Beschluss vom Bundesfinanzhof (4. Senat) - IV B 7/10

Tatbestand

1

I.Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wandte sich mit seiner im … 2007 beim Finanzgericht (FG) eingegangenen Klage gegen einen Feststellungsbescheid für das Jahr 2004. Das Verfahren wurde beim … Senat des FG anhängig, der den Rechtsstreit mit Beschluss vom … 2009 dem Berichterstatter als Einzelrichter übertrug. Dieser wies die Klage mit Urteil vom … 2009 als unzulässig ab und ließ die Revision nicht zu.

2

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision und rügt u.a. das Vorliegen von Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

3

II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO).

4

1. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen vor. Das Urteil der Vorinstanz beruht --wie der Kläger zutreffend geltend macht-- auf einem wesentlichen Verfahrensmangel i.S. von § 119 Nr. 1 FGO, weil das FG bei seiner Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Ein solcher Verfahrensmangel ist u.a. gegeben, wenn durch eine die Besetzung des erkennenden Gerichts betreffende Maßnahme zugleich Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) verletzt, d.h. der gesetzliche Richter entzogen ist (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Juli 2006 IX B 179/05, BFH/NV 2006, 1873).

5

a) Das Recht auf eine Entscheidung durch den gesetzlichen Richter wird z.B. verletzt, wenn ein Einzelrichter entscheidet, obwohl ihm der Rechtsstreit nicht wirksam nach § 6 Abs. 1 FGO übertragen wurde (z.B. BFH-Beschluss vom 3. März 2011 II B 110/10, BFH/NV 2011, 833). Das ist hier der Fall. Denn der senatsinterne Geschäftsverteilungsplan des … Senats des FG enthält keine Bestimmung des Einzelrichters und verstößt deshalb insoweit gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Dieser Verstoß führt im vorliegenden Fall zu einer fehlerhaften Besetzung des FG bei Erlass des angegriffenen Urteils, weil dieses durch den Einzelrichter erlassen wurde.

6

Der Geschäftsverteilungsplan muss zur Wahrung des gesetzlichen Richters i.S. von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Voraus generell-abstrakt auch die im Einzelfall zur Mitwirkung berufenen Richter bestimmen und Vorkehrungen schon gegen die bloße Möglichkeit und den Verdacht einer Manipulation der rechtsprechenden Gewalt treffen. Die einzelne Sache muss somit aufgrund allgemeiner, vorab festgelegter Merkmale an den entscheidenden Richter gelangen. Welche Richter in einem bestimmten Verfahren mitwirken, muss sich daher aus den Regelungen des Geschäftsverteilungsplans möglichst eindeutig ergeben. Der Geschäftsverteilungsplan darf keinen vermeidbaren Spielraum bei der Heranziehung des einzelnen Richters zur Entscheidung einer Sache und damit keine unnötige Unbestimmtheit hinsichtlich des gesetzlichen Richters lassen. Das Gebot des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, den im Einzelfall zur Mitwirkung berufenen Richter so genau wie möglich zu bestimmen, hat zur Folge, dass überall dort, wo dies nach dem gewählten Regelungskonzept ohne Beeinträchtigung der Effektivität der Rechtsprechungstätigkeit möglich ist, diese Bestimmung anhand von Kriterien zu erfolgen hat, die subjektive Wertungen weitgehend ausschließen (vgl. grundlegend Beschluss des Plenums des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 8. April 1997 1 PBvU 1/95, BVerfGE 1995, 322, BStBl II 1997, 672). Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Verteilung der Geschäfte auf die Spruchkörper und für deren Besetzung (vgl. § 4 FGO i.V.m. § 21e des Gerichtsverfassungsgesetzes --GVG--), sondern auch für die senatsinterne Geschäftsverteilung (vgl. § 4 FGO i.V.m. § 21g GVG). Auch in einem nicht überbesetzten Senat des FG bedarf es danach im Hinblick auf § 6 FGO einer abstrakt-generellen Regelung im Geschäftsverteilungsplan, anhand derer der Einzelrichter für den Fall, dass es zur Übertragung auf ihn kommt, im Vorhinein bestimmbar festgelegt ist (vgl. z.B. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 FGO Rz 133).

7

b) Den dargelegten Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG genügt der senatsinterne Geschäftsverteilungsplan des … Senats des FG im hier maßgeblichen Jahr 2009 nicht. Denn er enthält lediglich die Bestimmung des jeweils zuständigen Berichterstatters. Darin liegt jedoch --anders als der … Senat des FG möglicherweise meint-- nicht zugleich die Bestimmung des jeweils zuständigen Einzelrichters. Nach § 6 Abs. 1 FGO kann der Senat einen Rechtsstreit vielmehr einem seiner Mitglieder zur Entscheidung übertragen. Dies muss nicht zwingend der nach dem Geschäftsverteilungsplan jeweils vorgesehene Berichterstatter sein.

8

Den Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG genügt zwar eine Regelung, der zufolge Einzelrichter der im Geschäftsverteilungsplan hinreichend bestimmte Berichterstatter sein soll (vgl. Beschluss des Plenums des BVerfG in BVerfGE 1995, 322, BStBl II 1997, 672, unter C.I.4.a; vgl. ferner BFH-Beschluss vom 26. Januar 1999 I R 136/97, BFHE 187, 412, BStBl II 1999, 305). Eine solche Regelung hat der … Senat des FG in seinem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2009 jedoch nicht getroffen.

9

Fehlt demnach eine den Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG genügende Bestimmung des Einzelrichters im senatsinternen Geschäftsverteilungsplan des … Senats für das Jahr 2009, konnte dieser Senat den Rechtsstreit am … 2009 auch nicht wirksam auf den Einzelrichter übertragen. Dementsprechend war Richter am Finanzgericht … als Einzelrichter bei Erlass des angegriffenen Urteils nicht der gesetzliche Richter, das FG also nicht vorschriftsmäßig besetzt. Auf die weiteren Verfahrensrügen des Klägers, insbesondere auf die Frage, ob der Einzelrichterübertragungsbeschluss dem Bevollmächtigten des Klägers wirksam bekannt gegeben wurde, kommt es danach nicht mehr an.

10

c) Der Verfahrensfehler hat zur Folge, dass die Vorentscheidung ohne sachliche Nachprüfung aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 116 Abs. 6 FGO). Die im Ermessen des BFH stehende Zurückverweisung ist insbesondere dann sinnvoll, wenn die Vorinstanz unter Verstoß gegen die Vorschriften über die Besetzung des Gerichts entschieden hat (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1873).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen