Beschluss vom Bundessozialgericht (13. Senat) - B 13 R 463/11 B

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Oktober 2011 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt M. beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

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I. Das LSG hat im Urteil vom 12.10.2011 einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

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Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil durch ihre Prozessbevollmächtigten beim BSG Beschwerde eingelegt und zusammen mit der Vorlage der Beschwerdebegründung vom 16.1.2012, in der sie mehrere Verfahrensmängel rügt, Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. beantragt.

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II. 1. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen.

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Nach § 73a SGG iVm § 114 S 1 ZPO kann einem Beteiligten für ein Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier - wie sogleich näher ausgeführt wird - nicht der Fall.

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2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 16.1.2012 genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil in ihr weder Verfahrensmängel noch sonstige Revisionszulassungsgründe formgerecht bezeichnet sind (§ 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

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a) Wird die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, ist in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau zu benennen. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargetan und darüber hinaus muss dargestellt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 202 ff). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG).

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Diesen Anforderungen werden die Verfahrensrügen der Klägerin nicht gerecht:

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(1) Sie beanstandet zunächst, das LSG habe ein Gutachten nach § 109 SGG auf psychiatrischem Fachgebiet von Prof. Dr. J., das dem Gericht am 19.4.2010 zugereicht worden sei, weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen seines Urteils erwähnt und damit völlig unberücksichtigt gelassen; dies stelle einen "schweren Verstoß im Bereich der Beweiswürdigung" und eine Verletzung der §§ 103, 128 SGG dar. Damit hat sie jedoch keinen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren rügbaren Verfahrensfehler bezeichnet. Wie bereits ausgeführt, kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 oder § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien Beweiswürdigung) gestützt werden. Zudem ist die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) nur statthaft, soweit sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Einen solchen Beweisantrag hat die Klägerin jedoch nicht bezeichnet.

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Im Übrigen sei - ohne dass dies für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung wäre - darauf hingewiesen, dass am 19.4.2010 in Wirklichkeit das Gutachten des Prof. Dr. G. beim LSG eingegangen ist (Bl 155 LSG-Akte) und zudem nach dem Tatbestand des LSG-Urteils das Gutachten des Prof. Dr. J. nach § 109 SGG bereits vom SG eingeholt worden war; insoweit hat das LSG auf die zutreffende Beweiswürdigung der Vorinstanz verwiesen (vgl Urteilsumdruck S 4 Abs 2 bzw S 8 Abs 5).

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(2) Soweit die Klägerin meint, das LSG sei verpflichtet gewesen, das "auf rein psychiatrischer Basis" erstellte Gutachten des Prof. Dr. J. dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Prof. Dr. G."jedenfalls vorzuziehen", fehlt es bereits an der Angabe der Verfahrensvorschrift, aus der sich eine solche Einschränkung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung ergeben könnte.

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(3) Weiterhin rügt die Klägerin eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs aufgrund der Nichtbeachtung des Gutachtens des Prof. Dr. J. sowohl im Tatbestand wie in den Entscheidungsgründen des LSG. Eine solche Missachtung der Ergebnisse eines Antrags nach § 109 SGG müsse zur Aufhebung der Entscheidung führen.

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Auch damit hat sie schon keine zulässige Verfahrensrüge erhoben. Denn der in § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG normierte Ausschluss einer Rüge der Verletzung von § 109 SGG im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gilt uneingeschränkt und damit für jeden Fall einer verfahrensrechtlichen Übergehung eines nach § 109 SGG gestellten Antrags (stRspr, zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 34 S 30; Senatsbeschluss vom 29.5.2012 - B 13 R 97/12 B - BeckRS 2012, 70396 RdNr 5 mwN). Er kann auch nicht mit dem Argument umgangen werden, dass das rechtliche Gehör verletzt sei, wenn solche Anträge ignoriert würden (BSG vom 8.5.2012 - B 5 R 48/12 B - BeckRS 2012, 70074 RdNr 8 mwN).

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(4) Mit dem Vorhalt, das LSG habe zu ihren Gunsten sprechende Feststellungen in dem Gutachten des Prof. Dr. G. zu ihrer Umstellungsfähigkeit verkannt, greift die Klägerin wiederum die Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) des Berufungsgerichts an, was - wie bereits erwähnt - im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig ist.

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(5) Die bloße Behauptung, das LSG habe "wegen der Nichtbeachtung des Gutachtens" (gemeint ist dasjenige von Prof. Dr. J. nach § 109 SGG) "und dieses weiteren Punktes hinsichtlich der Umstellungsfähigkeit" auch den Grundsatz der Fairness des Verfahrens verletzt, enthält ebenfalls keine hinreichende Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Auch der Ausschluss der Rüge einer Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG) kann nicht dadurch umgangen werden, dass die Beweiswürdigung pauschal als "unfair" gerügt wird.

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(6) Den Vorwürfen der Klägerin gegenüber dem Gutachter Prof. Dr. G. (Beschwerdebegründung S 7 f unter 4.) lässt sich schon nicht entnehmen, gegen welche Verfahrensvorschrift das LSG verstoßen haben soll. Sollte sie damit die Befangenheit des Gutachters geltend machen wollen, so hat sie jedenfalls nicht dargelegt, dass sie rechtzeitig (vgl § 60 Abs 1 SGG iVm § 43 ZPO) ein Ablehnungsgesuch an das LSG gerichtet hat.

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(7) Auch die weiteren Rügen, das LSG habe die im Auftrag der Arbeitsagentur erstellten "Gutachten Dr. K./Dr. P." zwar angesprochen, sei ihnen aber ebenso wenig gefolgt wie dem "Gutachten Dr. S." zur Fibromyalgieproblematik und habe darüber hinaus das Gutachten des Anästhesiologen Dr. Z."in extremer stiefmütterlicher Art behandelt" sowie die Befunde von Dr. P. und Dr. K. nicht berücksichtigt, ergeben aus den bereits mehrfach benannten Gründen keine statthafte Verfahrensrüge. Der weiterhin von der Klägerin erhobene Vorwurf, das LSG habe gegen die Denkgesetze verstoßen, enthält eine solche ebenfalls nicht (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 534). Dasselbe gilt für den Vorhalt, das LSG habe fehlerhaft nach § 153 SGG auf die sozialmedizinischen Feststellungen im SG-Urteil verwiesen, weil die Feststellungen des SG ihrerseits unzutreffend seien.

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(8) Ebenso wenig ist die Rüge einer zu langen Verfahrensdauer ordnungsgemäß dargetan. Die Klägerin hat weder die für eine Beurteilung maßgeblichen Umstände des Einzelfalles (vgl BVerfG vom 24.8.2010 - 1 BvR 331/10 - NZS 2011, 384 RdNr 11) bezeichnet noch aufgezeigt, inwiefern die Entscheidung des LSG hierauf beruhen kann (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 18 RdNr 13 f).

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b) Die Klägerin hat schließlich eine Rechtsprechungsabweichung nicht ordnungsgemäß dargelegt (§ 160 Abs 2 Nr 2 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG). Sie führt zwar zu Beginn der Beschwerdebegründung als "Fehler des Verfahrens" auch die "fehlende Berücksichtigung höchstrichterlicher Rechtsprechung im Sinne der Divergenz" an. Nachfolgend zeigt sie jedoch an keiner Stelle auf, von welchen Rechtssätzen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung das LSG im Rechtsgrundsätzlichen - nicht nur im Rahmen der Subsumtion im Einzelfall - abgewichen sein soll. Ihr Vorbringen geht damit über eine unbeachtliche Subsumtionsrüge nicht hinaus.

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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

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Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

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