Beschluss vom Bundesgerichtshof (1. Strafsenat) - 1 StR 132/18

Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 14. November 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

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Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Diebstahls in 12 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung von Wertersatz angeordnet. Die auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten, mit der sie insbesondere die Nichtanordnung ihrer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angreift, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

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1. Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur Einziehungsanordnung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Insoweit wird auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts Bezug genommen. Die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB begegnet hingegen durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken.

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a) Nach den Feststellungen konsumierte die in der Tschechischen Republik mehrfach einschlägig vorbestrafte 41 Jahre alte Angeklagte, seitdem sie 14 Jahre alt war, Drogen. Im Alter von 18 Jahren nahm sie erstmals Methamphetamin und spritzte es sich in der Folge täglich. Während der Verbüßung einer vierjährigen Haftstrafe von 2004 bis 2008 konsumierte sie keine Drogen. Drei Monate nach ihrer Haftentlassung wurde sie rückfällig und schnupfte täglich etwa 3 g Methamphetamin. Von Mai 2015 bis November 2015 befand sie sich in Untersuchungshaft und nahm während dieser Zeit keine Drogen. Nach ihrer Haftentlassung begab sie sich nach Deutschland und lebte bis Januar 2016 bei ihrem Verlobten in Wiesbaden. Dann zog sie mit ihm nach Prag und begann erneut mit dem Konsum von Methamphetamin. Die Wohnung in Prag löste sie im Herbst 2016 auf, weil ihr Verlobter nicht in Prag leben wollte. Durch den langjährigen nasalen Konsum hat sie Zahnprobleme und ein Loch in der Nasenscheidenwand. Zur Finanzierung des Drogenkonsums und ihres Lebensunterhalts beging sie in Deutschland die abgeurteilten Einbruchsdiebstähle, zu denen sie jeweils mit einem angemieteten Fahrzeug von Prag aus angereist und nach Begehung der Taten noch in derselben Nacht mit der Beute nach Prag zurückgefahren war und diese dort veräußert hatte. Vor und nach Begehung der Taten hatte sie zur Leistungssteigerung Methamphetamin zu sich genommen. Bei einer Kontrolle am 28. Dezember 2016 führte sie 1,5 g Methamphetamin (Wirkstoffgehalt 1,125 g Methamphetaminbase) zum Eigenkonsum mit sich. Die bei ihr nach der Tat entnommene Blutprobe belegte eine große Substanzgewöhnung.

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b) Die Strafkammer hat von der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen. Zwischen dem Hang der Angeklagten und den Diebstählen bestehe kein ausreichend gesicherter kausaler Zusammenhang. Die Angeklagte habe seit Jahren ihren gesamten Lebensunterhalt durch die Begehung von Einbruchsdiebstählen bestritten, die sie zunächst in der Tschechischen Republik verübt hatte und dann in Deutschland beging. Gegen sie seien bereits in der Tschechischen Republik mehrjährige Haftstrafen verhängt und vollstreckt worden. Mangels einer beruflichen bzw. finanziellen Perspektive und unter Berücksichtigung ihrer erheblichen und einschlägigen strafrechtlichen Vordelinquenz sei künftig auch ohne den Konsum von Betäubungsmitteln die konkrete Gefahr weiterer, gleichgelagerter Straftaten gegeben.

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Außerdem fehle es an hinreichend konkreten Erfolgsaussichten für eine Unterbringung. Den Erfolgsaussichten stehe bereits die Sprachbarriere entgegen. Die Angeklagte sei der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig, um erfolgreich eine Maßregeltherapie zu absolvieren. Ihr drohe nach ihren eigenen Angaben in der Tschechischen Republik die Anschlussvollstreckung von mehrjährigen Haftstrafen und die tschechischen Behörden hätten bereits die Auslieferung der Angeklagten zur Vollstreckung einer zweijährigen Haftstrafe beantragt. Vor dem Hintergrund der anstehenden Vollstreckung von Strafhaft könnten im Rahmen der Maßregelbehandlung sämtliche soziotherapeutische Maßnahmen, die üblicherweise Bestandteil der Unterbringung gemäß § 64 StGB und Voraussetzung einer erfolgreichen Reintegration seien, nicht umgesetzt werden. Anhaltspunkte dafür, dass eine etwaige Unterbringung der Angeklagten, der zwischenzeitlich die Erlaubnis erteilt worden sei, ihren in Wiesbaden lebenden deutschen Verlobten in der deutschen Haft zu heiraten, in Tschechien unter Berücksichtigung der dort zu verbüßenden Freiheitsstrafen erfolgreich vollstreckt werden könnte, lägen nicht vor.

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c) Die Ablehnung der Maßregel hat keinen Bestand. Die Strafkammer hat zu strenge Anforderungen an den symptomatischen Zusammenhang zwischen dem festgestellten Hang und den begangenen Taten sowie der zukünftigen Gefährlichkeit der Angeklagten gestellt und die fehlende Erfolgsaussicht nicht tragfähig dargelegt.

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(1) Für die Bejahung eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen Hang und Tat im Sinne des § 64 StGB ist es ausreichend, dass der Hang - gegebenenfalls neben anderen Umständen - mit dazu beigetragen hat, dass der Täter die Tat begangen hat. Ein solcher Zusammenhang ist typischerweise gegeben, wenn die Straftat unmittelbar oder mittelbar über den Erlös aus der Verwertung der Beute auch der Beschaffung von Drogen für den Eigenkonsum dient (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. März 2016 - 4 StR 586/15 Rn. 3, NStZ-RR 2016, 173 mwN und vom 25. November 2015 - 1 StR 379/15 Rn. 8, NStZ-RR 2016, 113).

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Das Landgericht hat festgestellt, dass die Angeklagte sich durch die Veräußerung der Beute Mittel für ihren Lebensunterhalt und den Erwerb von Methamphetamin beschafft und vor und nach den Taten Methamphetamin zur Leistungssteigerung konsumiert hat. Damit ist der symptomatische Zusammenhang zwischen dem Hang und den abgeurteilten Straftaten dargetan; denn die Sucht hat die Begehung der Taten mit ausgelöst und die Art ihrer Begehung mitbestimmt, mögen die Straftaten auch auf der Grundlage einer schon früher infolge allgemeiner charakterlicher Mängel verfestigten kriminellen Neigung verübt worden sein, die Lebensbedürfnisse mit Mitteln aus Eigentumsdelikten zu bestreiten. Auch in einem solchen Fall haben die Straftaten ihren spezifischen Ursprung in der Sucht, weil die Drogenabhängigkeit zu einer beträchtlichen Ausweitung des mit kriminellen Mitteln befriedigten finanziellen Bedarfs führt, Zahl, Umfang und kriminelle Intensität der vom drogenabhängigen Täter begangenen und von ihm zu befürchtenden Straftaten mitbestimmt und somit von wesentlichem Einfluss jedenfalls auf das Ausmaß der gegenwärtigen und zukünftigen Gefährlichkeit eines solchen Täters ist. Wird die kriminalitätsfördernde Wirkung der Sucht durch eine erfolgreiche Behandlung beseitigt, so ist auch die Tätergefährlichkeit vermindert. Dies genügt für die Annahme des symptomatischen Zusammenhangs zwischen Straftat und Sucht (BGH, Beschluss vom 22. September 1999 - 3 StR 393/99 Rn. 3, NStZ 2000, 25, 26).

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(2) Im Übrigen hätte sich die Strafkammer auch näher damit auseinandersetzen müssen, inwieweit die Angeklagte tatsächlich der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, um erfolgreich eine Maßregeltherapie zu absolvieren.

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Auch nach der Umgestaltung von § 64 StGB zur Soll-Vorschrift durch die Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) - mit der der Gesetzgeber auch die Schonung der Behandlungskapazitäten beabsichtigte, die durch weniger geeignete Personen blockiert würden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 - 1 StR 411/07, StV 2008, 138) - soll es im Grundsatz dabei verbleiben, dass die fehlende Beherrschung der deutschen Sprache nicht ohne Weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf die Unterbringung eines Ausländers sein kann (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 - 4 StR 124/17 Rn. 11, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 4 [Gründe]; Beschlüsse vom 17. August 2011 - 5 StR 255/11, StV 2012, 281, 282 und vom 12. März 2014 - 2 StR 436/13, StV 2014, 545, jeweils unter Bezugnahme auf den Bericht und die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5137, S. 10). Zwar muss nicht gegen jeden der deutschen Sprache nicht mächtigen Ausländer, insbesondere wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm absehbar nur schwer möglich sein wird, eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2017- 4 StR 124/17 Rn. 11 aaO; Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 - 5 StR 472/08, NStZ 2009, 204, 205; vom 17. August 2011 - 5 StR 255/11, StV 2012, 281 und vom 12. März 2014 - 2 StR 436/13, StV 2014, 545). Vielmehr wird bei weitgehender Sprachunkundigkeit die Annahme fehlender Erfolgsaussicht nahe liegen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 - 3 StR 513/12 Rn. 6, BGHR StGB § 64 Abs. 2 Erfolgsaussicht 1). Deshalb sollte nach der Begründung des Gesetzentwurfs ein Absehen von der Maßregelanordnung insbesondere bei ausreisepflichtigen Ausländern ermöglicht werden, bei denen infolge erheblicher sprachlicher Verständigungsprobleme eine erfolgversprechende Therapie kaum vorstellbar ist (BT-Drucks. aaO). Hingegen genügt es regelmäßig für eine erfolgversprechende Maßregelanordnung, wenn der Betreffende zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt (BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2001 - 3 StR 209/01, NStZ-RR 2002, 7 und vom 22. Januar 2013 - 3 StR 513/12 Rn. 6, NStZ-RR 2013, 241, 242).

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Die in eine Soll-Vorschrift umgestaltete Regelung räumt dem Tatrichter zwar grundsätzlich die Möglichkeit ein, von einer Unterbringung abzusehen; § 64 StGB ist damit aber keine Ermessensvorschrift im engeren Sinne geworden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 - 4 StR 124/17, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 4 Rn. 12; Beschlüsse vom 29. Juni 2010 - 4 StR 241/10, NStZ-RR 2010, 307 und vom 11. Dezember 2007 - 4 StR 576/07). Das Absehen von einer Maßregelanordnung kommt vielmehr nur in Ausnahmefällen in Betracht. Geben die Feststellungen jedoch Anlass, die Unterbringung nach § 64 StGB unter dem Gesichtspunkt fehlender Kenntnisse der deutschen Sprache nicht anzuordnen, hat der Tatrichter die für seine Entscheidung maßgeblichen Umstände im Urteil für das Revisionsgericht nachprüfbar darzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 - 4 StR 124/17, aaO Rn. 12; Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 - 5 StR 472/08, BGHR StGB § 64 Nichtanordnung 2 und vom 12. März 2014 - 2 StR 436/13, StV 2014, 545).

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Daran fehlt es. Zwar hat die Kammer im Rahmen der Strafzumessung ausgeführt, die Angeklagte sei besonders haftempfindlich, weil sie nur wenig Deutsch spreche. Jedoch hat die Kammer auch festgestellt, dass die Angeklagte einen in Wiesbaden lebenden deutschen Verlobten hat, bei dem sie nach ihrer Haftentlassung im November 2015 drei Monate gelebt hat, um dann mit ihm in eine im Herbst 2016 aufgelöste Wohnung nach Prag zu ziehen, und die Erlaubnis erhalten hatte, ihren Verlobten während der Untersuchungshaft zu heiraten. Es kommt hinzu, dass eine vollziehbare Ausreisepflicht der Angeklagten nicht festgestellt ist; die tschechischen Behörden haben lediglich die Auslieferung der Angeklagten zur Vollstreckung einer zweijährigen Haftstrafe beantragt.

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Sollte das Sprachvermögen der unterzubringenden Person für therapeutische Maßnahmen nicht ausreichen, wäre ggf. zu erwägen, ob gemäß Art. 68 SDÜ, § 71 IRG die Überstellung der Angeklagten in die Tschechische Republik zum Vollzug der Maßregel in Betracht kommt, sofern dort entsprechende Einrichtungen existieren (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012 - 2 StR 85/12 Rn. 15, NStZ 2012, 689-690; vgl. auch Trenckmann in: Kammeier/Pollähne, Maßregelvollzugsrecht, 4. Aufl. 2018, L. Vollstreckungsrecht der freiheitsentziehenden Maßregeln nach § 63 und § 64 StGB VI L 201).

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2. Die Frage der Maßregelanordnung bedarf daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) neuer Verhandlung und Entscheidung.

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Der Strafausspruch kann bestehen bleiben, da auszuschließen ist, dass die Strafkammer bei Anordnung der Unterbringung auf niedrigere Einzelstrafen oder eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte.

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