Beschluss vom Bundesgerichtshof (9. Zivilsenat) - IX ZB 35/12

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 1. März 2012 wird auf Kosten des Rechtsbeschwerdeführers als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin ist die Treuhänderin eines in England über das Vermögen des M.    R.       (fortan: Schuldner) eröffneten Insolvenzverfahrens. Während einer Hausdurchsuchung beim Schuldner wurden zwei Postsendungen beschlagnahmt, welche von der Rechtsanwaltskanzlei des Antragsgegners an den Schuldner versandt worden waren. Hierin befanden sich 10.000 € in bar, die zwischen den Seiten von Zeitschriften eingeklebt waren.

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Der Schuldner hat in England Klage auf Herausgabe des Geldes erhoben und behauptet, das Geld sei ihm nur darlehensweise vom Antragsgegner zur Verfügung gestellt worden. Der Antragsgegner wurde in dem Verfahren als Zeuge gehört. Mit Urteil vom 15. Februar 2008 hat der High Court of Justice entschieden, dass die 10.000 € zur Insolvenzmasse gehören und von der Beschlagnahmestelle an die Antragstellerin herauszugeben seien. Zudem hat der High Court of Justice auf deren Antrag hin am 24. April 2008 eine sogenannte Third Party Costs Order gegen den Antragsgegner erlassen. Auf dieser Grundlage verpflichtete der High Court of Justice mit einer Costs Order vom 29. Juli 2008 den Schuldner und den Antragsgegner als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Abschlags auf die Verfahrenskosten in Höhe von 20.000 brit. Pfund.

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Die Antragstellerin hat beantragt, die Entscheidung des High Court of Justice vom 29. Juli 2008 in Deutschland für vollstreckbar zu erklären. Das Landgericht hat dem Antrag stattgegeben. Die Beschwerde des Antragsgegners ist erfolglos geblieben. Hiergegen wendet sich dieser mit der Rechtsbeschwerde.

II.

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Die gemäß § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).

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1. Soweit die Rechtsbeschwerde die Zulässigkeitsgründe des Rechtsfortbildungsbedarfs und der Grundsatzbedeutung mit Blick auf die sachliche Anwendbarkeit der vom Beschwerdegericht herangezogenen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (ABl. EG L 12 S. 1 vom 16. Januar 2001, fortan: EuGVVO) geltend macht, sind die aufgeworfenen Rechtsfragen jedenfalls nicht entscheidungserheblich. An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es, wenn die angegriffene Entscheidung aus anderen Gründen - unter Aussparung der als klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfrage - im Ergebnis richtig ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02, WM 2004, 46, 47 f mwN; Hk-ZPO/Kayser/Koch, 5. Aufl., § 544 Rn. 14, § 574 Rn. 16). Selbst wenn die Vollstreckbarerklärung der englischen Costs Order nicht auf Art. 32 ff EuGVVO hätte gestützt werden dürfen, weil es sich um eine vom Anwendungsbereich der EuGVVO ausgeschlossene insolvenzrechtliche Annexentscheidung handeln könnte (vgl. Art. 1 Abs. 2 Buchst. b EuGVVO), wäre die Vollstreckbarerklärung nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht gescheitert.

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a) Die Vollstreckbarerklärung hätte dann unter den Voraussetzungen des Art. 26 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2001 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. EG L 160 S. 1 vom 30. Juni 2000, fortan: EuInsVO) geprüft werden müssen, weil die Exequatur von insolvenzrechtlichen Annexentscheidungen nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 25 Abs. 1 Unterabs. 2 EuInsVO von den Regelungen der EuInsVO erfasst wird. Dass die Anerkennungsregelungen der EuInsVO und der EuGVVO lückenlos ineinander greifen, wird durch den Erläuternden Bericht zum Entwurf des zunächst geplanten Europäischen Insolvenzrechtsübereinkommens bestätigt (Virgos/Schmit in Hans Stoll, Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht, 1997, Rn. 195, 197; vgl. auch MünchKomm-InsO/Reinhart, 2. Aufl., Art. 25 VO (EG) 1346/2000 Rn. 2; Duursma-Kepplinger in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, EuInsVO, Art. 25 Rn. 50; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 1 Rn. 19, 21d; Leipold in Festschrift Ishikawa, 2001, S. 221, 224 f). Der von der Rechtsbeschwerde aufgezeigte Meinungsstreit zu einer möglichen Regelungslücke betrifft nicht die Exequatur von insolvenzrechtlichen Annexentscheidungen, sondern die Regelung der internationalen Zuständigkeit für Annexverfahren (eingehend dazu Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, 2006, S. 86 ff). Auch dieser Streit dürfte aber seit der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs weitestgehend überholt sein (EuGH, Urteil vom 12. Februar 2009- Rs. C-339/07, Seagon/Deko Marty Belgium NV, EWS 2009, 99 Rn. 19 ff; vom 19. April 2012 - Rs. C-213/10, Lietuvos Aukščiausiasis Teismas, ZIP 2012, 1049 Rn. 27; vom 16. Januar 2014 - Rs. C-328/12, Schmid/Hertel, ZIP 2014, 181 Rn. 30; vgl. auch Kropholler/von Hein, EuZPR, 9. Aufl., Art. 1 Rn. 36 EuGVO; Paulus, EuInsVO, 4. Aufl., Art. 25 Rn. 2a, 18 ff).

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b) Bei der Vollstreckbarerklärung wirkt sich die Qualifizierung der Costs Order als zivilrechtliche oder insolvenzrechtliche Entscheidung im Ergebnis nicht aus, weil nach beiden in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen für die Exequatur dieselben Versagungsgründe zu prüfen sind. Die Auslegung des Art. 26 EuInsVO orientiert sich bei insolvenzbezogenen Einzelentscheidungen, die in einem kontradiktorischen Verfahren ergangen sind, an den zu Art. 34 EuGVVO entwickelten Maßstäben (BGH, Beschluss vom 8. November 2012 - IX ZB 120/11, WM 2013, 45 Rn. 3 mwN). So gilt auch bei Art. 26 EuInsVO der Grundsatz, dass die Ordre public-Klausel nur in Ausnahmefällen anzuwenden ist (EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006 - Rs. C-341/04, Eurofood, NZI 2006, 360 Rn. 63 f). Mit Art. 26 EuInsVO sollen neben dem materiellen Ordre public auch verfahrensrechtliche Garantien, wie sie in Art. 34 Nr. 2 EuGVVO vorgesehen sind, gewahrt bleiben (vgl. EuGH, Urteil vom 2. Mai 2006, aaO Rn. 66 f; Duursma-Kepplinger, aaO Art. 26 Rn. 6 ff), insbesondere soweit es um Entscheidungen gegenüber bestimmten Gläubigern geht (Virgos/Schmit, aaO Rn. 206). Die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung des Beschwerdegerichts bei Anwendung der Art. 25 Abs. 1, Art. 26 EuInsVO ist damit nicht ersichtlich.

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2. Ebenso wenig besteht Rechtsfortbildungsbedarf, soweit die Höhe der dem Antragsgegner als Gesamtschuldner auferlegten Verfahrenskosten beanstandet wird. Rechtsfortbildungsbedarf wäre nur dann gegeben, wenn substantiiert dargelegt würde, inwiefern eine abstrakte Rechtsfrage klärungsbedürftig ist und im Streitfall auch geklärt werden kann (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2009 - IX ZB 50/09, WM 2010, 237 Rn. 4; Hk-ZPO/Kayser/Koch, aaO § 574 Rn. 17). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist oder wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die Frage noch nicht gerichtlich, nicht zwingend höchstrichterlich, geklärt ist (Hk-ZPO/Kayser/Koch, aaO § 543 Rn. 8). Es bestehen jedoch keine Zweifel, dass eine nicht am Streitwert ausgerichtete, sondern nach zeitlichem Aufwand konkret berechnete anwaltliche Vergütung eines ausländischen Rechtsanwalts im Allgemeinen nicht gegen grundlegende Prinzipien des inländischen Rechts im Sinne von Art. 34 Nr. 1 EuGVVO oder Art. 26 EuInsVO verstößt. Ein hoher Vergütungsanspruch eines Rechtsanwalts ist auch nicht generell unverhältnismäßig, weil er die Justizgewährung erschweren könnte (vgl. BVerfG, NJW-RR 2010, 259 Rn. 24 ff). Soweit die Höhe der nach Stundenaufwand abgerechneten Vergütung im konkreten Einzelfall gegen die inländische öffentliche Ordnung verstoßen könnte, wird nicht deutlich, inwieweit sich daraus der Bedarf ergibt, allgemeine Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen, des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken zu schließen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 225).

9

Der Umstand, dass ein Verstoß gegen die inländische öffentliche Ordnung darin liegen könnte, dass einem nicht verfahrensbeteiligten Dritten die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden, begründet ebenfalls keinen Rechtsfortbildungsbedarf. Die Rechtsbeschwerde legt nicht dar, dass sich in diesem Zusammenhang eine klärungsbedürftige, also zweifelhafte oder streitige Rechtsfrage stellt. Vielmehr ist die Möglichkeit, einem Dritten Verfahrenskosten aufzuerlegen, auch dem deutschen Recht nicht fremd (vgl. § 81 Abs. 4 FamFG, § 380 Abs. 1, Abs. 2, § 390 Abs. 1, Abs. 2, § 409 Abs. 1 ZPO) und allgemein anerkannt. Es ist regelmäßig hinzunehmen, dass in anderen Rechtssystemen von dieser Möglichkeit unter anderen Voraussetzungen und mit weitreichenderen Folgen insbesondere dann Gebrauch gemacht werden kann, wenn wie im

Streitfall besondere Umstände des Einzelfalles für diese Kostenfolge herangezogen werden.

Kayser                      Vill                          Pape

              Grupp                     Möhring

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