Urteil vom Bundesgerichtshof (6. Zivilsenat) - VI ZR 185/16

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 26. April 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, deren Unternehmensgegenstand der Ankauf und die Einziehung von Forderungen ist, nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 15. Oktober 2013 in Anspruch, bei dem der Pkw Nissan Micra von Frau B. (im Folgenden: Geschädigte) durch den Versicherungsnehmer der Beklagten beschädigt wurde. Die volle Einstandspflicht der Beklagten steht zwischen den Parteien dem Grunde nach außer Streit.

2

Das Sachverständigenbüro K. fertigte unter dem 22. Oktober 2013 im Auftrag der Geschädigten ein Gutachten, wofür 495,64 € in Rechnung gestellt wurden.

3

Die Geschädigte unterzeichnete eine formularmäßige Abtretungsvereinbarung vom 18. Oktober 2013 mit folgendem Wortlaut:

"Hiermit trete ich/wir aus den Schadensersatzansprüchen zu dem oben genannten Unfall/Schadensfall gegen den Fahrer, den Halter und die Versicherung des unfallbeteiligten Fahrzeuges oder gegen sonstige Schadensverursacher ausschließlich das Gutachtenhonorar inklusive 19 % Mehrwertsteuer in Höhe des Rechnungsbetrages erfüllungshalber und unwiderruflich an die K. Gutachtergruppe... ab.

Bei Vorsteuerabzugsberechtigung wird die anteilige Mehrwertsteuer von den Gutachterkosten vorab von mir ausgeglichen."

4

Das Sachverständigenbüro trat diese Ansprüche seinerseits an die Klägerin ab.

5

Die Beklagte zahlte auf die Sachverständigenkosten vorgerichtlich 390 € an die Klägerin. Die Rechnung im Übrigen sah sie als überhöht an. Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung der Differenz von 105,64 € in Anspruch.

6

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I.

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Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die jeweiligen Abtretungen wirksam seien und der vorliegenden Rechnung des Sachverständigen vom 22. Oktober 2013 für die Schadensschätzung Indizwirkung beizumessen sei. Es komme dabei nicht darauf an, ob die Rechnung von der Geschädigten bezahlt oder - wie hier - nicht bezahlt worden sei. Der berechnete Gesamtbetrag, der für die rechtliche Beurteilung maßgebend sei, sei für die Geschädigte auch nicht erkennbar überhöht gewesen. Auf einzelne möglicherweise überhöht erscheinende Nebenkosten komme es vor diesem Hintergrund nicht an. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht seitens der Geschädigten sei nicht ersichtlich.

II.

8

Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

9

1. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Geschädigten dem Grunde nach ein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens aus §§ 7, 18 StVG, § 115 VVG zustand. Denn diese Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. nur Senatsurteil vom 19. Juli 2016 - VI ZR 491/15, VersR 2016, 1387 Rn. 10).

10

2. Rechtlich unbedenklich ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Geschädigte diesen Anspruch wirksam an den Sachverständigen und dieser ihn wirksam an die Klägerin abgetreten hat. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Abtretungsvereinbarung vom 18. Oktober 2013 zwischen dem Sachverständigenbüro und der Geschädigten hinreichend bestimmt.

11

Nach ihrem eindeutigen Wortlaut erfasst sie im Gegensatz zu dem der Senatsentscheidung vom 7. Juni 2011 (VI ZR 260/10, VersR 2011, 1008) zugrunde liegenden Fall keine Mehrzahl von Forderungen im Sinne sämtlicher Ansprüche der Geschädigten aus dem betreffenden Verkehrsunfall. Die Abtretung sollte ersichtlich ausschließlich die Forderung auf Ersatz der Gutachterkosten zuzüglich Mehrwertsteuer erfassen. Die Bezugnahme auf die Höhe des Rechnungsbetrages stellt lediglich eine Verbindung her zur Höhe der Honorarforderung des Sachverständigen. Dafür, dass gegebenenfalls eine "Auffüllung" mit anderen Schadensersatzforderungen der Geschädigten aus dem genannten Verkehrsunfall erfolgen soll, ist der Abtretungserklärung nichts zu entnehmen. Soweit die Revision eine Unklarheit der weiteren Klausel bezüglich der Vorsteuerabzugsberechtigung geltend macht, kommt es hierauf nicht an, weil eine Vorsteuerabzugsberechtigung der Geschädigten im Streitfall nicht festgestellt ist. Die Revision zeigt hierzu auch keinen (übergangenen) Sachvortrag der Beklagten auf.

12

3. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die vom Berufungsgericht angenommene Höhe der für die Begutachtung des beschädigten Fahrzeugs erforderlichen Kosten. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Höhe der vom Sachverständigenbüro in Rechnung gestellten Honorarsumme nebst Nebenkosten sei als Indiz im vorliegenden Schadensersatzprozess ausreichend, ist rechtsfehlerhaft.

13

a) Allerdings ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 19. Juli 2016 - VI ZR 491/15, VersR 2016, 1387 Rn. 13; vom 5. März 2013 - VI ZR 245/11, VersR 2013, 730 Rn. 14; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11, VersR 2012, 917 Rn. 9 mwN). Es ist insbesondere nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, dem Tatrichter eine bestimmte Berechnungsmethode vorzuschreiben (vgl. Senatsurteil vom 23. November 2004 - VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151, 154).

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b) Im Streitfall hat das Berufungsgericht seiner Schätzung jedoch unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt.

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aa) Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Sein Anspruch ist auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht etwa auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet (vgl. Senatsurteile vom 6. November 1973 - VI ZR 27/73, BGHZ 61, 346, 347 f.; vom 23. Januar 2007 - VI ZR 67/06, VersR 2007, 560 Rn. 13; vom 11. Februar 2014 - VI ZR 225/13, VersR 2014, 474 Rn. 7). Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar 2005 - VI ZR 73/04, VersR 2005, 558, 559). Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 2013 - VI ZR 528/12, VersR 2013, 1590 Rn. 18 mwN).

16

bb) Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung, vgl. Senatsurteile vom 6. November 1973 - VI ZR 27/73, BGHZ 61, 346, 348; vom 15. Oktober 2013 - VI ZR 528/12, VersR 2013, 1590 Rn. 19; vom 11. Februar 2014 - VI ZR 225/13, aaO Rn. 7 f., jeweils mwN). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (vgl. Senatsurteile vom 23. Januar 2007 - VI ZR 67/06, aaO Rn. 17; vom 11. Februar 2014 - VI ZR 225/13, aaO Rn. 7).

17

(1) Den Geschädigten trifft gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich die Darlegungslast hinsichtlich des oben beschriebenen erforderlichen Herstellungsaufwandes. Dieser Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage einer - von ihm beglichenen - Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen (Senatsurteile vom 24. Oktober 2017 - VI ZR 61/17, VersR 2018, 240 Rn. 19; vom 19. Juli 2016 - VI ZR 491/15, VersR 2016, 1387 Rn. 20; vom 22. Juli 2014 - VI ZR 357/13, VersR 2014, 1141 Rn. 16).

18

(2) Im Streitfall hat das Berufungsgericht die von der Geschädigten nicht beglichene Rechnung als Indiz ausreichen lassen, um der Klägerin (Zweitzessionarin) einen Schadensersatzanspruch in Höhe des vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Betrages zuzusprechen, und ohne nähere Begründung ausgeführt, die Abrechnung einer überhöhten Gutachterforderung sei für die Geschädigte jedenfalls nicht erkennbar gewesen. Damit hat es die Anforderungen an die nach den obigen Grundsätzen zu bestimmende Darlegungslast verkannt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bildet nicht der vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Betrag als solcher, sondern allein der von der Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden - vom Berufungsgericht nicht festgestellten - Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Der Grund für die Annahme einer Indizwirkung des von einem Geschädigten tatsächlich erbrachten Aufwands bei der Schadensschätzung liegt darin, dass bei der Bestimmung des erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die besonderen Umstände des Geschädigten, mitunter auch seine möglicherweise beschränkten Erkenntnismöglichkeiten zu berücksichtigen sind. Diese schlagen sich regelmäßig im tatsächlich aufgewendeten Betrag nieder, nicht hingegen in der Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solcher (vgl. Senatsurteile vom 24. Oktober 2017 - VI ZR 61/17, VersR 2018, 240 Rn. 19; vom 28. Februar 2017 - VI ZR 76/16, VersR 2017, 636 Rn. 13; vom 19. Juli 2016 - VI ZR 491/15, VersR 2016, 1387 Rn. 19; vom 26. April 2016 - VI ZR 50/15, VersR 2016, 1133 Rn. 12; vom 22. Juli 2014 - VI ZR 357/13, VersR 2014, 1141 Rn. 16, 19 und vom 6. November 1973 - VI ZR 27/73, BGHZ 61, 346, 347 f.).

19

(3) Diese Grundsätze gelten auch bei einer Abtretung der Forderung auf Ersatz der Sachverständigenkosten. Legt der an die Stelle des Geschädigten getretene Zessionar lediglich die unbeglichene Rechnung vor, genügt danach ein einfaches Bestreiten der Schadenshöhe durch den beklagten Schädiger oder Haftpflichtversicherer, wenn nicht der Zessionar andere konkrete Anhaltspunkte für den erforderlichen Herstellungsaufwand unter Berücksichtigung der speziellen Situation des Geschädigten beibringt. Bei der dann vom Tatrichter zu leistenden Bemessung der Schadenshöhe ist zu beachten, dass der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen müssen. Im Rahmen der Schätzung der Höhe dieses Schadensersatzanspruchs gem. § 287 ZPO kann bei Fehlen einer Preisvereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen - eine solche hat die Klägerin nicht geltend gemacht - an die übliche Vergütung gem. § 632 Abs. 2 BGB angeknüpft werden, denn der verständige Geschädigte wird unter diesen Umständen im Regelfall davon ausgehen, dass dem Sachverständigen die übliche Vergütung zusteht (vgl. Senatsurteil vom 28. Februar 2017 - VI ZR 76/16, VersR 2017, 636 Rn. 14; zur Frage der Üblichkeit der werkvertraglichen Vergütung von Kfz-Sachverständigen vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2006 - X ZR 122/05, BGHZ 167, 139 Rn. 10 ff.). Diese ist dann regelmäßig schadensrechtlich erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.

20

(4) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts genügte schließlich nach den vorstehenden Grundsätzen ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten insgesamt.

21

4. Das Berufungsurteil ist nach alledem aufzuheben und die Sache gemäß § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB mangels Entscheidungsreife zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgerichts zurückzuverweisen.

Galke     

      

Wellner     

      

v. Pentz

      

Oehler     

      

Klein     

      

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