Beschluss vom Bundessozialgericht (13. Senat) - B 13 R 349/15 B

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 18. August 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

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Das Sächsische LSG hat im Urteil vom 18.8.2015 einen Anspruch des 1951 geborenen Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung auch für den Zeitraum November 2012 bis April 2014 (nach Auslaufen der ihm ab 1.5.2006 bis 31.10.2012 befristet bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Beginn der Altersrente für langjährig Versicherte am 1.5.2014) verneint. Nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen sei der Kläger in dem genannten Zeitraum in der Lage gewesen, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liege nicht vor. Jedenfalls könne der Kläger zumutbar auf eine Tätigkeit als Mitarbeiter einer Poststelle verwiesen werden.

2

Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil ausschließlich einen Verfahrensmangel geltend.

3

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 24.11.2015 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, weil in ihr ein Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; Nr 21 RdNr 4; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 202 ff). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht.

5

Der Kläger rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Das LSG habe unmittelbar nach Ablehnung seines am 18.8.2015 noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung per Telefax angebrachten Befangenheitsantrags gegen die Vorsitzende Richterin J und die Richterin Dr. L die mündliche Verhandlung nicht fortführen und sodann in der Sache entscheiden dürfen. Vielmehr hätte es ihm zuvor die Erhebung einer Anhörungsrüge gegen die Entscheidung über die Ablehnungsgesuche ermöglichen müssen. Dass dies nicht geschehen sei, verletze ihn "in seinen Rechten gem. Art. 103 GG auf Einräumung des rechtlichen Gehörs". Eine tatsächliche Überprüfung der Rechtsauffassung des LSG hätte im Rahmen der Anhörungsrüge "zu einem anderen Ergebnis" geführt.

6

Mit diesem Vorbringen hat der Kläger eine Gehörsverletzung (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) nicht in schlüssiger Weise bezeichnet. Aus seiner Darstellung ergibt sich nicht, dass er bzw sein Prozessbevollmächtigter nach Verkündung des Beschlusses über die Zurückweisung der Befangenheitsanträge noch in der mündlichen Verhandlung eine Anhörungsrüge gegen diese Zwischenentscheidung angebracht hat. Vielmehr trägt er selbst vor, die entsprechende Anhörungsrüge erst knapp zwei Wochen nach Verkündung des Berufungsurteils mit Schriftsatz vom 1.9.2015 erhoben zu haben. Einen Verstoß gegen Art 103 Abs 1 GG kann aber nicht geltend machen, wer es selbst versäumt hat, sich vor Gericht durch die zumutbare Ausschöpfung der vom Prozessrecht eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten Gehör zu verschaffen (stRspr - s BVerfG Beschluss vom 18.8.2010 - 1 BvR 3268/07 - BVerfGK 17, 479 - Juris RdNr 28). Dass das LSG seinen Prozessbevollmächtigten daran gehindert hätte, in der mündlichen Verhandlung vor Stellung des Sachantrags eine Anhörungsrüge gegen die Zwischenentscheidung zu Protokoll zu erklären und näher zu begründen, macht der Kläger nicht geltend. Er berichtet sogar selbst, dass ausweislich des Protokolls die Beteiligten nach Fortsetzung der mündlichen Verhandlung in geänderter Gerichtsbesetzung das Wort erhalten hätten und das Sach- und Streitverhältnis mit ihnen erörtert wurde, ehe sein Prozessbevollmächtigter den Sachantrag stellte. Weshalb der Kläger davon Abstand nahm, bei dieser Gelegenheit die Rüge einer Gehörsverletzung gegenüber dem LSG zu erheben, erschließt sich aus seinem Vortrag nicht.

7

Aus dem von ihm herangezogenen Beschluss des BVerfG (Kammer) vom 6.5.2010 (1 BvR 96/10 - BVerfGK 17, 298 = SozR 4-1500 § 178a Nr 11) ergibt sich nichts anderes. Das BVerfG hat dort zwar ausgeführt, dass bei verfassungskonformer Auslegung des § 178a Abs 1 S 2 SGG eine Anhörungsrüge auch gegen die Zwischenentscheidung der Zurückweisung eines Befangenheitsgesuchs an sich statthaft sei. Hieraus folgt jedoch - anders als der Kläger offenbar meint - nicht, dass das Gericht nach einer solchen Zwischenentscheidung den Rechtsstreit zwingend zu vertagen hätte, um den Beteiligten Gelegenheit zur vollen Ausschöpfung der Frist von zwei Wochen für die Erhebung einer möglicherweise erwogenen Anhörungsrüge zu geben. Die abstrakte (ausnahmsweise) Statthaftigkeit einer Anhörungsrüge auch gegen solche Zwischenentscheidungen ist kein geeignetes Mittel, um die Vertagung eines Rechtsstreits selbst dann zu erzwingen, wenn in der mündlichen Verhandlung überhaupt keine Gehörsverletzung geltend gemacht und näher konkretisiert wird. Vielmehr ist in einer solchen Konstellation nach Abschluss der Instanz durch Verkündung des Berufungsurteils nicht nur ein zuvor angebrachtes Gesuch der Richterablehnung prozessual überholt (BSG Beschluss vom 6.6.2007 - B 8 KN 8/07 B - Juris RdNr 5 mwN), sondern auch eine darauf bezogene Anhörungsrüge nicht mehr statthaft (vgl BSG Beschluss vom 11.9.2015 - B 13 R 20/15 C - RdNr 7 f).

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Im Übrigen hat der Kläger mit seiner pauschalen Behauptung, die Überprüfung der Rechtsauffassung des LSG im Rahmen einer Anhörungsrüge hätte zu einem "andern" Ergebnis geführt, auch nicht in nachvollziehbarer Weise dargestellt, inwiefern das Berufungsurteil auf dem von ihm geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann.

9

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

10

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

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Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

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