Beschluss vom Bundessozialgericht (10. Senat) - B 10 EG 4/14 B
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. Januar 2014 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Die Klägerin begehrt weiteres Elterngeld, weil die Beklagte ihr nur Elterngeld für den 9. bis 14. Lebensmonat ihrer am 2009 geborenen Tochter gewährt hat. Die Gewährung für die vorangegangenen Monate lehnte die Beklagte ab, weil Elterngeld nach § 7 Abs 1 BEEG rückwirkend nur für die letzten 3 Bezugsmonate vor Antragstellung gezahlt werden könne und der Antrag nicht rechtzeitig eingegangen sei (Bescheid vom 1.9.2010).
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Die Klägerin widersprach mit dem Vortrag, bereits am 3.4.2010 um 17:00 Uhr sei ein Elterngeldantrag in einen genau bezeichneten Postkasten Hannover eingeworfen worden und beantragte die Wiedereinsetzung in die Antragsfrist des § 7 Abs 1 BEEG.
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Die nach erfolglosem Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das SG nach Anhörung der Klägerin und Zeugenvernehmung ihres Ehemannes ab, weil die Klägerin die Zweiwochenfrist des § 27 Abs 2 S 1 SGB X für den Wiedereinsetzungsantrag versäumt habe.
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Im von ihr angestrengten Berufungsverfahren hat das LSG Niedersachsen-Bremen die Klägerin erneut angehört sowie die Zeugenvernehmung ihres Ehemannes wiederholt und auf dieser Grundlage die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 22.1.2014). Die Klägerin habe für den streitbefangenen Zeitraum die Antragsfrist versäumt und könne auch keine Wiedereinsetzung in die Antragsfrist des § 7 Abs 1 BEEG verlangen. Die behauptete frühere Absendung eines Elterngeldantrags an die Beklagte habe sie nicht glaubhaft gemacht. Insofern überwögen vielmehr unter Berücksichtigung der weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren in der maßgeblichen Gesamtbetrachtung die Zweifel, die gegen ihre Angaben sprächen, weil durchgreifende Ungereimtheiten und Unklarheiten verblieben.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie macht geltend, das LSG habe ihr rechtliches Gehör verletzt, weil es ihren Vortrag nicht in vollem Umfang zur Kenntnis genommen und deshalb auch nicht umfassend gewürdigt habe. Das Berufungsgericht habe in seinem Urteil an der Richtigkeit der Angaben ihres Prozessbevollmächtigten über dessen anfängliche irrtümliche Falschbezeichnung eines Zeugen gezweifelt, ohne diese Zweifel durch eine Zeugenvernehmung des Prozessbevollmächtigten auszuräumen. Zudem habe das LSG die Zeugenaussage ihres Ehemannes in beiden Instanzen übergangen. Schließlich habe das LSG sein Urteil auf die verfassungswidrige Norm des § 7 Abs 1 BEEG gestützt, der gegen die Art 3, 6 und 20 Abs 1 GG verstoße. Insbesondere stelle es eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar, dass der Gesetzgeber im Elterngeldrecht anders als inzwischen beim Kindergeld weiterhin eine Ausschlussfrist normiert habe.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil kein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
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1. Ein Verfahrensmangel in Form eines Verstoßes gegen ihr rechtliches Gehör hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt.
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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Schon daran fehlt es. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Andererseits gibt es keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (BSG SozR 3-1500 § 112 Nr 2 S 3 = NJW 2000, 3590, 3591; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 S 3). Schließlich gewährleistet der Anspruch auf rechtliches Gehör nur, dass der Kläger gehört, nicht jedoch erhört wird. Art 103 Abs 1 GG verpflichtet das Gericht insbesondere nicht dazu, der Rechtsansicht eines Beteiligten oder seiner Tatsachenwürdigung zu folgen (vgl BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - Juris mwN).
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Angesichts dessen hat die Beschwerde nicht substantiiert dargelegt, welchen Vortrag der Klägerin das LSG unter Verletzung rechtlichen Gehörs übergangen haben sollte. Die Beschwerde wirft dem Berufungsgericht vor, es hätte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin als Zeugen vernehmen müssen, anstatt im Urteil seine Angaben (über die anfängliche, später korrigierte Falschbezeichnung eines Zeugen) und damit auch die Glaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin in Zweifel zu ziehen. Damit rügt die Beschwerde allerdings nicht die Verletzung rechtlichen Gehörs, sondern wendet sich gegen die Beweiswürdigung des LSG. Sie übersieht dabei, dass nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel von vornherein nicht auf eine Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann. Unabhängig davon hat es die Beschwerde versäumt, die von ihr kritisierte umfangreiche Beweiswürdigung des LSG vollständig wiederzugeben und sich damit umfassend auseinanderzusetzen. Ihre lediglich auszugsweise Wiedergabe des angefochtenen Urteils verwehrt es dem Senat, die vermeintliche Gehörsverletzung allein auf der Grundlage des Beschwerdevortrags zu überprüfen.
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Dasselbe ist dem Vorwurf der Beschwerde entgegenzuhalten, das LSG habe das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt, indem es die gerichtliche Zeugenvernehmung ihres Ehemannes in zwei Instanzen ignoriert und bei seiner Beweiswürdigung übergangen habe. Der darin liegende Angriff auf die Beweiswürdigung des LSG kann der Beschwerde wegen § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Auch lässt die Beschwerde wiederum eine substantiierte Auseinandersetzung mit der vollständigen Beweiswürdigung des LSG vermissen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin selber darlegt, das LSG habe zumindest einen Teil der Zeugenaussage ihres Ehemannes in seinem Urteil gewürdigt und als glaubhaft befunden.
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2. Ebenso wenig hat die Klägerin die der Sache nach behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hinreichend dargelegt.
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Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
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Wer insoweit als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung einen Verfassungsverstoß geltend macht, darf sich dabei nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechte beschränken, sondern muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den gerügten Verfassungsnormen in substantieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der infrage stehenden einfachgesetzlichen Norm aufgezeigt, die Sachgründe der jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des Grundgesetzes im Einzelnen dargelegt werden (vgl BSG Beschluss vom 12.7.2013 - B 1 KR 123/12 B - Juris; Beschluss vom 5.12.2012 - B 1 KR 14/12 B - NZS 2013, 318). Die Beschwerde hat dabei aufzuzeigen, wie der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat (vgl BFH Beschluss vom 13.10.2009 - X B 77/09 - BFH/NV 2010, 656-657).
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Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerdebegründung. Sie behauptet lediglich pauschal die Verfassungswidrigkeit der Norm des § 7 Abs 1 BEEG, ohne auf die Rechtsprechung des BSG zu Antragsfristen in anderen Rechtsgebieten (vgl etwa BSG Urteil vom 10.12.2013 - B 13 R 91/11 R - Juris zur Pflegeversicherung; BSG Urteil vom 24.11.2005 - B 12 RA 9/03 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 5 zum Beitragsrecht) und speziell der Vorläuferregelung von § 7 Abs 1 BEEG im Erziehungsgeld einzugehen. In diesem Zusammenhang setzt sich die Beschwerde insbesondere nicht mit dem Normzweck des § 7 Abs 1 BEEG auseinander, die Auszahlung von Elterngeld im zeitlichen Zusammenhang mit dem Grund der Leistung sicherzustellen (vgl BSG Urteil vom 23.1.2008 - B 10 EG 6/07 R - SozR 4-7833 § 4 Nr 1, SozR 4-1300 § 27 Nr 3 unter Hinweis auf BT-Drucks 16/1889, S 25). Deshalb befasst sich die Beschwerde erst recht nicht mit der Frage, inwieweit dieses grundsätzlich legitime Ziel des Gesetzgebers die von ihr behaupteten, ohnehin nicht hinreichend substantiiert dargelegten Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen vermag.
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Soweit die Beschwerde schließlich eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung behauptet, weil das Kindergeldrecht inzwischen im Gegensatz zum Elterngeldrecht keine Ausschlussfristen für die Antragstellung mehr vorsehe, hat sie nicht substantiiert dargelegt, warum das Antragsverfahren bei der nach dem Willen des Gesetzgebers ausschließlich auf die Frühphase der Elternschaft (vgl BT-Drucks 16/1889, S 2) gerichteten Sozialleistung Elterngeld aus verfassungsrechtlich zwingenden Gründen genauso ausgestaltet sein müsste, wie bei der von Verfassungswegen auf Dauer gebotenen Freistellung des steuerrechtlichen Existenzminimums einerseits bzw der einkommensteuerrechtlichen Familienförderung (vgl BFH Beschluss vom 31.1.2007 - III B 167/06 - BFH/NV 2007, 865) durch die Kindergeldzahlung andererseits. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang einen Nichtannahmebeschluss des BVerfG (vom 6.11.2003 - 2 BvR 1240/02 - Juris) ins Feld führt, übergeht sie die darin enthaltene Betonung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Gewährung staatlicher Sozialleistungen wie dem Elterngeld.
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Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
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Referenzen
- 1 KR 123/12 1x (nicht zugeordnet)
- 13 R 91/11 1x (nicht zugeordnet)
- 10 EG 6/07 1x (nicht zugeordnet)
- 1 KR 14/12 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 1240/02 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 169 1x
- 12 RA 9/03 1x (nicht zugeordnet)
- 13 R 305/11 1x (nicht zugeordnet)
- X B 77/09 1x (nicht zugeordnet)
- SGG § 193 1x
- SGG § 160 1x
- III B 167/06 1x (nicht zugeordnet)
- BEEG § 7 Antragstellung 7x