Urteil vom Bundesgerichtshof (1. Zivilsenat) - I ZR 210/16

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. August 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

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Die Parteien sind Wettbewerber beim Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen. Die Klägerin unterhält ein Telefonfestnetz mit Hausanschlüssen für Endkunden. Will ein Kunde der Klägerin künftig die Leistungen der Beklagten oder eines anderen Anschlussanbieters in Anspruch nehmen, bedarf es technischer Umsetzungen durch die Klägerin. Hierzu rechnet die regelmäßig vom Kunden gewünschte Mitnahme der Rufnummer (Portierung).

2

Im Einklang mit von einem Arbeitskreis der Telekommunikationsnetzbetreiber und -hersteller (AKNN) aufgestellten Regeln leitet der neue Anbieter die Kündigungsmitteilung und den Portierungsauftrag des Kunden über elektronische Schnittstellen an die Klägerin. Nach Eingang der Wechselanzeige ruft ein Mitarbeiter der Klägerin den Kunden an, um die Kündigung zu verifizieren; nach der Behauptung der Beklagten erfolgen diese Anrufe im Rahmen eines "Kundenrückgewinnungsprogramms" der Klägerin. Entschließt sich der Kunde vor Ausführung der Portierung, die Kündigung rückgängig zu machen, führt die Klägerin die Portierung nicht durch und informiert den neuen Anbieter hierüber durch eine mit "SON" gekennzeichnete Mitteilung.

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Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe nach Erhalt der Nachricht "SON" systematisch und planmäßig ohne neuerlichen Kontakt zum Kunden Kündigungsmitteilungen und Portierungsaufträge erneut an die Klägerin geleitet. Dadurch sei der unzutreffende Eindruck entstanden, die Kunden hätten sich zum wiederholten Male zugunsten der Beklagten entschieden. Die Klägerin konkretisiert diesen Vortrag anhand einer Liste von Einzelfällen.

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Das Landgericht hat der Klage antragsgemäß stattgegeben. Es hat die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen,

Portierungsaufträge von Endkunden über Schnittstellen der  (Klägerin)      (insbesondere ESAA oder WITA) erneut einzustellen oder einstellen zu lassen, wenn der Endkunde von der dem Portierungsauftrag zugrundeliegenden Kündigung des Festnetzanschlusses bei der    (Klägerin)   mit einer neuen Willenserklärung Abstand genommen hat und der Portierungsauftrag durch die     (Klägerin)   bereits aufgrund dieser neuen Willenserklärung des Endkunden abgelehnt und dies entsprechend mitgeteilt worden ist und für ein erneutes Einstellen des Portierungsauftrags keine neue, jüngere Willenserklärung hinsichtlich der Kündigung des Festnetzanschlusses des Kunden vorliegt.

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Außerdem hat das Landgericht die Beklagte zur Auskunft und zur Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 1.973,90 € nebst Zinsen verurteilt sowie ihre Verpflichtung zum Schadensersatz festgestellt.

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Die Berufung der Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt (OLG Düsseldorf, MMR 2017, 30). Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt.

Entscheidungsgründe

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I. Das Berufungsgericht hat angenommen, das von der Klägerin beanstandete Verhalten der Beklagten stelle keine gezielte Behinderung der Klägerin im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG (§ 4 Nr. 10 UWG aF) in Form eines unlauteren Abfangens von Kunden dar. Dazu hat es ausgeführt:

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Die Klägerin sei nach § 46 Abs. 1 und 4 TKG verpflichtet, schon auf den ersten Portierungsauftrag der Beklagten hin die Rufnummer des Kunden zu portieren. Sie sei daher nicht berechtigt gewesen, diesen Portierungsauftrag mit einer "SON"-Mitteilung zurückzuweisen. Rechtlich sei der Anbieterwechsel mit Zugang der mit dem ersten Portierungsauftrag gekoppelten Kündigung des Altvertrags und deren Wirksamwerden dergestalt beendet, dass die Klägerin zur Portierung verpflichtet sei. Dafür spreche der Wortlaut des § 46 Abs. 1 TKG sowie die enge Koppelung des Rechts auf Rufnummernportierung im Festnetzbereich an die Beendigung des Vertrags mit dem abgebenden Anbieter nach § 46 Abs. 4 TKG. Schutzzweck des § 46 TKG sei der Kundenschutz und die Wettbewerbsförderung, so dass nicht allein der erklärte Kundenwille dafür maßgeblich sei, ob eine Portierung zu erfolgen habe. Der Kunde sei bei einer erfolgreichen "Kundenrückgewinnungsmaßnahme" des Altanbieters für einen Festnetzanschluss im Hinblick auf die Gefahr von Doppelverpflichtungen ähnlich schutzwürdig wie beim Abschluss mehrerer Mobilfunkverträge, bei dem zu seinem Schutz § 46 Abs. 4 Satz 4 TKG gelte. Es liege nahe, dass der Kunde irrtümlich annehme, seine Rechtsverhältnisse zu Alt- und Neuanbieter durch die "Abstandnahme" von der Kündigung ausschließlich durch Erklärungen gegenüber dem Altanbieter regeln zu können. Dieser Irrtum liege mindestens so nahe wie die irrtümliche Annahme eines Mobilfunkkunden, durch die Rufnummernportierung sei sein bestehender Altvertrag beendet. Sei der Anbieterwechsel mit dem Eingang der entsprechenden Willenserklärungen des Kunden bei dem abgebenden Unternehmen beendet und dieses schon aufgrund des ersten Portierungsauftrags zur Portierung verpflichtet, komme dies dem Neuanbieter zugute und wirke sich wettbewerbsfördernd aus. Dies entspreche dem wettbewerbsfördernden Zweck des § 46 TKG. Danach könne dahinstehen, ob es das Landgericht zu Recht als unstreitig angesehen habe, dass die Beklagte die von der Klägerin in Bezug genommenen Kunden zur Portierung angemeldet habe, obwohl diese zuvor die Rücknahme der Kündigung und des Portierungsauftrags erklärt hätten, und obwohl die Beklagte keinen erneuten Kontakt mit den Kunden aufgenommen habe und diese keine andere Willenserklärung abgegeben hätten.

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II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche nicht verneint werden.

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1. Da der auf Verletzungshandlungen gestützte Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, ist die Klage nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme wettbewerbswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz wettbewerbswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 2. März 2017 - I ZR 41/16, GRUR 2017, 922 Rn. 13 = WRP 2017, 1081 - Komplettküchen, mwN). Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten kommt es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (st. Rspr.; vgl. nur BGH, GRUR 2017, 922 Rn. 13 - Komplettküchen). Nach den von der Klägerin beanstandeten Verletzungshandlungen im Jahr 2014 ist das Lauterkeitsrecht mit Wirkung ab dem 10. Dezember 2015 durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (BGBl. 2015, S. 2158) novelliert worden. Der Tatbestand der gezielten Mitbewerberbehinderung, der sich in § 4 Nr. 10 UWG aF und § 4 Nr. 4 UWG wortgleich findet, hat sich in der Sache nicht geändert. Die für die Entscheidung des Streitfalls maßgebliche Vorschrift des § 46 TKG ist ebenfalls unverändert geblieben.

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2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann eine gezielte Behinderung der Klägerin nicht verneint werden.

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a) Nach § 4 Nr. 4 UWG (§ 4 Nr. 10 UWG aF) handelt unlauter, wer Mitbewerber gezielt behindert. Das setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - I ZR 159/10, GRUR 2011, 1018 Rn. 65 = WRP 2011, 1469 - Automobil-Onlinebörse; Urteil vom 23. Juni 2016 - I ZR 137/15, GRUR 2017, 92 Rn. 14 = WRP 2017, 46 - Fremdcoupon-Einlösung; Urteil vom 12. Januar 2017 - I ZR 253/14, GRUR 2017, 397 Rn. 49 = WRP 2017, 434 - World of Warcraft II).

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Dabei gehören das Eindringen in einen fremden Kundenkreis und das Ausspannen sowie Abfangen von Kunden grundsätzlich zum Wesen des Wettbewerbs. Eine unlautere Behinderung des Mitbewerbers liegt deshalb erst vor, wenn auf Kunden, die bereits dem Wettbewerber zuzurechnen sind, in unangemessener Weise eingewirkt wird, um sie als eigene Kunden zu gewinnen oder zu erhalten. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Abfangende gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesem eine Änderung seines Entschlusses aufzudrängen, die Waren oder Dienstleistungen des Mitbewerbers in Anspruch zu nehmen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2011 - I ZR 154/10, GRUR 2012, 645 Rn. 17 = WRP 2012, 817 - Mietwagenwerbung; BGH, GRUR 2017, 92 Rn. 16 - Fremdcoupon-Einlösung). Ebenso ist es unlauter, wenn das betreffende Verhalten nicht auf eine Änderung des Kundenentschlusses gerichtet ist, sondern derjenige, der eine zur Ausführung des Entschlusses des Kunden notwendige Mitwirkungshandlung vornehmen muss, diese weisungswidrig so vornimmt, dass der Kunde auf sein Unternehmen umgelenkt wird. Eine unangemessene Einwirkung auf den Kunden ist daher gegeben, wenn dessen Auftrag, eine Telekommunikationsdienstleistung derart zu erbringen, dass auch die Telekommunikationsdienstleistungen eines anderen Anbieters in Anspruch genommen werden können, auftragswidrig bewusst so ausgeführt wird, dass nicht die Dienstleistungen des fremden Anbieters, sondern die eigenen in Anspruch genommen werden (BGH, Urteil vom 29. März 2007 - I ZR 164/04, GRUR 2007, 987 Rn. 32 = WRP 2007, 1341 - Änderung der Voreinstellung I; Urteil vom 5. Februar 2009 - I ZR 119/06, GRUR 2009, 876 Rn. 22 = WRP 2009, 1086 - Änderung der Voreinstellung II).

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b) Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen und hat zutreffend angenommen, dass eine unangemessene Einwirkung in gleicher Weise vorliegt, wenn der Werbende unter Vorspiegelung einer tatsächlich nicht abgegebenen Willenserklärung des Kunden eine Handlung gegenüber dem Mitbewerber vornimmt, die darauf abzielt, den Kunden auf sein Unternehmen umzulenken. Dies ist bei der Erwirkung einer unberechtigten Rufnummernportierung unter Vorgabe tatsächlich nicht existierender Kundenerklärungen der Fall (vgl. OLG Düsseldorf [15. Zivilsenat], MMR 2015, 279).

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Nicht zu beanstanden ist auch die weitere Überlegung des Berufungsgerichts, an einer Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten fehle es, wenn entweder Kündigung und Portierungsauftrag des Kunden - ungeachtet der späteren "SON"-Mitteilung - zivilrechtlich wirksam fortbestanden hätten oder die Klägerin selbst bei einer "Abstandnahme" des Kunden von Anbieterwechsel und Portierung gesetzlich verpflichtet gewesen wäre, die Rufnummernübertragung auch gegen einen zwischenzeitlich geänderten Willen des Kunden durchzuführen. In beiden Fällen hätte die Klägerin letztlich ohnehin den Anbieterwechsel mit Portierung vornehmen müssen, so dass weitere Übermittlungen von Kündigungen und Portierungsaufträgen zwar irreführenden Charakter haben könnten, sich die Beklagte aber bei der gebotenen wertenden Betrachtung dann nicht in unangemessener Weise zwischen die Klägerin und den Kunden gedrängt hätte, sondern vielmehr die Zurückweisung der Rufnummernportierung durch die Klägerin unberechtigt gewesen wäre.

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c) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin sei aus § 46 Abs. 4 Satz 1 TKG zur Portierung der Rufnummer schon allein auf den ersten Portierungsauftrag hin verpflichtet, hält rechtlicher Nachprüfung dagegen nicht stand (ebenso OLG Düsseldorf [1. Kartellsenat], GRUR-RR 2014, 311, 312 f.; OLG Düsseldorf [15. Zivilsenat], MMR 2015, 279, 280 f.; OLG Karlsruhe, unveröffentlichtes Urteil des 6. Zivilsenats, als Anlage K 12 vom Kläger vorgelegt). Solange der Portierungsauftrag noch nicht ausgeführt ist, kann ihn der Kunde gegenüber der Klägerin widerrufen.

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aa) Nach § 46 Abs. 4 Satz 1 TKG müssen Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten, um den Anbieterwechsel nach § 46 Abs. 1 TKG zu gewährleisten, insbesondere sicherstellen, dass ihre Endnutzer ihnen zugeteilte Rufnummern bei einem Wechsel des Anbieters von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten entsprechend § 46 Abs. 3 TKG beibehalten können.

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bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Auslegung des § 46 TKG und insbesondere der Rückgriff auf den § 46 Abs. 4 Satz 3 und 4 TKG zugrundeliegenden Rechtsgedanken führten dazu, den Anbieterwechsel rechtlich mit Zugang der mit dem ersten Portierungsauftrag gekoppelten Kündigung des Altvertrags und deren Wirksamwerden dergestalt als beendet anzusehen, dass die Klägerin - ungeachtet späterer abweichender Willensäußerungen des Kunden - zur Portierung verpflichtet sei (ebenso im Ergebnis LG Köln, CR 2013, 654, 659; Büning in Geppert/Schütz, Beck'scher TKG-Kommentar, 4. Aufl., § 46 Rn. 10, 16 f.; Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, 16. Edition, Stand 1. Mai 2017, § 46 TKG Rn. 22 f.; Kiparski/Thoenes, MMR 2014, 472, 473).

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cc) Diese Ansicht beruht auf einer fehlerhaften Bestimmung des Verhältnisses zwischen der Kündigung des alten Vertrags und dem Portierungsauftrag.

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(1) Wie das Berufungsgericht nicht verkennt, ist der Portierungsauftrag ein Werkvertrag zwischen dem abgebenden Netzbetreiber und dem wechselwilligen Kunden, der grundsätzlich bis zu seiner Ausführung gemäß § 649 Abs. 1 BGB frei gekündigt werden kann (OLG Düsseldorf [1. Kartellsenat], GRUR-RR 2014, 311, 312). Dabei ist allerdings für das vom Berufungsgericht erwogene dreiseitige Rechtsverhältnis unter Einbeziehung des neuen Anbieters kein Raum. An dem Portierungsauftrag ist der neue Vertragspartner des Kunden rechtlich nicht beteiligt, mag er auch faktisch davon betroffen sein.

21

(2) Der Portierungsauftrag und der Wechsel des Kunden zu einem neuen Anbieter durch Kündigung des alten und Neuabschluss eines neuen Vertrags stehen grundsätzlich rechtlich selbständig nebeneinander. Ein Zusammenhang zwischen ihnen besteht nur in der Weise, dass bei einem Anbieterwechsel die Möglichkeit zur Mitnahme der Rufnummer gemäß § 46 Abs. 3 und 4 TKG zu gewährleisten ist. Die Portierung ist indes nicht zwingende Folge des Anbieterwechsels. Der Altanbieter ist zwar ab Zugang der mit einem Portierungsauftrag versehenen Vertragskündigung zur Rufnummernportierung verpflichtet. Diese Verpflichtung endet jedoch, wenn der Kunde dem Altanbieter vor Durchführung der Portierung einen entgegenstehenden Willen mitteilt.

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(3) Nach § 46 Abs. 4 Satz 1 TKG müssen die Anbieter sicherstellen, dass ihre Endnutzer ihnen zugeteilte Rufnummern bei einem Anbieterwechsel beibehalten können. Daraus folgt, dass die Übertragung der Rufnummer bei einem Anbieterwechsel nicht automatisch erfolgt, sondern nur bei einem entsprechenden Willen des Kunden. Diesem steht es frei, auf die Übertragung seiner Rufnummer zu verzichten. Die Vorschrift begründet zudem nach ihrem Wortlaut ausschließlich Pflichten der Anbieter und damit korrespondierende Rechte des Kunden. Danach besteht kein Grund, warum der Wille des Kunden, von einem Portierungsauftrag nachträglich Abstand zu nehmen, vor dessen Ausführung unbeachtlich sein sollte (OLG Düsseldorf [15. Zivilsenat], MMR 2015, 279, 281).

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dd) Diese vom Wortlaut ausgehende Auslegung wird durch die systematische Stellung des § 46 TKG bestätigt. Diese Vorschrift findet sich im Dritten Teil des Telekommunikationsgesetzes unter der Überschrift "Kundenschutz". Kundenschutz und Kundenwille mögen zwar, wie das Berufungsgericht angenommen hat, nicht zwingend Synonyme sein, weil Fälle denkbar sind, in denen der geäußerte Wille des Kunden bei objektiver Betrachtungsweise nicht seinem mutmaßlichen Interesse entspricht. Daraus ist aber nicht abzuleiten, es sei zum Schutz des Kunden geboten, eine Portierung entgegen seinem erklärten, nachträglich geänderten Willen durchzuführen.

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Abweichendes ergibt sich nicht aus Erwägungsgrund 47 der Richtlinie 2009/136/EG vom 25. November 2009, die der Neuregelung des Telekommunikationsgesetzes im Jahr 2012 zugrunde lag. Danach sollten die Verbraucher, um in den vollen Genuss der Vorteile eines wettbewerbsorientierten Umfelds zu kommen, in der Lage sein, in voller Sachkenntnis ihre Wahl zu treffen und den Anbieter zu wechseln, wenn das in ihrem Interesse ist. Dieser Erwägungsgrund verhält sich nur zum Anbieterwechsel und nicht zu der davon zu trennenden Frage der Rufnummernmitnahme. Außerdem ist ihm kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass es im Interesse der Verbraucher liegen könnte, entgegen ihrem erklärten Willen eine noch nicht vorgenommene Portierung ausführen lassen zu müssen. Im Gegenteil ergibt sich die Maßgeblichkeit des Kundenwillens aus Art. 30 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2009/136/EG. Danach ist sicherzustellen, dass Teilnehmer während des gesamten Übertragungsverfahrens geschützt sind und nicht gegen ihren Willen auf einen anderen Anbieter umgestellt werden. Zwar findet sich diese Bestimmung im Zusammenhang mit den Aufgaben der Behörden der Mitgliedstaaten. Ihr ist aber die Intention des Richtliniengebers zu entnehmen, den Kundenwillen durchzusetzen. Art. 30 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie wurde durch § 46 Abs. 9 Nr. 4 TKG umgesetzt. Danach kommt es "während des gesamten Übertragungsverfahrens" und nicht nur bei (erster) Erteilung des Portierungsauftrags ausschlaggebend auf den Kundenwillen an. Dieser Wille ist mithin auch dann zu beachten, wenn er sich vor Durchführung der Rufnummernübertragung ändert (OLG Düsseldorf [15. Zivilsenat], MMR 2015, 279, 281).

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Die Maßgeblichkeit des Kundenwillens für die Modalitäten des Anbieterwechsels folgt ferner aus § 46 Abs. 1 TKG. Danach muss die Leistung des Altanbieters gegenüber dem Teilnehmer auf dessen Verlangen unterbrochen werden, auch wenn die vertraglichen und technischen Voraussetzungen für einen Anbieterwechsel noch nicht vorliegen.

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ee) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich aus der Regelung des § 46 Abs. 4 Satz 3 TKG nichts für eine nur eingeschränkte Bedeutung des Kundenwillens bei der Rufnummernportierung im Festnetzbereich. Danach kann der Endnutzer eines Mobilfunknetzes jederzeit die Übertragung der zugeteilten Rufnummer verlangen, also nicht wie im Festnetzbereich allein bei einem Anbieterwechsel. Mit der Regelung des § 46 Abs. 4 Satz 3 TKG wollte der Gesetzgeber im Mobilfunkbereich einen zusätzlichen wettbewerbsfördernden Impuls setzen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen, BT-Drucks. 17/5707, S. 70). Ob eine Portierung durchzuführen ist, hängt sowohl im Fest- als auch im Mobilfunkbereich indes allein vom Willen des Endnutzers ab.

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ff) Den Regelungen zum Schutz des Kunden vor dem Abschluss doppelter Verträge im Mobilfunkbereich in § 46 Abs. 4 Satz 4 TKG sowie zu den Textformerfordernissen im Rahmen eines Anbieterwechsels (§ 312h BGB) und bei Erklärungen des Teilnehmers zur Einrichtung oder Änderung der Betreibervorauswahl (§ 46 Abs. 7 TKG) ist ebenfalls nichts dazu zu entnehmen, ob eine Portierung gegen den Willen des Teilnehmers durchzuführen ist (vgl. OLG Düsseldorf [1. Kartellsenat], GRUR-RR 2014, 311, 313).

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(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, im Fall einer erfolgreichen "Kundenrückgewinnungsmaßnahme" des Altanbieters bei einem Festnetzanschluss sei der Kunde ähnlich schutzwürdig wie beim Abschluss mehrerer Mobilfunkverträge. Daraus folge die Unbeachtlichkeit eines dem ersten Portierungsauftrag entgegenstehenden Kundenwillens.

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(2) Diese Ansicht findet im Gesetz keine Stütze. Es fehlt bereits jeder Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei der fehlenden Regelung der vom Berufungsgericht angenommenen Rechtsfolge des ersten Portierungsauftrags um eine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke handelt. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, wie sich bei entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens von Belehrungspflichten und Textformerfordernissen die Unbeachtlichkeit eines Kundenwillens ergeben könnte. Schließlich ist die vom Berufungsgericht befürwortete Beschränkung der Maßgeblichkeit des Kundenwillens bei der Rufnummernportierung weder mit der Erklärung des Teilnehmers zur Einrichtung oder Änderung der Betreibervorauswahl (§ 46 Abs. 7 TKG) vergleichbar noch geeignet, den Kunden vor dem Abschluss doppelter Verträge (vgl. § 46 Abs. 4 Satz 4 TKG für den Mobilfunkbereich) oder vor einer übereilten Kündigung (vgl. § 312h BGB) zu schützen. Ob eine Doppelverpflichtung des Kunden vermieden werden kann, hängt allein von den Regelungen des alten und des neuen Vertrags ab, nicht aber von der Ausführung des Portierungsauftrags. Es bedarf daher keiner näheren Prüfung, ob im Festnetzbereich, bei dem anders als im Mobilfunkbereich grundsätzlich nur ein Netz zur Verfügung steht, einer doppelten Zahlungspflicht des Kunden schon entgegensteht, dass nur ein Anbieter die Leistung tatsächlich erbringen kann und daher der andere zur Leistung verpflichtete Anbieter wegen Unmöglichkeit seiner Leistungserbringung seinen Zahlungsanspruch verliert.

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Selbst wenn die Kunden im Festnetzbereich in gleicher Weise schutzwürdig sein sollten wie im Mobilfunkbereich, könnte daraus allenfalls eine § 46 Abs. 4 Satz 4 und 5 TKG entsprechende Hinweispflicht des neuen und des alten Anbieters folgen, nicht aber die Unbeachtlichkeit des Kundenwillens bei der Durchführung der Portierung.

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gg) Allerdings ist es zentrales Anliegen des Telekommunikationsgesetzes, im Einklang mit dem europäischen Rechtsrahmen einen chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb sicherzustellen (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen, BT-Drucks. 17/5707, S. 1). Dazu trägt die Übertragbarkeit der Rufnummern entscheidend bei (vgl. Erwägungsgrund 47 der Richtlinie 2009/136/EG). Dementsprechend geht von einem "reibungslosen" Anbieterwechsel, wie § 46 TKG ihn bezweckt, eine gewisse Reflexwirkung zugunsten der Wettbewerber im Telekommunikationsbereich und mithin des Wettbewerbs aus (vgl. OLG Düsseldorf [1. Kartellsenat], GRUR-RR 2014, 311, 312). Jedoch liegt keine Gefährdung oder Beeinträchtigung des funktionsfähigen Wettbewerbs vor, wenn eine Rufnummernportierung anlässlich eines Anbieterwechsels unterbleibt, weil der Teilnehmer sie entweder von vornherein oder zu einem späteren Zeitpunkt, aber noch vor Durchführung der Übertragung nicht (mehr) wünscht. Weder der alte noch der neue Anbieter haben einen Anspruch auf Erhaltung ihres Kundenstamms. Sofern sich eine Kundenrückgewinnung durch den alten Anbieter als unlautere gezielte Behinderung des neuen Anbieters darstellt, steht diesem wettbewerbsrechtlicher Rechtsschutz offen. Selbst in diesem Fall käme es für die Frage, ob eine Portierung erfolgt, aber allein auf den Kundenwillen und den Portierungsauftrag an, an dem der Mitbewerber nicht beteiligt ist.

32

hh) Ist die Mitnahme einer Rufnummer zum neuen Anbieter keine regelmäßige, von selbst eintretende Folge eines Anbieterwechsels, kommt es nicht auf die vom Berufungsgericht in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellte Frage an, ob zum Zeitpunkt der Kündigung des Portierungsauftrags der Anbieterwechsel tatbestandlich bereits vorlag (vgl. OLG Düsseldorf [1. Kartellsenat], GRUR-RR 2014, 311, 312). Ebenso wenig ist erheblich, dass die Kündigungserklärung für einen Telefonvertrag gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB nach Zugang - und gegebenenfalls Ablauf der Widerrufsfrist des § 312g Abs. 1, § 355 BGB - nicht mehr widerrufen werden kann, so dass die Kundenrückgewinnung dann den Abschluss eines neuen Vertrags erfordert. Die Übertragung der Nummer findet allein aufgrund eines entsprechenden Willens des Kunden anlässlich eines Anbieterwechsels statt.

33

3. Die vom Berufungsgericht für die Abweisung der Klage gegebene Begründung erweist sich damit nicht als tragfähig. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kommt in Betracht, dass die von der Klägerin verfolgten Ansprüche wegen Wettbewerbsverstößen der Beklagten begründet sind.

34

a) Haben Kunden Portierungsaufträge gegenüber der Klägerin wirksam widerrufen und hat die Klägerin entsprechende "SON"-Mitteilungen erteilt, handelt die Beklagte gemäß § 4 Nr. 4 UWG unlauter, wenn sie systematisch und planmäßig Portierungsaufträge ohne erneute Veranlassung durch die Kunden an die Klägerin leitet, so dass der unzutreffende Eindruck entsteht, die Kunden hätten sich zum wiederholten Male zugunsten der Beklagten entschieden. Zwar dient die Vorschrift des § 4 Nr. 4 UWG nicht dazu, vertragsrechtliche Streitigkeiten zwischen Unternehmen zu lösen. Die ordnungsgemäße Ausführung von Portierungsaufträgen liegt aber im öffentlichen Interesse, so dass es geboten ist, sie auch mit lauterkeitsrechtlichen Mitteln durchzusetzen. Dabei ist unerheblich, ob die Klägerin aufgrund erneuter Mitteilungen der Beklagten tatsächlich Portierungen vorgenommen hat. Ausreichend ist die Eignung dieser Mitteilungen, die Klägerin dazu zu veranlassen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 17; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 4 Rn. 4.6).

35

Selbst wenn die Beklagte, wie mit der Revisionserwiderung vorgetragen, nur den ursprünglichen Portierungsauftrag erneut in die Schnittstelle einstellt und damit zum Ausdruck bringen will, dass sie die Klägerin für weiterhin verpflichtet hält, den ersten Portierungsauftrag auszuführen, ergibt sich keine abweichende Bewertung. Es ist schon fraglich, ob die Klägerin bei der gebotenen Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont die Mitteilung der Beklagten in diesem Sinne verstehen muss. Jedenfalls spiegelt die Beklagte der Klägerin aber auch in diesem Fall einen auszuführenden Portierungsauftrag vor, obwohl sie aufgrund der "SON"-Mitteilung Kenntnis davon hat, dass der ursprüngliche Portierungsauftrag nicht mehr besteht, und zudem weiß, dass der Kunde keinen neuen Portierungsauftrag erteilt hat.

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b) Zudem kommt ein Verstoß der Beklagten gegen § 5 Abs. 1 UWG in Betracht.

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III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Da noch weitere Feststellungen zu treffen sind, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

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Das Berufungsgericht hat bislang offengelassen, ob die Beklagte die von der Klägerin in Bezug genommenen Kunden zur Portierung angemeldet hat, obwohl diese zuvor die Rücknahme der Kündigung und des Portierungsauftrags erklärt hatten, ohne dass die Beklagte erneut Kontakt mit den Kunden aufgenommen und diese eine andere Willenserklärung abgegeben hatten.

Büscher     

      

Schaffert     

      

Kirchhoff

      

Löffler     

      

Schwonke     

      

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