Beschluss vom Bundesgerichtshof (1. Zivilsenat) - I ZB 50/15

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg - 6. Zivilsenat - vom 27. Mai 2015 wird auf Kosten der Antragstellerin als unzulässig verworfen.

Gegenstandswert: 5.287.111,39 €.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin ist eine in Finnland ansässige Werft. Die Antragsgegnerin ist eine Gesellschaft mit Sitz auf der Insel G.   , die zu dem Zweck gegründet wurde, bei der Antragstellerin eine Segelyacht zu bestellen und zu erwerben.

2

Die Parteien schlossen unter dem 4. Dezember 2006 einen Vertrag über den Bau einer Segelyacht (Schiffsbauvertrag). Darin heißt es:

ART. 16 LAW AND ARBITRATION

16.1 LAW OF THE CONTRACT

This Contract shall be subject to German law. Any disputes arising from this Contract, which cannot be solved between the parties, shall be settled by arbitration in Hamburg according to the Rules of the G.M.A.A. (German Maritime Arbitrators Association, latest edition). The language of the arbitration shall be in English.

16.2 REFERENCE TO EXPERT OR ARBITRATION

If any dispute or difference may arise or claim be made by any of or between the Parties hereto out of or in relation to or in connection with this Contract both Parties are to discuss the problems so arisen in a fair and reasonable manner for the purpose of obtaining an amicable settlement. In case no amicable settlement will be arrived at disputes shall be settled as follows:

16.2.1 Technical disputes (being disputes, differences or claims regarding any technical matter arising out of, or relating to or in connection with the construction of the Vessel) shall at the written request of either Party be referred to a mutually acceptable technical expert who shall act as such (and not as an arbitrator) and whose opinion on the matter shall be final and binding upon the Parties. […]

16.2.2 All other disputes arising out or in connection with this Contract shall be submitted to and settled by arbitration in Hamburg in accordance with the G.M.A.A.-Rules (latest edition). Any arbitration to be conducted in English language.

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Die Antragsgegnerin hat Schiedsklage erhoben, mit der sie Zahlungsansprüche wegen von ihr behaupteter Mängel der von der Antragstellerin gebauten und gelieferten Segelyacht verfolgt. Die Antragstellerin hat die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts gerügt. Das Schiedsgericht hat sich durch Zwischenentscheid für zuständig erklärt. Die Antragstellerin hat Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen und die Zuständigkeit des Schiedsgerichts festgestellt. Dagegen hat die Antragstellerin Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie erstrebt die Aufhebung des Zwischenentscheids und die Feststellung, dass das Schiedsgericht zur Entscheidung über die mit der Schiedsklage geltend gemachten Anträge zur Zeit unzuständig ist, mindestens aber diese Anträge als zur Zeit unbegründet abzuweisen sind.

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II. Das Oberlandesgericht hat angenommen, das Schiedsgericht sei zur Entscheidung über die mit der Schiedsklage geltend gemachten Zahlungsansprüche wegen Baumängeln der Segelyacht zuständig. Dazu hat es ausgeführt:

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Da die Schiedsklage eine Streitigkeit aus dem Schiffsbauvertrag zum Gegenstand habe, falle sie nach dessen Artikel 16.1 in den Anwendungsbereich der Schiedsvereinbarung und die Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Für diese Zuständigkeit sei es unerheblich, dass nach Art. 16.2.1 des Schiffsbauvertrags auf Antrag einer Partei ein Sachverständigenverfahren durchzuführen sei, soweit die Streitigkeit technische Fragen betreffe.

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Die genannte Bestimmung enthalte keine Schiedsvereinbarung, sondern einen Schiedsgutachtenvertrag. Ein Schiedsgutachter habe allein Tatsachen festzustellen und Tatfragen zu entscheiden; er sei nicht befugt, darüber zu befinden, welche Verpflichtungen sich daraus für die Parteien ergeben. Die Parteien hätten ausdrücklich klargestellt, dass der technische Sachverständige nur in dieser Eigenschaft handeln solle und nicht als Schiedsrichter.

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Selbst wenn Art. 16.2.1 Schiffsbauvertrag als „pactum de non petendo“ anzusehen wäre, stünde dies der Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht entgegen. In diesem Falle wäre zwar eine ohne Vorlage des Schiedsgutachtens eingereichte Schiedsklage durch das Schiedsgericht als verfrüht und damit als zur Zeit unbegründet abzuweisen. Das berühre jedoch nicht die Frage, ob ein Schiedsverfahren zulässig und das Schiedsgericht befugt sei, über die mit der Schiedsklage gestellten Anträge zu entscheiden.

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III. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts ist von Gesetzes wegen statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts nach § 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO über eine Entscheidung eines Schiedsgerichts, in der dieses seine Zuständigkeit in einem Zwischenentscheid bejaht hat (§ 1040 ZPO), findet gemäß § 1065 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Rechtsbeschwerde statt. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Senatsentscheidung erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

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1. Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, die Auffassung des Oberlandesgerichts, der Schiedsgutachter habe lediglich Tatsachen festzustellen und Tatfragen zu entscheiden, nicht aber darüber zu befinden, welche Verpflichtungen sich daraus für die Parteien ergeben, beruhe auf einem der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprechenden Obersatz. Die Rechtsbeschwerde sei daher zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordere. Gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muss die Begründung der Rechtsbeschwerde im Falle einer nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde eine Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO enthalten. Die Rechtsbeschwerde hat lediglich behauptet, aber nicht dargelegt, dass die Auffassung des Oberlandesgerichts der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs widerspricht.

10

Auch soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, das Oberlandesgericht habe im Rahmen seiner Auslegung nicht geprüft, ob es sich bei Art. 16 Schiffsbauvertrag um eine Schiedsgutachtenvereinbarung im engeren oder im weiteren Sinne handele, hat sie damit weder eine Divergenz der Entscheidung des Oberlandesgerichts zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch einen anderen Grund für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde aufgezeigt. Ein Rechtsfehler des Tatrichters bei der Auslegung eines Vertrages erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

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Davon abgesehen lässt die Auslegung von Art. 16.2.1 Schiffsbauvertrag keinen Rechtsfehler erkennen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Schiedsgutachter bei einer Schiedsgutachtenvereinbarung im engeren Sinne lediglich die für die Klarstellung des Vertragsinhalts maßgeblichen Tatsachen zu ermitteln und für die Parteien festzustellen; dagegen obliegt es dem Schiedsgutachter bei einer Schiedsgutachtenvereinbarung im weiteren Sinne, den Vertragsinhalt nach billigem Ermessen rechtsgestaltend zu bestimmen (BGH, Urteil vom 26. April 1991 - V ZR 61/90, NJW 1991, 2761; Urteil vom 17. Januar 2013 - III ZR 10/12, NJW 2013, 1296 Rn. 13; Urteil vom 4. Juli 2013 - III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492 Rn. 27 und 33 mwN). Das Oberlandesgericht hat Art. 16.2.1 des Schiffsbauvertrags im Ergebnis dahin ausgelegt, dass es sich dabei um eine Schiedsgutachtenvereinbarung im engeren Sinne handelt. Es hat angenommen, der in Art. 16.2.1 Schiffsbauvertrag zur näheren Bestimmung der vom technischen Sachverständigen verbindlich zu entscheidenden „technischen Streitigkeiten“ verwendete Begriff „claims“ könne zwar die Bedeutung von „Rechtsansprüchen“ haben. Daraus folge aber nicht, dass der technische Sachverständige auch Rechtsfragen entscheiden solle. Die Parteien hätten mit der Formulierung „a […] technical expert who shall act as such (and not as an arbitrator)“ ausdrücklich klargestellt, dass der technische Sachverständige allein in dieser Eigenschaft handeln solle und nicht als Schiedsrichter. Bei verständiger Würdigung der beiderseitigen Interessen sei es auch nicht sinnvoll, einen Sachverständigen, der zwar über technischen, nicht aber über juristischen Sachverstand verfüge, etwa darüber entscheiden zu lassen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung von Mängelansprüchen - wie die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Nacherfüllung oder die Unbegründetheit einer Verjährungseinrede - vorliegen. Die Rechtsbeschwerde versucht, diese Auslegung der Schiedsvereinbarung durch ihre abweichende eigene zu ersetzen, ohne einen Rechtsfehler des Oberlandesgerichts aufzuzeigen oder die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtsbeschwerde darzulegen.

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2. Die Rechtsbeschwerde macht weiter ohne Erfolg geltend, die Auffassung des Oberlandesgerichts, selbst wenn in Art. 16.2.1 Schiffsbauvertrag ein „pactum de non petendo“ zu sehen wäre, stünde dies der Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht entgegen und wäre eine ohne Vorlage des Schiedsgutachtens eingereichte Schiedsklage durch das Schiedsgericht lediglich als verfrüht und damit als zur Zeit unbegründet abzuweisen, widerspreche der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München und begründe daher die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

13

Ein „pactum de non petendo“ kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der von der Rechtsbeschwerde herangezogenen Entscheidung des Oberlandesgerichts München allerdings die Klagbarkeit von Ansprüchen ausschließen (zu einem Schiedsgutachtenvertrag vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1989 - VII ZR 75/89, NJW 1990, 1231, 1232; zu einer Schlichtungsvereinbarung vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2008 - XII ZR 165/06, NJW-RR 2009, 637 Rn. 19; zu einer Duldungsvereinbarung vgl. OLG München, Beschluss vom 4. August 2009 - 32 Wx 33/09, juris Rn. 17). Das Oberlandesgericht hat jedoch mit Recht angenommen, dass ein „pactum de non petendo“ einem Gericht nicht die Zuständigkeit zur Entscheidung über eine Klage nimmt, mit der Ansprüche, deren Klagbarkeit die Parteien ausgeschlossen haben, ungeachtet des „pactum de non petendo“ geltend gemacht werden.

14

Das Oberlandesgericht hat sich mit dieser Annahme nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Oberlandesgerichte gesetzt. Es kommt nicht darauf an, ob eine solche Klage, wie das Oberlandesgericht angenommen hat, „als zur Zeit unbegründet“ (für den Fall, dass die beweispflichtige Partei die rechtserhebliche Tatsache, deren Feststellung dem Schiedsgutachter übertragen ist, nicht durch Vorlage des Schiedsgutachtens nachweist vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 1988 - VII ZR 105/87, NJW-RR 1988, 1405; Urteil vom 7. Juni 2011 - II ZR 186/08, NJW-RR 2011, 1059 Rn. 13) oder, wie die Rechtsbeschwerde geltend macht, „als zur Zeit unzulässig“ (für den Fall, dass die klagende Partei vor Klageerhebung nicht wie vereinbart einen Schlichtungsversuch vor einem Schiedsgericht unternommen hat vgl. BGH, NJW-RR 2009, 637 Rn. 17) abzuweisen ist. Das Oberlandesgericht hatte im vorliegenden Verfahren allein darüber zu entscheiden, ob das Schiedsgericht seine Zuständigkeit in dem Zwischenentscheid mit Recht bejaht hat. Seine Annahme, die in Art. 16.2.1 Schiffsbauvertrag enthaltene Schiedsgutachtenklausel berühre nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, lässt keinen Rechtsfehler erkennen und begründet nicht die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde.

15

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher                  Schaffert                         Kirchhoff

                Koch                      Feddersen

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