Beschluss vom Anwaltsgerichtshof NRW - 1 AGH 6/22
Tenor
Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen Rechtsanwalt A wird zurückgewiesen.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger hat unter dem 07.03.2022 vor dem erkennenden Senat Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 03.02.2022 erhoben, durch den ihm aus Gründen des § 14 Abs.2 Nr.7 BRAO die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen worden ist. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 21.03.2022 ist Rechtsanwalt A als Berichterstatter in dieser Sache bestimmt worden, ferner ist Termin zur mündlichen Verhandlung für den 24.06.2022 anberaumt worden. Die vom Kläger mit der Klage angekündigte Klagebegründung ist bis zum Terminstag nicht zu den Akten gereicht worden. Mit Schriftsatz vom 21.06.2022 hat der Kläger unter Bezugnahme auf ein ärztliches Attest vom 21.06.2022 beantragt, aufgrund einer akuten Erkrankung den Verhandlungstermin zu verlegen. Er hat geltend gemacht, an dem Senatstermin vom 24.06.2022 zwingend teilnehmen zu wollen. Das ärztliche Attest vom 21.06.2022 wies den Kläger voraussichtlich bis zum 01.07.2022 aufgrund einer orthopädischen Erkrankung als dienst- und verhandlungsunfähig aus, da sein Urteilsvermögen aufgrund der notwendigen Medikation eingeschränkt sein könnte. Der Berichterstatter hat dem Kläger unter dem 22.06.2022 aufgegeben, ein ergänzendes qualifiziertes Attest vorzulegen. Darauf hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23.06.2022 eine ärztliche Bescheinigung überreicht, aus der hervorgeht, dass der Kläger unter einer Lumboischialgie mit starken Schmerzen leide, die mit der Gabe von Novamin, Dexamethason und Tilidin behandelt werde. Der Berichterstatter hat dem Kläger unter Bezugnahme auf die ärztliche Bescheinigung vom 23.06.2022 im Wege telefonischer Rücksprache mit dessen Verfahrensbevollmächtigten aufgegeben, bis zum 24.06.2022, 9.00 Uhr zu erläutern, weshalb der Kläger um Terminsaufhebung bitte. Zur Begründung hat der Berichterstatter ausgeführt, der Kläger habe seine Klage bislang nicht begründet, er sei anwaltlich vertreten und sein persönliches Erscheinen sei nicht angeordnet worden. Hierzu hat der Berichterstatter erläutert, eine Übersendung der schriftlich verfassten Verfügung vom 23.06.2022 per beA sei ihm aufgrund in seinem Büro aufgetretener technischer Probleme nicht möglich gewesen.
4Mit an den Anwaltsgerichtshof gerichteten Schriftsatz vom 23.06.2022 lehnt der Kläger den Berichterstatter, Rechtsanwalt A, wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.
5Zur Begründung führt er aus, es sei schon zweifelhaft, ob der Berichterstatter Bedenken gegen Inhalt und Richtigkeit des ärztlichen Attests vom 21.06.2022 hätte äußern dürfen, denn andere Gerichte hätten den Inhalt des Attests zur Begründung von Terminsverlegungsanträgen ausreichen lassen. Jedenfalls aber hätten an dem Inhalt der ärztlichen Bescheinigung vom 23.06.2022 keine Zweifel bestehen dürfen. Soweit der Berichterstatter nach Vorlage der Bescheinigung vom 23.06.2022 den Verhandlungstermin vom 24.06.2022 nicht auf „Biegen und Brechen“ habe aufrechterhalten können, habe er zur weiteren Begründung auf die fehlende Klagebegründung verwiesen, die jedoch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung hätte nachgeholt werden können. Der Berichterstatter habe in dem Telefonat vom 23.06.2022 keine vernünftigen und nachvollziehbaren Gründe benennen können, weshalb er nicht dafür Sorge trage, dass der Termin aufgehoben werde. Ohnehin sei zweifelhaft, ob der Berichterstatter befugt sei, allein über den Antrag auf Terminsaufhebung zu entscheiden und Erklärungen für das erkennende Gericht abzugeben. Ein Beschluss des Senats über die Übertragung von Befugnissen auf den Berichterstatter liege nicht vor. Aufgrund der nachhaltigen Weigerung des Berichterstatters, den Termin zu verlegen, verstärke sich die Besorgnis, dass der Berichterstatter ein vorgefasstes Ergebnis zum Ausgang des Rechtsstreits habe und er nicht mehr die notwendige Neutralität aufweise. Hinzu komme, dass der Berichterstatter regelmäßig über sein besonderes Rechtsanwaltsfach Auflagen des Gerichts versende. Damit dokumentiere er, dass er nicht hinreichend zwischen seiner originären Tätigkeit als Rechtsanwalt und potentieller Konkurrent sowie als Berichterstatter des erkennenden Gerichts differenziere.
6Der Berichterstatter hat zu dem Ablehnungsgesuch Stellung genommen. Auf den Inhalt der Erklärung wird verwiesen. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
7II.
8Das gegen Rechtsanwalt A als Berichterstatter gerichtete Ablehnungsgesuch des Klägers vom 23.06.2022 ist unbegründet.
9Gem. §§ 54 Abs.1 VwGO, 42 Abs.2 ZPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit setzt nicht voraus, dass der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Vielmehr müssen vom Standpunkt eines Beteiligten aus gesehen hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unparteilichkeit zu zweifeln. Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der für eine Befangenheit in Betracht kommenden Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht nicht aus, um ein Ablehnungsgesuch zu rechtfertigen. Die Ablehnung ist daher nur begründet, wenn ein Beteiligter die auf objektiv feststellbaren Tatsachen beruhende, subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis hegt, der Richter werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden (Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl., § 54 Rn.10; Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 42 Rn.8 f; Weyland/Kilimann, BRAO, 10. Aufl., § 112c Rn.178).
10Der Kläger begründet sein Ablehnungsgesucht im Wesentlichen mit zwei Aspekten: Er zweifelt an der Unvoreingenommenheit des Berichterstatters aufgrund der von ihm gesehenen fehlenden Differenzierung zwischen dessen originärer Tätigkeit als Rechtsanwalt und Beisitzer des erkennenden Gerichts sowie wegen einer Überschreitung der Kompetenzen des abgelehnten Richters in seiner Funktion als Berichterstatter.
111. Dass der abgelehnte Berichterstatter nicht ausreichend zwischen seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar und seinem Amt als ehrenamtlicher Richter des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen differenziert, ist nicht ersichtlich. Soweit der Berichterstatter über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach Verfügungen in Verfahren des Anwaltsgerichtshofs versendet, verwendet der Berichterstatter – wie aus der Verfügung des Berichterstatters vom 16.05.2022 ersichtlich ist - den Briefkopf des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen. Dort sind Postanschrift, Telefon- und Fax-Nummer des Anwaltsgerichtshofs und der Geschäftsstelle angegeben, die Unterzeichnung erfolgt nicht etwa unter Bezugnahme auf die Tätigkeit des Berichterstatters als Rechtsanwalt und Notar, sondern als Berichterstatter des erkennenden Gerichts.
122. Ferner ist nicht ersichtlich, dass das Verhalten des abgelehnten Berichterstatters im Zuge der Terminsvorbereitung vom Standpunkt eines objektiven und vernünftigen Beobachters die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnte.
13a) Insbesondere hat der abgelehnte Berichterstatter der Entscheidungszuständigkeit des Vorsitzenden bzw. des Senats aus §§ 173 Abs.1 VwGO, 227 Abs.4 ZPO nicht vorgegriffen. Er hat weder mündlich noch schriftlich über den Terminsverlegungsantrag des Klägers entschieden. Es gibt auch keinen objektiven Anhaltspunkt dafür, dass der Berichterstatter dem Kläger suggeriert hätte, er würde in seiner Funktion als Berichterstatter den Terminsverlegungsantrag ablehnen wollen.
14b) Soweit Rechtsanwalt A mit den Verfügungen vom 22.06.2022 und 23.06.2022 dem Kläger aufgegeben hat, zu den Umständen seines Terminsverlegungsantrags ergänzend vorzutragen und die Tatsachen zu belegen, die der Kläger als Begründung für seinen Antrag vom 21.06.2022 anführt, wäre diese Verfügung gem. §§ 173 Abs.1 VwGO, 227 Abs.2 ZPO zwar durch den Vorsitzenden zu treffen gewesen. Das Vorgehen des Berichterstatters begründet dennoch nicht die Besorgnis der Befangenheit. Das Ablehnungsverfahren ist kein Instrument der Fehlerkontrolle, deswegen ist ein verfahrensfehlerhaftes Vorgehen grundsätzlich kein Ablehnungsgrund (vgl. BGH, Beschl. v. 12.10.2011, V ZR 8/19, Tz.7 u.9, juris; Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 42 Rn.28). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Handhabung des Gesetzes im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist (BGH, a.a.O., Tz.7). Hiervon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein.
15Der Berichterstatter hat weder am 22.06.2022 noch am 23.06.2022 Aktivitäten entfaltet, die die Grenzen der richterlichen Aufklärungspflicht überschreiten und die vom Senatsvorsitzenden nicht in gleicher Weise hätten getroffenen werden können. Unabhängig von der Verfügungszuständigkeit waren die vom Berichterstatter gehaltenen Nachfragen vom 22.06.2022 und 23.06.2022 sachlich gerechtfertigt, weil nur erhebliche Gründe eine Terminsverlegung vor Aufruf der Sache durch den Vorsitzenden oder eine Vertagung des Termins durch Senatsbeschluss rechtfertigen können, §§ 173 Abs.1 VwGO, 227 Abs.1 u. 4 ZPO.
16aa) In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob andere Gerichte das mit dem Terminsverlegungsantrag überreichte ärztliche Attest vom 21.06.2022 haben ausreichen lassen. Denn andere Gerichte hatten nicht über ein auf § 14 Abs.2 Nr. 7 BRAO beruhendes Verfahren zu entscheiden, in dem der Kläger persönlich betroffen ist. Angesichts des Verfahrensgegenstandes und des Stands des Verfahrens, insbesondere wegen der ausstehenden Klagebegründung, war es in der Sache nicht zu beanstanden, dass der Berichterstatter mit Verfügung vom 22.06.2022 um die Übersendung eines aussagekräftigen ärztlichen Attests gebeten hat.
17bb) Auch die Auflage des Berichterstatters vom 23.06.2022, der Kläger möge ausdrücklich zu dem Erfordernis der persönlichen Terminswahrnehmung vortragen, ist sachlich nicht zu beanstanden. Der angefragte Vortrag ist im Falle der Verhinderung eines anwaltlich vertretenen Beteiligten Voraussetzung dafür, einen erheblichen Grund für die beantragte Terminsverlegung geltend machen zu können (BVerwG, Urt. v. 30.08.1982, 9 C 1/81, Tz.11, 12, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl., § 102 Rn.6).
18Soweit der Berichterstatter in der Verfügung vom 23.06.2022 überdies mitgeteilt hat, er könne bisher keinen erheblichen Grund für die beantragte Terminsverlegung erkennen, begründet auch dies nicht die Besorgnis der Befangenheit. Der Verfügung vom 23.06.2022 kann allenfalls entnommen werden, dass der Berichterstatter nach damaligem Sachstand für die Aufrechterhaltung des Termins votieren würde, aber weder, dass dies die endgültige und unverrückbare Rechtsauffassung des Berichterstatters war, denn sonst wäre die nachgelassene Stellungnahmefrist überflüssig gewesen, noch, dass der Vorsitzende oder der Senat dem Votum des Berichterstatters folgen würden. Die Äußerung einer vorläufigen Rechtsmeinung stellt keinen Ablehnungsgrund dar (vgl. Zöller, ZPO, § 42 Rn.26; vgl. Weyland/Kilimann, BRAO, 10. Aufl., § 112c Rn.198).3.
19Diese Entscheidung ergeht unanfechtbar, §§ 112c Abs.1 BRAO, 146 Abs.2 VwGO.
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Referenzen
- ZPO § 42 Ablehnung eines Richters 1x
- BRAO § 14 Rücknahme und Widerruf der Zulassung 2x
- VwGO § 146 1x
- ZPO § 227 Terminsänderung 2x
- V ZR 8/19 1x (nicht zugeordnet)
- 9 C 1/81 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 173 3x
- ZPO § 54 Besondere Ermächtigung zu Prozesshandlungen 1x
- §§ 112c Abs.1 BRAO, 146 Abs.2 VwGO 1x (nicht zugeordnet)