Beschluss vom Bundessozialgericht (10. Senat) - B 10 ÜG 12/13 B

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. März 2013 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 3600 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat mit Urteil vom 26.3.2013 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 26.6.2013 einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Entschädigung iHv 3600 Euro wegen überlanger Bearbeitungsdauer seines Ablehnungsgesuchs gegen den Facharzt für Orthopädie Dr. H. in dem Verfahren S 16 U 35/04 vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig und in dem Beschwerdeverfahren L 6 B 12/06 U vor dem LSG verneint. Die Entschädigungsklage sei unzulässig, weil bei Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) am 3.12.2011 betreffend das spätestens durch Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8.3.2010 abgeschlossene Ausgangsverfahren keine nach Art 35 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) fristgemäße Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängig gewesen sei oder noch habe anhängig gemacht werden können (vgl Art 23 S 1 ÜGG). Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt, die er mit dem Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) begründet.

2

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden.

3

Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, das diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

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Der Kläger misst dem Umstand grundsätzliche Bedeutung bei, dass das LSG in seiner angefochtenen Entscheidung die sich aus Art 35 Abs 1 EMRK ergebende Sechs-Monats-Frist unrichtig angewandt habe. Eine konkrete Rechtsfrage hat der Kläger allerdings insoweit nicht gestellt. Es wird nicht erkennbar, welcher rechtliche Gegenstand hier genau zu klären sein soll. Ferner hätte es zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit auch der Darstellung bedurft, inwiefern die angedeutete Frage höchstrichterlich noch nicht entschieden sei (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51 und § 160a Nr 13 und 65) und sich für eine Antwort darauf nicht bereits ausreichende Anhaltspunkte in bereits vorliegenden Entscheidungen ergäben (BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 und § 160 Nr 8). Insofern hätte sich der Kläger aus seiner Sicht insbesondere mit der zu Art 35 Abs 1 EMRK ergangenen Rechtsprechung des EGMR auseinandersetzen müssen (vgl hierzu die Darstellung bei Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl 2011, Art 35 RdNr 7 ff, 12 ff). Das hat er ebenso unterlassen wie Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der von ihm angesprochenen Frage. Dabei hätte er insbesondere darauf eingehen müssen, inwiefern es im vorliegenden Rechtsstreit, der eine Entschädigung nach den §§ 198 ff GVG betrifft, auf die Entscheidung der von ihm angesprochenen Frage zu Art 35 EMRK ankomme.

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Soweit der Kläger eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG rügen wollte, kann er hierauf eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht stützen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).

6

Schließlich reicht die Beschwerdebegründung auch nicht aus, soweit der Kläger einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG rügen wollte. Für die Bezeichnung eines Verfahrensmangels hätte es insbesondere einer genauen Sachverhaltsdarstellung und Umschreibung des Streitgegenstands bedurft. Macht nämlich ein Beschwerdeführer das Vorliegen eines Verfahrensmangels geltend, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, so müssen die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34 und 36). Darüber hinaus ist die Darlegung zu verlangen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der materiellen Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36), es sei denn, es würden absolute Revisionsgründe gerügt, bei denen gemäß § 202 SGG iVm § 547 Zivilprozessordnung der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird. Ein entsprechendes Vorbringen des Klägers fehlt.

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Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.

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Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 52 Abs 1 bis 3 GKG. Da der Kläger einen immateriellen Schaden in Höhe von 3600 Euro geltend macht, ist der Streitwert in entsprechender Höhe festzusetzen.

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