Beschluss vom Bundessozialgericht (1. Senat) - B 1 KR 1/10 D

Tenor

Es ist kein Streitwert nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) festzusetzen.

Gründe

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I. Das LSG hat auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerinnen den Beschluss der 1. Vergabekammer (VK) des Bundes vom 17.4.2009 aufgehoben, den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen und der Antragstellerin Kosten auferlegt (Beschluss vom 24.8.2009). Es hat den Wert, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat, mithin den Gegenstandswert (§ 2 Abs 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) für die Antragstellerin, die Antragsgegnerinnen und die Beigeladene zu 5. festgesetzt (Beschluss vom 27.1.2010). Das LSG will nun einen Streitwert nach dem GKG festsetzen, sieht sich darin aber durch die Rechtsprechung des BSG gehindert (SozR 4-1500 § 142a Nr 2) und hat die Sache deshalb dem BSG vorgelegt (Beschluss vom 3.5.2010).

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II. 1. Die Vorlage ist zulässig. § 142a Abs 4 Satz 1 SGG schränkt den Fall einer Vorlage an das BSG nicht auf einen spezifischen Kreis von Rechtsfragen ein, sondern umfasst auch die Streitwertfestsetzung nach dem GKG. Stets, wenn ein LSG von einer Entscheidung eines anderen LSG oder des BSG abweichen will oder es den Rechtsstreit aus den gesetzlich genannten Gründen für grundsätzlich bedeutsam hält, legt es die Sache dem BSG vor (§ 142a Abs 4 Satz 1 SGG). Ebenso, wie das BSG sich auf die Entscheidung der Divergenzfrage beschränken und dem Beschwerdegericht die Entscheidung in der Hauptsache übertragen kann, wenn dies nach dem Sach- und Streitstand des Beschwerdeverfahrens angezeigt erscheint (§ 142a Abs 4 Satz 3 SGG), kann das LSG - wie vorliegend geschehen - über die abtrennbaren, ohne Vorlage an das BSG entscheidbaren Verfahrensteile vorab entscheiden und nur den vorlagepflichtigen Teil dem BSG vorlegen. Sachlich schränkt § 142a SGG die Vorlagepflicht bei sofortigen Beschwerden nur dadurch ein, dass sie entsprechend § 124 Abs 2 Satz 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nicht im Verfahren nach § 118 Abs 1 Satz 3 und nach § 121 GWB gilt (s § 142a Abs 4 Satz 4 SGG). Darum geht es vorliegend indes nicht. Zutreffend hat das LSG zudem darauf hingewiesen, dass diese Auslegung des § 142a Abs 4 Satz 1 SGG in der Sache mit der Rechtsprechung des BGH zu § 124 Abs 2 GWB übereinstimmt (BGH WRP 2008, 1563, RdNr 5).

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2. Entgegen der Rechtsauffassung des vorlegenden LSG hält der erkennende Senat daran fest, dass nach der vom Gesetzgeber trotz erheblicher Gebührenausfälle nicht geänderten Rechtslage für sofortige Beschwerden in Verfahren bei der Sozialgerichtsbarkeit keine streitwertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen (BSG SozR 4-1500 § 142a Nr 2 Leitsatz 5) und deshalb eine Festsetzung des Streitwerts nach dem GKG zu unterbleiben hat. Denn die Festsetzung des Streitwerts nach dem GKG setzt voraus, dass dort Gebühren geregelt sind, die sich nach dem Streitwert richten (§ 63 Abs 1 GKG; vgl auch Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl 2010, § 63 GKG RdNr 8 mwN). Daran fehlt es.

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Abgesehen vom Gebührentatbestand 7504 der Anlage 1 zum GKG können Gerichtsgebühren für sofortige Beschwerden nach § 142a SGG nicht erhoben werden, weil dafür eine gesetzliche Grundlage im GKG fehlt und eine analoge Anwendung anderer Kostenvorschriften zu Lasten der Beteiligten ausscheidet (vgl BSG SozR 4-1500 § 142a Nr 2 RdNr 18 mwN). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats gilt in Verfahren der sofortigen Beschwerde in der Sozialgerichtsbarkeit grundsätzlich das SGG, soweit nicht § 142a SGG speziell auf Regelungen des GWB verweist (vgl BSG SozR 4-1500 § 142a Nr 3 RdNr 8; Hauck in Hennig, SGG, Stand April 2010, § 142a RdNr 7). So liegt es für die Gerichtskosten. Gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG werden Kosten nach den Vorschriften des GKG erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Zutreffend hat das LSG erkannt, dass Teil 7 der Anlage 1 zum GKG - Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit - keine Gebührentatbestände für sofortige Beschwerden nach § 142a Abs 1 SGG beinhaltet, die streitwertabhängig sind.

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3. Soweit das LSG aus der in § 142a Abs 1 SGG vorgesehenen entsprechenden Anwendung des § 116 Abs 1 und 2 GWB etwas anderes ableiten will, vermag ihm der erkennende Senat nicht zu folgen. Die entsprechende Anwendung dieser Regelungen betrifft lediglich die Zulässigkeit sofortiger Beschwerden gegen Entscheidungen oder Nichtentscheidungen von Vergabekammern. Nach § 116 Abs 1 GWB ist nämlich gegen Entscheidungen der Vergabekammer die sofortige Beschwerde zulässig. Sie steht den am Verfahren vor der Vergabekammer Beteiligten zu. Gemäß § 116 Abs 2 GWB ist die sofortige Beschwerde auch zulässig, wenn die Vergabekammer über einen Antrag auf Nachprüfung nicht innerhalb der Frist des § 113 Abs 1 GWB entschieden hat; in diesem Fall gilt der Antrag als abgelehnt. Eine Verweisung auf das GKG enthalten diese Regelungen nicht.

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Es widerspräche dem aus § 1 GKG abzuleitenden Analogieverbot im Kostenrecht (vgl BSG SozR 4-1500 § 142a Nr 2 Leitsatz 5 und RdNr 18 mwN), dennoch von streitwertabhängigen Gebührentatbeständen im Rahmen der Verfahren nach § 142a SGG auszugehen. Ebenso wenig, wie aus § 202 SGG über den Wortlaut der Norm hinaus eine Verweisung auf die Gebührentatbestände für sofortige Beschwerden in Vergaberechtssachen vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit abgeleitet werden kann (vgl BVerfG PharmR 2010, 360 ff), ist dies durch eine Auslegung des § 116 Abs 1 und 2 GWB über seinen Wortlaut hinaus zulässig. Eine im Wege analoger Normanwendung zu schließende Regelungslücke könnte allenfalls in Teil 7 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zum GKG) diskutiert werden. Besteht sie, so darf sie nicht durch analoge Anwendung der Gebührentatbestände geschlossen werden, die in Teil 1 der Anlage 1 zum GKG für zivilrechtliche Verfahren vor den ordentlichen Gerichten für Beschwerdeverfahren nach § 116 GWB vorgesehen sind (KV Nr 1220 - 1223). Einer solchen Lückenschließung steht das Analogieverbot des § 1 GKG entgegen.

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