Beschluss vom Bundessozialgericht (1. Senat) - B 1 KR 25/12 B

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Januar 2012 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

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I. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte, an einem Prostatakarzinom leidende Kläger beantragte am 15.3.2004 bei der Beklagten, die Kosten einer interstitiellen Brachytherapie bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer zu übernehmen, und ließ sich am 31.3.2004 operieren. Die Beklagte lehnte sechs Tage später die Kostenübernahme ab. Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihm die Behandlungskosten in Höhe von 8993,41 Euro zu erstatten, im Widerspruchsverfahren und in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat - ua - zur Begründung ausgeführt, der nach § 13 Abs 3 SGB V geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch des Klägers scheitere nach der Rechtsprechung des BSG schon daran, dass er sich von einem nicht zugelassenen Leistungserbringer habe behandeln lassen (Beschluss vom 26.1.2012).

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Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG.

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II. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.

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1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss daher ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu BSG Beschluss vom 14.6.2005 - B 1 KR 38/04 B - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 25.04.2006 - B 1 KR 97/05 B - RdNr 6; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Diese Darlegungen sind nicht deshalb entbehrlich, weil ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gerügt wird (§ 117 SGG; vgl zB BSG Beschluss vom 17.10.2008 - B 13 R 341/08 B - Juris RdNr 10).

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Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn - wie hier - das LSG von der ihm durch § 153 Abs 4 S 1 SGG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der in einem solchen Fall den Beteiligten zugestellten Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG muss jedenfalls ein rechtskundig vertretener Beteiligter auch entnehmen, dass das LSG keine weitere Sachaufklärung mehr beabsichtigt und dass es etwaige schriftsätzlich gestellte Beweisanträge lediglich als Beweisanregungen, nicht aber als förmliche Beweisanträge iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ansieht. Nach Zugang der Anhörungsmitteilung muss daher der Beteiligte, der schriftsätzlich gestellte Beweisanträge aufrechterhalten oder neue Beweisanträge stellen will, innerhalb der vom LSG gesetzten Frist diesem ausdrücklich die Aufrechterhaltung dieser Anträge mitteilen oder neue förmliche Beweisanträge stellen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52; BSG Beschluss vom 6.6.2001 - B 2 U 117/01 B - Juris RdNr 2; BSG Beschluss vom 27.12.2011 - B 13 R 253/11 B - Juris RdNr 7).

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Das Beschwerdevorbringen legt einen Verfahrensmangel nicht in diesem Sinne dar. Es benennt bereits keinen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag. Ein Beweisantrag muss unzweifelhaft erkennen lassen, dass eine weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen für erforderlich gehalten wird. Der Tatsacheninstanz soll durch einen solchen Antrag vor der Entscheidung vor Augen geführt werden, dass der Kläger die gerichtliche Sachaufklärungspflicht in einem bestimmten Punkt noch nicht als erfüllt ansieht. Der Beweisantrag hat Warnfunktion. Eine solche Warnfunktion fehlt bei Beweisantritten, die in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind, und ihrem Inhalt nach lediglich als Anregungen zu verstehen sind, wenn sie nach Abschluss von Amts wegen durchgeführter Ermittlungen nicht mehr zu einem bestimmten Beweisthema als Beweisantrag aufgegriffen werden; eine unsubstantiierte Bezugnahme auf frühere Beweisantritte genügt nicht (vgl zum Ganzen BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21). Einen solchen Beweisantrag stellte der Kläger nach Zugang der Anhörungsmitteilungen nicht. Auf die Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG vom 11.9.2008 unter Fristsetzung bis zum 10.10.2008 reagierte der Kläger mit Schriftsatz vom 10.10.2008 und legte nur dar, warum ihm der Kostenerstattungsanspruch zustehe. Das LSG versandte am 1.11.2011 mit Fristsetzung (irrtümlich) bis 1.12.2010 erneut eine Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG und teilte unter dem 22.11.2011 mit, ein Beschluss ergehe nicht vor dem 10.12.2011. Mit Schriftsatz vom 18.11.2011 bekräftigte der Kläger nochmals seinen Rechtsstandpunkt, stellte jedoch keinen Beweisantrag, sondern beantragte nur für den Fall einer klageabweisenden Entscheidung, die Revision zuzulassen. Zwar führte der Kläger in seinem Schriftsatz vom 18.11.2011 auch aus: "Insoweit regen wir nochmals an, den Sachverhalt unter Berücksichtigung der obigen Darlegungen sowie des gesamten bisherigen Vorbringens noch einmal einer Überprüfung zu unterziehen und die geäußerte Rechtsauffassung zu überdenken." Sofern der Kläger damit das LSG zu einer weiteren Beweisaufnahme veranlassen wollte, stellt dies jedenfalls keinen förmlichen Beweisantrag, sondern - wie der Kläger selbst formuliert - nur eine Anregung dar. Im Übrigen legt der Kläger auch nicht dar, warum dem LSG aufgrund seiner Rechtsauffassung die Angaben, die ein Mitarbeiter der Beklagten, Herr M, dem Kläger gegenüber gemacht haben soll, als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen.

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2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

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