Beschluss vom Bundesgerichtshof (4. Zivilsenat) - IV ZB 22/15

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12. Juni 2015 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: 6.000 €

Gründe

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I. Die Klägerin wendet sich gegen die Verwerfung ihrer Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts.

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Das Urteil ist der Klägerin am 15. Januar 2015 zugestellt worden. Sie hat dagegen fristgerecht Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren ist beim Oberlandesgericht unter dem Aktenzeichen 12 U 38/15 geführt worden.

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Am Montag, den 16. März 2015, hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin zwei Berufungsbegründungen beim Oberlandesgericht eingereicht. Beide Schriftsätze trugen das Aktenzeichen 12 U 32/15 sowie das Rubrum des unter diesem Aktenzeichen geführten Berufungsverfahrens einer anderen Klägerin gegen die Beklagte, in dem an diesem Tag ebenfalls die Berufungsbegründungsfrist ablief. Der Text der beiden Schrift-sätze war bis auf die letzte Seite identisch. Einer dieser Schriftsätze wurde in die Akte 12 U 32/15 eingeordnet, der andere dieser Akte mit der Kennzeichnung "Überzähliges Exemplar" beigefügt.

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Auf den Hinweis des Oberlandesgerichts vom 18. März 2015, dass mangels Eingangs einer Begründung die Verwerfung der Berufung als unzulässig beabsichtigt sei, hat die Klägerin am 1. April 2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, aufgrund der versehentlichen Eingabe eines falschen Anwaltsaktenzeichens bei der Fertigung des Schriftsatzes sei die Berufungsbegründung mit dem Aktenzeichen und dem Rubrum des Parallelverfahrens 12 U 32/15 versehen worden.

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Der Berichterstatter hat nach Vorlage der Akte 12 U 32/15 in einem Vermerk festgestellt, ein Vergleich des Vortrags auf der letzten Seite des Schriftsatzes mit den Angaben in einem der erstinstanzlichen Schriftsätze in diesem Verfahren ergebe, dass es sich bei einem der unter dem Aktenzeichen 12 U 32/15 eingereichten Schriftsätze um den im Wiedereinsetzungsantrag genannten Schriftsatz handele.

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Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe innerhalb der gesetzlichen Frist keinen Schriftsatz eingereicht, der den Namen der Klägerin, das gerichtliche Aktenzeichen der Berufungsinstanz oder das gerichtliche Aktenzeichen des ersten Rechtszugs trage. Der von ihr mit anderen Angaben zum Namen der Klagepartei und zum gerichtlichen Aktenzeichen eingereichte Schriftsatz könne nicht dahin ausgelegt werden, dass er als Begründung der Berufung in diesem Verfahren habe angesehen werden sollen. Eine Zuordnung zu dem Verfahren der Klägerin wäre nur durch einen Vergleich der persönlichen Daten auf der letzten Seite des Schriftsatzes mit sämtlichen von der Klägervertreterin geführten offenen Verfahren gegen die Beklagte möglich gewesen. Für eine Beiziehung der Akten anderer Verfahren gebe es aber weder eine gesetzliche Grundlage noch wäre dies anhand der bei Fristablauf bereits vorliegenden Unterlagen möglich gewesen.

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Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

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II. Die Rechtsbeschwerde ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft, aber im Übrigen unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist insbesondere nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das Berufungsgericht hat die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Anforderungen an die fristgerechte Begründung einer Berufung beachtet und nicht das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf ein faires Verfahren und effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt.

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1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Berufungsbegründungsfrist versäumt hat. Der am 16. März 2015 eingegangene Schriftsatz hat die Frist nicht gewahrt.

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a) Dabei stand die Angabe des falschen Aktenzeichens für sich genommen dem fristgerechten Eingang der Berufungsbegründung noch nicht entgegen. Das Gesetz schreibt in den § 129 Abs. 1, § 130 ZPO - die gemäß § 520 Abs. 5 ZPO auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden sind - die Angabe eines bereits zugeordneten und mitgeteilten Aktenzeichens nicht vor. Die Angabe eines Aktenzeichens soll die Weiterleitung innerhalb des Gerichts erleichtern und für eine rasche Bearbeitung sorgen. Es handelt sich um eine Ordnungsmaßnahme, die für die Sachentscheidung ohne Bedeutung ist (BGH, Beschlüsse vom 10. Juni 2003 - VIII ZB 126/02, NJW 2003, 3418 unter II 2; vom 15. April 1982 - IVb ZB 60/82, VersR 1982, 673; vom 2. Oktober 1973 - X ZB 7/73, NJW 1974, 48). Für den Eingang der Berufungsbegründung ist es dabei unerheblich, ob der Schriftsatz anhand des Aktenzeichens bereits innerhalb der Berufungsbegründungsfrist in die für diese Sache angelegte Akte eingeordnet wurde (BGH, Beschluss vom 15. April 1982 - IVb ZB 60/82 aaO).

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b) Der Berufungsbegründung muss jedoch zweifelsfrei zu entnehmen sein, zu welchem Verfahren sie eingereicht werden soll. Unrichtige Angaben schaden nur dann nicht, wenn auf Grund sonstiger, innerhalb der Berufungsbegründungsfrist erkennbarer Umstände für Gericht und Prozessgegner zweifelsfrei feststeht, welchem Rechtsmittelverfahren die Begründung zuzuordnen ist (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2007 - II ZB 20/07, NJW-RR 2008, 576 Rn. 12; entsprechend für die Berufungsschrift Senatsbeschluss vom 6. Dezember 2006 - IV ZB 20/06, NJW-RR 2007, 935 Rn. 9). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Berufungsbegründung enthielt nicht nur ein falsches Aktenzeichen, sondern auch eine falsche Bezeichnung der Klagepartei. Die Frage, ob § 130 Nr. 1 ZPO auch für die Berufungsbegründung als bestimmenden Schriftsatz nur als Sollvorschrift zu verstehen und die (richtige) Bezeichnung der Parteien daher keine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Berufungsbegründung ist, ist dabei für die Entscheidung ohne Bedeutung. Es fehlt insgesamt an Angaben, die anstelle der Parteibezeichnung eine Zuordnung der Berufungsbegründung ermöglicht hätten. Auch das erstinstanzliche Aktenzeichen ist nicht genannt. Damit war weder aus dem Schriftsatz selbst noch aus der Akte des darin genannten, beim Berufungsgericht anhängigen (Parallel-)Verfahrens 12 U 32/15 erkennbar, dass die übermittelte Berufungsbegründung das unter dem Aktenzeichen 12 U 38/15 anhängige Verfahren betreffen sollte. Ein Vergleich des Inhalts dieses Schriftsatzes mit dem erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin konnte auf der Grundlage der Angaben in der Berufungsbegründung nicht erfolgen, da das erstinstanzliche Verfahren darin nicht bezeichnet war. Aus dem Schriftsatz war nur ersichtlich, dass es sich um ein gegen die Beklagte anhängiges Berufungsverfahren handeln muss, jedoch nicht um welches. Eine Pflicht des Gerichts, die Akten der anhängigen Berufungsverfahren verschiedener Kläger gegen die Beklagte auf eine inhaltliche Übereinstimmung des erstinstanzlichen Vortrags mit der Berufungsbegründung zu überprüfen, besteht nicht. Entgegen dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde wäre eine solche Prüfung auch keineswegs mit einem verschwindend geringen Aufwand verbunden gewesen. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss.

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2. Die Klägerin erhebt keine Rügen dagegen, dass das Berufungsgericht ihr die begehrte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist mangels Glaubhaftmachung einer unverschuldeten Fristversäumnis versagt hat.

Mayen                                 Felsch                                Harsdorf-Gebhardt

                Dr. Karczewski                      Dr. Bußmann

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