Urteil vom Bundesgerichtshof (4. Zivilsenat) - IV ZR 223/15

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 4. Dezember 2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

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Die am 13. Mai 1970 geborene Klägerin schloss 1996 mit der Beklagten einen Rentenversicherungsvertrag auf ihr Leben. Danach stand ihr erstmals ab dem 1. Dezember 2027 ein Anspruch auf eine monatliche, lebenslange Altersrente zu. Die Versicherungsperiode betrug einen Kalendermonat.

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Die Klägerin beantragte, ein Insolvenzverfahren über ihr Vermögen zu eröffnen. Anschließend bat sie die Beklagte mit Telefax vom 5. März 2012, 9.54 Uhr, den bestehenden Versicherungsvertrag unter Ausübung ihres Wahlrechts in eine pfändungsgeschützte Rentenversicherung umzuwandeln. Zugleich erklärte sie in diesem Schreiben, in Ausübung ihres Wahlrechts hiermit unwiderruflich auf die Kapitalisierung der Versicherung zu verzichten. Mit Beschluss vom 6. März 2012, 16.00 Uhr, bestellte das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO an, dass Verfügungen der Klägerin über ihr Vermögen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Dieser Beschluss ging der Beklagten am 8. März 2012 zu. Eine Umwandlung der Versicherung unterblieb.

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Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin am 2. Mai 2012 kündigte der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 31. Juli 2013 den Versicherungsvertrag. Mit Schreiben vom 23. August 2013 teilte die Beklagte der Klägerin auf deren Nachfrage mit, dass eine Anpassung des Vertrags zeitlich nicht möglich gewesen sei und deshalb der Kündigung des Insolvenzverwalters nicht widersprochen werden könne. Die Beklagte zahlte deshalb den Rückkaufswert der Versicherung an den Insolvenzverwalter aus.

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Im Rechtsstreit hat die Klägerin verlangt, die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Fortführung des Versicherungsvertrags als pfändungsgeschützten Vertrag gemäß § 851c ZPO einen Tarif anzubieten, der den in § 851c Abs. 1 ZPO genannten Anforderungen entspricht.

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Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet.

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I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch nach § 167 VVG zu, weil der Versicherungsvertrag in die Insolvenzmasse gefallen sei. Die Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 ZPO hätten weder vor noch nach der Umwandlungserklärung der Klägerin vorgelegen. Der Pfändungsschutz nach § 851c ZPO beginne nicht bereits mit dem Zugang des Umwandlungsverlangens beim Versicherer; § 167 VVG stelle vielmehr für die Umwandlung auf das Ende der laufenden Versicherungsperiode ab.

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II. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.

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1. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht mehr verlangen, den bei der Beklagten geführten Versicherungsvertrag in einen pfändungsgeschützten Vertrag nach § 851c Abs. 1 ZPO umzuwandeln. Die Versicherung ist aufgrund der Kündigung des Insolvenzverwalters erloschen.

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Die Kündigung des Insolvenzverwalters vom 31. Juli 2013 war wirksam. Denn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis war gemäß § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Die Lebensversicherung war pfändbar und unterlag damit dem Insolvenzbeschlag. § 851c Abs. 1 ZPO griff zum Zeitpunkt des Insolvenzbeschlags nicht ein. Das Umwandlungsverlangen der Klägerin vom 5. März 2012 allein führt nicht zum Pfändungsschutz.

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a) Gemäß § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen des Schuldners. Hiervon nimmt § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO die Gegenstände aus, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen. § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO erklärt unter anderem § 851c ZPO für entsprechend anwendbar.

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Damit unterfallen Ansprüche auf Leistungen aus Verträgen, die die Anforderungen des § 851c ZPO erfüllen, nur insoweit dem Insolvenzbeschlag, als sie wie Arbeitseinkommen gepfändet werden dürfen. Pfändungsschutz nach § 851c ZPO besteht jedoch erst dann, wenn sämtliche der in § 851c ZPO geregelten Voraussetzungen im Zeitpunkt der Pfändung vorliegen (BGH, Beschlüsse vom 27. August 2009 - VII ZB 89/08, r+s 2009, 472 Rn. 12; vom 25. November 2010 - VII ZB 5/08, VersR 2011, 1287 Rn. 19). Für die Insolvenz ist auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt erfüllte die Rentenversicherung der Klägerin insbesondere weder die Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO noch die des § 851c Abs. 1 Nr. 2 ZPO, weil der Rentenbeginn vor dem 60. Lebensjahr lag und die Klägerin - abgesehen von dem hier unerheblichen Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO - weiter über ihre Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verfügen konnte. Die Versicherung der Klägerin war daher weiterhin uneingeschränkt pfändbar.

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b) § 167 VVG erweitert den von § 851c ZPO gewährten Pfändungsschutz nicht. Zwar handelt es sich bei der Rentenversicherung der Klägerin um eine Lebensversicherung i.S. des § 167 VVG. Die Vorschrift legt jedoch nicht den Zeitpunkt des Pfändungsschutzes fest, sondern verschafft lediglich dem Versicherungsnehmer materiell-rechtlich einen Anspruch, eine Lebensversicherung in eine den Anforderungen des § 851c ZPO entsprechende Versicherung umzuwandeln. Die Vorschrift bestimmt nur, unter welchen Voraussetzungen der Versicherer hierzu verpflichtet ist und auf welche Weise dies erreicht werden kann.

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Zwar nehmen zahlreiche Stimmen in der Literatur an, Pfändungsschutz nach § 851c ZPO trete bereits ein, sobald dem Versicherer das Verlangen des Versicherungsnehmers nach § 167 VVG zugegangen sei (Winter in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 167 Rn. 84; Brambach in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG 2. Aufl. § 167 Rn. 18; Reiff in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 167 Rn. 14; Ortmann in Schwintowski/Brömmelmeyer, VVG 2. Aufl. § 167 Rn. 15; Krause in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 167 Rn. 13; Zöller/K. Stöber, ZPO 30. Aufl. § 851c Rn. 10; Dietzel, Der Pfändungsschutz der privaten Altersvorsorge nach den §§ 851c und 851d, ZPO, 2014 S. 117; ders., NZI 2014, 962; Rupprecht, Zwangsvollstreckung in Altersvorsorgeansprüche, 2014, S. 100 f.; Schrehardt, DStR 2013, 472, 473; Tavakoli, NJW 2008, 3259, 3261; M. Stöber, NJW 2007, 1242, 1247 zu § 173 VVG a.F.; wohl auch Hasse, VersR 2007, 870, 889). Dies wird vor allem darauf gestützt, dass der Versicherungsnehmer die Bearbeitungsdauer und den Zeitpunkt der Umwandlung nicht beeinflussen könne (so insbesondere Reiff aaO; Ortmann aaO; Krause aaO). Außerdem habe das Abstellen auf den Ablauf der Versicherungsperiode nur versicherungstechnische Gründe (Dietzel aaO).

15

Eine solche Vorverlagerung des Pfändungsschutzes entspricht aber nicht der gesetzlichen Regelung. Das gesetzliche Konzept unterscheidet zwischen den zwangsvollstreckungsrechtlichen Regeln, die die Anforderungen an den Pfändungsschutz festlegen (§ 851c ZPO), und den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Umwandlung in eine pfändungsgeschützte Versicherung (§ 167 VVG). Dabei ist im Interesse der Rechtssicherheit und des Gläubigerschutzes sowie zum Schutz vor Missbrauch allein entscheidend, ob die Lebensversicherung die Voraussetzungen des § 851c ZPO zum Zeitpunkt der Pfändung bereits erfüllt, die Umwandlung also erfolgt ist (LG Hamburg ZInsO 2011, 1018; Mönnich in MünchKomm-VVG, § 167 Rn. 13; Brömmelmeyer in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch 3. Aufl. § 42 Rn. 212b; Specker, VersR 2011, 958, 960 f.; Neuhaus/Köther, ZfV 2009, 248, 250 f.). § 851c ZPO liegt die gesetzliche Interessenabwägung zugrunde, dass Pfändungsschutz nur dann bestehen soll, wenn ein entsprechender Vertragsinhalt endgültig feststeht, also unwiderruflich und unveränderlich ist (BT-Drucks. 16/886 S. 8). Auf dieser für die zwangsvollstreckungsrechtlichen Regeln wesentlichen Rechtsklarheit baut die Abgrenzung zwischen § 167 VVG und § 851c ZPO auf.

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Teleologische Gesichtspunkte rechtfertigen es nicht, diese gesetzliche Regelung der Unpfändbarkeit zu Lasten der Gläubiger zu erweitern. Es ist zwar richtig, dass der Versicherungsnehmer nur eingeschränkt beeinflussen kann, in welcher Zeit der Versicherer sein Verlangen bearbeitet, zu welchem Zeitpunkt also eine Umwandlung der Versicherung erfolgt (so Reiff aaO; Ortmann aaO; Krause aaO). Dabei handelt es sich aber nicht um einen Gesichtspunkt, den der Gesetzgeber verkannt hätte. Vielmehr hat der Gesetzgeber gesehen, dass viele der bestehenden Lebensversicherungen zum Zwecke der Altersvorsorge abgeschlossen sind, aber die Kriterien des § 851c ZPO nicht erfüllen (BT-Drucks. 16/886 S. 14 zu § 173 VVG a.F.). Gleichwohl hat er sich darauf beschränkt, es dem Versicherungsnehmer mit § 167 VVG lediglich zu ermöglichen, eine bestehende Versicherung in eine pfändungsfreie umzuwandeln (BT-Drucks. 16/886 S. 14 zu § 173 VVG a.F.). Der Versicherungsnehmer kann eine Umwandlung nach der gesetzlichen Regelung ausdrücklich nur für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode verlangen. Diese Umwandlung hängt nach der gesetzgeberischen Wertung weiter davon ab, dass Rechte Dritter nicht entgegenstehen, insbesondere die Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis nicht abgetreten oder gepfändet sind (BT-Drucks. 16/886 S. 14 zu § 173 VVG a.F.).

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Nach dieser gesetzlichen Wertung setzt die Unpfändbarkeit einer Lebensversicherung voraus, dass das Versicherungsverhältnis entsprechend umgestaltet ist. Pfändungsschutz tritt nicht vor dem Zeitpunkt ein, zu dem die Umwandlung erfolgt ist (LG Hamburg ZInsO 2011, 1018; Neuhaus/Köther, ZfV 2009, 248, 250 f.). Erst nach erfolgter Umwandlung der Versicherung kann sicher beurteilt werden, ob der geänderte Vertrag unwiderruflich den Anforderungen des § 851c ZPO entspricht. Ob die Lebensversicherung tatsächlich in einen Vertrag umgewandelt wird, der unwiderruflich den Anforderungen des § 851c Abs. 1 ZPO entspricht, lässt sich im Zeitpunkt des Umwandlungsverlangens nicht immer sicher absehen.

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Allein das Verlangen des Versicherungsnehmers führt nicht zur Umwandlung der Lebensversicherung. § 167 VVG schafft kein Gestaltungsrecht (so aber Hasse, VersR 2007, 870, 889; Dietzel aaO S. 116; ders., NZI 2014, 962; Wollmann, Private Altersvorsorge und Gläubigerschutz, 2010, S. 311), sondern gibt dem Versicherungsnehmer nur einen Anspruch darauf, die Lebensversicherung in eine Versicherung umzuwandeln, die die Kriterien des § 851c Abs. 1 ZPO erfüllt (Winter aaO Rn. 81; Mönnich aaO Rn. 9; Reiff aaO Rn. 5; Neuhaus/Köther, ZfV 2009, 248, 249; Specker, VersR 2011, 958, 961; unentschieden Brambach in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG 2. Aufl. § 167 Rn. 11, 16 f.; Krause in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 167 Rn. 13). Über den konkreten Inhalt dieser Versicherung müssen sich die Parteien einigen. Denn § 167 VVG gilt für jede beliebige Lebensversicherung. Angesichts der vielgestaltigen Formen von Lebensversicherungen ist eine Umwandlung indes häufig nur möglich, wenn verschiedene Versicherungsbestimmungen angepasst werden. Welchen konkreten Inhalt die neuen Bestimmungen haben, steht zum Zeitpunkt des Verlangens daher oft nicht fest; er ergibt sich weder aus § 167 VVG noch aus § 851c Abs. 1 ZPO (Mönnich in MünchKomm-VVG, § 167 Rn. 9; Reiff aaO Rn. 5). Insbesondere wird das Verlangen des Versicherungsnehmers praktisch kaum jemals so bestimmt sein, dass der Versicherer es mit einem einfachen "Ja" annehmen kann und muss (Mönnich aaO Rn. 14). Im Gegenteil besteht häufig - insbesondere bei Kapitallebensversicherungen - ein Spielraum für die Parteien, welche Anpassung gewünscht wird. Insoweit hängt die Anpassung davon ab, auf welche Variante sich die Parteien einigen (vgl. z.B. die Konstellation OLG Hamm r+s 2011, 261).

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2. Es kann dahinstehen, ob der Klägerin - wie die Revision geltend macht - ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht.

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Zwar kann der Versicherungsnehmer Schadensersatz vom Versicherer verlangen, wenn dieser die Umwandlung des Versicherungsvertrags pflichtwidrig und schuldhaft verzögert (vgl. etwa Mönnich in MünchKomm-VVG, § 167 Rn. 16; Brömmelmeyer aaO Rn. 212b). Unter welchen Voraussetzungen dies im Einzelfall der Fall ist, muss nicht entschieden werden. Gleichfalls kann offen bleiben, ob - wie die Revision meint - der Schadensersatzanspruch darauf gerichtet sein kann, dem Versicherungsnehmer den Abschluss eines entsprechenden pfändungsfreien Versicherungsvertrags anzubieten.

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Ein solcher Schadensersatzanspruch rechtfertigt nämlich das Klagebegehren nicht. Die Klägerin verlangt mit ihrem Klageantrag von der Beklagten allein, ihren bisherigen Versicherungsvertrag als pfändungsgeschützten Vertrag fortzuführen und ihr hierzu einen entsprechenden Tarif anzubieten. Diese Versicherung hat der Insolvenzverwalter jedoch wirksam gekündigt, die Beklagte hat den Rückkaufswert ausgezahlt. Eine Umwandlung des Versicherungsvertrags ist daher nicht mehr möglich.

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Ein anderes Begehren ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Die Klägerin hat sich in den Instanzen nur darauf berufen, bereits ihre Erklärung vom 5. März 2012 habe dazu geführt, dass der Versicherungsvertrag Pfändungsschutz gemäß § 851c ZPO erlangt habe. Sie hat hingegen nicht geltend gemacht, dass die Beklagte die Umwandlung des Versicherungsvertrags pflichtwidrig verzögert hätte und ihr den daraus entstehenden Schaden ersetzen müsse. Damit liegt in dem Verlangen der Revision, die Beklagte habe ihr im Wege der Naturalrestitution einen Versicherungsvertrag mit einem entsprechenden Tarif anzubieten, eine Klageänderung, die in der Revisionsinstanz ausgeschlossen ist (§ 559 ZPO, BGH, Urteil vom 27. November 2014 - I ZR 1/11, WRP 2015, 735 Rn. 14 m.w.N.).

Mayen                             Dr. Karczewski                             Lehmann

             Dr. Brockmöller                           Dr. Schoppmeyer

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