Beschluss vom Bundesfinanzhof (4. Senat) - IV B 115/09

Tatbestand

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I. Unternehmensgegenstand der im Jahre 1996 gegründeten Klägerin und Beschwerdeführerin zu 1. (Klägerin zu 1.) war die Bebauung, Vermietung und Verwaltung von Grundstücken. Gesellschafter waren neben dem Kläger und Beschwerdeführer zu 2. (Kläger zu 2.), der mit 4/12 beteiligt war, Herr A zu 2/12 sowie B, C und D jeweils zu 2/12. Zur Geschäftsführung und Vertretung waren der Kläger zu 2. und B gemeinschaftlich berechtigt.

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Auf den Grundstücken wurden vereinbarungsgemäß Gebäude errichtet und nach Fertigstellung im September 1999 von den Gesellschaftern B, C und D im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis genutzt. Mit Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre 1996 und 1997 vom 2. Juni 1999 stellte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) Verluste aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 495.066,24 DM (1996) bzw. von 1.264.908,62 DM (1997) fest. Die Bescheide ergingen gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

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Im Mai 2001 wurde über das Vermögen der Gemeinschaftspraxis das Insolvenzverfahren eingeleitet. Im Jahre 2001 schieden die Gesellschafter B, C und D aus der Gesellschaft aus. Im Rahmen der Gesellschafterversammlung vom 31. August 2001 wurde dem Kläger zu 2. die alleinige Geschäftsführungsbefugnis übertragen.

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Mit am 22. März 2004 eingereichten Feststellungserklärungen für die Streitjahre wurden für die Klägerin zu 1. Einkünfte aus gewerblichem Grundstückshandel in Höhe von - 721.002 DM (1996) bzw. von - 971.061 DM (1997) erklärt. Eine Grundstücksveräußerung erfolgte nicht. Das FA lehnte eine Änderung der Feststellungsbescheide ab.

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Über das Vermögen von D wurde im Dezember 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Gesellschafter A ist Ende 2005 verstorben. Über das Vermögen der Klägerin zu 1. wurde am 30. Mai 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2007 wies das FA den gegen den Ablehnungsbescheid vom 8. September 2004 eingelegten Einspruch als unbegründet zurück. Hiergegen wandten sich die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2. mit der Klage. Das Finanzgericht (FG) wies die Klagen als unzulässig ab.

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Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügen die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2. Verfahrensmängel.

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Außerdem sind sie der Auffassung, die Rechtssache sei von grundsätzlicher Bedeutung bzw. es sei eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts erforderlich.

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Das FA tritt der Beschwerde entgegen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

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a) Die gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

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Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH stellt es einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dar, wenn über eine zulässige Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden wurde (vgl. BFH-Beschluss vom 3. November 2010 II B 55/10, BFH/NV 2011, 295). Das FG hat die erhobenen Klagen indes zu Recht als unzulässig angesehen.

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Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO sind zur Vertretung einer Personengesellschaft berufene Geschäftsführer befugt, Klage gegen einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften zu erheben. Die Vorschrift ist dahin zu verstehen, dass die Personengesellschaft als Prozessstandschafterin für ihre Gesellschafter und ihrerseits vertreten durch ihre Geschäftsführer Klage gegen den Feststellungsbescheid erheben kann. Befindet sich eine Personengesellschaft im Stadium der Liquidation, bleibt sie klagebefugt, wird aber nun durch ihre Liquidatoren vertreten. Liquidatoren einer GbR sind nach § 730 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) grundsätzlich alle Gesellschafter gemeinschaftlich, es sei denn, durch Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss wäre etwas anderes bestimmt (BFH-Beschluss vom 12. April 2007 IV B 69/05, BFH/NV 2007, 1923).

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Im Streitfall enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelung über die Liquidation der Gesellschaft. Auch ein Gesellschafterbeschluss, mit dem der Kläger zu 2. zum Liquidator bestellt wurde, liegt nicht vor. Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 31. August 2001, mit dem der Kläger zu 2. zum alleinigen und alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt worden war, beinhaltet nicht auch die Bestellung des Klägers zu 2. zum alleinigen Liquidator. Die Auseinandersetzung einer GbR ist Aufgabe aller Gesellschafter als Geschäftsführer, auch wenn die Geschäftsführung vorher anders geregelt war (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 29. Mai 1995  19 U 83/94, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 1995, 1881). Für eine anderweitige Einigung über die Bestellung des Klägers zu 2. als Liquidator hat die Beweisaufnahme vor dem FG keine hinreichenden Anhaltspunkte ergeben. Insoweit liegt ein Verfahrensfehler auch nicht deshalb vor, weil das FG den Kläger zu 2. nicht zur Frage einer Übereinkunft über eine Alleinvertretungsbefugnis vernommen hat. Die Beteiligtenvernehmung (§§ 81 Abs. 1 und 82 FGO, §§ 450 ff. der Zivilprozessordnung) ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur ein letztes Hilfsmittel zur Aufklärung des Sachverhalts. Sie dient nicht dazu, den Beteiligten Gelegenheit zu geben, ihre eigenen Behauptungen zu bestätigen und ggf. zu beeiden. Entsprechend kann sie unterbleiben, wenn sich das Gericht mit Hilfe anderer Beweismittel eine Überzeugung bilden kann oder wenn keine Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vorbringens spricht. Die Prüfung dieser Voraussetzungen ist grundsätzlich Sache der Tatsacheninstanz. Ob das Gericht von der Möglichkeit der Beteiligtenvernehmung Gebrauch macht, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, und zwar unabhängig davon, ob der Beteiligte seine Vernehmung beantragt hat. Das Revisionsgericht kann nur überprüfen, ob die Vorinstanz ihr Ermessen unsachgemäß ausgeübt hat (BFH-Beschluss vom 19. Mai 2008 IV B 88/07, BFH/NV 2008, 1685). Hieran fehlt es im Streitfall. Das FG hat im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme --Vernehmung des Zeugen F--, die zur Überzeugung des FG geführt hatte, dass eine Alleinvertretungsbefugnis des Klägers zu 2. für die Liquidationsphase nicht vorgelegen hat, von einer Beteiligtenvernehmung abgesehen und dies im Urteil (unter I.2. der Entscheidungsgründe) nachvollziehbar begründet. Da es danach sein Ermessen sachgerecht ausgeübt hat, liegt ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht vor.

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Vorliegend bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Erben des Gesellschafters A nicht in seine Gesellschafterstellung eintreten sollten. Nach § 18 des Gesellschaftsvertrags sollte die Gesellschaft im Falle des Todes eines Gesellschafters mit den Erben, sonst mit den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt werden. Für die Auffassung der Kläger, eine Fortsetzung mit den Erben könne im Liquidationsfall nicht gewollt gewesen sein, bestehen keine Anhaltspunkte. Auch und gerade im Falle der Liquidation ist es von Bedeutung, dass die Angelegenheiten der Gesellschaft durch die von den ursprünglichen Gesellschaftern bestimmten Nachfolger --hier die Erben-- betreut und geregelt werden. Haben die ursprünglichen Gesellschafter mithin die Fortführung der Gesellschaft mit ihren Erben bestimmt, so erschließt sich nicht, weshalb diese die Nachfolge nach dem Willen des Erblassers dann nicht antreten sollten, wenn sich die Gesellschaft in Liquidation befindet.

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Da das Verfahren nach § 1965 BGB noch nicht abgeschlossen war und danach die Erben des Gesellschafters A noch nicht bekannt waren, hätte eine zulässige Klage der Klägerin zu 1. durch den Kläger zu 2. und die durch einen Nachlasspfleger gesetzlich vertretenen Erben des verstorbenen Gesellschafters als Liquidatoren erhoben bzw. genehmigt werden müssen (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 2006 IV R 39, 40/05, BFH/NV 2007, 221). Hieran fehlt es im Streitfall. Entgegen dem klägerischen Vorbringen hat es das FG auch nicht an einem rechtlichen Hinweis auf das Erfordernis der Nachlasspflegschaft fehlen lassen. Vielmehr ist ein solcher Hinweis mit Schreiben vom 23. Januar 2009 erfolgt.

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Auch die Zulässigkeit der Klage des Klägers zu 2. hat das FG nicht verfahrensfehlerhaft verneint. Insbesondere bestand keine Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO, weil es nicht um Fragen ging, die einen Beteiligten persönlich angingen.

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Auch das Vorbringen, bei der Vorentscheidung handele es sich um ein Überraschungsurteil, weil die Frage der Durchführung eines Vorverfahrens nach § 44 FGO im Laufe des Verfahrens nicht zur Sprache gekommen sei, führt nicht zum Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde. Hat das FG seine Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, so muss wegen jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegen. Ist eine Begründung --wie dargelegt-- nicht erfolgreich mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen worden, so ist unerheblich, ob die zweite Begründung der Entscheidung verfahrens- oder in anderer Weise fehlerhaft war, weil das Urteil nicht auf diesen Mängeln beruht (BFH-Beschluss vom 22. April 2008 X B 64/07, BFH/NV 2008, 1345). Da das FG sein Urteil mit den übrigen Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage unabhängig von der weiteren Voraussetzung der Durchführung eines Einspruchsverfahrens begründet hat, kann danach offenbleiben, ob die ergänzende Begründung die Voraussetzungen eines Überraschungsurteils erfüllen würde.

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b) Die Revision war auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Die Kläger machen insoweit geltend, der zitierten Rechtsprechung (BFH-Beschluss vom 15. Januar 1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994; BFH-Urteile vom 29. Juni 2004 IX R 39/03, BFH/NV 2004, 1371, und vom 6. Oktober 2004 IX R 68/09, BFHE 207, 24, BStBl II 2005, 324) könne nicht entnommen werden, dass § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO nur bei Publikumsgesellschaften anzuwenden sei. Nach der Rechtsprechung des BFH fehlt es bei Publikumsgesellschaften in Form einer GbR an einem zur Vertretung berufenen Geschäftsführer mit der Folge, dass jeder Gesellschafter klagebefugt sein kann (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO). Diese Rechtsprechung hat der BFH indes auf den Anwendungsbereich der Publikumsgesellschaften beschränkt, wie insbesondere aus dem BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 1371 hervorgeht. Entsprechend vertritt der BFH im Falle einer Personengesellschaft in Liquidation auch die Auffassung, dass eine Klage durch die Gesellschafter als gemeinschaftliche Liquidatoren zu erheben ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1923), wobei die Erben eines Gesellschafters ggf. durch einen Nachlasspfleger zu vertreten sind (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 221).

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