Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 436/17
Tenor
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Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. Juli 2017 aufgehoben.
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Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wetzlar vom 6. Dezember 2016 abgeändert.
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Die aufgrund des Vergütungsantrags der weiteren Beteiligten zu 2 vom 9. September 2016 aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wird auf 53,05 € festgesetzt. Der weitergehende Vergütungsantrag wird zurückgewiesen.
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Die Rechtsmittelverfahren sind gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
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Wert: 209 €
Gründe
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I.
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Die Rechtsbeschwerde betrifft die Frage, ob dem ausgewählten, aber nicht förmlich bestellten Mitvormund ein Vergütungsanspruch zusteht.
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Der im Jahr 1998 geborene Betroffene reiste im Juni 2015 unbegleitet aus Somalia in das Bundesgebiet ein. Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 1. Juli 2015 wurde eine Pflegschaft eingerichtet und das Jugendamt im Wege der einstweiligen Anordnung zum vorläufigen Pfleger für den Wirkungskreis Personensorge und die Beteiligte zu 2 - eine Rechtsanwältin - zur berufsmäßigen (Mit-)Pflegerin für den Wirkungskreis "Ausländer- und asylrechtliche Betreuung" bestimmt. Im Termin am 15. Juli 2015 erfolgte durch den Rechtspfleger die förmliche Verpflichtung der Beteiligten zu 2 zur Pflegerin unter Übergabe der Bestallungsurkunde.
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Durch weiteren Beschluss vom 21. August 2015 stellte das Amtsgericht das Ruhen der elterlichen Sorge fest; es wählte das Jugendamt zum Vormund und die Beteiligte zu 2 zum berufsmäßigen Mitvormund mit den Aufgabenkreisen "Ausländer- und asylrechtliche Betreuung" aus. Durch Verfügung der Rechtspflegerin vom 25. August 2015 wurde der Beteiligten zu 2 die Bestallungsurkunde als Mitvormund übersandt. Am 1. September 2015 reichte die Beteiligte zu 2 die alte Bestallungsurkunde als Pflegerin auf Anforderung an das Amtsgericht zurück. Zu einer förmlichen Bestellung der Beteiligten zu 2 zum Mitvormund durch Verpflichtung kam es in der Folgezeit nicht. Durch Beschluss vom 3. Februar 2016 stellte das Amtsgericht die Beendigung der Vormundschaft wegen Erreichens der Volljährigkeit fest.
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Am 9. September 2016 hat die Beteiligte zu 2 die Festsetzung einer Vergütung nach Stundensätzen sowie Erstattung von Auslagen in einer Gesamthöhe von 269,97 € für ihre Tätigkeit als (Mit-)Pflegerin und Mitvormund im Zeitraum vom 3. Juli 2015 bis 9. September 2016 beantragt. Nach Beschränkung des Antrags auf einen Betrag von 261,60 € und nach Anhörung des Bezirksrevisors hat die Rechtspflegerin beim Amtsgericht die aus der Staatskasse zu leistende Vergütung auf 44,67 € festgesetzt. Auf die Erinnerung der Beteiligten zu 2 hat der Familienrichter die Vergütung antragsgemäß auf 261,60 € festgesetzt. Gegen diese Entscheidung hat sich die Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Staatskasse) mit ihrer Beschwerde gewendet. Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Beteiligten zu 2 jedenfalls für das von ihr für den Zeitraum seit dem 8. September 2015 abgerechnete Stundenhonorar mangels förmlicher Bestellung zum Vormund keine Vergütungsansprüche zustünden. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen.
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Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Staatskasse. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass für die Beteiligte zu 2 Vergütungsansprüche nur im Rahmen ihrer Tätigkeit als förmlich bestellte Pflegerin im Zeitraum zwischen dem 15. Juli 2015 und dem 1. September 2015 entstanden seien und deshalb kein höherer Betrag als 53,05 € festgesetzt werden könne.
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II.
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Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
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1. Das Beschwerdegericht hat der Beteiligten zu 2 Vergütungsansprüche auch für ihre Tätigkeit seit dem 8. September 2015 zuerkannt und zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt: Die Tätigkeit eines Vormunds könne auch bei fehlender persönlicher Verpflichtung ausnahmsweise zu vergüten sein, wenn die Verweigerung den Grundsätzen von Treu und Glauben widerspräche. Vorliegend habe sich der Beschluss über die Bestellung der Beteiligten zu 2 zum Vormund des Jugendlichen in der Hauptsache nahtlos an die Bestellung zur Pflegerin im einstweiligen Anordnungsverfahren angeschlossen. Aufgrund der Verfahrensführung des Amtsgerichts habe die Beteiligte zu 2 ausnahmsweise davon ausgehen dürfen, dass ein sofortiges Tätigwerden ohne persönliche Verpflichtung erforderlich gewesen sei und auch vergütet werden sollte. Die Notwendigkeit einer gesonderten persönlichen Verpflichtung des Mitvormunds sei von der zuständigen Rechtspflegerin offenbar nicht gesehen worden, wie die schlichte Übersendung der Bestallungsurkunde zeige. Zudem habe die Rechtspflegerin noch im Oktober 2015 eine von der Beteiligten zu 2 nach ihrer Bestellung zum Vormund eingereichte Rechnung über - am 9. September 2015 erbrachte - Dolmetscherleistungen zur Erstattung angewiesen. Wenn aber ohne förmliche Verpflichtung bereits ein Teil der ihr als Vormund erwachsenen Kosten erstattet würden, habe die Beteiligte zu 2 auch nicht mehr damit rechnen müssen, dass weitere Abrechnungen mangels förmlicher Verpflichtung abgelehnt würden.
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2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) Dem Vergütungsanspruch der Beteiligten zu 2 steht allerdings nicht entgegen, dass - wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat - in Fällen wie dem vorliegenden nicht nur die Bestellung eines Ergänzungspflegers, sondern auch die Bestellung eines Mitvormunds für die asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings unzulässig ist (vgl. Senatsbeschluss vom 13. September 2017 - XII ZB 497/16 - FamRZ 2017, 1938 Rn. 10 ff.). Dass die Mitvormundschaft fehlerhaft angeordnet wurde, lässt die Wirksamkeit der Bestellung jedoch nicht entfallen, so dass die Gerichte im Vergütungsfestsetzungsverfahren hieran gebunden sind (vgl. für die Bestellung eines Ergänzungspflegers: Senatsbeschlüsse vom 4. Dezember 2013 - XII ZB 57/13 - FamRZ 2014, 472 Rn. 10 und vom 16. Januar 2014 - XII ZB 95/13 - juris Rn. 6).
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b) Ohne nähere Erörterung, aber im Ergebnis zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Beteiligte zu 2 Vergütungsansprüche für ihre Tätigkeit im Zeitraum seit dem 8. September 2015 nicht mehr auf ihr Amt als (Mit-)Pflegerin stützen kann, für das sie förmlich bestellt gewesen ist. Die Pflegschaft für eine unter elterlicher Sorge stehende Person endet gemäß § 1918 Abs. 1 BGB mit der Beendigung der elterlichen Sorge. Der Beendigung der elterlichen Sorge steht nach allgemeiner Ansicht das Ruhen der gesamten elterlichen Sorge aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gleich (vgl. KG FamRZ 1972, 44, 45; MünchKommBGB/Schwab 7. Aufl. § 1918 Rn. 9; Erman/Roth BGB 15. Aufl. § 1918 Rn. 3; BeckOK BGB/Bettin [Stand: Juni 2017] § 1918 Rn. 2; jurisPK-BGB/Locher [Stand: Oktober 2016] § 1918 Rn. 5). Damit ist die bestehende Pflegschaft unter den hier obwaltenden Umständen mit dem Wirksamwerden des am 21. August 2015 erlassenen familiengerichtlichen Beschlusses über das Ruhen der elterlichen Sorge kraft Gesetzes beendet worden (vgl. auch KG FamRZ 1972, 44, 45). Soweit die Beteiligte zu 2 zur Abwicklung der beendeten Pflegschaft noch Tätigkeiten entfaltet hat (hier: die Rücksendung der Bestallungsurkunde am 1. September 2015), zieht die Staatskasse eine Vergütungspflicht - zu Recht - nicht in Zweifel.
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c) Ebenfalls im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht erkannt, dass ein Anspruch der Beteiligten zu 2 auf Vergütung als Berufsvormund nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB iVm §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 VBVG oder auf Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 1 BGB ausscheidet, weil die Beteiligte zu 2 in dem für das vorliegende Vergütungsfestsetzungsverfahren noch interessierenden Abrechnungszeitraum zwischen dem 8. September 2015 und dem 9. September 2016 mangels förmlicher Verpflichtung nicht wirksam zum (Mit-) Vormund bestellt wurde.
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Das Vormundschaftsrecht trennt zwischen der Anordnung der Vormundschaft und der Bestellung des benannten oder vom Familiengericht ausgewählten Vormunds. Wird eine Einzelperson als Vormund ausgewählt und ist deshalb § 1789 BGB anwendbar, setzt eine wirksame Bestellung eine persönliche Verpflichtung durch das Gericht in Anwesenheit des Bestellten voraus. § 1789 BGB soll die Bedeutung und Notwendigkeit der besonderen Bestellung des Vormunds klarstellen, der als Hoheitsakt ein konstitutiver Charakter zukommt. Erst mit der wirksamen Bestellung des Vormunds entstehen die Rechte und Pflichten aus der Vormundschaft und damit auch die mit einer berufsmäßig geführten Vormundschaft verbundenen Vergütungsansprüche (vgl. Senatsbeschluss vom 30. August 2017 - XII ZB 562/16 - FamRZ 2017, 1846 Rn. 11).
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d) Von Rechtsirrtum beeinflusst ist demgegenüber die Auffassung des Beschwerdegerichts, im Vergütungsfestsetzungsverfahren könne geprüft werden, ob die Tätigkeit eines Vormunds trotz fehlender persönlicher Verpflichtung ausnahmsweise vergütet werden könne, wenn die Verweigerung einer Vergütung den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB widerspräche.
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aa) Zwar wird ein Vormund, der sein Amt berufsmäßig führt, regelmäßig darauf vertrauen, dass er eine Vergütung erhält, wenn er auf Veranlassung des Gerichts bereits vor seiner förmlichen Bestellung tätig wird. Jedoch liefe es dem Grundsatz der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zuwider, wenn dem nicht wirksam bestellten Vormund aufgrund von Billigkeitserwägungen ein Vergütungsanspruch zugebilligt werden könnte, für den es an einer gesetzlichen Grundlage fehlt (vgl. Senatsbeschluss vom 30. August 2017 - XII ZB 562/16 - FamRZ 2017, 1846 Rn. 12 ff.).
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bb) Hinzu kommt, dass im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 168 Abs. 1 FamFG für materiell-rechtlich auf § 242 BGB gestützte Erwägungen zur Begründung eines Zahlungsanspruchs des nicht wirksam bestellten Vormunds kein Raum ist.
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(1) Funktionell zuständig für das Verfahren ist gemäß §§ 3 Nr. 2 a, 14 RPflG der Rechtspfleger. Dessen Kompetenz beschränkt sich indessen auf die Prüfung und Entscheidung über Grund und Höhe des Vergütungsanspruchs. Ihm obliegt folglich nur die Prüfung, ob der Vormund im maßgeblichen Abrechnungszeitraum wirksam bestellt war und ob die sich aus dem Vergütungsrecht ergebenden Voraussetzungen für die geltend gemachten Ansprüche erfüllt sind. Ebenso wenig wie der Rechtspfleger im Vergütungsfestsetzungsverfahren dazu berufen ist, über Einwendungen zu entscheiden, die nicht im Vergütungsrecht wurzeln, ist ihm in diesem Verfahren die Entscheidung darüber eröffnet, ob dem Vormund außerhalb des Vergütungsrechts Zahlungsansprüche zustehen (vgl. Senatsbeschluss vom 30. August 2017 - XII ZB 562/16 - FamRZ 2017, 1846 Rn. 21).
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(2) Darüber hinaus verdeutlichen bereits die eigenen Ausführungen des Beschwerdegerichts zur Anwendung von § 242 BGB im vorliegenden Einzelfall, dass die Behandlung von Billigkeitserwägungen materiell-rechtlicher Art in der Regel tatrichterliche Feststellungen und rechtliche Würdigungen erfordert, für die das formalisierte Vergütungsfestsetzungsverfahren vor dem Rechtspfleger nicht geeignet ist.
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(a) Soweit das Beschwerdegericht darauf hinweist, dass die zuständige Rechtspflegerin des Amtsgerichts die Notwendigkeit der gesonderten persönlichen Verpflichtung des Mitvormunds offensichtlich nicht gesehen habe und es deshalb nicht zu einer Ladung zum Verpflichtungstermin gekommen sei, mag zwar ein gerichtliches Versehen (mit-)verantwortlich dafür geworden sein, dass es nicht zu einer wirksamen Bestellung der Beteiligten zu 2 zum Mitvormund mit den daran anknüpfenden Vergütungsansprüchen gekommen ist. Nicht jedes gerichtliche Versehen nötigt in diesem Zusammenhang aber zu der Beurteilung, dass es der Staatskasse nach Treu und Glauben versagt wäre, sich gegenüber dem nicht wirksam bestellten Amtsträger auf das Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Entstehung eines Vergütungsanspruchs zu berufen. Denn jedenfalls von einem Rechtsanwalt, der Vormundschaften und Pflegschaften berufsmäßig führt und der die Voraussetzungen für die Entstehung seines Vergütungsanspruchs kennen muss, kann grundsätzlich erwartet werden, im eigenen Vergütungsinteresse selbst auf eine wirksame Bestellung in sein Amt hinzuwirken. Eine besondere Eilbedürftigkeit einzelner im Rahmen der Mitvormundschaft zu erledigender Angelegenheiten, welche die am Sitz des Amtsgerichts kanzleiansässige Beteiligte zu 2 nachvollziehbar dazu veranlassen konnte, insoweit noch vor einer förmlichen Verpflichtung für den Mündel tätig zu werden, hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt.
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(b) Der vom Beschwerdegericht weiter angeführte Umstand, dass das Amtsgericht die von der Beteiligten zu 2 am 9. Oktober 2015 gesondert abgerechneten Dolmetscherkosten am 14. Oktober 2015 zur Erstattung angewiesen hat, vermag sich unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes allenfalls auf die Vergütungspflicht für die nach dem Eingang des Erstattungsbetrages entfalteten Tätigkeiten auszuwirken. Dieser Zeitraum fällt in der Abrechnung der Beklagten aber nur noch mit 104 Minuten ins Gewicht. Auch insoweit handelt es sich aber um Erwägungen, für die im formalisierten Vergütungsfestsetzungsverfahren kein Raum ist.
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3. Im Übrigen kann in diesem Verfahren dahinstehen, ob einem Vormund, der auf die Vergütung seiner vom Gericht angewiesenen und erwarteten Tätigkeit vertraute, ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Amtshaftung zustehen kann.
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Dose
Schilling
Günter
Botur
Krüger
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Referenzen
- Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 562/16 3x
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- Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 497/16 1x
- BGB § 1835 Aufwendungsersatz 1x
- FamFG § 168 Beschluss über Zahlungen des Mündels 1x
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- BGB § 1836 Vergütung des Vormunds 1x
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- §§ 3 Nr. 2 a, 14 RPflG 2x (nicht zugeordnet)
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