Urteil vom Bundesgerichtshof (Kartellsenat) - KZR 13/13

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das am 20. Februar 2013 verkündete Urteil des 2. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

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Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung eines Teils des gezahlten Entgelts für die Nutzung eines Stromverteilnetzes in den Jahren 2003 und 2004.

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Die Beklagte betrieb in den Jahren 2002 bis 2004 ein Stromverteilnetz in Dortmund. Die Klägerin nutzte dieses Netz seit 2002 zur Versorgung ihrer Kunden. Sie zahlte hierfür Entgelte, die auf der Grundlage von Preisblättern berechnet wurden, deren Kalkulation die Verbändevereinbarung Strom II plus zugrunde lag und die die Beklagte zum 1. Januar 2003 und zum 1. Januar 2004 in jeweils neuer Fassung veröffentlicht hatte.

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Mit Anwaltsschreiben vom 12. November 2008 forderte die Klägerin die Beklagte erstmals auf, einen Teil des gezahlten Entgelts für die Jahre 2003 und 2004 zu erstatten. Am 30. Dezember 2008 beantragte sie den Erlass eines Mahnbescheids, der am 8. Januar 2009 zugestellt wurde. Nach Abgabe in das streitige Verfahren hat sie zuletzt Zahlung von insgesamt 232.141,36 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen begehrt. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat den zu zahlenden Betrag auf 228.042,08 Euro reduziert. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision, der die Klägerin entgegentritt.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

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Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

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Der Klägerin stünden keine kartellrechtlichen Schadensersatzansprüche zu. Dabei könne offenbleiben, ob ein Wettbewerbsverstoß vorliege. Die Klägerin habe den von ihr behaupteten Schaden jedenfalls nicht schlüssig dargetan. Nach ihrem Vortrag habe sie die entstandenen Mehrkosten an ihre Endkunden weitergeben können. Eine Berechnung des Schadens anhand des entgangenen Gewinns sei aufgrund des Klagevorbringens ebenfalls nicht möglich. Die Klägerin habe nicht dargetan, welche Preise sie ihren Kunden ausgehend von einem niedrigeren Netznutzungsentgelt hätte in Rechnung stellen können.

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Der Klägerin stehe aber ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Die Festsetzung der Netzentgelte durch die Beklagte sei gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich. Die Festlegung habe deshalb durch Urteil zu erfolgen. Bei der hierzu vorzunehmenden Schätzung könnten die genehmigten Netzentgelte für die Zeit ab 1. April 2007 herangezogen werden. Daraus ergebe sich im Streitfall, dass die Netzentgelte der Beklagten im Jahr 2003 um 19,48 % und im Jahr 2004 um 19,44 % zu hoch gewesen seien. Von dem sich daraus ergebenden Erstattungsbetrag seien Abzüge vorzunehmen, weil die Klägerin für das Jahr 2003 einen geringeren Betrag begehre und weil ein Teil der Erstattungsforderung für das Jahr 2004, der im Wege der Klageerweiterung geltend gemacht worden sei, verjährt sei.

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Die Rückzahlungsansprüche der Klägerin seien nicht verwirkt. Es fehle an dem erforderlichen Zeit- und Umstandsmoment. Dass die Klägerin, wie beide Parteien zuletzt übereinstimmend vorgetragen hätten, die Zahlungen nicht unter Vorbehalt erbracht habe, führe nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Beklagte habe aufgrund von Vorbehaltserklärungen anderer Stromkunden und des im Juli 2004 veröffentlichten fünfzehnten Hauptberichts der Monopolkommission keinen Anlass zu der Annahme gehabt, dass Stromkunden, die keinen Vorbehalt erklärt haben, überhöht gezahlte Netzentgelte bis zum Ablauf der Verjährungsfrist unangefochten lassen würden.

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Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung fänden auf Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung grundsätzlich keine Anwendung.

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Die Forderungen seien im zugesprochenen Umfang auch nicht verjährt. Die Verjährungsfrist von drei Jahren habe erst nach Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. Oktober 2005 (KZR 36/04, BGHZ 164, 336 - Stromnetznutzungsentgelt I), mithin am 1. Januar 2006 zu laufen begonnen und sei deshalb durch die Zustellung des Mahnbescheids rechtzeitig gehemmt worden. Vor Erlass der genannten Entscheidung sei nicht abschließend geklärt gewesen, ob Stromnetznutzungsentgelte der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegen. Angesichts der unklaren Rechtslage habe die Klägerin nicht über die für den Beginn der Verjährung erforderlichen Kenntnisse verfügt.

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Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

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Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die Bestimmung der Netznutzungsentgelte in den Preisblättern der Beklagten für die Jahre 2003 und 2004 sei gemäß § 315 Abs. 3 BGB nicht verbindlich, weil die Beklagte der ihr insoweit obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen sei, erhebt die Revision keine Rügen. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

13

Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Verjährung der Klageansprüche abgelehnt hat, halten einer rechtlichen Überprüfung hingegen nicht stand.

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Ohne Erfolg macht die Revision in diesem Zusammenhang allerdings geltend, das Berufungsgericht habe von der Klägerin zugestandenen Vortrag der Beklagten übergangen, wonach die Klägerin in einem Schreiben vom 6. November 2002 die missbräuchliche Höhe der Netzentgelte beanstandet und einen Vorbehalt ausgesprochen habe.

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Die Revision meint, die Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach die Parteien dieses Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2012 übereinstimmend korrigiert und mit der irrtümlichen Verwendung eines unzutreffenden Textbausteins erklärt haben, könne nicht berücksichtigt werden, weil es im Protokoll über die mündliche Verhandlung nicht wiedergegeben sei.

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Dies ist unzutreffend.

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Für die revisionsrechtliche Beurteilung ist gemäß § 559 ZPO das Vorbringen maßgeblich, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Gemäß § 314 ZPO liefert dabei der Tatbestand des Urteils - zu dem auch tatbestandliche Darlegungen in den Gründen eines Berufungsurteils zählen (vgl. nur BGH, Urteil vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434 Rn. 11) - Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann zwar durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden. Hierfür reicht aber nicht aus, dass sich das Protokoll zu einem bestimmten Punkt nicht verhält (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - III ZR 208/12, NJW-RR 2013, 1334 Rn. 8).

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Damit ist hier in der Revisionsinstanz davon auszugehen, dass beide Parteien ihren Vortrag so korrigiert haben, wie dies aus dem Berufungsurteil ersichtlich ist. Das abweichende frühere Vorbringen, dessen Übergehen die Revision rügt, ist für die Beurteilung folglich nicht von Bedeutung. Dies gilt entgegen den Ausführungen der Revisionsklägerin in der mündlichen Verhandlung für das Vorbringen der Klägerin ebenso wie für das Vorbringen der Beklagten.

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Die Revision rügt, das Berufungsgericht sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin bis Ende 2005 nicht die gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis vom Bestehen des geltend gemachten Anspruchs gehabt habe.

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Diese Rüge ist im Ergebnis begründet.

21

Entgegen der Auffassung der Revision können für die Frage, ob die Klägerin über einen ausreichenden Kenntnisstand verfügte, allerdings auch rechtliche Gesichtspunkte von Bedeutung sein.

22

Gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB muss sich die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers auf alle tatsächlichen Umstände erstrecken, die zur Entstehung des Anspruchs erforderlich sind. Ausreichende Kenntnis im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn dem Gläubiger auf Grund der ihm bekannten oder aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt gebliebenen Tatsachen zugemutet werden kann, zur Durchsetzung seiner Ansprüche gegen eine bestimmte Person aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos Klage zu erheben. Dabei muss der Gläubiger seinen Anspruch nicht abschließend beziffern können. Es genügt, wenn er etwa eine Feststellungsklage erheben kann (vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 - I ZR 145/11, GRUR 2012, 1248 = WRP 2013, 65 Rn. 30 - Fluch der Karibik).

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Erforderlich und genügend ist im Allgemeinen die Kenntnis der tatsächlichen Umstände; die zutreffende rechtliche Würdigung des bekannten Sachverhalts wird grundsätzlich nicht vorausgesetzt. Rechtlich fehlerhafte Vorstellungen des Gläubigers beeinflussen den Beginn der Verjährung deshalb in der Regel nicht. Ist die Rechtslage dagegen unübersichtlich oder zweifelhaft, so dass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag, kann der Verjährungsbeginn auch wegen Rechtsunkenntnis hinausgeschoben sein, weil es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn fehlt (BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 - IX ZR 30/98, NJW 1999, 2041, 2042; Urteil vom 3. März 2005 - III ZR 353/04, NJW-RR 2005, 1148, 1149).

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Ein Anspruch auf Erstattung gezahlter Entgelte wegen ungerechtfertigter Bereicherung ergibt sich nicht allein aus dem Umstand, dass der Gläubiger die Höhe der Entgelte einseitig festgesetzt hat. Er setzt vielmehr voraus, dass die Festsetzung der Entgelte gemäß § 315 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Deshalb hat sich das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend mit der Frage befasst, ob das Vorliegen dieser rechtlichen Voraussetzung bei Stromnetznutzungsentgelten vor der Entscheidung des Senats vom 18. Oktober 2005 als in einem solchen Maße zweifelhaft und ungeklärt anzusehen war, dass der Klägerin eine Klageerhebung nicht zumutbar war.

25

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stehen eventuelle rechtliche Fehlvorstellungen über die Anwendbarkeit von § 315 Abs. 3 BGB in der zu beurteilenden Fallkonstellation jedoch einem Beginn der Verjährung nicht entgegen.

26

Wie die Revision zutreffend aufzeigt, hat der Senat bereits in einem ähnlich gelagerten Fall in einem Hinweisbeschluss gemäß § 552a ZPO ausgeführt, die Frage der Anwendbarkeit von § 315 Abs. 3 BGB sei vor der Entscheidung vom 18. Oktober 2005 nicht so unübersichtlich oder zweifelhaft gewesen, dass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig hätte einschätzen können; die Entscheidung vom 18. Oktober 2005 stehe vielmehr in einer Reihe mit anderen, älteren Entscheidungen zu § 315 BGB (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2009 - EnZR 49/08, RdE 2009, 377 Rn. 7).

27

Für den Streitfall ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

28

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Anwendbarkeit von § 315 Abs. 3 BGB auf Vertragsbeziehungen, die nicht dem Bereich der Daseinsvorsorge zuzuordnen sind, in der Literatur und in Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung zwar verneint worden. Der Klägerin war bei dieser Ausgangslage aber eine Klage schon deshalb zuzumuten, weil die maßgebliche Rechtsfrage von den Obergerichten nicht einheitlich beantwortet wurde. Zudem hatte der Bundesgerichtshof die Anwendbarkeit von § 315 Abs. 3 BGB auf in Preisblättern festgelegte Entgelte schon zuvor auch für Zinsanpassungsklauseln und damit für einen Bereich bejaht, der zwar keine unmittelbaren Bezüge zur Energieversorgung aufweist, aber ebenso wie der Bereich der Netzentgelte nicht der Daseinsvorsorge zuzuordnen ist (BGH, Urteil vom 6. März 1986 - III ZR 195/84, BGHZ 97, 212, 214). Angesichts dessen war die Rechtslage vor dem 18. Oktober 2005 jedenfalls insoweit, als es um nach Vertragsschluss veröffentlichte Preisblätter geht, nicht in einem solchen Maße zweifelhaft und ungeklärt, dass eine Klage auf Rückzahlung von Entgelten unzumutbar gewesen wäre.

29

Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif.

30

Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann die Frage, ob die Klageansprüche verjährt sind, nicht abschließend beurteilt werden.

31

Ausgehend vom Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts wären die Ansprüche, sofern die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB von Anfang an vorgelegen haben, allerdings verjährt.

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Das Berufungsgericht geht davon aus, die Rückzahlungsansprüche seien sukzessive in den Jahren 2003 und 2004 entstanden, weil die Klägerin die strittigen Zahlungen als Abschlagszahlungen während der jeweiligen Abrechnungsperiode erbracht habe. Wenn dies zuträfe, hätte die Verjährung am Ende des Jahres 2003 bzw. 2004 begonnen und wäre am Ende des Jahres 2006 bzw. 2007 vollendet gewesen. Die umgehende Zustellung des Ende 2008 beantragten Mahnbescheides hätte dann nicht zur Hemmung führen können.

33

Diese rechtliche Beurteilung ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen jedoch fehlerhaft. Die Rückzahlungsansprüche sind nicht mit den einzelnen Abschlagszahlungen entstanden, sondern erst mit Zugang der Jahresabrechnung.

34

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Abschlagszahlungen, die nicht auf einzelne Teilleistungen bezogen werden können, sondern lediglich unselbständige Rechnungsposten darstellen, nicht schon deshalb rechtsgrundlos erbracht, weil der Anspruch, auf den die Zahlungen angerechnet werden sollen, teilweise unbegründet ist.

35

Rechtsgrund für die Abschlagszahlungen ist die vertragliche Abrede der Parteien über die Erbringung solcher Vorauszahlungen (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - KZR 41/09, ZNER 2011, 314 Rn. 3; Urteil vom 19. März 2002 - X ZR 125/00, NJW 2002, 2640, 2641). Ein Anspruch auf Erstattung von Vorauszahlungen besteht deshalb nur, wenn die Vorauszahlungsabrede unwirksam ist (BGH, NJW 2002, 2640, 2641). Ist nur der Vergütungsanspruch teilweise unbegründet, so kann dem Bereicherungsgläubiger nur ein auf das Gesamtjahr bezogener Rückzahlungsanspruch zustehen (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - KZR 41/09, ZNER 2011, 314 Rn. 4).

36

Dieser Rückzahlungsanspruch kann grundsätzlich erst dann geltend gemacht werden, wenn der Gläubiger eine Jahresabrechnung erstellt hat.

37

Ein Anspruch auf Erstattung von Vorauszahlungen setzt voraus, dass feststeht, welche Leistungen insgesamt in Anspruch genommen wurden und welche Vergütung dafür geschuldet ist. Der Bundesgerichtshof hat daraus für die Rückforderung überhöhter Entgelte für die Lieferung von Gas und Strom die Schlussfolgerung gezogen, dass der Bereicherungsanspruch erst dann entsteht, wenn der Lieferant die Endabrechnung erstellt oder wenn er es in von ihm zu vertretender Weise versäumt, die geschuldete Abrechnung nach Fälligkeit der Abrechnungspflicht innerhalb angemessener Frist vorzunehmen (BGH, Urteil vom 23. Mai 2012 - VIII ZR 210/11, NJW 2012, 2647 Rn. 10; Urteil vom 26. September 2012 - VIII ZR 279/11, NJW 2013, 1077 Rn. 44).

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Für die hier zu beurteilende Konstellation gilt nichts anderes.

39

Der Senat hat zwar in einem anders gelagerten Fall angenommen, die Verjährung des Anspruchs auf Rückzahlung des unter Vorbehalt gezahlten Netznutzungsentgelts beginne mit der Zahlung und nicht erst mit der gerichtlichen Bestimmung des billigen Entgelts im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - KZR 41/09, ZNER 2011, 314 Rn. 8). Diese Ausführungen beziehen sich aber nicht auf einen Anspruch auf Erstattung von Vorauszahlungen, sondern auf einen Anspruch auf Rückzahlung überhöhter Netzentgelte für das Gesamtjahr. Ihnen kann nicht entnommen werden, dass ein Rückzahlungsanspruch abweichend von der aufgezeigten Rechtsprechung schon mit einer einzelnen Vorauszahlung entsteht.

40

Zu der Frage, ob die von der Klägerin erbrachten Abschlagszahlungen nur unselbständige Rechnungsposten darstellten und zu welchem Zeitpunkt gegebenenfalls die Abrechnungen für den in Streit stehenden Zeitraum erstellt worden sind, hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.

41

Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang bereits in erster Instanz vorgetragen, sie habe jeweils nur vorläufige Abschlagszahlungen erbracht und die Schlussrechnung sei erst nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres gestellt worden. Das Berufungsgericht wird hierzu im wieder eröffneten Berufungsverfahren die erforderlichen Feststellungen nachholen müssen.

42

Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen kann andererseits nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, die Klägerin habe, wie von ihr behauptet, jedenfalls bis zum Jahr 2006 keine Kenntnis von der Unbilligkeit des gezahlten Netznutzungsentgelts gehabt, weil sie die Kostenstruktur der Beklagten nicht gekannt habe und bis heute nicht kenne.

43

Entgegen der Auffassung der Klägerin beginnt die Verjährung nicht erst dann, wenn dem Netznutzer die Kostenstruktur des Netzbetreibers bekannt ist.

44

Wie bereits oben aufgezeigt wurde, ist ein ausreichender Kenntnisstand im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gegeben, wenn dem Gläubiger auf Grund der ihm bekannten oder aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt gebliebenen Tatsachen zugemutet werden kann, zur Durchsetzung seiner Ansprüche gegen eine bestimmte Person aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos Klage zu erheben. Im Streitfall war für eine aussichtsreiche Klage ausreichend, dass konkrete Anhaltspunkte vorlagen, die es nahelegten, dass die Festsetzung der Netznutzungsentgelte durch die Beklagte nicht der Billigkeit entsprach.

45

Der danach erforderliche Kenntnisstand ergibt sich im Streitfall nicht schon aus einer Zahlung unter Vorbehalt.

46

Zwar kann ein ausreichender Kenntnisstand im Einzelfall zu bejahen sein, wenn der Netznutzer das verlangte Entgelt schon während des Bezugszeitraums für überhöht hält und deshalb nur unter Vorbehalt zahlt (vgl. BGH, RdE 2009, 377 Rn. 7). Nach dem in der Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Sachverhalt hat die Klägerin, wie bereits oben dargelegt wurde, einen solchen Vorbehalt aber nicht erhoben.

47

Ein Verjährungsbeginn vor dem Jahr 2006 kann auch nicht auf die Genehmigung der Netznutzungsentgelte für das Jahr 2007 gestützt werden.

48

Im Einzelfall können sich aus einer späteren Genehmigung von Nutzungsentgelten für dasselbe Netz allerdings hinreichende Anhaltspunkte für das Bestehen eines Rückzahlungsanspruchs ergeben. Die Diskrepanz zwischen genehmigten und zuvor verlangten Netzentgelten kann nach der Rechtsprechung des Senats, die das Berufungsgericht im Streitfall zugrunde gelegt hat, als Grundlage für eine Schätzung des billigen Entgelts gemäß § 287 ZPO herangezogen werden. Deshalb ist ein hinreichender Kenntnisstand in der Regel gegeben, wenn der Gläubiger von der Genehmigung Kenntnis erlangt oder diese ihm aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt bleibt.

49

Dieser Zeitpunkt liegt im Streitfall jedoch nicht vor dem Jahr 2005, so dass die Verjährung vor Ende des Jahres 2008 noch nicht vollendet war.

50

Auf der Grundlage der bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist aber nicht auszuschließen, dass die Klägerin schon zu einem früheren Zeitpunkt einen ausreichenden Kenntnisstand erlangt hat.

51

Das Berufungsgericht wird deshalb den Parteien Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags geben und die noch erforderlichen Feststellungen treffen müssen.

52

Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung der Revisionsklägerin kann die Klage im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht deshalb abgewiesen werden, weil die Klägerin nur zu Abschlagszahlungen, nicht aber zum Inhalt der Gesamtabrechnung vorgetragen hat.

53

Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin dargelegt, welche Zahlungen sie für die beiden in Rede stehenden Jahre insgesamt erbracht hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte eine hiervon abweichende Abrechnung erteilt hat, sind nicht ersichtlich und werden von der Revision nicht aufgezeigt. Selbst wenn das Vorbringen der Klägerin in dieser Hinsicht unzureichend wäre, müsste das Berufungsgericht ihr zudem durch einen Hinweis Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags geben, weil dieser Gesichtspunkt bislang, soweit ersichtlich, im Rechtsstreit keine Rolle gespielt hat.

54

Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung zu dem Ergebnis gelangen, dass die Klageansprüche nicht verjährt sind, wird die Klage nach dem jetzigen Sach- und Streitstand auch nicht wegen Verwirkung abzuweisen sein.

55

Dabei kann offenbleiben, ob das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment im Streitfall gegeben war. Das Berufungsgericht hat jedenfalls rechtsfehlerfrei entschieden, dass es an dem erforderlichen Umstandsmoment fehlt, weil die Beklagte nicht dargelegt hat, sie habe ihr eigenes Verhalten im Vertrauen darauf eingerichtet, dass die Klägerin ihre Rechte nicht mehr geltend machen werde, und im Hinblick darauf außerordentliche Aufwendungen getätigt, die ihr eine Rückzahlung der Beträge unmöglich machten bzw. eine mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbare Härte darstellten.

56

Von der Anrechnung erlangter Vorteile hat das Berufungsgericht ebenfalls zu Recht abgesehen.

57

Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, finden die schadensersatzrechtlichen Grundsätze der Vorteilsausgleichung im Rahmen des Bereicherungsausgleichs nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich keine Anwendung (BGH, Urteil vom 4. Dezember 2007 - XI ZR 227/06, BGHZ 174, 334 Rn. 34; Urteil vom 5. November 2002 - XI ZR 381/01, BGHZ 152, 307, 315 f. mwN).

58

Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom Bundeskartellamt vertretenen Auffassung gebieten kartellrechtliche Gesichtspunkte in Konstellationen, in denen die Preisbestimmung schon nach § 315 Abs. 3 BGB unwirksam ist, keine abweichende Beurteilung. Der Senat hat dies in einer am gleichen Tag verkündeten Entscheidung in einem anderen Verfahren näher dargelegt (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 - KZR 27/13 - Stromnetznutzungsentgelt VI). Diese Erwägungen sind auch für den Streitfall maßgeblich.

Meier-Beck                          Strohn                          Kirchhoff

                        Bacher                         Deichfuß

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