Urteil vom Bundesgerichtshof (8. Zivilsenat) - VIII ZR 68/15

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 18. Februar 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung um monatlich 66,67 € ab dem 1. Januar 2014 für die von ihr bewohnte Wohnung in B. N. in Anspruch. Die 77,29 qm große Dreizimmerwohnung gehört zu einer aus vier mehrgeschossigen Mehrfamilienhäusern bestehenden Wohnanlage, die Mitte der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts errichtet wurde.

2

Das Mieterhöhungsbegehren vom 24. Oktober 2013 nimmt zur Begründung auf ein beigefügtes Gutachten der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen W. vom 14. Oktober 2013 Bezug, das in der Art eines "Typengutachtens" Angaben zur ortsüblichen Vergleichsmiete für die dortigen Zwei-, Drei- und Vierzimmerwohnungen enthält.

3

Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

6

Das Mieterhöhungsverlangen sei unzulässig, weil es auf ein unzureichendes Gutachten gestützt sei. Zwar seien an ein Gutachten, das zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens beigefügt werde, keine übertriebenen Anforderungen zu stellen. Insoweit sei in dem Gutachten auf Seite 7 zwar ausgeführt, dass für den Wert der ortsüblichen Vergleichsmiete sowohl der Markt bei Neu- und Wiedervermietung als auch die Mietpreise der länger bestehenden Mietverhältnisse zu berücksichtigen seien. Auch habe die Sachverständige in ihrem Typengutachten die Wohnungen der Wohnanlage nach Größe und Ausstattung typisiert und die ortsübliche Vergleichsmiete für jeden Wohnungstyp gesondert ermittelt und die jeweils besichtigte Musterwohnung so genau beschrieben, dass der Mieter erkennen könne, ob sie der Ausstattung der eigenen Wohnung entspreche. Für die Beklagte sei es anhand der ermittelten Vergleichsmiete unschwer festzustellen, welchem Wohnungstyp die Klägerin die Wohnung der Beklagten zugeordnet habe.

7

Das Gutachten sei aber deshalb unzureichend, weil es keine Ausführungen dazu enthalte, wie sich die Mieten in den letzten vier Jahren entwickelt hätten. Dies sei indes erforderlich, wie sich bereits aus dem Wortlaut von § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB ergebe. Zudem lasse das Gutachten nicht erkennen, für welchen Zeitpunkt die ortsübliche Vergleichsmiete ermittelt worden sei.

II.

8

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung (§ 558 BGB) nicht verneint werden. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die (hohen) Anforderungen, die an ein im Prozess zum Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete vom Gericht einzuholendes Sachverständigengutachten als Beweismittel zu stellen sind, nicht bereits für die (formelle) Begründung des Mieterhöhungsbegehrens durch Beifügung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB gelten.

9

1. Das unter Bezugnahme auf das Gutachten der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen W. erfolgte Mieterhöhungsverlangen vom 24. Oktober 2013 entspricht den Anforderungen des § 558a Abs. 1, 2 Nr. 3 BGB.

10

a) Mit der nach § 558a BGB erforderlichen Begründung des Mieterhöhungsverlangens sollen dem Mieter im Interesse einer außergerichtlichen Einigung die Tatsachen mitgeteilt werden, die er zur Prüfung einer vom Vermieter nach § 558 BGB begehrten Mieterhöhung benötigt (Senatsurteile vom 19. Mai 2010 - VIII ZR 122/09, NZM 2010, 576 Rn. 10; vom 11. März 2009 - VIII ZR 74/08, NJW 2009, 1667 Rn. 8; vom 10. Oktober 2007 - VIII ZR 331/06, NZM 2008, 124 Rn. 18; vom 19. Juli 2006 - VIII ZR 212/05, NJW-RR 2006, 1305 Rn. 17). Im Falle der Beifügung eines Sachverständigengutachtens ist der Begründungspflicht grundsätzlich Genüge getan, wenn das Gutachten Angaben über Tatsachen enthält, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet wird, und zwar in einem Umfang, der es dem Mieter gestattet, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und diese zumindest ansatzweise selbst überprüfen zu können (Senatsurteile vom 12. Dezember 2007 - VIII ZR 11/07, NJW 2008, 573 Rn. 12; vom 19. Mai 2010 - VIII ZR 122/09, aaO). Der Sachverständige muss somit eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordnen (BVerfG, WuM 1986, 239; NJW 1987, 313 f.; Senatsurteil vom 19. Mai 2010 - VIII ZR 122/09, aaO).

11

b) Den vorbeschriebenen Anforderungen wird das hier beigefügte Gutachten gerecht, denn es enthält, wie die Revision zutreffend unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Berufungsgerichts geltend macht, die insoweit erforderlichen Angaben. Das Gutachten ist auch, wie sich aus den vom Berufungsgericht wiedergegebenen Ausführungen auf Seite 7 des Gutachtens ergibt, von einem zutreffenden Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete ausgegangen. Anders als das Berufungsgericht offenbar meint, muss ein Gutachten, das gemäß § 558a BGB zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens beigefügt wird, keine Darstellung über die Entwicklung der Mieten in den letzten vier Jahren enthalten. Zu Recht verweist die Revision darauf, dass auch bei den weiteren Begründungsmitteln, die § 558a BGB gleichberechtigt nebeneinander stellt, derartige Anforderungen nicht bestehen. Besonders deutlich wird das durch die Regelung des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB, wonach die Benennung von drei Vergleichswohnungen ausreicht. Die Begründung des Mieterhöhungsverlangens dient nicht dazu, bereits den Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete zu führen oder dem Mieter ein etwaiges Prozessrisiko abzunehmen. Vielmehr soll das Begründungserfordernis den Mieter lediglich in die Lage versetzen, der Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens nachzugehen und dieses zumindest ansatzweise nachzuvollziehen (Senatsbeschluss vom 8. April 2014 - VIII ZR 216/13, NZM 2014, 747 Rn. 1 mwN; vgl. Senatsurteil vom 28. März 2012 - VIII ZR 79/11, NZM 2012, 415 Rn. 14). Diesen Anforderungen wird das streitige Mieterhöhungsbegehren, wie ausgeführt, gerecht.

12

Dass das am 14. Oktober 2013 erstellte Typengutachten keinen ausdrücklichen Zeitpunkt bezeichnet, für den die ortsübliche Vergleichsmiete ermittelt wurde, ist ebenfalls unschädlich. Denn es liegt auf der Hand, dass es sich um eine aktuelle Ermittlung handelt.

13

2. Der im Wege der Gegenrüge erhobene Einwand der Revisionserwiderung, das Mieterhöhungsverlangen vom 24. Oktober 2013 sei deshalb aus formellen Gründen unwirksam, weil das beigefügte Typengutachten besondere individuelle Ausstattungsmerkmale der Wohnung der Beklagten nicht berücksichtigt habe, ist unerheblich. Die Revisionserwiderung verkennt, dass eine Identität der Ausstattungsmerkmale nicht einmal bei einem gerichtlichen Gutachten zu fordern ist, das dem Nachweis der vom Vermieter verlangten ortsüblichen Vergleichsmiete dienen soll. Denn auch insoweit wird üblicherweise mit Zu- und Abschlägen gearbeitet, um etwaigen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Bei einem für eine größere Wohnanlage erstellten Typengutachten reicht es, wie das Berufungsgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat, aus, wenn der Mieter durch die Beschreibung der vom Sachverständigen besichtigten Musterwohnung in die Lage versetzt wird nachzuvollziehen, ob sie in etwa der Ausstattung der eigenen Wohnung entspricht, um sich so darüber schlüssig zu werden, ob er die verlangte Mieterhöhung als ortsüblich akzeptieren oder es auf einen Zustimmungsprozess ankommen lassen will, in dem die ortsübliche Vergleichsmiete und somit die materielle Berechtigung des Mieterhöhungsbegehrens des Vermieters regelmäßig durch ein vom Gericht in Auftrag gegebenes Gutachten überprüft werden.

III.

14

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dr. Milger                                         Dr. Hessel                                         Dr. Achilles

                       Dr. Schneider                                        Dr. Bünger

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