Beschluss vom Bundesfinanzhof (7. Senat) - VII S 6/11 (PKH)

Tatbestand

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I. Aufgrund der Ergebnisse eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) gegen den Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Antragsteller) Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer und Zinsen mit der Begründung fest, der Antragsteller habe mit unversteuerten und unverzollten Zigaretten gehandelt. Der Einspruch führte zur Aufhebung der Festsetzung von Zoll und Einfuhrumsatzsteuer und zur Festsetzung von Tabaksteuer und Zinsen. Die daraufhin erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Den Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) lehnte das Finanzgericht (FG) ebenso ab, wie einen Antrag auf Terminsverlegung, der vom Antragsteller mit der Vorbereitung und Leitung einer Vortragsveranstaltung begründet worden war. Zur mündlichen Verhandlung erschien der Antragsteller nicht. Aufgrund der Aktenlage und des schriftsätzlichen Vorbringens des Antragstellers kam das FG zu dem Schluss, dass der Antragsteller mit unversteuerten Zigaretten gehandelt habe und deshalb zu Recht als Abgabenschuldner in Anspruch genommen worden sei. Er habe nichts substantiiert vorgetragen, was auf einen Handel mit versteuerten Zigaretten hingedeutet hätte.

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Mit seiner Beschwerde, für die er die Gewährung von PKH und die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt, begehrt der Antragsteller die Zulassung der Revision, wobei er sämtliche in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgeführten Zulassungsgründe geltend macht. Eine Gehörsverletzung und eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) liege darin, dass dem Antragsteller durch die unrechtmäßige Ablehnung des Antrags auf Terminsverlegung und die Verweigerung von PKH eine Vertretung durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten verwehrt worden sei. Durch die Ablehnung des PKH-Antrags habe das FG gegen das Gebot der Waffengleichheit und gegen Art. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen. Entgegen den Ausführungen des FG wäre dem Bevollmächtigten des Antragstellers eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und eine rechtzeitige Teilnahme an der Vortragsveranstaltung nicht möglich gewesen. Unberücksichtigt habe das FG den Umstand gelassen, dass das HZA die Beweislast für den von ihm unterstellten Handel mit unversteuerten Zigaretten trage. Aus den Angaben des Antragstellers, nach denen sich in jeder Schachtel lediglich 18 Zigaretten befunden haben, hätte das FG auf den Erwerb von in Deutschland versteuerten Zigaretten schließen müssen. Die polnische Herkunft des Lieferanten deute keinesfalls auf Schmuggelware hin. Hätte das FG dem Antragsteller rechtliches Gehör gewährt und eine Anzahl von 18 Zigaretten pro Schachtel angenommen, könne im Streitfall eine für den Antragsteller günstigere Entscheidung nicht ausgeschlossen werden. Schließlich werfe der Streitfall eine Reihe von grundsätzlich bedeutsamen Fragen auf. Es stellten sich die Fragen, ob das FG auf von der Polizei protokollierte Zeugenaussagen abstellen dürfe, wenn in diesen die klagende Partei in Bezug auf den angeblichen Erwerb von polnischen oder russischen Zigaretten denunziert worden sei, ob allein aus dem Erwerb von einem aus Polen stammenden Bürger auf eine Veräußerung von Schmuggelware geschlossen werden könne und ob ein Urteil ohne die Möglichkeit für die klagende Partei ergehen könne, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.

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Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

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II. Der Antrag auf Gewährung von PKH wird abgelehnt.

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1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, d.h. wenn für den Erfolgseintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, und wenn die Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint.

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Die Gewährung von PKH kommt deshalb nicht in Betracht, weil bei der gebotenen summarischen Prüfung des Vorbringens des Antragstellers, des Inhalts der Akten und des erstinstanzlichen Urteils kein Grund für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.

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2. Soweit der Antragsteller rügt, das FG habe mit Beschlüssen vom 1. Oktober und 8. November 2010  4 K 132/10 den Antrag auf Bewilligung von PKH zu Unrecht abgelehnt, liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor. Obwohl die Beschlüsse gemäß § 128 Abs. 2 FGO unanfechtbar sind, kann im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs dahingehend geltend gemacht werden, dass das FG den Antragsteller in rechtswidriger Weise um die Möglichkeit gebracht hat, sich durch einen Prozessbevollmächtigten sachkundig vertreten zu lassen (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 142 Rz 101, m.w.N.). Eine rechtswidrige Ablehnung der begehrten PKH lässt sich den angefochtenen Beschlüssen jedoch nicht entnehmen. Das FG hat nachvollziehbar dargelegt, weshalb es aufgrund der Gesamtwürdigung der im Streitfall gegebenen Umstände (z.B. Menge an Zigaretten, auffallend niedriger Preis, konspirative Umstände des Erwerbs) von einem Ankauf von unversteuerten Zigaretten ausgegangen ist. Nachvollziehbar ist auch die Wertung des Vorbringens des Antragstellers als unsubstantiiert. Wie das FG hierzu ausführt, konnte ein Beweis für die Behauptungen, die Packungen hätten 18 Zigaretten enthalten und seien mit Steuerzeichen versehen gewesen, nicht erbracht werden. Zu Recht hat das FG in seinem zweiten Beschluss darauf hingewiesen, im summarischen PKH-Verfahren komme eine Beweiserhebung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung nicht in Betracht und insoweit könne eine Entscheidung nach Aktenlage erfolgen. Aufgrund dieses Befundes kann nicht von einer rechtswidrigen Ablehnung des PKH-Gesuchs und einer daraus resultierenden Gehörsverletzung ausgegangen werden.

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3. Eine Gehörsverletzung liegt auch nicht deshalb vor, weil das FG den Antrag auf Terminsverlegung abgelehnt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein Gericht verpflichtet, anberaumte Verhandlungstermine zu verlegen, wenn hierfür erhebliche Gründe i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO vorliegen (BFH-Beschlüsse vom 23. November 2001 V B 224/00, BFH/NV 2002, 520, und vom 18. März 2003 I B 122/02, BFH/NV 2003, 1584). Ob im Einzelfall solche Gründe für eine Terminsverlegung vorliegen, muss das FG anhand der ihm im Zeitpunkt der Entscheidung bekannten Umstände beurteilen. Die Voraussetzungen durch Vortrag entsprechender Tatsachen zu schaffen, ist Aufgabe desjenigen, der die Verlegung begehrt (BFH-Beschluss vom 4. Mai 2011 IX S 1/11 (PKH), BFH/NV 2011, 1381). Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte begegnet die Ablehnung der Terminsverlegung keinen rechtlichen Bedenken. Das FG hat den Termin zur mündlichen Verhandlung um 10:45 Uhr anberaumt und in seiner Verfügung vom 8. November 2010 einen früheren Beginn angeboten. Demgegenüber beruft sich der Antragsteller zur Begründung seines Antrags auf die Vorbereitung eines Vortrags, der am selben Tag erst um 19 Uhr beginnen sollte. Zutreffend hat das FG in der Urteilsbegründung ausgeführt, der Antragsteller habe nicht hinreichend dargelegt, weshalb dem Bevollmächtigten des Antragstellers die Vorbereitung der Veranstaltung nicht vor dem anberaumten Termin und bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel eine rechtzeitige Rückkehr nicht möglich gewesen sei. Hierzu hat der Antragsteller lediglich ausgeführt, auf die Bahn sei kein Verlass. Zudem hat der Bevollmächtigte des Antragstellers nicht schlüssig dargelegt, warum ihm keine Hilfspersonen zur Seite stehen, die zumindest einen Teil der ihm obliegenden Aufgaben (Vorbereitung des Vortragssaals, Anpassung der Technik, Versorgung mit Getränken, Einführung der Presse) vertretungsweise hätten übernehmen können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Einladung zu dieser Vortragsveranstaltung nicht vom Bevollmächtigten des Antragstellers als Privatperson, sondern von einem eingetragenen Verein ausgesprochen worden ist, bei dem unterstellt werden kann, dass er aus mehreren Mitgliedern einschließlich Vorstandsmitgliedern besteht.

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4. Hinsichtlich der von der Beschwerde behaupteten Verstöße gegen Bestimmungen des GG genügt das Vorbringen nicht den Mindestanforderungen, die an eine solche Rüge zu stellen sind. Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm oder einer gerichtlichen Vorgehensweise geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift den behaupteten Verfassungsverstoß im Einzelnen darlegen. Erforderlich ist hierzu eine substantiierte, an den Vorgaben des GG sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des BVerfG orientierte rechtliche Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil (BFH-Beschlüsse vom 26. September 2002 VII B 270/01, BFH/NV 2003, 480, und vom 3. April 2001 VI B 224/99, BFH/NV 2001, 1138). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht, denn sie setzt sich mit der Rechtsprechung des BVerfG zu den in Bezug genommenen Artikeln des GG nicht einmal ansatzweise auseinander. Insoweit kann die unsubstantiierte Behauptung von Verfassungsverstößen nicht zur Zulassung der Revision führen.

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5. Auch die Rüge, das FG habe die Grundsätze der Beweislastverteilung verkannt, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Ein Verfahrensmangel wird damit jedenfalls nicht geltend gemacht. Die fehlerhafte Beurteilung der Grundsätze über die Verteilung der Beweislast stellt einen materiell-rechtlichen Fehler dar (BFH-Beschluss vom 15. Mai 2007 I B 120/06, BFH/NV 2007, 1686). Als solcher könnte er nur unter den Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 FGO zur Revisionszulassung führen. Eine schlüssige Darlegung eines dieser Gründe ist der Beschwerde --wie nachfolgend ausgeführt wird-- indes nicht zu entnehmen.

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6. Soweit die Beschwerde Fragen von vermeintlich grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, genügt dieses Vorbringen nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Ferner muss die aufgeworfene Frage klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig sein (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).

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An den erforderlichen Darlegungen fehlt es. Die formulierten Fragen orientieren sich an den konkreten Umständen des vorliegenden Streitfalls und sind einer allgemeingültigen Klärung nicht zugänglich. Im Übrigen hat das FG zur Begründung seiner Entscheidung nicht ausdrücklich auf einzelne Zeugenaussagen Bezug genommen, sondern die Gesamtumstände gewürdigt. Dass allein die Nationalität eines Lieferers keinen Rückschluss auf die Versteuerung der veräußerten verbrauchsteuerpflichtigen Ware zulässt, liegt auf der Hand und bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren.

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7. Im Übrigen ist der Beschwerde die hinreichende Bezeichnung einer Divergenz nicht zu entnehmen. Eine solche wird lediglich behauptet, ohne abstrakte Rechtssätze des angefochtenen Urteils und der in Bezug genommenen Entscheidungen herauszuarbeiten und gegenüberzustellen.

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