Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 323/15
Tenor
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Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 8. Zivilsenats - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg vom 19. März 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin über die in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen regeldynamischen Rentenanrechte des Antragstellers und der Antragsgegnerin bei der weiteren Beteiligten (Ziffer I Nr. 4 und Nr. 5 der Beschlussformel) entschieden worden ist.
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Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
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Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
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Beschwerdewert: 1.000 €
Gründe
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I.
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Die am 8. März 1986 geschlossene Ehe des Antragstellers (im Folgenden: Ehemann) und der Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) wurde auf den am 14. Februar 2014 zugestellten Scheidungsantrag durch Beschluss des Amtsgerichts - insoweit rechtskräftig - geschieden.
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Nach den im Verfahren eingeholten Versorgungsauskünften haben die beteiligten Eheleute in der Zeit vom 1. März 1986 bis zum 28. Februar 2014 Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung bei der weiteren Beteiligten erlangt. Der Ehemann hat gesetzliche Anrechte mit einem Ausgleichswert von 0,1115 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 734,56 € sowie mit einem Ausgleichswert von 8,0184 Entgeltpunkten (Ost) und einem korrespondieren Kapitalwert von 44.491,71 € erworben. Demgegenüber hat die Ehefrau gesetzliche Anrechte mit einem Ausgleichswert von 0,3931 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 2.589,73 € sowie mit einem Ausgleichswert von 9,0304 Entgeltpunkten (Ost) und einem korrespondierenden Kapitalwert von 50.106,99 € erworben.
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Das Amtsgericht hat alle Anrechte intern geteilt. Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten, welche die Nichtberücksichtigung von Kindererziehungszeiten im Versicherungsverlauf der Ehefrau beanstandet und im Beschwerdeverfahren neue Versorgungsauskünfte vorgelegt hat, hat das Oberlandesgericht den Ausspruch zur internen Teilung der angleichungsdynamischen Anrechte (Entgeltpunkte Ost) auf der Grundlage der aktualisierten Versorgungsauskünfte abgeändert und hinsichtlich der regeldynamischen Rentenanrechte ausgesprochen, dass ein Ausgleich nicht stattfindet.
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Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns, der einen Ausgleich der wechselseitig von den Eheleuten erworbenen regeldynamischen Anrechte erstrebt.
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II.
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Die Rechtsbeschwerde ist statthaft. An die Zulassung durch das Beschwerdegericht ist der Senat gebunden (§ 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG).
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Allerdings hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde lediglich wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Anwendung des § 18 Abs. 1 VersAusglG zugelassen. Die Zulassung beschränkt sich somit auf die Entscheidung über den (Nicht-)Ausgleich der beiden in die Prüfung nach § 18 Abs. 1 VersAusglG einzubeziehenden regeldynamischen Rentenanrechte der Eheleute, während der weitergehende Ausspruch zur internen Teilung der beiderseitigen angleichungsdynamischen Rentenanrechte davon nicht erfasst ist. Diese Beschränkung ist möglich, weil keine notwendige wechselseitige Abhängigkeit zwischen den beiden regeldynamischen Rentenanrechten einerseits und den beiden angleichungsdynamischen Rentenanrechten andererseits besteht (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 629/13 - FamRZ 2016, 794 Rn. 7). Dementsprechend hat der Ehemann im Wege der Teilanfechtung auch lediglich eine Abänderung der Entscheidung bezüglich der beiden regeldynamischen Rentenanrechte beantragt.
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Die Rechtsbeschwerde ist auch sonst zulässig und führt im Umfang ihrer Einlegung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
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1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass die beiden regeldynamischen Rentenanrechte der Eheleute gleichartig im Sinne des § 18 Abs. 1 VersAusglG seien und die Differenz ihrer Kapitalwerte (1.855,17 €) nicht den Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG übersteige. Die Anrechte seien daher vom Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Es seien keine Gründe ersichtlich, die einen Ausgleich angezeigt sein ließen. Zwar führe der Ausschluss der gleichartigen Anrechte hier nicht zu einer nennenswerten Verwaltungserleichterung beim Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Gesetzgeber habe mit § 18 Abs. 1 VersAusglG (anders als mit § 18 Abs. 2 VersAusglG) aber auch nicht vorrangig den ersparten Verwaltungsaufwand bei den Versorgungsträgern in den Blick nehmen wollen. Grund für die Regelung des § 18 Abs. 1 VersAusglG sei vielmehr die Vorstellung des Gesetzgebers gewesen, dass die Eheleute kein wirtschaftliches Interesse an einem Hin-und-Her-Ausgleich hätten, bei dem ihnen etwas gegeben werde, was sie in annähernd gleichem Umfang wieder zurückgeben müssten. Angesichts dieser abweichenden Interessenlage bleibe im Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 VersAusglG (anders als bei § 18 Abs. 2 VersAusglG) auch kein Raum für die Überlegung, der Halbteilungsgrundsatz müsse gegenüber einem (nicht erreichten) Gesetzeszweck wieder durchschlagen.
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2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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a) Nach § 18 Abs. 1 VersAusglG soll das Familiengericht beiderseitige Anrechte gleicher Art nicht ausgleichen, wenn die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist, wobei die Vorschrift dem Gericht einen Ermessensspielraum eröffnet. Die tatrichterliche Ermessensentscheidung unterliegt im Rechtsbeschwerdeverfahren einer nur eingeschränkten rechtlichen Kontrolle. Sie ist durch das Rechtsbeschwerdegericht insbesondere daraufhin zu überprüfen, ob das Beschwerdegericht die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen einen unsachgemäßen, Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht hat. Ferner ist nachzuprüfen, ob das Beschwerdegericht von ungenügenden oder verfahrensfehlerhaft zustande gekommenen Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist oder ob es wesentliche Umstände unerörtert gelassen hat (Senatsbeschluss vom 28. September 2016 - XII ZB 325/16 - juris Rn. 8; vgl. zu § 18 Abs. 2 VersAusglG auch Senatsbeschlüsse vom 22. Juni 2016 - XII ZB 490/15 - FamRZ 2016, 1658 Rn. 6 und vom 2. September 2015 - XII ZB 33/13 - FamRZ 2015, 2125 Rn. 22).
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b) Welche Kriterien bei der Ermessensausübung im Einzelnen zu berücksichtigen sind, lässt das Gesetz dabei offen. Wie der Senat mehrfach ausgesprochen hat, ist der Halbteilungsgrundsatz Maßstab des Versorgungsausgleichsrechts, so dass der Ausschluss des Ausgleichs von Anrechten in Anwendung von § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 VersAusglG seine Grenze stets in einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des Halbteilungsgrundsatzes findet (vgl. zu § 18 Abs. 1 VersAusglG: Senatsbeschluss vom 28. September 2016 - XII ZB 325/16 - juris Rn. 10; vgl. zu § 18 Abs. 2 VersAusglG: Senatsbeschlüsse vom 22. Juni 2016 - XII ZB 490/15 - FamRZ 2016, 1658 Rn. 8 und vom 2. September 2015 - XII ZB 33/13 - FamRZ 2015, 2125 Rn. 25). Eine solche Beeinträchtigung liegt immer dann vor, wenn ein Anrecht mit geringem Ausgleichswert oder gleichartige Anrechte mit einer geringen Wertdifferenz unter Anwendung von § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 VersAusglG nicht ausgeglichen werden, obwohl die mit der Vorschrift verfolgten Zwecke nicht oder nur in Ansätzen erreicht werden.
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Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts erschöpft sich der Regelungszweck des § 18 Abs. 1 VersAusglG nicht darin, einem (mutmaßlich) fehlenden wirtschaftlichen Interesse der Eheleute an einem Ausgleich von gleichartigen Anrechten mit geringer Wertdifferenz Rechnung zu tragen. Richtig ist zwar, dass in den Gesetzesmaterialien zu § 18 Abs. 1 VersAusglG besonders hervorgehoben worden ist, dass bei Eheleuten mit annähernd gleich hohen Versorgungen kein Anlass für einen Hin-und-Her-Ausgleich bestehe, weil der Verzicht auf den Ausgleich in diesen Fällen "meist" dem Willen der Eheleute entspreche (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 36). Allein die typisierende Annahme, dass das Unterbleiben eines Ausgleichs gleichartiger Anrechte mit einer geringen Wertdifferenz dem Wunsch geschiedener Ehegatten entspreche, vermag die mit dem Ausschluss verbundene Beeinträchtigung des Halbteilungsgrundsatzes jedoch nicht zu rechtfertigen. Unabhängig davon, dass diese Annahme empirisch schon nicht belegt ist (vgl. Wick FS Hahne S. 419, 422), müsste sie als (alleinige) tragfähige Rechtfertigung für ein Absehen vom Ausgleich spätestens dann versagen, wenn ein abweichendes Petitum des durch den Ausschluss benachteiligten Ehegatten vorliegt.
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Im Übrigen lassen die Gesetzesmaterialien erkennen, dass auch mit der Vorschrift des § 18 Abs. 1 VersAusglG die Interessen der Versorgungsträger in den Blick genommen werden sollten (BT-Drucks. 16/10144 S. 36, 60 f.). Stimmen die Eheleute einem Ausschluss nicht ausdrücklich zu, kann eine sachliche Rechtfertigung für die Durchbrechung des Halbteilungsgrundsatzes zumeist nur in einer nennenswerten Verringerung des Verwaltungsaufwands für die Versorgungsträger erblickt werden. Aus diesem Grunde sind auch bei der Ermessensentscheidung im Rahmen der Anwendung von § 18 Abs. 1 VersAusglG in erster Linie die Belange der Verwaltungseffizienz auf Seiten der Versorgungsträger gegen das Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung eines auch geringfügigen Zuwachses an Anrechten abzuwägen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. September 2016 - XII ZB 325/16 - juris Rn. 9).
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c) Nach diesen Maßstäben hat das Oberlandesgericht von dem ihm durch § 18 Abs. 1 VersAusglG eingeräumten Ermessen in unsachgemäßer, Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufender Weise Gebrauch gemacht. Im Ausgangspunkt hat das Beschwerdegericht wohl erkannt, dass die Durchführung der Teilung durch Verrechnung der Anrechte und Umbuchung der Ausgleichswertdifferenz auf den gesetzlichen Versicherungskonten beider Ehegatten (§§ 10 Abs. 2 VersAusglG, 120 f Abs. 1 SGB VI) üblicherweise keinen besonders hohen Verwaltungsaufwand verursacht (vgl. Wick Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 426). In diesen Fällen wird dem Halbteilungsgrundsatz regelmäßig der Vorrang gebühren, sofern nicht der Wertunterschied zwischen den beiden gleichartigen Anrechten wirtschaftlich völlig bedeutungslos ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. September 2016 - XII ZB 325/16 - juris Rn. 12 ff. und vom 12. Oktober 2016 - XII ZB 372/16 - juris Rn. 17 f.). Nach den bisherigen Feststellungen des Beschwerdegerichts beträgt der Wertunterschied der korrespondierenden Kapitalwerte 1.855,17 €, was nach derzeitigem Rentenwert einem zusätzlichen Rentenbetrag von monatlich 8,57 € entspricht. Bei diesen Verhältnissen wird von völliger wirtschaftlicher Bedeutungslosigkeit des Ausgleichs nicht ausgegangen werden können (vgl. zur Abgrenzung Senatsbeschlüsse vom 28. September 2016 - XII ZB 325/16 - juris Rn. 14 [0,07 €] und vom 12. Oktober 2016 - XII ZB 372/16 - juris Rn. 18 [0,83 €]). Tragfähige Erwägungen, die unter diesen Umständen gleichwohl ein Absehen vom Ausgleich rechtfertigen können, lassen sich der angefochtenen Entscheidung im Übrigen nicht entnehmen. Sie kann insbesondere schon deshalb nicht auf ein übereinstimmendes Votum der Eheleute gestützt werden, weil der Ehemann dem vom Beschwerdegericht in seiner Hinweisverfügung in Aussicht gestellten Ausschluss der beiderseitigen regeldynamischen Rentenanrechte unter Anwendung des § 18 Abs. 1 VersAusglG ausdrücklich entgegengetreten ist.
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3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil weitere Feststellungen erforderlich sind und sie deshalb noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG). Denn das Beschwerdegericht hat übersehen, dass schon das Amtsgericht die gesetzliche Ehezeit (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) unzutreffend festgestellt hat und diese in Ansehung des am 14. Februar 2014 zugestellten Scheidungsantrags nicht erst am 28. Februar 2014, sondern schon am 31. Januar 2014 beendet war.
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In dem Umfang, in dem sie von der Rechtsbeschwerde angegriffen worden ist, ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts somit aufzuheben und die Sache zur Durchführung weiterer Ermittlungen an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Da die Sache dem Rechtsbeschwerdegericht im Übrigen nicht angefallen ist, ist der Senat mangels Überprüfungskompetenz daran gehindert, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung auch auf den Ausspruch zum Ausgleich der angleichungsdynamischen Rentenanrechte zu erstrecken, selbst wenn die unrichtigen Feststellungen zur Ehezeit auch diese Anrechte betroffen haben (vgl. auch Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 629/13 - FamRZ 2016, 794 Rn. 28).
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Dose Klinkhammer Schilling
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Botur Guhling
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