Urteil vom Bundesgerichtshof (10. Zivilsenat) - X ZR 105/13

Tenor

Die Revision gegen das am 25. Juli 2013 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

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Die Kläger begehren von der Beklagten als Reisevermittlerin Schadensersatz nach Insolvenz des Reiseveranstalters.

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Nach Vermittlung durch die Beklagte, ein in Deutschland ansässiges und über das Internet handelndes Reisebüro, buchten die Kläger am 14. Oktober 2011 durch einen Mitreisenden bei dem niederländischen Reiseveranstalter S.       B.V. eine Flusskreuzfahrt vom 8. bis 11. Dezember 2011 zum Preis von 244 € pro Person. Den Klägern wurde die Kopie eines Sicherungsscheins des niederländischen Kundengeldabsicherers S.                   vorgelegt. Auf die Rechnung und Reisebestätigung vom 19. Oktober 2011 zahlten die Kläger den auf sie entfallenden Reisepreis an die Beklagte. Der Reiseveranstalter geriet in finanzielle Schwierigkeiten, weshalb die gebuchte Reise nicht durchgeführt werden konnte; kurz darauf meldete er Insolvenz an. Die Kläger erhielten den gezahlten Reisepreis nicht zurück. Der Kundengeldabsicherer verweigerte eine Erstattung des Reisepreises mit der Begründung, aufgrund des mit dem Reiseveranstalter geschlossenen Versicherungsvertrags sei seine Deckungspflicht auf Reisen beschränkt, die auf dem niederländischen Markt angeboten und abgeschlossen worden seien.

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Die beiden Kläger verlangen von der Beklagten Schadensersatz in Höhe des nicht zurückgezahlten Reisepreises. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

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I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte habe ihre Pflicht aus § 651k Abs. 5 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 4 BGB verletzt, den Klägern eine Sicherheitsleistung nachzuweisen, bevor sie deren Zahlungen auf den Reisepreis entgegennahm.

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Grenzüberschreitend anbietende Veranstalter mit Sitz in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums seien von den weitergehenden Pflichten zur Insolvenzsicherung nach den Vorschriften des § 651k Abs. 1 bis 4 BGB freigestellt, wenn sie dem Reisenden eine Art. 7 der Richtlinie 90/314/EWG vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen und § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechende Sicherheit leisten. Dies entspreche der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV. Für eine solche Sicherheitsleistung genüge es jedoch nicht, eine abstrakte Deckung vorzusehen, die lediglich für in dem betreffenden Staat abgeschlossene Reiseverträge greife. Das Sicherungsinstrument müsse das konkrete Risiko des in Deutschland ansässigen Kunden erfassen. Nur wenn der Reisende tatsächlich geschützt sei, entspreche das ausländische Sicherungsmittel den Vorgaben gemäß Art. 7 der Richtlinie und den Anforderungen aus § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB. Es reiche jedoch aus, die Sicherheitsleistung nachzuweisen, ohne einen Sicherungsschein auszuhändigen.

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Diese Nachweispflicht gelte auch für den Reisevermittler, bevor er Zahlungen auf den Reisepreis fordere oder annehme. Die Beklagte habe eine ordnungsgemäße Sicherheitsleistung nicht ausreichend nachgewiesen. Es reiche nicht aus, sich vom Reiseveranstalter bestätigen zu lassen, dass eine Kundengeldabsicherung vorliege, denn der Vermittler sei selbst nachweispflichtig. Auch ersetze das Wissen um die Existenz eines Sicherungsscheins nicht die Prüfung seiner uneingeschränkten Gültigkeit. Vielmehr hätte eine solche Prüfung durch Nachfrage beim Kundengeldabsicherer oder Abrufen seiner im Internet veröffentlichten Garantiebedingungen erfolgen können.

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II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

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1. Sowohl der zwischen dem Reiseveranstalter und den Klägern abgeschlossene Reisevertrag als auch der mit der Beklagten abgeschlossene Reisevermittlungsvertrag unterliegen dem deutschen materiellen Recht. Für den Vertrag mit dem niederländischen Reiseveranstalter folgt dies gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO daraus, dass die Kläger Verbraucher sind.

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2. Die Kläger waren Vertragspartner des Reisevertrags und schuldeten den auf sie entfallenden Reisepreis. Auf Seiten der Reiseteilnehmer gab zwar allein der Mitreisende H.   R.    eine Willenserklärung zum Abschluss des Reisevertrags ab. Die Namensverschiedenheit der Kläger ließ dabei jedoch deutlich den Willen erkennen, den Reisevertrag nicht nur für sich selbst, sondern, soweit es die Reiseteilnahme der Kläger betrifft, in deren Namen abschließen zu wollen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Juli 2012 - X ZR 154/11, NJW 2012, 3368 Rn. 27; Führich, Reiserecht, 6. Aufl., § 5 Rn. 117 mwN). Besondere Umstände wie etwa ein besonderes Näheverhältnis zu den Mitreisenden, aus denen ein ausschließliches Auftreten im eigenen Namen zu folgern gewesen sein könnte, sind nicht festgestellt.

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3. Die Beklagte schuldet den Klägern Ersatz für den aus der Zahlung des Reisepreises entstandenen Schaden, nachdem der Reiseveranstalter insolvent wurde und eine Rückzahlung ausblieb. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, verletzte die Beklagte ihre Pflicht aus § 651k Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 5 Satz 2 BGB, indem sie Zahlungen auf den Reisepreis annahm, ohne dass den Reisenden nachgewiesen worden war, dass der Reiseveranstalter eine den Anforderungen des § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechende Sicherheit geleistet hatte.

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a) Zur Sicherstellung der Erstattung des gezahlten Reisepreises und der in § 651k Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB genannten Aufwendungen im Falle der Insolvenz des Reiseveranstalters ist dem Reisenden das Bestehen einer Kundengeldabsicherung vor der Entgegennahme des Reisepreises auch dann nachzuweisen, wenn der Reiseveranstalter seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union hat. In diesem Falle sind der Reiseveranstalter und der Reisevermittler nur von der Verpflichtung befreit, einen dem Reisenden verschafften unmittelbaren Anspruch gegen einen Kundengeldabsicherer durch Übergabe einer von diesem oder auf dessen Veranlassung ausgestellten Bestätigung (eines Sicherungsscheins) nachweisen zu müssen (§ 651k Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 BGB) - vorausgesetzt, das anwendbare nationale Recht fordert eine solche Übergabe nicht für die Wirksamkeit der Sicherheitsleistung. Die Verpflichtung zum Nachweis der Sicherungsleistung bleibt jedoch als solche unberührt. Mit der Möglichkeit, die Kundengeldabsicherung auch auf andere Weise erbringen und nachweisen zu können, soll der Reiseveranstalter, sofern dies das Recht des Staates seiner Hauptniederlassung gestattet, auf andere Formen der Sicherungsleistung und ihres Nachweises ausweichen können, weil die Verschaffung eines dem deutschen Recht entsprechenden Sicherungsscheins im Hinblick auf die gegebenenfalls abweichenden Modalitäten auf dem heimischen Reise- und Versicherungsmarkt des Reiseveranstalters mit einem erhöhten Aufwand verbunden sein kann. Auch dieser Nachweis dient gleichwohl dem Interesse, dem Kunden Beweissicherheit hinsichtlich der Insolvenzabsicherung zu verschaffen, bevor dieser Zahlungen auf den Reisepreis leistet. Damit ist entgegen der Revision keine gegen Art. 56, 57 AEUV verstoßende Schlechterstellung von grenzüberschreitenden Tätigkeiten verbunden; vielmehr werden solche Tätigkeiten durch die Möglichkeit, auf andere Formen der Sicherheitsleistung und ihres Nachweises ausweichen zu können, gerade erleichtert.

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b) Die Sicherheitsleistung muss gewährleisten, dass gegenüber dem Reisenden im Insolvenzfall die Erstattungsleistungen nach § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB erbracht werden, und dem Reisenden muss eben dies nachgewiesen werden. Ein ordnungsgemäßer Nachweis muss daher zunächst erkennen lassen, dass die Kundengeldabsicherung die Rückzahlungsansprüche des Reisenden tatsächlich und wirksam abdeckt. Ein "Sicherungsschein", der nur den Nachweis für eine Absicherung der Rückzahlungsansprüche von Kunden erbringt, die auf einem anderen nationalen Markt Reiseverträge abschließen, ist für den konkreten Reisenden ohne Bedeutung und erfüllt nicht die Anforderungen einer Kundengeldabsicherung gemäß § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB.

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Die vom Berufungsgericht festgestellte Vorlage der Kopie eines Sicherungsscheins hätte deshalb allenfalls dann gegenüber den Klägern den Nachweis für eine Kundengeldabsicherung erbringen können, wenn sich daraus - in deutscher oder einer anderen dem Reisenden leicht verständlichen Sprache (§ 10 BGB-InfoV) - eine verbindliche Erklärung des Absicherers ergab, auch die Erstattung des von den Klägern zu zahlenden Reisepreises abzudecken. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts entsprach die Kopie eines als "Sicherungsschein" bezeichneten Dokuments nicht diesen Anforderungen, weil das Dokument eine Absicherung für Verträge, die nicht auf dem niederländischen Markt geschlossen wurden, nicht zum Ausdruck brachte. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Beklagte den Klägern eine den Anforderungen des § 651k Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechende Sicherheitsleistung nicht nachgewiesen hat, begegnet danach keinen rechtlichen Bedenken.

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c) Soweit die Revision anführt, die Beklagte habe vom Reiseveranstalter die Bestätigung erhalten, es bestehe eine Kundengeldabsicherung, ergibt sich auch daraus kein hinreichender Nachweis gegenüber den Klägern. Mit der genannten Bestätigung wurden den Reisenden keine Beweismittel präsentiert. Da der Reiseveranstalter selbst gemäß § 651k Abs. 4 und 5 BGB nachweispflichtig ist, reicht seine bloße Erklärung nicht aus, um den Reisenden die gebotene Beweissicherheit zu verschaffen.

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4. Die Beklagte hat demnach den Klägern den Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die Zahlung des Reisepreises entstand, nachdem die im Reisevertrag versprochene Gegenleistung ausblieb.

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Dieser in Höhe des Reisepreises zu berechnende Schadensersatz ist nicht aufgrund etwaiger - vom Berufungsgericht offen gelassener - Ansprüche der Reisenden gegen den Kundengeldabsicherer des Reiseveranstalters zu reduzieren. Sollten solche Ansprüche entgegen dem Wortlaut der von den Parteien vorgetragenen Versicherungsbedingungen gleichwohl zugunsten der Kläger bestehen, ergäben sich daraus lediglich Ansprüche gegen einen Dritten zur Kompensation des Schadens. Mit solchen Ansprüchen könnte nur ein - hier nicht geltend gemachtes - Zurückbehaltungsrecht zur Leistung Zug um Zug gegen die Abtretung der Ansprüche analog §§ 255, 274 BGB begründet werden; der Schadensersatzanspruch selbst wird dadurch weder ausgeschlossen noch reduziert (vgl. BGH, Urteile vom 20. November 1992 - V ZR 279/91, BGHZ 120, 261 unter I 2 b; vom 15. April 2010 - IX ZR 223/07, NJW 2010, 1961 Rn. 35).

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III. Die Kostenfolge beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck                        Grabinski                        Bacher

                    Hoffmann                        Schuster

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