziel ist es somit, eine Erlaubnis zu erhalten, ohne dabei eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung zu begehen, vor der Fiktionswirkung des § 894 ZPO in einem bestimmten Umfang von der Arbeit fernzubleiben (vgl. zu dem Antrag auch Grobys/Bram, NZA 2001, 1175, 1182; Hamann, jurisPR-ArbR 39/2008 Anmerkung 3).
25II. Ob dem Verfügungskläger ein Verfügungsanspruch zusteht, kann dahingestellt bleiben.
261. Der Beschäftigungsantrag ist bereits im Hauptsacheverfahren durch Urteil von 03.12.2015 abgewiesen worden. Grundsätzlich ist ein einstweiliges Verfügungsverfahren nicht geeignet, eine erstinstanzliche Entscheidung im Hauptsacheverfahren aufzuheben. Des Weiteren verbleibt es nach Auffassung der Kammer weiterhin dabei, dass dem Verfügungskläger kein Beschäftigungsanspruch im Umfang von 30 Stunden die Woche bislang zusteht. Hintergrund ist, dass die Fiktion nach § 894 ZPO und damit die vom Verfügungskläger beantragte Zustimmung zum Teilzeitbegehren wirken.
272. Allerdings ist für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht in jedem Fall erforderlich, dass dem Arbeitnehmer bereits ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Beschäftigung im begehrten Umfang zusteht (vgl. LAG Hamm, 08.07.2008 - 14 SaGa 25/08). § 940 ZPO spricht ausdrücklich nicht von einem Anspruch, sondern von einem Rechtsverhältnis. Es müssen noch keine Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis abschließend entstanden sein (vgl. etwa Zöller/Vollkommer, § 940 ZPO Rn. 2).
28III. Nach Auffassung der Kammer liegt jedenfalls kein Verfügungsgrund vor.
291. Ein Verfügungsgrund i. S. 940 ZPO setzt voraus, dass die einstweilige Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich ist. Dabei sind hohe Anforderungen zu stellen (LAG Düsseldorf, 04.12.2003 - 11 Sa 1507/03). Dabei wird verlangt, dass bei Versagen einer solchen Maßnahme der Eintritt irreparabler Schäden oder eines irreparablen Zustands vom Gläubiger zu befürchten ist. Letztlich handelt es sich um eine sog. Leistungsverfügung, da zumindest teilweise eine Befriedigung des Anspruchs auf Arbeitszeitverlängerung eintreten würde. Ein solcher Verfügungsgrund kann etwa dann vorliegen, wenn die Verringerung der Arbeitszeit aus familiären Gründen dringend und unumgänglich ist (LAG Düsseldorf, 04.12.2003 - 11 Sa 1507/03).
302. Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten liegt nicht bereits deshalb kein Verfügungsgrund vor, da es dem Verfügungskläger im Rahmen der Elternzeit möglich wäre, vollständig der Arbeit fernzubleiben. Der Verfügungskläger hat die Elternzeit ausdrücklich unter der Bedingung gestellt, dass dem Teilzeitbegehren stattgegeben wird.
313. Allerdings drohen dem Verfügungskläger keine irreparablen Schäden, die ihm unzumutbar sind.
32Der Verfügungskläger macht vorliegend nicht geltend, es bestehe keine Betreuungsmöglichkeit für das Kind. Ihm geht es darum, Zeit mit seinem Kind zu verbringen, eine entsprechende gefestigte Beziehung aufzubauen.
33Zwar ist das Ziel des Klägers nicht nur ohne Weiteres nachvollziehbar, es wird vielmehr durch die gesetzliche Regelung sowohl im BEEG als auch TzBfG vom Gesetzgeber unterstützt und gefördert. Der Gesetzgeber hat sich allerdings für eine gesetzliche Konstruktion entschieden, nach der der Arbeitnehmer nicht einseitig das Arbeitsverhältnis derart gestalten kann, dass er unmittelbar mit Inanspruchnahme seines Anspruchs eine verringerte Arbeitszeit erreichen kann. Diese gesetzliche Konstruktion kann nach Auffassung der Kammer nicht dazu führen, dass im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens geringere Anforderungen an einen Verfügungsanspruch oder an einen Verfügungsgrund gestellt werden können. Zwar kann für den Fall, dass der Verfügungskläger mit seinem Begehren im Hauptsacheverfahren erfolgreich sein wird und die Verfügungsbeklagte zu Unrecht den Teilzeitantrag zunächst abgelehnt hat, die bis zur Rechtskraft vergangene Zeit nicht nachgeholt werden. Gleiches gilt aber auch im Falle eines Erlasses der einstweiligen Verfügung. Sollte die Verfügungsbeklagte im Hauptsacheverfahren letztinstanzlich erfolgreich sein, so kann bei Erlass der einstweiligen Verfügung die zu Unrecht gestattete Teilzeittätigkeit ebenfalls nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Rechte als Vater sind nicht ohne weiteres höher zu bewerten als die Rechte der Beklagten. Sie hat einen Rechtsgewährungsanspruch und war beim Beschäftigungsanspruch in erster Instanz erfolgreich.
34B.
35Da der Verfügungskläger mit seinem Antrag unterlegen ist hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen.
36C.
37Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 61 Abs. 1 ArbGG und entspricht einem Monatsgehalt.
38RECHTSMITTELBELEHRUNG
39Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
40Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
41Landesarbeitsgericht Düsseldorf
42Ludwig-Erhard-Allee 21
4340227 Düsseldorf
44Fax: 0211 7770-2199
45eingegangen sein.
46Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.
47Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
48Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
491.Rechtsanwälte,
502.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
513.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
52Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
53* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
54Dr. Hamacher
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 14 SaGa 25/08 1x (nicht zugeordnet)
- 3 Ca 1425/15 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 894 Fiktion der Abgabe einer Willenserklärung 2x
- ArbGG § 61 Inhalt des Urteils 1x
- ZPO § 940 Einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes 2x
- 11 Sa 1507/03 2x (nicht zugeordnet)