Urteil vom Bundesgerichtshof (6. Zivilsenat) - VI ZR 382/12
Tenor
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Die Revision der Beklagten zu 2 als Streithelferin der Klägerin gegen das Teilurteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 12. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens und der Nebenintervention trägt die Beklagte zu 2.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.
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Die Mutter der Klägerin wurde am 22. Juni 1995 in der 27. Schwangerschaftswoche wegen vorzeitiger Wehen und einer Cervixinsuffizienz in dem von der Beklagten zu 1 betriebenen Krankenhaus aufgenommen. Ihr wurden Bettruhe und wehenhemmende Medikamente (Partusisten) verordnet. Nachdem am 27. Juni 1995 der Muttermund bereits 3 cm geöffnet und die Fruchtblase prolabiert war, unternahmen die Ärzte der Beklagten zu 1 am 28. Juni 1995 den Versuch, den Muttermund operativ zu verschließen. Hierbei kam es zu einer erheblichen Blutung bei der Mutter und zum vorzeitigen Blasensprung, weshalb beschlossen wurde, eine Notsectio durchzuführen. Da es sich um eine Zwillingsschwangerschaft handelte, wurden zwei Neonatologen aus dem von der Beklagten zu 2 betriebenen Klinikum angefordert, die um 12.50 Uhr eintrafen. Die Klägerin wurde um 12.59 Uhr als zweites Zwillingsmädchen mit einem Gewicht von 920 Gramm und einer Größe von 38 cm geboren. Als sie vom Operationstisch zum Reanimationsplatz getragen wurde, tropfte aus dem sie umhüllenden Tuch Blut. Bei der weiteren Behandlung und Untersuchung wurde ein Einriss der Nabelschnur zwischen dem Körper der Klägerin und der Nabelklemme festgestellt. Es wurden eine zweite Nabelklemme zwischen dem Nabel und dem Einriss gesetzt und 17 ml Erythrozyten-Konzentrat verabreicht. Um 13.45 Uhr wurde die Klägerin in das von der Beklagten zu 2 getragene Klinikum transportiert, wo sie insgesamt weitere 25 ml Erythrozyten-Konzentrat erhielt. Die Klägerin leidet u.a. an einer spastischen Tetraparese und an einer fokalen Epilepsie.
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Das Landgericht hat die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht mit Grund- und Teilurteil vom 18. Dezember 2008 dem Feststellungsantrag gegen beide Beklagten entsprochen und den Leistungsantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Dieses Urteil ist hinsichtlich der Beklagten zu 2 rechtskräftig. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 1 hat der erkennende Senat das Grund- und Teilurteil mit Beschluss vom 30. November 2010 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 1 erkannt worden ist, und hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Mit Teilurteil vom 12. Juli 2012 hat das Oberlandesgericht die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil in Bezug auf die Beklagte zu 1 zurückgewiesen. Die Beklagte zu 2 ist daraufhin dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin als Nebenintervenientin beigetreten. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt sie die Verurteilung der Beklagten zu 1.
Entscheidungsgründe
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A.
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Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 keine Schadensersatzansprüche zu. Es sei insbesondere nicht behandlungsfehlerhaft gewesen, die Mutter der Klägerin in dem von der Beklagten zu 1 betriebenen Krankenhaus der Grundversorgung aufzunehmen und zu behandeln. Es sei nicht festzustellen, dass es im Behandlungszeitpunkt bereits einen medizinischen Standard gegeben habe, der die Verlegung von Risikoschwangeren in ein Perinatalzentrum gefordert habe. Nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. sei es im Juni 1995 noch nicht medizinischer Konsens gewesen, dass eine Frau, bei der eine Hochrisikoschwangerschaft festgestellt worden sei, vor der Geburt möglichst in ein Perinatalzentrum verlegt werden müsse. Es habe seinerzeit noch keine widerspruchsfreien Aussagen und Empfehlungen gegeben. Aus der Präambel der kurz nach der Behandlung der Mutter der Klägerin im November 1995 veröffentlichten Leitlinien der einschlägigen geburtsmedizinischen Fachgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (nachfolgend: DGGG), gehe klar hervor, dass die Konsensbildung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Vielmehr sei der Diskussionsprozess in der medizinischen Fachwelt jedenfalls im Jahr 1995 noch so in Gang gewesen, dass von der DGGG eine Leitlinie veröffentlicht worden sei, die es dem betroffenen Krankenhaus in eigener Sachprüfung erlaubt habe, zu beurteilen, ob eine Empfehlung zur Aufnahme in ein Perinatalzentrum ausgesprochen werden müsse oder nicht. Die Beklagte zu 1 habe auch über die nötigen personellen und apparativen Möglichkeiten verfügt, um die Mutter der Klägerin sachgerecht zu behandeln. Das Krankenhaus der Beklagten zu 1 sei personell hinreichend besetzt gewesen, da bei der Geburt ein geburtshilflicher Facharzt, zwei Neonatologen und ein Anästhesist zugegen gewesen seien. Darüber hinaus seien alle dem damaligen ärztlichen und organisatorischen Standard entsprechenden Maßnahmen ergriffen worden, die auch in einer Einrichtung der Maximalversorgung ergriffen worden wären, um den speziellen Risiken des vorliegenden Geburtsfalles Rechnung zu tragen.
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Soweit der Sachverständige Prof. Dr. F. im Gegensatz zu dem Sachverständigen Prof. Dr. T. eine Verlegung von Hochrisiko-Schwangeren in Perinatalzentren bereits für das Jahr 1995 gefordert habe, fehle es an einer hinreichend nachvollziehbaren Grundlage. Der Beschluss des Vorstandes DGGG vom Juni 1991 enthalte bloße Empfehlungen, die sich noch nicht zum Standard herausgebildet hätten. Die erstmals am 1. September 1996 erstellte Leitlinie der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin "Antepartaler Transport von Risiko-Schwangeren" könne den medizinischen Standard für die mehr als ein Jahr zurückliegende Behandlung nicht indizieren. Soweit die Leitlinie der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin "Aufgaben des Neugeborenen-Notarztdienstes" vom 8. Dezember 1993 eine obligate Aufklärung der Risiko-Schwangeren über die Notwendigkeit einer pränatalen Verlegung formuliere, stehe die Leitlinie jedenfalls im Widerspruch zu der 1995 veröffentlichten Leitlinie der DGGG. Schließlich belege der Umstand, dass die Sachverständigen Prof. Dr. F., Prof. Dr. V. (Schlichtungsgutachter) und Prof. Dr. P. (Privatgutachter) einerseits und die Sachverständigen Prof. Dr. T., Prof. Dr. W. (Schlichtungsgutachter) und Prof. Dr. J. andererseits unterschiedliche Auffassungen vertreten hätten, dass sich im Jahre 1995 noch kein entsprechender Standard etabliert habe.
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Jedenfalls gebe es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein etwaiger Behandlungsfehler als schlechterdings unverständlich und damit grob qualifiziert werden könne. Da nicht feststellbar sei, worauf die Schädigung der Klägerin letztlich zurückzuführen sei - ihre Schädigung könne auch allein auf ihre Frühgeburtlichkeit als solche zurückzuführen sein -, scheide eine Haftung der Beklagten zu 1 unter dem Gesichtspunkt des Übernahmeverschuldens aus.
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Gleiches gelte für den Vorwurf eines fehlerhaften Umgangs mit der Nabelklemme. Zwar habe bei der Klägerin an der Nabelschnur eine durch eine Nabelklemme verursachte Verletzung vorgelegen. Die Nabelklemme sei auch durch einen Mitarbeiter der Beklagten zu 1 gesetzt worden. Es könne aber nicht festgestellt werden, dass die Verletzung durch einen groben Behandlungsfehler verursacht worden sei. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Nabelklemme zunächst ordnungsgemäß gesetzt worden und erst anschließend - z.B. durch das Einschlagen des Kindes in Tücher, seine Übergabe oder das insgesamt damit verbundene Hantieren mit ihm - aus ihrer Grundstellung gebracht worden oder unter Zug geraten sei. Ein solcher Ablauf sei nicht als grob fehlerhaft zu bewerten. Angesichts der besonderen Verletzlichkeit der Nabelschnur eines geringgewichtigen Frühgeborenen und der Eilbedürftigkeit der Versorgung handle es sich um ein Szenario im Grenzbereich zwischen Verwirklichung behandlungsspezifischer Risiken und einem Behandlungsfehler.
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B.
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I.
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Die von der Beklagten zu 2 als Streithelferin der Klägerin eingelegte Revision ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte zu 2 dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin in den Vorinstanzen nicht beigetreten war und die Klägerin selbst keine Revision eingelegt hat. Denn nach § 66 Abs. 2 ZPO kann die Nebenintervention in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung, auch in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels, erfolgen. Die Beklagte zu 2 hat mit - innerhalb der für die Klägerin laufenden Revisionsfrist eingegangenen - Schriftsätzen vom 27. und 30. August 2012 den Beitritt auf Seiten der Klägerin erklärt und Revision eingelegt. Die Revision ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Beklagte zu 2 durch die Abweisung der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage nicht selbst beschwert ist. Das Rechtsmittel eines Streithelfers ist nämlich stets ein Rechtsmittel für die Hauptpartei; für die Beurteilung, ob die zu erreichende Rechtsmittelsumme und die erforderliche Beschwer gegeben sind, kommt es allein auf sie an (vgl. Senatsurteil vom 9. März 1993 - VI ZR 249/92, VersR 1993, 625, 626; BGH, Urteile vom 15. Juni 1989 - VII ZR 227/88, VersR 1989, 932; vom 16. Januar 1997 - I ZR 208/94, VersR 1997, 1020 Rn. 19 f.).
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II.
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Die Revision ist aber nicht begründet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 keine Schadensersatzansprüche aus §§ 611, 278, 823 Abs. 1, § 831 Abs. 1 Satz 1, § 847 BGB a.F. wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung zustehen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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1. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, den Ärzten der Beklagten zu 1 sei nicht deshalb ein Behandlungsfehler vorzuwerfen, weil sie die Mutter der Klägerin in dem von der Beklagten zu 1 betriebenen Krankenhaus der Grundversorgung aufgenommen und behandelt haben, statt ihr die Aufnahme in einem Perinatalzentrum nahezulegen.
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a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Übernahme der Behandlung der Mutter der Klägerin nur dann als Behandlungsfehler qualifiziert werden kann, wenn sie dem im Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard zuwiderlief (vgl. Senatsurteile vom 8. Juli 2003 - VI ZR 304/02, VersR 2003, 1256; vom 21. Dezember 2010 - VI ZR 284/09, BGHZ 188, 29 Rn. 9, 12). Der Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat (vgl. Senatsurteile vom 22. September 1987 - VI ZR 238/86, BGHZ 102, 17, 24 f.; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93, VersR 1995, 659, 660 mwN; vom 16. März 1999 - VI ZR 34/98, VersR 1999, 716, 718; vom 16. Mai 2000 - VI ZR 321/98, BGHZ 144, 296, 305 f.; Katzenmeier in Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 6. Auflage, Kap. X Rn. 6; Wenzel/Müller, Der Arzthaftungsprozess, Rn. 1426 ff.; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 12. Aufl., Rn. 157 ff., 174; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Auflage, B Rn. 2 ff.; Dressler, FS Geiß, S. 379 f., jeweils mwN).
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b) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, nach dem im Zeitpunkt der Behandlung im Juni 1995 bestehenden medizinischen Standard sei es geboten gewesen, der Mutter der Klägerin die Aufnahme in einem Perinatalzentrum nahezulegen bzw. sie in ein solches Zentrum zu verlegen.
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aa) Die Ermittlung des Standards ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, der sich dabei auf die medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens durch einen Sachverständigen aus dem betroffenen medizinischen Fachgebiet stützen muss. Das Ergebnis dieser tatrichterlichen Würdigung kann revisionsrechtlich nur auf Rechts- und Verfahrensfehler überprüft werden, also insbesondere darauf, ob ein Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze vorliegt, das Gericht den Begriff des medizinischen Standards verkannt oder den ihm unterbreiteten Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt hat (vgl. Senat, Urteil vom 27. März 2007 - VI ZR 55/05, BGHZ 172, 1 Rn. 17 ff.; Beschlüsse vom 16. Oktober 2007 - VI ZR 229/06, VersR 2008, 221 Rn. 13; vom 28. März 2008 - VI ZR 57/07, GesR 2008, 361). Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor.
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bb) Das Berufungsgericht ist nach Einholung von Gutachten der geburtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. F. und Prof. Dr. T. und - teils mehrfacher - Anhörung dieser Sachverständigen sowie der pädiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. J., Prof. Dr. V. (Schlichtungsgutachter) und Prof. Dr. P. (Privatgutachter) auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis gekommen, es könne nicht festgestellt werden, dass es im Behandlungszeitpunkt bereits einen medizinischen Standard gegeben habe, der die Verlegung von Risikoschwangeren in ein Perinatalzentrum gefordert habe. Es konnte sich bei dieser Beurteilung in vollem Umfang auf die Angaben des geburtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. T. stützen. Dieser hat im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2012 ausgeführt, es habe in der Zeit von 1989 bis 1995 einen Diskussionsprozess über die Zentralisierung von Risikogeburten gegeben, der noch nicht zu einem festen Ergebnis geführt habe. Es habe zwar - vor allem von Seiten der Neonatologen - vernünftige Argumente für die Zentralisierung von Risikogeburten gegeben, nicht hingegen eine Evidenz durch Zahlen. Die Fachwelt im hier maßgeblichen Fachbereich der Gynäkologen und geburtshilflichen Ärzte sei im Zeitraum bis 1995 einschließlich noch nicht einheitlich überzeugt gewesen. Dies werde u.a. durch die seitens der DGGG als der maßgeblichen Vertreterin für die Leitlinienbildung im November 1995 veröffentlichten "Mindestanforderungen an prozessuale, strukturelle und organisatorische Voraussetzungen für geburtshilfliche Abteilungen" belegt. Darin sei eine Empfehlung, Risiko-Schwangerschaften auf keinen Fall in Kliniken der Grundversorgung aufzunehmen, gerade nicht ausgesprochen worden. Ziffer 3.4.2 empfehle die Regionalisierung von Hochrisikofällen vielmehr nur für solche, deren Bewältigung offenbar und voraussehbar die personellen und organisatorischen Möglichkeiten des Krankenhauses übersteige. Auch der Einleitung der "Mindestanforderungen" - Stand Dezember 2011 - sei zu entnehmen, dass erst viel später das zum Standard geworden sei, was 1995 gefordert worden sei. Denn danach hätten die "Mindestanforderungen" von 1995 dazu beigetragen, das Niveau der klinischen geburtshilflichen Versorgung zu verbessern, und definierten den heute gebotenen Standard der Versorgung. Die Forderungen im Beschluss des Vorstandes der DGGG von Juni 1991 seien als Vorstufe zu den Leitlinien zu sehen, die sich noch nicht als Standard durchgesetzt hätten, sondern zur Verbesserung des Standards für die Zukunft erhoben worden seien. Die Umsetzung dieser Forderungen sei zum damaligen Zeitpunkt in Deutschland gar nicht möglich gewesen, weil die dafür erforderlichen Strukturen noch nicht vorhanden gewesen seien. Was die Fachgesellschaften anderer Fachbereiche gefordert hätten, könne nicht standardbildend für die hier zu entscheidende Frage sein.
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cc) Die gegen die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
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(1) Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe den Charakter von Leitlinien verkannt und deshalb Handlungsanweisungen in Quellen aus der Zeit nach der Behandlung rechtsfehlerhaft keine Bedeutung beigemessen.
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(a) Entgegen der Auffassung der Revision fassen Leitlinien nicht nur das zusammen, was bereits zuvor medizinischer Standard war. Handlungsanweisungen in Leitlinien ärztlicher Fachgremien oder Verbände dürfen nicht unbesehen mit dem medizinischen Standard gleichgesetzt werden. Dies gilt in besonderem Maße für Leitlinien, die erst nach der zu beurteilenden medizinischen Behandlung veröffentlicht worden sind. Leitlinien ersetzen kein Sachverständigengutachten. Zwar können sie im Einzelfall den medizinischen Standard für den Zeitpunkt ihres Erlasses zutreffend beschreiben; sie können aber auch Standards ärztlicher Behandlung fortentwickeln oder ihrerseits veralten (vgl. zum Ganzen: Senat, Urteil vom 15. Februar 2000 - VI ZR 48/99, BGHZ 144, 1, 9; Beschlüsse vom 28. März 2008 - VI ZR 57/07, GesR 2008, 361; vom 7. Februar 2011 - VI ZR 269/09, VersR 2011, 1202; Katzenmeier in Laufs/Katzenmeier/Lipp, aaO Rn. 9 f.; ders., LMK 2012, 327738; Hart in Rieger/Dahm/Katzenmeier/Steinhilper, HK-AKM, KZA 530, Rn. 5, 16 ff. [Stand: Februar 2011]; Wenzel/Müller, aaO Rn. 1483 ff.; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 12. Aufl., Rn. 157 ff., 174; Geiß/Greiner, aaO, B Rn. 2 ff.; Frahm/Nixdorf/Walter, Arzthaftungsrecht, 5. Aufl., Rn. 89; Glanzmann in Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, § 287 ZPO Rn. 25; Dressler, FS Geiß, S. 379, 380 f.; Stöhr, FS Hirsch, S. 431 ff.; Martis/Winkhart-Martis, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., B 41 ff., 72, jeweils mwN).
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Entsprechendes gilt für Handlungsanweisungen in klinischen Leitfäden oder Lehrbüchern. Entgegen der Auffassung der Revision geben auch sie nicht stets einen bereits zuvor bestehenden medizinischen Standard wieder.
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(b) Vor diesem Hintergrund ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht weder die am 1. September 1996 erstellte Leitlinie der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin "Antepartaler Transport von Risiko-Schwangeren" noch die vom Sachverständigen Prof. Dr. F. vorgelegten Lehrbuchauszüge aus dem Jahr 1997 als geeignet angesehen hat, um dessen Angaben zum Bestehen eines entsprechenden Standards bereits im Juni 1995 maßgeblich zu stützen.
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(2) Ohne Erfolg rügt die Revision als willkürlich, dass das Berufungsgericht den Angaben des Sachverständigen Professor Dr. F. nicht im Hinblick auf die Leitlinie der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin "Aufgaben des Neugeborenen-Notarztdienstes" vom 8. Dezember 1993 den Vorzug gegenüber den Angaben des Prof. Dr. T gegeben hat. Zwar bestimmt Ziffer 3 dieser Leitlinie, dass Schwangere mit hohen Risiken über die Möglichkeit und Notwendigkeit einer präpartalen Verlegung aufzuklären sind; dabei sind als Beispiel für eine Hochrisikoschwangerschaft insbesondere Wehen vor der 33. Woche aufgeführt. Die Frage, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann, bestimmt sich indes aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachgebiets und nicht derjenigen anderer Fachbereiche (vgl. Senatsurteile vom 22. September 1987 - VI ZR 238/86, BGHZ 102, 17, 24 f.; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93, VersR 1995, 659, 660 mwN; vom 16. März 1999 - VI ZR 34/98, VersR 1999, 716, 718; vom 16. Mai 2000 - VI ZR 321/98, BGHZ 144, 296, 305 f.). Die Ärzte der Beklagten zu 1 waren nicht als Neonatologen, sondern im Fachbereich Gynäkologie und Geburtshilfe tätig. Die in diesem Fachgebiet zuständige Fachgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, hatte aber im November 1995 und damit kurz nach der Geburt der Klägerin mit der Leitlinie "Mindestanforderungen an prozessuale, strukturelle und organisatorische Voraussetzungen für geburtshilfliche Abteilungen" Handlungsanweisungen herausgegeben, die inhaltlich hinter den Forderungen der Leitlinie "Aufgaben des Neugeborenen-Notarztdienstes" zurückblieben und die dem betroffenen Krankenhaus die Beurteilung überließen, ob eine Verlegung der Schwangeren in ein Perinatalzentrum erfolgen musste. Gemäß Ziffer 3.4.2 war die geburtshilfliche Abteilung zur Regionalisierung nur solcher Hochrisikofälle verpflichtet, deren Bewältigung offenbar und voraussehbar die personellen und organisatorischen Möglichkeiten des Krankenhauses überstieg. Unter anderem aus dieser Leitlinie 1995 sowie aus der Einleitung ihrer Neufassung, Stand 2011, hat der Sachverständige Professor Dr. T. abgeleitet, dass im Zeitpunkt der Behandlung im Juni 1995 im maßgeblichen Fachbereich der Gynäkologie und Geburtshilfe noch nicht der erforderliche Konsens bestanden habe, dass Hochrisiko-Schwangeren vor der Geburt die Aufnahme in einem Perinatalzentrum nahezulegen war bzw. sie in ein solches Zentrum zu verlegen waren. Dabei hat der Sachverständige ausdrücklich auch den Beschluss des Vorstands der DGGG von Juni 1991 in seine Erwägungen miteinbezogen, in dem empfohlen wird, innerhalb der drei Ebenen der Krankenhausversorgung - Grundversorgung, Schwerpunktkrankenhaus und Krankenhaus in der Maximalversorgung - stärker als bisher eine graduelle und dem Bedarf angepasste Verschiebung von Risikofällen in die nächst höhere Versorgungsstufe vorzunehmen und entsprechend den Mutterschaftsrichtlinien auch in Verdachtsfällen ein Perinatalzentrum zu konsultieren. Er hat den Beschluss als fordernde Vorstufe zu den Leitlinien mit Empfehlungscharakter qualifiziert; die darin ausgesprochenen Empfehlungen hätten sich noch nicht als Standard durchgesetzt, sondern der Verbesserung des Standards für die Zukunft gedient. Bei dieser Sachlage ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass sich das Berufungsgericht von der Existenz eines entsprechenden medizinischen Standards im Jahr 1995 nicht überzeugt hat. Soweit die Revision geltend macht, es habe von Seiten der Fachgesellschaften und Mediziner bei Vorliegen einer Risikoschwangerschaft schon 1995 offensichtlich kein Zweifel an dem Erfordernis der Aufnahme in einem Krankenhaus der Maximalversorgung bzw. in einem Perinatalzentrum bestanden, versucht sie lediglich in unzulässiger Weise, die tatrichterliche Würdigung durch ihre eigene zu ersetzen.
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(3) Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Mutter der Klägerin habe nicht deshalb in ein Perinatalzentrum verlegt werden müssen, weil die Beklagte zu 1 nicht über die personellen und apparativen Möglichkeiten zur Betreuung von Risikogeburten verfügt habe. Ihre Rüge, die personellen Voraussetzungen seien nicht gegeben gewesen, weil die Neonatologen nicht "bereitgestanden", sondern erst hätten herbeigerufen werden müssen, ist nicht begründet. Entscheidend ist, dass die Möglichkeit bestand, das Geburtshelferteam rechtzeitig durch das Hinzuziehen von Neonatologen zu verstärken. Dies war der Fall. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts waren bei der Geburt der Klägerin zwei Neonatologen zugegen.
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Soweit die Revision geltend macht, in einer Einrichtung der Maximalversorgung sei von einer anderen Arbeits- und Vorgehensweise als in einem Krankenhaus der Grundversorgung auszugehen, übersieht sie, dass der Sachverständige Prof. Dr. T. in seinem schriftlichen Gutachten die bei der Mutter der Klägerin ergriffenen Behandlungsmaßnahmen im Einzelnen untersucht, mit der hypothetischen Behandlung in einer Einrichtung der Maximalversorgung verglichen hat und zu dem Schluss gekommen ist, dass alle dem damaligen ärztlichen und organisatorischen Standard entsprechenden Maßnahmen ergriffen worden sind, die auch in einer Einrichtung der Maximalversorgung durchgeführt worden wären, um den speziellen Risiken des vorliegenden Geburtsfalles Rechnung zu tragen. Insoweit erhebt die Revision keine Beanstandungen.
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Auch der Umstand, dass im Krankenhaus der Beklagten zu 1 ein Blutdruckmessgerät für die nichtinvasive Blutdruckmessung bei Säuglingen nicht zur Verfügung stand, stellt die tatrichterliche Würdigung nicht in Frage. Sie wird von den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2012 getragen, wonach im Streitfall in Bezug auf die technische Ausstattung und die räumliche Situation keine wesentlich andere Situation bestanden habe, als wenn die Mutter der Klägerin in der von der Beklagten zu 2 betriebenen Geburtsklinik der Maximalversorgung aufgenommen worden wäre. Dass eine präpartale Verlegung der Mutter der Klägerin in ein Perinatalzentrum nur wegen des Nichtvorhandenseins eines Blutdruckmessgeräts für die nichtinvasive Blutdruckmessung medizinisch nicht geboten war, wird auch durch die - von der Revision herangezogenen und der (rechtskräftigen) Verurteilung der Beklagten zu 2 zugrunde liegenden - Angaben des pädiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. B. bestätigt. Dieser gab nämlich nicht nur an, dass ein entsprechendes Blutdruckmessgerät nicht zur Verfügung stand. Vielmehr führte er auch aus, dass die Höhe des Blutverlustes der Klägerin durch andere Maßnahmen im Krankenhaus der Beklagten zu 1 hätte festgestellt werden können. Insbesondere habe die Hämoglobinkonzentration durch einen zentralen Zugang bestimmt oder der Blutdruck durch Dekonnektion des Nabelvenenkatheters geschätzt werden können. Darüber hinaus habe der Volumenmangel auch durch eine Femoralispulsmessung und die Beobachtung der Kapillarfüllungszeit festgestellt werden können. Gestützt auf diese Beurteilung hat das Berufungsgericht das Unterlassen dieser Maßnahmen durch die hinzugezogenen Neonatologen als - teilweise grob - behandlungsfehlerhaft angesehen und die Haftung der Beklagten zu 2 bejaht.
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(4) Die Tatsache, dass in den dem Senatsurteil vom 14. Dezember 1993 (VI ZR 67/93, VersR 1994, 480) und dem Urteil des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 16. Mai 1994 (7 U 211/91) zugrunde liegenden Fällen die Nichtverlegung einer Risiko-Schwangeren in ein Perinatalzentrum von den Sachverständigen als behandlungsfehlerhaft angesehen worden ist, musste das Berufungsgericht nicht zu einer anderen Beurteilung veranlassen. Denn diesen Fällen lagen jeweils anders gelagerte Sachverhalte zugrunde. Insbesondere waren - anders als im Streitfall - bei der Geburt jeweils keine Neonatologen zugegen.
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(5) Die weiteren Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
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2. Die Revision rügt auch ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe die Verletzung der Nabelschnur der Klägerin, - soweit sie darauf zurückgeführt werden könne, dass die ordnungsgemäß gesetzte Nabelklemme durch die Ärzte der Beklagten zu 1 nachträglich aus ihrer Grundstellung gebracht worden sei, - zu Unrecht als nicht grob fehlerhaft bewertet. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht nicht verkannt, dass die Beurteilung, ob ein Behandlungsfehler als grob oder nicht grob einzustufen ist, eine juristische Wertung ist, die dem Tatrichter und nicht dem Sachverständigen obliegt (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 139/10, VersR 2012, 362 Rn. 9 mwN). Es hat den Ausführungen des Sachverständigen lediglich nicht die erforderliche tatsächliche Grundlage entnommen, um das Behandlungsgeschehen als grob fehlerhaft zu qualifizieren. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nachdem das Berufungsgericht den Sachverständigen Prof. Dr. T. zur Schwere des Behandlungsfehlers in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2012 ausführlich angehört und dieser das nach dem Setzen der Nabelklemme liegende Behandlungsgeschehen im Grenzbereich zwischen Verwirklichung behandlungsspezifischer Risiken und einem Behandlungsfehler angesiedelt hatte, bestand entgegen der Auffassung der Revision auch kein Anlass, den Sachverständigen nochmals zu befragen.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.
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Galke Wellner Diederichsen
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Pauge von Pentz
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