Urteil vom Bundesfinanzhof (5. Senat) - V R 19/10

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, verkaufte und vermietete im Zeitraum September bis Dezember 2005 PKW.

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Einziger Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin war SK. SK war darüber hinaus auch Geschäftsführer und Alleingesellschafter der in den Niederlanden ansässigen E-BV (E), einer Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts. Die E war zu 99 % an der in Frankreich ansässigen S-SARL (S), einer Kapitalgesellschaft französischen Rechts, beteiligt.

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S bot in Frankreich PKW zum Verkauf an. Zwischen S und der in Spanien ansässigen V-SL (V), einer Kapitalgesellschaft spanischen Rechts, bestand ein "Provisionsvermittlungsvertrag", aufgrund dessen S in Frankreich Abnehmer für Fahrzeuge warb, an die V die Fahrzeuge verkaufte. Die an die in Frankreich ansässigen Abnehmer verkauften PKW erwarb V von der Klägerin, die diese Fahrzeuge ihrerseits entweder von E oder von anderen Händlern erwarb, wenn S einen Abnehmer in Frankreich gefunden hatte. Die Differenz zwischen Ein- und Verkaufspreis der V belief sich auf ca. 500 € pro PKW.

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Soweit die Klägerin die Fahrzeuge von E erwarb, war ihrem Geschäftsführer, SK, der Weiterverkauf durch V auf Vermittlung von S an den jeweiligen französischen Abnehmer aufgrund eines "Winst-Verdeling" genannten Vermerks, aus dem sich auch der jeweilige Kaufpreis ergab, bekannt. Bei den PKW handelte es sich sowohl um Neu- als auch um Gebrauchtfahrzeuge.

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Bei Neufahrzeugen veranlasste die Klägerin die Zulassung des PKW auf sich selbst und versicherte die Fahrzeuge. Mit den französischen Käufern der PKW schloss die Klägerin eine "Kraftfahrzeugüberlassungsvereinbarung" und einen "Mietvertrag" für sechs Monate ab, ohne dass dabei Mietzahlungen vereinbart wurden. Die Klägerin übergab die PKW im Inland an zwei Personen, für die V erst nach Abwicklung der streitigen Fahrzeuglieferungen schriftliche "Überführungsvollmachten" erteilte. Die beiden Bevollmächtigten brachten die PKW nach Frankreich zu S, die die PKW dort den französischen Abnehmern gegen Zahlung des Kaufpreises an S übergab. S leitete die Kaufpreiszahlungen an E weiter.

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Nach Ablauf von sechs Monaten meldete die Klägerin die PKW ab und erteilte V eine Rechnung über eine innergemeinschaftliche Lieferung eines Gebrauchtfahrzeugs. Zeitgleich überwies E den von den französischen Abnehmern gezahlten Kaufpreis an S zurück. S leitete die Zahlung an V weiter. V überwies den ihr in Rechnung gestellten Kaufpreis an die Klägerin. Mit zwei Ausnahmen wurden alle Fahrzeuge auf die Abnehmer in Frankreich zugelassen. In zwei Fällen wurden PKW auf Käufer in den Niederlanden zugelassen.

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Die Klägerin behandelte die PKW-Verkäufe an V als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Sie zeichnete die der V erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auf. Weiter verfügte die Klägerin jeweils über eine Versicherung der V, die Fahrzeuge nach Barcelona/Spanien zu verbringen und dort der Erwerbsbesteuerung zu unterwerfen. Tatsächlich wendete V auf den Verkauf an die französischen Abnehmer nur die Differenzbesteuerung an.

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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ging im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung davon aus, dass die PKW aufgrund eines Gesamtplans direkt an die französischen Endabnehmer geliefert wurden. V sei nur zum Schein in die Lieferkette einbezogen worden, um innergemeinschaftliche Lieferungen vorzutäuschen. V sei keine Verfügungsmacht verschafft worden. Tatsächliche Abnehmer seien die französischen Endkunden gewesen. Die Einschaltung der V sei wirtschaftlich unsinnig gewesen und habe nur der Umsatzsteuerhinterziehung gedient. Das FA ging daher von steuerpflichtigen Lieferungen im Inland aus und änderte dementsprechend die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide September bis Dezember 2005 durch die Änderungsbescheide vom 22. Juni 2007. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

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Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Abnehmer der Lieferungen sei V gewesen. Die zivilrechtlichen Vereinbarungen hätten zwischen der Klägerin und V bestanden. Die Klägerin habe die PKW an Bevollmächtigte der V ausgehändigt. V habe die in den Rechnungen der Klägerin ausgewiesenen Kaufpreise an die Klägerin gezahlt. Die französischen Abnehmer hätten die Verfügungsmacht von V erhalten. Dass V keinen innergemeinschaftlichen Erwerb versteuert, sondern auf die Lieferungen an die französischen Abnehmer die Differenzbesteuerung angewendet habe, spreche nicht gegen eine Abnehmerstellung der V. Unerheblich sei der "strukturierte Verkaufsablauf" und die der Klägerin bekannte "Winst-Verdeling", nach der sich für V nur eine Marge von ca. 500 € aus den einzelnen PKW-Verkäufen ergeben habe. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass S die Fahrzeuge an die französischen Abnehmer verkauft habe. Hierfür spreche auch nicht die Bezahlung, da S keine Zahlungen an die Klägerin geleistet habe. Die Klägerin habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Zumindest seien die Lieferungen nach der objektiven Beweislage steuerfrei, da die Klägerin die PKW an V als Unternehmer geliefert habe und aufgrund der Zulassungsbescheinigungen feststehe, dass die Fahrzeuge nach Frankreich und in zwei Fällen in die Niederlande gelangt seien. Einen Antrag des FA auf Tatbestandsberichtigung lehnte das FG ab.

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Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1930 veröffentlicht.

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Mit seiner Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Klägerin sei mit ihren Umsätzen in ein Betrugsmodell eingebunden gewesen und habe an Verschleierungsmaßnahmen zur Vermeidung der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland Frankreich kollusiv mitgewirkt. V sei zur Anwendung der Differenzbesteuerung nicht befugt gewesen. Nach den den Mitgliedstaaten gemäß Art. 28c Teil A der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) zustehenden Befugnissen und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichthofs der Europäischen Union (EuGH) seien die Lieferungen steuerpflichtig.

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Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

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Die Revision hätte nicht zugelassen werden dürfen. Auch aus der Revisionsbegründung des FA ergebe sich keine grundsätzliche Bedeutung. Das FA habe sich nicht mit Haupt- und Hilfsbegründung des FG auseinandergesetzt. Zumindest sei die Revision unbegründet. Die Sachverhaltswürdigung sei Sache des FG, an die der Bundesfinanzhof (BFH) mangels geltend gemachter Verfahrensfehler gebunden sei. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG habe sich die Klägerin keines Rechts- oder Systemmissbrauchs schuldig gemacht. Es lägen auch keine Feststellungen vor, nach denen sich ihr Geschäftsführer an der Vermeidung einer Erwerbsbesteuerung auch beteiligt habe. Das FG habe weiter festgestellt, dass sie, die Klägerin, den Beleg- und Buchnachweis erbracht habe. Ein strafrechtlicher Vorwurf gegen den Geschäftsführer sei nicht einmal ansatzweise dargelegt worden. Die zuständige Staatsanwaltschaft habe in einem Strafverfahren sogar Freispruch für den Geschäftsführer beantragt. Die spanischen und französischen Finanzbehörden hätten die Sache nicht weiter verfolgt. Von einem kollusiven Zusammenwirken könne keine Rede sein. Der vom EuGH entschiedene Fall sei mit dem Streitfall, weil eine Hinterziehung nicht vorliege, nicht vergleichbar. Es stehe ihr frei, ein steuerlich optimales Ergebnis zu erzielen.

Entscheidungsgründe

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II. A) Die Revision des FA ist entgegen der Auffassung der Klägerin zulässig. Das FA macht mit seiner Revision ausdrücklich eine Verletzung von Bundesrecht durch eine unzutreffende Auslegung von § 6a des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) geltend und wendet sich sowohl gegen die vom FG bejahte Steuerfreiheit aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises als auch gegen die vom FG angenommene Steuerfreiheit nach der objektiven Beweislage. Dass sich das FA daneben auch noch zu einzelnen Revisionszulassungsgründen des § 115 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geäußert hat, steht der Zulässigkeit der Revision nach § 120 Abs. 2 FGO nicht entgegen. Weiter kann gegen die Zulassung der Revision nicht eingewendet werden, dass das FG die Revision mangels Zulassungsgrundes nicht habe zulassen dürfen (vgl. § 115 Abs. 3 FGO).

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B) Die Revision des FA ist auch begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Lieferungen der Klägerin sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei.

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1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind unter den Voraussetzungen von § 6a UStG steuerfrei.

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a) Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet. Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

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Die Steuerfreiheit beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach sind steuerfrei "a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

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b) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999/2005 durch Belege und buchmäßige Aufzeichnungen nachzuweisen. Dieser Beleg- und Buchnachweis beruht auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Danach legen die Mitgliedstaaten Bedingungen "zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch" fest, wobei sie die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu beachten haben (EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 15 Rdnr. 45). Der Unternehmer hat den Beweis für die Steuerfreiheit einschließlich der von den Mitgliedstaaten aufgestellten Bedingungen zu erbringen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnr. 46).

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c) Erbringt der Unternehmer den Beleg- und Buchnachweis nicht vollständig, erweisen sich Nachweisangaben als unzutreffend oder bestehen berechtigte und nicht durch den Unternehmer ausgeräumte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben (vgl. BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFH/NV 2011, 1448, unter II.2.c), ist die Lieferung steuerpflichtig, wenn diese Mängel den "sicheren Nachweis" der materiellen Anforderungen verhindern (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 31).

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Darüber hinaus ist die Lieferung auch steuerpflichtig, wenn --obwohl die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung objektiv vorliegen-- der Steuerpflichtige unter Verstoß gegen die auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG beruhenden Pflichten zum Beleg- und Buchnachweis die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnr. 51 und Leitsatz; BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1448, und vom 17. Februar 2011 V R 30/10, BFH/NV 2011, 1451, jeweils unter II.2.c).

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2. Die Klägerin ist nach diesen Grundsätzen entgegen dem FG-Urteil nicht berechtigt, die Steuerfreiheit ihrer Lieferungen aufgrund der nachweislich objektiv vorliegenden Voraussetzungen hierfür zu beanspruchen. Selbst wenn zugunsten der Klägerin davon ausgegangen wird, dass --unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung zur Bestimmung des Abnehmers (BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1448, und in BFH/NV 2011, 1451, jeweils unter II.2.b)-- im Streitfall V Abnehmer der Lieferungen der Klägerin war, sind die Lieferungen der Klägerin aufgrund ihrer Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung steuerpflichtig.

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a) Der EuGH begründet in seinem Urteil R in UR 2011, 15 die Steuerpflicht trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung damit, dass die Vorlage von Scheinrechnungen oder die Übermittlung unrichtiger Angaben sowie sonstige Manipulationen die genaue Erhebung der Steuer verhindern und das ordnungsgemäße Funktionieren des Mehrwertsteuersystems in Frage stellen. Das Ausstellen unrichtiger Rechnungen berechtigt dabei die Mitgliedstaaten aufgrund der ihnen nach dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG eingeräumten Befugnisse, die Steuerfreiheit zu versagen, wobei die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Neutralität, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes der Steuerpflicht nicht entgegenstehen, wenn sich der Lieferer dadurch vorsätzlich an einer Steuerhinterziehung beteiligt, dass er die Identität des wahren Erwerbers verschleiert, um diesen zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 48 bis 55). Dementsprechend geht auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) davon aus, dass "die Steuerfreiheit jedenfalls nicht eingreift, wenn die Erwerbsbesteuerung in einem anderen Mitgliedstaat unterlaufen wird" (BVerfG-Beschluss vom 16. Juni 2011  2 BvR 542/09, unter C.I.b bb). Maßgeblich ist insoweit der zwischen innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb bestehende Besteuerungszusammenhang und die damit bezweckte Verlagerung des Steueraufkommens auf den Bestimmungsmitgliedstaat durch die dort beim Abnehmer als Steuerschuldner vorzunehmende Besteuerung (BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1448, und in BFH/NV 2011, 1451, jeweils unter II.2.a und 3.).

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b) Im Streitfall hat sich die Klägerin über ihren Geschäftsführer SK mit ihren Lieferungen wissentlich an einem auf Umsatzsteuerhinterziehung angelegten Geschäftsmodell beteiligt, das das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gefährdet, und kann daher für diese Lieferungen nicht die Steuerfreiheit nach § 6a UStG beanspruchen.

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aa) Die Klägerin hat Fahrzeuge erworben, auf die die Regelungen über die Differenzbesteuerung nach nationalem Recht wie nach der Richtlinie 77/388/EWG nicht anwendbar waren.

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Die Lieferung von Gegenständen unterliegt nur dann der Differenzbesteuerung, wenn für die Lieferung des Gegenstandes an den Unternehmer, der die Differenzbesteuerung anwendet (Wiederverkäufer) gemäß § 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG "Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben" oder "die Differenzbesteuerung vorgenommen wurde", wobei letzteres zu Recht erfolgt sein muss (vgl. BFH-Urteil vom 23. April 2009 V R 52/07, BFHE 226, 123, BStBl II 2009, 860, Leitsatz). Die gleichen Voraussetzungen bestehen im Unionsrecht, das in Art. 26a Teil B Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG für die Anwendung der Differenzbesteuerung darauf abstellt, dass die Gegenstände an den Wiederverkäufer "von einem Nichtsteuerpflichtigen", "von einem anderen Steuerpflichtigen, sofern die Lieferung des Gegenstandes gemäß Artikel 13 Teil B Buchst. c von der Steuer befreit ist", "von einem anderen Steuerpflichtigen, sofern für die Lieferung des Gegenstandes durch diesen anderen Steuerpflichtigen die Steuerbefreiung nach Artikel 24 gilt und es sich um ein Investitionsgut handelt" oder "von einem anderen steuerpflichtigen Wiederverkäufer, sofern die Lieferung durch diesen anderen steuerpflichtigen Wiederverkäufer gemäß dieser Sonderregelung mehrwertsteuerpflichtig ist", geliefert werden.

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Im Streitfall hat die Klägerin die Fahrzeuge nach den für den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) von anderen Händlern ohne Anwendung der Differenzbesteuerung erworben, so dass die Weiterlieferung durch die Klägerin wie auch weitere Anschlusslieferungen nicht der Differenzbesteuerung unterlagen.

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bb) Bei der innergemeinschaftlichen Weiterlieferung der Fahrzeuge erteilte die Klägerin Rechnungen an V über nach § 6a UStG steuerfreie Lieferungen, während V für die von S vermittelten Verkäufe an die französischen und niederländischen "Endabnehmer" Rechnungen über differenzbesteuerte Lieferungen ausstellte. V unterließ demgegenüber die im Mitgliedstaat der Beendigung der Beförderung nach Art. 28b Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG geschuldete Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs (Art. 28a der Richtlinie 77/388/EWG). Damit wurde in der von der Klägerin angenommenen Lieferkette (Klägerin an V und V an "Endabnehmer") ein nach der Richtlinie 77/388/EWG nicht bestehender "Steuervorteil" dadurch in Anspruch genommen, dass die in Frankreich und den Niederlanden aufgrund der Lieferungen der Klägerin bestehende Verpflichtung zur Erwerbsbesteuerung durch das Vortäuschen einer differenzbesteuerten Lieferung verdeckt wurde.

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Dies erfolgte --worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen hat-- im Rahmen eines Geschäftsmodells, das durch Hinterziehung der nach der Richtlinie 77/388/EWG geschuldeten Erwerbssteuer darauf angelegt war, das ordnungsgemäße Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in Frage zu stellen und dazu diente, die Erwerbsbesteuerung zu unterlaufen. Denn der Fahrzeugvermittler S und die Klägerin als Fahrzeugverkäufer waren nahestehende Personen, da der Gesellschafter/Geschäftsführer der Klägerin, SK, Alleingesellschafter und einziger Geschäftsführer der E war, die ihrerseits zu 99 % an S beteiligt war. Die Einschaltung der V beruhte daher nicht auf wirtschaftlichen Erwägungen, sondern diente ausschließlich dazu, durch Ausstellen von Rechnungen über differenzbesteuerte Lieferungen der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs faktisch zu entgehen.

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cc) Die Klägerin hat sich auch wissentlich an der Hinterziehung der Erwerbssteuer beteiligt. Denn wie sie selbst ausführt, hatte sie über ihren Geschäftsführer "Kenntnis von jedem einzelnen Geschäftsvorfall" und "hat die maßgeblichen Fahrzeuge erst dann selbst angekauft, wenn der Endabnehmer, vorliegend der französische Endkunde, seinerseits den Kaufvertrag abgeschlossen hatte", so dass die angestrebte Lieferkette (Erwerb durch die Klägerin, Lieferung an V und an "Endabnehmer") erst in Gang gesetzt wurde, wenn S einen potentiellen Kunden für ein bestimmtes Fahrzeug gefunden hatte. Zudem hat sich die Klägerin in Kenntnis des "strukturierten Verkaufsablaufs", und in Übernahme der "bewusst sachlich falschen" Angaben der V zum Bestimmungsort der Fahrzeuge in Barcelona/ Spanien an der Hinterziehung der nach der Richtlinie 77/388/EWG in Frankreich und den Niederlanden geschuldeten Erwerbssteuer beteiligt. Ob zugleich auch eine Steuerhinterziehung im Inland vorliegt, ist dabei für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung ebenso unerheblich wie die Frage, wie das Handeln des SK strafrechtlich zu würdigen ist.

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dd) Ohne Bedeutung ist, ob die Klägerin, wie sie darlegt, davon ausging, dass nach spanischem Recht --im Gegensatz zum UStG und zur Richtlinie 77/388/EWG-- ein aufgrund einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung erworbener Gegenstand im Rahmen der Differenzbesteuerung weitergeliefert werden könne. Selbst wenn die Rechtsauffassung der Klägerin in Bezug auf die Beurteilung des spanischen Rechts zuträfe, wäre dies unerheblich, da die Fahrzeuge, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, im Streitfall nie nach Spanien gelangt sind und daher Spanien als ein für Besteuerung maßgeblicher Leistungsort für eine ggf. der Differenzbesteuerung unterliegende Lieferung von vornherein ausscheidet. Daher kommt auch der Behauptung der Klägerin, sie habe "in dem guten Glauben gehandelt, dass der Ablauf der Geschäftsbeziehung legal ist", keine Bedeutung zu, zumal sie sich das Wissen ihres Geschäftsführers SK zurechnen lassen muss (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 2010 XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132, unter II.2.b bb).

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Ohne Erfolg macht die Klägerin für die Steuerfreiheit ihrer Lieferungen schließlich geltend, es stehe ihr "frei, die Rechtsbeziehungen so auszugestalten, dass unter Beachtung der spanischen Umsatzsteuervorschriften insgesamt Umsatzsteuer eingespart und so das Geschäft positiv beeinflusst werden" konnte. Zwar können die Steuerpflichtigen nach der Rechtsprechung des EuGH "die Organisationsstrukturen und die Geschäftsmodelle, die sie als für ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten und zur Begrenzung ihrer Steuerlast am besten geeignet erachten, im Allgemeinen frei wählen" und hat "der Steuerpflichtige, wenn er die Wahl zwischen verschiedenen Umsätzen hat, das Recht ..., seine Tätigkeit so zu gestalten, dass er seine Steuerschuld in Grenzen hält" (EuGH-Urteil vom 22. Dezember 2010 C-277/09, RBS Deutschland, UR 2011, 222 Rdnrn. 53 f.). Eine derartige Wahlmöglichkeit bestand aber im Streitfall nicht. Denn die von der Klägerin gelieferten Fahrzeuge unterlagen nicht der Differenzbesteuerung, wobei hinsichtlich der Weiterlieferung der Fahrzeuge auch kein Recht auf "Option" zur Differenzbesteuerung bestand (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 226, 123, BStBl II 2009, 860, unter II.1.c bb).

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3. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da der Klägerin die Steuerfreiheit nach § 6a UStG für die von ihr ausgeführten Lieferungen entgegen dem FG-Urteil, das bei seiner Entscheidung das EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 nicht berücksichtigen konnte, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zusteht.

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Für ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH besteht kein Anlass. Zwar ergibt sich --worauf der Senat im Urteil in BFH/NV 2011, 1451, unter II.3.a hingewiesen hat-- aus dem EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 nicht, ob eine Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung trotz Vorliegens der hierfür zu erfüllenden Voraussetzungen in Betracht kommt, wenn dem Unternehmer --ohne über die Identität des Abnehmers zu täuschen-- nur bekannt ist, dass der Abnehmer, den er nach seinen Belegen und buchmäßigen Aufzeichnungen als Abnehmer führt, seine steuerlichen Verpflichtungen im Bestimmungsmitgliedstaat nicht erfüllt. Keine unionsrechtlichen Zweifel bestehen nach der Rechtsprechung des EuGH aber für die im Streitfall vorliegende Fallgestaltung, bei der dem Lieferer --hier der Klägerin-- nicht nur bekannt war, dass der Abnehmer --hier V-- seine Verpflichtung zur Erwerbsbesteuerung in Frankreich und den Niederlanden nicht erfüllt hat, sondern sie im Rahmen des von ihrem Gesellschafter/Geschäftsführer auf Umsatzsteuerhinterziehung angelegten Geschäftsmodells Lieferungen in Kenntnis und Billigung der maßgeblichen Umstände ausgeführt hat.

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